Die StuDiePersonalwirtschaft STUDIE
BGM IM MITTELSTAND 2019/2020Das Betriebliche Gesundheitsmanagement in Zeiten der digitalen Transformation
Eine Studie der Zeitschrift Personalwirtschaft in Zusammenarbeit mit:
IMPRESSUM
BGM im Mittelstand 2019/2020
Das Betriebliche Gesundheitsmanagement in Zeiten der digitalen Transformation
Eine Studie der Zeitschrift Personalwirtschaft
Autorengruppe: Wiebke Arps, Hartmut Lüerßen, Dorit Mikula, Falk Naumann, Anika Ohlsen, Erwin Stickling
Marktforschungspartner: Lueerssen GmbH, München
Projektpartner: Fürstenberg Institut, ias-Gruppe, Techniker Krankenkasse
Art-Nr. 98002522
Gestaltung + Druck: Auhage und Schwarz, Leichlingen (Dezember 2019)
Cover-Foto: iStock, Getty Images
Alle Rechte vorbehalten.
© Wolters Kluwer Deutschland GmbH, Köln 2019
3BGM im Mittelstand 2019/2020
eDitorial
in Bewegung
uDer Blick auf das Betriebliche Gesund-heitsmanagement muss sich ändern und erhat sich teilweise auch schon geändert. Daszeigt die Neuauflage unserer Studie „BGMim Mittelstand“, die wir nach 2015 nunzum zweiten Mal zusammen mit dem Fürs-tenberg Institut, der ias-Gruppe und derTechniker Krankenkasse durchgeführt haben.
In heutigen Zeiten, in denen sich durch diedigitale Transformation Arbeitsplätze undJobprofile zum Teil drastisch wandeln, stehenFührungskräfte und Mitarbeiter vor beson-deren Herausforderungen. Herausforderun-gen, die nicht selten auch zu starken psy-chischen Belastungen führen. Die reineVerhaltensprävention, also die individuelleGesundheitsförderung einzelner Mitarbeiter,reicht in diesen Veränderungsprozessennicht mehr aus. Die sogenannte Verhältnis-prävention, bei der BGM auf die Rahmen-bedingungen des Arbeitens, auf die AspekteFührung und Zusammenarbeit blickt, solltean Bedeutung gewinnen. In der vorliegendenStudie haben wir daher die Beurteilung psy-
chischer Belastungen (GB Psych) und denZusammenhang von BGM und digitalemWandel besonders betrachtet.
Insgesamt haben sich 284 Studienteilnehmerdie Mühe gemacht, unsere Fragen zu beant-worten. Für das Fragebogendesign hattenwir mit Wiebke Arps (TK), Dorit Mikula,Falk Naumann (ias-Gruppe) und Anika Ohl-sen (Fürstenberg Institut) ausgewiesene BGM-Experten sowie mit Hartmut Lüerßen einenerfahrenen Marktforscher an unserer Seite.Ein großes Dankeschön an alle Teilnehmerund Partner!
Werfen Sie einen Blick in die spannendenErgebnisse und nehmen Sie Impulse für dieeigene HR-Arbeit mit. Erfolgreiches BGMbewegt nicht nur Körper und Geist, sondernauch Organisationen.
Erwin Stickling, Herausgeber
INHALT
Management Summary 4
Ziele und Maßnahmen 6
Bedeutung psychischer Gesundheit 12
Zusammenhang zwischen digitaler Transformation und BGM 16
Nachhaltige Verankerung von BGM 20
Fazit und Ausblick 25
Statistischer Anhang 26
4 BGM im Mittelstand 2019/2020
ManageMent SuMMary
Management Summary
1 BGM soll Mitarbeiter zufriedenermachen
Die Unternehmen verfolgen mit BGM meh-rere Ziele. Die Mitarbeiterzufriedenheit stehtan erster Stelle, das nachhaltige Leistungs-niveau an zweiter. Vor allem größere Un-ternehmen wollen damit aber auch gezieltihr Arbeitgeberimage fördern.
