Persönlichkeitssysteme
Seminar Leistungs- und Persönlichkeitsdiagnostik
Wintersemester 2009
Dipl. Psych. Romy John
Anna Gerlicher, Thomas Pfeffer und Robert Scharfenort
Persönlichkeitssysteme
1. Einführung
2. Objektive Persönlichkeitstests
3. Persönlichkeitsfragebogen
3.1. FPI
3.2. NEO-PI-R
4. Gruppenarbeit
Persönlichkeitssysteme
Definition von Persönlichkeit uneinheitlich:
- Relative Konstanz
- Komplexer Persönlichkeitsaufbau
Persönlichkeitssysteme
Anwendungsbereiche:
- Klinik
- Schullaufbahn-, Studienberatung
- Auswahlverfahren in Unternehmen
Persönlichkeitssysteme
„Objektive Persönlichkeitstests“
PersönlichkeitssystemeKennzeichen Objektiver Persönlichkeitstests
ist die multimodale Herangehensweise:
- Testmethoden aus Leistungsbereich
- Verfahren zur Verhaltensbeobachtung
- Skalen zur Selbstbeschreibung
- Teilweise psychophysiologische Messmethoden
Cattell (1948) → Q-, T-, L-Daten
Persönlichkeitssysteme
„Objektive Persönlichkeitstests versuchen persönliche Stilmerkmale aus dem
beobachtbaren Verhalten bei bestimmten (Leistungs-)Anforderungen zu erschließen, wobei die Registrierung der Art und Weise
der Problembearbeitung der Computer übernimmt.“
(Kubinger, 2006)
Persönlichkeitssysteme
1. Beispiel:
Arbeitshaltungen (Kubinger & Ebenhöh, 1996)
Persönlichkeitssysteme
1. Beispiel:
Arbeitshaltungen (Kubinger & Ebenhöh, 1996)
2. Beispiel:
Repressor - Sensitizer Test (Kubinger, noch nicht veröffentlicht)
Persönlichkeitssysteme
Sonderform: Implizite Assoziationstests
http://projectimplicit.net/
Persönlichkeitssysteme
ICH ANDERE
Schüchtern Nicht-Schüchtern
Positiv Negativ
Angst Gelassenheit
Persönlichkeitssysteme
IAT:
+ instruierte Verfälschung nur zu geringem Maße möglich
+ interne Konsistenz = gut
+ Verhaltensprädiktion besser als bei indirekten Verfahren
- Restest-Reliabilität .60
- relativ hoher Situationseinfluss
- Was messen IATs? Assoziierte Strukturen oder doch eher exekutive Kontrollprozesse (Aufgabenwechselkosten)?
Persönlichkeitssysteme
Objektive Persönlichkeitstests:
- (wenig ökonomisch)
- theoretische Konstrukte wie die BIG 5 können nicht abgebildet werden, bzw. die OPs liegen nicht auf der Ebene von Konstrukten
- Erfassung von „Persönlichkeitsstil“ statt „Persönlichkeit“
Persönlichkeitssysteme
Objektive Persönlichkeitstests:
+ keine Augenscheinvalidität, dadurch geringere Verfälschbarkeit !
+ hohe Auswertungs-, Erhebungs- und Erfassungsobjektivität
+ Erfassung einer Vielzahl von Informationen über Persönlichkeit die der Person nicht einmal selbst bewusst sein müssen
Das Freiburger
Persönlichkeitsinventar
Jochen Fahrenberg, Rainer Hampel und Herbert Selg
Idee
- Evaluation von Psychotherapie und
Reha-Maßnahmen
- Untersuchung von Belastungs- und Beanspruchungsprozessen
- Aggressivität und Prosozialität
Idee
- Verzicht auf Angst/Zwang sowie Copingpositionen als auch Kontrollüberzeugungen
- Fragebögen schon vorhanden
Idee
- Autoren bestimmten 10 Faktoren
- diese seinen sowohl in der praktischen Diagnostik als auch in der Forschung relevant
- Eysencks Dimension „Extraversion“ und „Emotionalität“
FPI - Entstehung
- Entstehung durch theoretisches Interesse der Autoren
- Konstrukte Aufgrund von Erfahrung
- Faktoren-/Item- und Clusteranalysen nur um Skalenentwürfe zu verbessern
FPI - Entstehung
- psychometrischer Test
- 1.Version 1970 bestehend aus 4 Bögen
FPI-G (Langfassung), FPI-A und FPI-B (parallele Habfassungen) und FPI (K)
- N = 630 (Eichstichprobe 1965-69)
FPI – Entstehung
- Zusatz: N = 300 Männer
N = 350 „Junge“ Männer
N = 175 „Junge“ Frauen
FPI-R
FPI-R = 138 Items
Item 1 wird nicht ausgewertet(„Ich habe die Anweisungen gelesen und bin bereit,
jeden Satz offen zu beantwortet“)
10 Hauptskalen je 12 Items
2 Zusatzskalen je 14 Items
FPI-R E aus 6 Standarditems und 8 zusätzlichen
FPI-R N aus 5 Standarditems und 9 zusätzlichen
18 Items sind negativ gepolt
Skalen
1. Lebenszufriedenheit
2. Soziale Orientierung
3. Leistungsorientierung
4. Gehemmtheit
5. Erregbarkeit
6. Aggressivität
7. Beanspruchung
8. Körperliche Beschwerden
9. Gesundheitssorgen
10. Offenheit
11. Extraversion
12. Emotionalität
Lebenszufriedenheit
Lebenszufrieden, gute Laune, zuversichtlich
vs.
Unzufrieden, bedrückt, negative Lebensinstellung
(3) „Ich habe (hatte) einen Beruf, der mich voll befriedigt“
(23)“Ich lebe mit mir selber in Frieden und ohne innere Konflikte“
• hohe Werte:
– gute Ehe– Beruf befriedigt– rückblickend nichts
anders machen– positive Zukunft
=> gelassenes Selbstvertrauen, gute Laune
• niedrige Werte:– Unzufrieden (Partner,
Beruf, usw.)– fühlen sich nicht
verwirklicht– Grübeln viel
=> bedrückte, unglückliche Stimmung
Soziale Orientierung
sozial verantwortlich, hilfsbereit, mitmenschlich
vs.
Eigenverantwortung in Notlagen betonend, selbstbezogen, unsolidarisch
(-22) “Ich bin der Ansicht, die Menschen in den Entwicklungsländern sollten sich zuerst
einmal selber helfen“
(80) “Ich bekomme häufig ein schlechtes Gewissen, wenn ich sehe wie schlecht es anderen Menschen geht“
Leistungsorientierung
Leistungsorientiert, aktiv, schnellhandelnd, ehrgeizig - konkurrierend
vs.
wenig leistungsorientiert oder energisch, wenig ehrgeizig - konkurrierend
(13) „Meine Bekannten halten mich für einen energischen Menschen“
(61) “Die beruflichen Aufgaben sind mir oft wichtiger als viel Freizeit oder interessante Hobbies“
Gehemmtheit
Gehemmt, unsicher, kontaktscheu
vs.
ungzwungen, selbstsicher, kontaktbereit
(-4) “Ich habe fast immer eine schlagfertige Antwort parat“
(97) “Ich erröte leicht“
Erregbarkeit
erregbar, empfindlich, unbeherrscht
vs.
ruhi, gelassen, selbstbeherrscht
(- 52) “Auch wenn es eher viel zu tun gibt, lasse ich mich nicht hetzen“
(115) “Oft rege ich mich zu rasch über jemanden auf“
Aggressivität
aggressives Verhalten, spontan und reaktiv, sich durchsetzend
vs.
wenig aggressiv, kontrolliert, zurückhaltend
(90) “Wenn ich wirklich wütend erde, bin ich in der Lage, jemandem eine runterzuhauen“
(132) “Lieber zum Äußersten gehen als feige sein“
Beanspruchung
Angespannt, überfordert, sich oft „im Stress“ fühlend
vs.
wenig beansprucht, nicht überfordert, belastbar
Körperliche Beschwerden
viele Beschwerden, psychosomatisch gestört
vs.
wenige Beschwerden, psychosomatisch nicht gestört
Gesundheitssorgen
Furcht vor Erkrankungen, gesundheitsbewußt, sich schonend
vs.
wenig Gesundheitssorgen, gesundheitlich unbekümmert, robust
Offenheit
offenes Zugeben kleiner Schwächen und alltäglicher Normverletzungen, ungeniert,
unkonventionell
vs.
an Umgangsnormen orientiert, auf guten Eindruck bedacht, mangelnde Selbstkritik,
verschlossen
Offenheit
Besonderheiten: stark altersabhängig
Offenheit = Persönlichkeitsmerkmal oder Antworttendenz?
ACHTUNG!
Bei niedrigen Werten Problem derInterpretierbarkeit des Fragebogens!
Extraversion
extravertiert, gesellig, impulsiv, unternehmenslustig
vs.
introvertiert, zurückhaltend, überlegt, ernst
Emotionalität
Emotional labil, empfindlich, ängstlich, viele Probleme und körperliche Beschwerden
vs.
emotional stabil, gelassen, selbstvertrauend, lebenszufrieden
Durchführung
Einzeltestung 10 - 30 Min.