2 Gespräche und Befragungen stattAU-Statistiken
Die Unternehmen setzen bei der Analyseim BGM vor allem gezielte Mitarbeiterge-spräche und Mitarbeiterbefragungen ein(rund 60 Prozent). In der Vorgängerstudie2015 dominierte dagegen noch die Fehlzei-tenanalyse.
3 Bewegungsangebote dominierenSchaut man auf die Topthemen im BGM,sind es neben dem Arbeitsschutz vor allemBewegungsangebote, von denen Mitarbeiterprofitieren können (63 Prozent). Maßnah-men zur Vereinbarkeit von Familie und Berufsowie zum Thema Stressmanagement folgenauf den Plätzen zwei und drei.
4 Digitale Tools spielen im BGM nochkeine große Rolle
Während Informationsplattformen oder We-binare immerhin in vier von zehn befragtenUnternehmen eine große Bedeutung imBGM haben, spielen Tracking-Tools, Appsfür digitales Coaching oder die Telemedizinzurzeit kaum eine Rolle.
5 Arbeitsverdichtung und schlechteFührung belasten die Gesundheit
Die Befragten sehen in der zunehmendenArbeitsverdichtung und in einer schlechtenFührungskultur die zentralen Ursachen fürpsychische Belastungen und Erkrankungen.Gleichzeitig sind 43 Prozent der Studien-teilnehmer der Meinung, dass die Arbeits-verdichtung im eigenen Unternehmen nichtbesonders beachtet wird.
6 Die psychische Gefährdungsbeurteilungist immer noch kein Pflichtprogramm
55 Prozent der befragten Unternehmen führeneine Gefährdungsbeurteilung der psychischenBelastungen durch. Das sind zwar deutlichmehr im Vergleich zu 2015 (plus 20 Prozent-
5BGM im Mittelstand 2019/2020
ManageMent SuMMary
punkte), aber gemessen an den gesetzlichenAnforderungen zu wenig. Größere Unter-nehmen sind hier weiter (72 Prozent führendie Beurteilung durch). Allerdings: Nur 21Prozent der Unternehmen, die die GB Psychumsetzen, berücksichtigen alle vom Gesetz-geber empfohlenen Prozessschritte.
7 Zusammenhang von digitalerTransformation und BGM wirdunzureichend erkannt
Organisatorische Veränderungen, Arbeits-platzunsicherheit, kürzere Innovationszyklen,höhere Lernanforderungen – in fast derHälfte der befragten Unternehmen stellendiese Punkte große Herausforderungen derDigitalisierung dar. Die digitale Transforma-
tion wird aber nur selten mit BGM in Ver-bindung gebracht. In nur 12 Prozent derbefragten Unternehmen stellt die Begleitungder digitalen Transformation ein BGM-Zieldar. Und fast die Hälfte der Befragten ver-neinen die Aussage, dass BGM bei einer or-ganisatorischen Veränderung im eigenenUnternehmen eine wichtige Rolle spielt.
8 Immer noch zu viele Eintagsfliegen Im Mittelstand fehlt die strategische Ausrich-tung des BGM. Nur 26 Prozent der Unterneh-men haben ein übergreifendes BGM-Konzeptund nur 39 Prozent leiten aus den Analysenregelmäßige Maßnahmen ab. 58 Prozent derBefragten sind auch der Meinung, dass vieleBGM-Maßnahmen nur Eintagsfliegen sind.
9 Es fehlen qualifizierte BGM-Beauftragte
Bei 30 Prozent der befragten Unternehmenfehlt eine klar definierte Zuständigkeit fürdas Thema BGM, in Betrieben mit wenigerals 500 Mitarbeitern sagen sogar 41 Prozentder Befragten, dass niemand für das Themaexplizit zuständig sei. Den BGM-Beauftragtenfehlt zudem in der Mehrzahl der befragtenBetriebe ein besonderer Qualifikationsnach-weis für ihre BGM-Arbeit.
0 Das Top-Management erfährt zu wenig30 Prozent der Befragten sind der Meinung,dass das Top-Management so gut wie nichtsüber den Gesundheitszustand der Mitarbeitererfährt. p
6 BGM im Mittelstand 2019/2020
ziele unD MaSSnahMen
Kapitel 1: ziele und Maßnahmen
uGesundheit ist wichtig: Der Stellenwertder Gesundheit und die Leistungsfähigkeitder Mitarbeiter im Unternehmen werdenvon den Studienteilnehmern hoch bewertet.Insgesamt knapp 87 Prozent der Befragtenschätzen die Bedeutung der Gesundheit inihrem Unternehmen als hoch ein (siehe Ab-bildung 1). Dabei zeigen sich nur geringeUnterschiede zwischen Unternehmen mitweniger als 500 Mitarbeitern und dem ge-hobenen Mittelstand mit mehr als 500 Mit-arbeitern. Im Vergleich zur Vorgängerstudie2015 haben sich die Werte leicht positivverändert. So ist der Anteil der befragtenUnternehmen, die der Gesundheit einen„geringen“ oder „sehr geringen“ Stellenwert
beimessen, von 3,5 Prozent auf 2,1 Prozentgesunken.
MitarBeiterzufrieDenheit iM Blick
Die meisten Unternehmen verfolgen auchklare Ziele im Rahmen des Betrieblichen Ge-sundheitsmanagements (siehe Abbildung 2).Der wichtigste Aspekt, weshalb sich Unter-nehmen im Gesundheitsmanagement enga-gieren, ist die „Steigerung der Mitarbeiter -zufriedenheit“ mit 75 Prozent der Nennungen.An zweiter Stelle folgt ein „nachhaltig hohesGesundheits- und Leistungsniveau der Mit-arbeiter“. Die „Stärkung der persönlichen
Gesundheitskompetenz“ der Mitarbeiter liegtmit 57 Prozent auf Platz drei. An der Wich-tigkeit dieser Ziele hat sich im Vergleich zurStudie aus dem Jahr 2015 wenig verändert.
Das Thema Arbeitgeberimage gewinnt da-gegen im BGM an Bedeutung. Währendvor vier Jahren rund 46 Prozent der Befrag-ten dieses Imageziel verfolgten, sind es ak-tuell immerhin gut 53 Prozent. Schaut manzudem auf die Unternehmensgröße, wirdnoch ein Unterschied deutlich: Für größereUnternehmen mit mehr als 500 Beschäf-tigten ist das Ziel „besseres Arbeitgeberi-mage“ bedeutsamer als für kleinere Unter-nehmen (63,2 im Vergleich zu 48,1 Prozent).
7BGM im Mittelstand 2019/2020
ziele unD MaSSnahMen
Stellenwert GesundheitFrage: Welchen Stellenwert hat die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen?
N = 284
sehr hoch
hoch
eher hoch
eher gering
gering
sehr gering
100 %0 %
28,2
32,0
26,1
11,0
1,4
0,7
Hoher Stellenwert: In 87 Prozent der Unter-nehmen hat die Gesund-heit eine hohe Bedeutung.
Ziele im BGM Frage: Welche Ziele verfolgt Ihr Unternehmen mit BGM? (Mehrfachnennung möglich)
Abbildung 2
N = 284
Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit
Nachhaltig hohes Gesundheits- und Leistungsniveau der Mitarbeiter
Stärkung der persönlichen Gesundheitskompetenz
Besseres Arbeitgeberimage
Begleitung der Mitarbeiter durch die digitale Transformation
Wir verfolgen keine gesonderten Ziele mit BGM
100 %0 %
75,0
69,0
57,0
53,2
12,3
15,1
Abbildung 1
Mitarbeiterzufriedenheitim Blick: Die Unternehmenwollen mit dem BGM vorallem die Zufriedenheit derMitarbeiter erhöhen undderen Leistungsfähigkeitsichern.