„Überlegen Sie bitte nicht erst, welche Antwort vielleicht den „besten Eindruck“ machen könnte, sondern antworten Sie so, wie es für Sie persönlich gilt....“
Auswertung
Rohwerte -> Normtabelle -> Standardwert -> Abtragen in Auswertungdbogen
Auswertung
Kritische Differenz zweier Testwerte:
1 4.1 7 3.9
2 4.2 8 3.9
3 4.1 9 4.0
4 4.1 10 4.2
5 4.1 E 4.4
6 4.1 N 4.4
Normen
Repräsentativerhebung 1982 N = 2035
Zusammen mit dem Institut für Demoskopie Allensbach (dadurch repräsentativ)
Objektivität
- Auswertungs- und Durchführungsobjektivität gegeben
- Interpretationsobjektivität nur bei geschulten Diplompsychologen gegeben
Reliabilität
„Stabilität“ r = 0.8 (nach 2 Wochen)
r = 0.5 (nach 20 Jahren)
Zusammenfassung
- Nicht an „Big Five“ orientiert
- Umfangreiche Normstichprobe die nach wie vor aktualisiert wird
- Erfahrung bei Interpretation notwendig
- Kritische Betrachtung der Ergebnisse erforderlich
NEO-PI-R
- Costa und McCrae (1992)
- Dt. Version: Ostendorf und Angleitner
- Erfassung von Persönlichkeits-merkmalen
- Form S und F
NEO-PI-R
- 5 Persönlichkeitsbereiche, 30 Facetten
- 48 Items pro Dimension
- 8 Items pro Facette
- 240 Items (Kurzform: 60 Items)
NEO-PI-R
- Operationalisierung des Five-Factor-Models (FFM)
NEO-PI-R
- Operationalisierung des Five-Factor-Models (FFM)
- Neurotizismus
NEO-PI-R
- Operationalisierung des Five-Factor-Models (FFM)
- Neurotizismus- Extraversion
NEO-PI-R
- Operationalisierung des Five-Factor-Models (FFM)
- Neurotizismus- Extraversion- Offenheit
NEO-PI-R
- Operationalisierung des Five-Factor-Models (FFM)
- Neurotizismus- Extraversion- Offenheit- Verträglichkeit
NEO-PI-R
- Operationalisierung des Five-Factor-Models (FFM)
- Neurotizismus- Extraversion- Offenheit- Verträglichkeit- Gewissenhaftigkeit
NEO-PI-R
Neurotizismus
N1: Ängstlichkeit
N2: Reizbarkeit
N3: Depression
N4: Soziale Befangenheit
N5: Impulsivität
N6: Verletzlichkeit
NEO-PI-R
Beispiel zu N1 (Ängstlichkeit):
„Ich bin leicht zu erschrecken“
Beispiel zu N4 (Soz. Befangenheit):
„Ich bin selten verlegen, wenn ich unter anderen Leuten bin“
NEO-PI-R
Verträglichkeit
A1: Vertrauen
A2: Freimütigkeit
A3: Altruismus
A4: Entgegenkommen
A5: Bescheidenheit
A6: Gutherzigkeit
NEO-PI-R
Beispiel zu A3 (Altruismus):
„Manche Leute halten mich für selbstsüchtig und selbstgefällig“
Beispiel zu A5 (Bescheidenheit):
„Ich bemühe mich, bescheiden zu sein“
NEO-PI-R
Gewissenhaftigkeit
C1: Kompetenz
C2: Ordnungsliebe
C3: Pflichtbewusstsein
C4: Leistungsstreben
C5: Selbstdisziplin
C6: Besonnenheit
NEO-PI-R
Beispiel zu C1 (Kompetenz):
„Ich halte mich auf dem Laufenden
und treffe gewöhnlich intelligente Entscheidungen“
Beispiel zu C4 (Leistungsstreben):
„Ich arbeite hart, um meine Ziele zu erreichen“
Durchführung
NEO-PI-R
Extraversion
E1: Herzlichkeit
E2: Geselligkeit
E3: Durchsetzungsfähigkeit
E4: Aktivität
E5: Erlebnissuche
E6: Positive Emotionen
NEO-PI-R
Offenheit für Erfahrungen
O1: Offenheit für Fantasie
O2: Offenheit für Ästhetik
O3: Offenheit für Gefühle
O4: Offenheit für Handlungen
O5: Offenheit für Ideen
O6: Offenheit für Werte- und Normen
Normierung
- Nichtklinische: 11724
- Klinische: 279
- Deutschsprachige Länder
- Mehrere Teilstichproben
Normierung
Form S: 16 bis 20, 21 bis 24, 25 bis 29 30 bis 49 Jahre und 50+
Form F: 16 bis 29 und 30+
Gütekriterien
Objektivität und Reliabilität
Ausführungs- und Durchführungsobj.
Interraterreliabilität: ~ 0.5
Interne Konsistenz: 0.9 (Dimensionen)
0.53 - 0.85 (Facetten)
Gütekriterien
Reliabilität:
Retestreliabilität: .9 (Dimensionen)
.48 - .91 (Facetten)
Validität:
Übereinstimmung S und F: ~ 0.5
Übereinstimmung mit anderen Fragebögen (GT, TPF, ...)
Gütekriterien
Validität:
Kongruenz der deutschen und amerikanischen Form bei .96 - .98 (Dimensionen).
Kritik
- Zugehörigkeit von Item zu Dimension teilweise sehr offensichtlich
- Dadurch leicht manipulierbar (Personalauswahl!)
- Manche Items fragwürdig
- Interpretation der Testentwickler teilweise sehr wertend
Zusammenfassung
Obj. Persönlichkeitstests- Indirekte Messung- Kaum verfälschbar- Erfassungsobjektivität
Persönlichkeitsfragebogen- direkte Messung- Verfälschbarkeit- Kogn.Verzerrungen
durch Abruf von Erinnerungen
- Sehr ökonomisch- theoriengeleitet