8 BGM im Mittelstand 2019/2020
ziele unD MaSSnahMen
Auffallend und bedenklich sind zwei Werte:Zum einen verfolgen 15 Prozent der befragtenUnternehmen überhaupt keine Ziele, zum an-deren sehen auch nur gut 12 Prozent der Be-fragten einen Zusammenhang zwischen BGMund der digitalen Transformation. Dieser Aspektwird in Kapitel 3 noch näher beleuchtet.
geSpräche Statt StatiStiken
Hinsichtlich der Analysen zum Gesund-heitszustand der Mitarbeiter im Unterneh-men zeigt sich eine positive Entwicklung:BGM bedeutet für die meisten Studienteil-nehmer inzwischen mehr als nur die statis-tische Erfassung von Fehlzeiten. War dieAU-Datenanalyse im Jahr 2015 mit 64,1 Pro-zent der Nennungen noch das am häufigstengenutzte Instrument, liegt es in der aktuellenUntersuchung lediglich an vierter Stelle(siehe Abbildung 3).
Um herauszufinden, wie es den Beschäftigtengeht, setzen die Unternehmen auf mehr Nähezum Mitarbeiter. So sind Interviews und Mit -arbeitergespräche (62,3 Prozent) sowie Mitar-beiterbefragungen (58,8 Prozent) die am häu-figsten genutzten Analyseinstrumente im BGM.
Eine weitere, auf den ersten Blick erfreulicheEntwicklung: In 55,3 Prozent der befragtenUnternehmen wird eine psychische Gefähr-dungsbeurteilung durchgeführt: Im Vergleichzu 2015 ist das ein Plus von 20 Prozentpunk-ten. Das nachfolgende Kapitel 2 setzt sichmit dem Aspekt der psychischen Gesundheitund der GB Psych intensiver auseinander.
arBeitSSchutz unD BewegungS-angeBote DoMinieren
Bei den Maßnahmen zur Gesundheitsför-derung ergibt sich folgendes Bild (siehe Ab-bildung 4): Inhaltlich setzen die Unterneh-men neben dem klassischen Arbeitsschutz(76,8 Prozent) vor allem Bewegungsangebote(63 Prozent) und auf Maßnahmen zur Ver-einbarkeit von Familie und Beruf (52,1 Pro-zent). Die Rangfolge entspricht der aus derStudie 2015. Neu abgefragt wurde das Thema„Stressmanagement/Resilienz“, das mit 45,4Prozent auf Rang vier der gesundheitsför-dernden Maßnahmen landet. An Bedeutung hinzugewonnen haben dieThemen „Ernährung“ (2015: 25,9 Prozent)und „Suchtprävention“ (2015: 24,2), wobeidamals insgesamt 16 Kategorien abgefragt
wurden und eine Vergleichbarkeit daher nurbedingt möglich ist.
wenig DigitaliSierung iM BgM
Die Unternehmen schätzen die Bedeutungeinzelner Maßnahmen sehr unterschiedlichein (siehe Abbildung 5). Während Wieder-eingliederungsmaßnahmen, Führungskräf-tetrainings und Maßnahmen zur Vereinbar-keit von Beruf und Familie einen sehr hohenStellenwert im BGM besitzen, ist die Bedeu-tung besonderer digitaler Tools wie Fitness-Tracker, Gamification-Lösungen oder VirtualReality sehr gering. Ein Grund dafür könntedarin liegen, dass die Budgets für BGM wei-terhin begrenzt sind und digitale Experimentenicht finanzierbar sind. Web i nare oder di-gitale Informationsplattformen (Intranet)werden dagegen von jedem Vierten bezie-hungsweise jedem Dritten der Befragten fürsehr wichtig erachtet. Ohne eine digitaleKommunikationsunterstützung kommt BGMalso nicht aus. p
9BGM im Mittelstand 2019/2020
ziele unD MaSSnahMen
Instrumente zur Gesundheitsanalyse Frage: Welche Analysen zum Gesundheitszustand führt Ihr Unternehmen durch? (Mehrfachnennung möglich)
Kommunikation statt AU-Statistiken: Im Vergleich zur Befragung2015 setzen die Unterneh-men mittlerweile stärkerauf Gespräche und gezielteBefragungen, um mehrüber den Gesundheits-zustand der Mitarbeiter zu erfahren.
Abbildung 3
Interviews/Mitarbeitergespräche
Mitarbeiterbefragung
Psychische Gefährdungsbeurteilung
AU-Datenanalyse/Fehlzeitenbericht
Altersstrukturanalyse
Fluktuationsquote
Gesundheitszirkel/Fokusgruppen
Sonstige
Keine
53,362,3
53,058,8
35,255,3
64,154,9
46,237,3
43,026,8
29,422,2
9,314,8
9,010,9
N = 284
Ergebnisse 2015Ergebnisse 2019
100 %0 %
10 BGM im Mittelstand 2019/2020
ziele unD MaSSnahMen
Arbeitsschutz und Bewegunsgangebote dominieren.
Themen im BGM Frage: Zu welchen Themen setzen Sie Maßnahmen ein? (Mehrfachnennung möglich)
Abbildung 4
Arbeitsschutz
Bewegungsangebote (z. B. Rückentraining, Betriebssport)
Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Stressmanagement/Resilienz
Ernährung
Suchtprävention
Sonstige
Keine Maßnahmen im Unternehmen, auch nicht geplant
100 %0 %
76,8
63,0
52,1
45,4
41,5
28,9
18,0
8,1
N = 284
11BGM im Mittelstand 2019/2020
ziele unD MaSSnahMen
Programme und Tools im BGMFrage: Welche Bedeutung haben folgende Maßnahmen und Tools in Ihrem Unternehmen?
Der Einsatz digitaler Toolsspielt im BGM noch keinegroße Rolle.Webinare undOnline-Informationsplattfor-men zu Gesundheitsthemenhaben sich dagegen in vie-len Unternehmen etabliert.
Abbildung 5
völlig unwichtig sehr wichtig
BEM (Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement)
Führungskräfteschulungen
Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Informationsveranstaltungen
Webinare/Online-Unterweisungen
Online-Informationsplattform/Intranet zu BGM
Evaluierte/zertifizierte Gesundheitsprogramme
EAP (externe Mitarbeiterberatung)
Digitales Coaching (z. B. per App)
Digitale Teamwettbewerbe (Gamification)
Telemedizin in der Arbeitsmedizin
Tracking-Tools (z. B. Schrittzähler)
Virtual Reality
61
4,9
4,8
4,7
4,4
4,1
3,9
3,8
3,3
2,5
2,5
2,4
2,3
2,1
2 3 4 5N = 261
12 BGM im Mittelstand 2019/2020
pSychiSche geSunDheit
Kapitel 2: Bedeutung psychischer gesundheit
uDie psychischen Belastungen der Mitar-beiter und die dadurch bedingten Erkran-kungen haben in den letzten Jahren starkzugenommen. Das zeigen die Gesundheits-reporte der Krankenkassen deutlich sehr. Sowar 2018 laut dem TK-Gesundheitsreportfast jeder fünfte Fehltag durch psychischeErkrankungen bedingt. In dem Zeitraumvon 2006 bis 2018 ist sogar ein Anstieg derbetrieblichen Fehlzeiten aufgrund psy-chischer Belastungen um 92 Prozent zu ver-zeichnen.
zunehMenDe arBeitSverDichtung
Diese Entwicklung findet statt in einer Zeit,in der die großen Umwälzungen durch diedigitale Transformation noch bevorstehen.Für die Studienpartner war es daher wichtigzu untersuchen, wodurch psychische Belas-tungen besonders häufig hervorgerufen wer-den (Abbildung 6). Mit deutlichem Abstandstehen die beiden Themen „Arbeitsverdich-
tung“ sowie „schlechte Führungskultur“ mitrund 71 Prozent der Nennungen auf denersten beiden Plätzen der häufigsten Ursa-chen für psychische Belastungen oder Er-krankungen von Mitarbeitern.
An dritter Stelle folgt „Ärger im Team“ mit53,5 Prozent vor „privaten Problemen“ undden „permanenten Veränderungen/Schnel-ligkeit“ (jeweils gut 45 Prozent). Zukunfts-ängste oder die Angst vor einem Arbeits-platzverlust spielen dagegen nur einegeringere Bedeutung.
Bedenklich: Obwohl das Thema Arbeitsver-dichtung die häufigste Ursache für psychischeBelastungen oder Erkrankungen darstellt,beschäftigen sich zu wenige Unternehmenmit den Auswirkungen der Arbeitsverdich-tung. So wird folgende These von 42,6 Pro-zent der Befragten bejaht: „Der Einfluss vonArbeitsverdichtung und Schnelllebigkeit aufdie seelische Gesundheit wird in unseremUnternehmen nicht besonders beachtet.“
gB pSych iM koMMen
Um einen detaillierten Überblick über psy-chische Belastungen in der Belegschaft zuerhalten, ist eine Gefährdungsbeurteilungpsychischer Belastungen (GB Psych) erfor-derlich. Obwohl das Arbeitsschutzgesetz diesseit Jahren vorschreibt, besteht bei diesemwichtigen Thema noch erheblicher Nach-holbedarf. In der aktuellen Untersuchungsagen 55,3 Prozent der Befragten, dass ihrUnternehmen eine psychische Gefährdungs-beurteilung durchführt (siehe Kapitel 1, Ab-bildung 3). Dieser Wert ist im Vergleich zurVorstudie aus dem Jahr 2015 immerhin um20 Prozentpunkte gestiegen. Es tut sich alsoetwas. Und betrachtet man nur die befragtenUnternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern,sagen immerhin 71,6 Prozent der Befragten,sie würden eine Gefährdungsbeurteilungpsychischer Belastungen durchführen.
Um zu erfahren, wie ernsthaft und nachhaltigdie befragten Unternehmen die Gefähr-
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pSychiSche geSunDheit
Hauptursachen für psychische Belastungen
Frage: Was sind aus HR-Sicht die häufigsten Ursachen für psychische Belastungen oder Erkrankungen? (Mehrfachnennung möglich)
Abbildung 6
Arbeitsverdichtung
Schlechte Führungskultur
Ärger im Team
Private Probleme
Permanente Veränderungen/Schnelllebigkeit
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Angst vor Jobverlust/Zukunftsängste
71,1
70,8
53,5
45,8
45,4
34,9
23,9
Der Einfluss Arbeitsverdichtung und Schnelllebigkeit aufdie seelische Gesundheit wird in unserem Unternehmennicht besonders beachtet
42,6
45,8
11,6
100 %0 %N = 284 ja nein weiß nicht
Arbeitsverdichtungund schlechte Führungsind die Hauptursachefür psychische Bela-stungen der Mitarbei-ter. Bedenklich: Mehrals 40 Prozent der be-fragten Unternehmen befassen sich zu wenigmit den Auswirkungender Arbeitsverdichtungauf die Gesundheit.
14 BGM im Mittelstand 2019/2020
pSychiSche geSunDheit
dungsbeurteilung durchführen, wurde ananderer Stelle des Fragebogens danach ge-fragt, welche Schritte einer GB Psych um-gesetzt werden. Bei diesen in Abbildung 7aufgeführten sieben Schritten handelt essich um Empfehlungen aus dem sogenann-ten GDA-Arbeitsprogramm Psyche, das 2017vom Bundesministerium für Arbeit und So-
ziales herausgegeben wurde. In der Befragunggab es allerdings keinen Hinweis auf dieseEmpfehlungen.
Der Blick auf die Ergebnisse zeigt: Wennauch hier noch knapp die Hälfte der Befragtenangeben, die psychische Belastung der Mit-arbeiter wird im Unternehmen ermittelt, so
lässt das Engagement bei den nachfolgendenSchritten doch stark nach. Von den Befragten,die eingangs der Befragung behaupteten,eine GB Psych durchzuführen (55,3 Prozentaus Abbildung 2), befolgen lediglich 21 Pro-zent alle sieben Schritte von der Festlegungder Tätigkeiten für die Gefährdungsbeurtei-lung bis zur Dokumentation. p
Vorgehen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer BelastungFrage: Psychische Belastungen führen immer häufiger zu Erkrankungen von Mitarbeitern. Wie geht Ihr Unternehmen damit um? (Mehrfachnennungen möglich)
Abbildung 7
Tätigkeiten/Bereiche für die Gefährdungsbeurteilungpsychischer Belastungen sind festgelegt
Die psychische Belastung der Mitarbeiter wird ermittelt
Die psychische Belastung der Arbeit wird beurteilt
Maßnahmen werden entwickelt und umgesetzt
Die Wirksamkeit der Maßnahmen wird kontrolliert
Das Vorgehen zur Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen wird aktuell gehalten/fortgeschrieben
Das Vorgehen zur Gefährdungsbeurteilungpsychischer Belastungen wird dokumentiert
Keine Maßnahmen und Aktivitäten im Zusammenhangmit Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen
0 %
39,8
47,5
43,3
45,8
31,0
30,3
34,9
31,3
100 %N = 284
Nur wenige Unternehmenmache sich die Mühe, alle erforderlichenSchritte einer Gefähr-dungsbeurteilung umzusetzen.
15BGM im Mittelstand 2019/2020
pSychiSche geSunDheit
Foto: Florian Liedel
„Die GB Psych hilft, Problemefrüh genug zu erfassen“
Frage an Dr. Alexandra Schröder-Wrusch, Vorstand ias-Gruppe:
Warum ist die psychische Gefährdungsbeurteilung wichtig und wie können Unternehmen sie praxisnah umsetzen?
uDie Belegschaft gut durch den Wandel in der Ar-beitswelt zu führen, erfordert ein genaues Bild darüber,wie sie mit den Veränderungen zurechtkommt. DieGB Psych ist ein sehr wichtiges Instrument, um das inErfahrung zu bringen. Stress und Belastungen werdenindividuell unterschiedlich erlebt. Daher empfiehltsich eine strukturierte Befragung der Beschäftigten, so-dass Unternehmen Antworten erhalten, mit denen sie
konkret weiterarbeiten können. Die Erhebung psy-chischer Belastungen hilft, mögliche Problemfelder zuerfassen – und zwar bevor sie sich in erhöhtem Kran-kenstand, sinkender Leistungsfähigkeit oder steigenderFluktuation manifestieren. Wenn die Ergebnisse genutztwerden, passende Maßnahmen zu ergreifen, haben Ar-beitgeber eine große Chance, die Leistungsfähigkeitdes Einzelnen und des Unternehmens zu sichern. p
16 BGM im Mittelstand 2019/2020
Digitale tranSforMation
Kapitel 3: zusammenhang zwischen digitalertransformation und BgM
uDie Folgen des digitalen Wandels undder veränderten Marktbedingungen spürenzurzeit viele Unternehmen. Nicht zuletztdie pressewirksamen Meldungen aus demBanken- und Automotive-Sektor über Ar-beitsplatzabbau und -umbau verunsicherndie Öffentlichkeit. Doch werden diese Ver-änderungen auch mit dem BetrieblichenGesundheitsmanagement in Verbindunggebracht?
Die folgen Der DigitaliSierung
Der digitale Wandel beschäftigt auch diebefragten Unternehmen. Die Herausforde-rungen, die durch die Digitalisierung imeigenen Unternehmen gemeistert werdenmüssen, sind durchaus groß und werdenauch als solche erkannt. Die Studienteil-nehmer sollten auf einer Skala von 1 (völligunwichtig) bis 6 (sehr wichtig) unterschied-liche Herausforderungen bewerten. In Ab-bildung 8 sind die Ergebnisse zu sehen.Demnach ist die Umsetzung organisatori-
scher Veränderungen die größte Heraus-forderung in der digitalen Transformationdes eigenen Unternehmens (durchschnitt-licher Skalenwert von 4,3). In einer Top-Box-Betrachtung (Skalenwerte 5-6) erachtenfast die Hälfte der Befragten diesen Change-Aspekt für sehr wichtig. Nur für jedes zehnteUnternehmen scheint es unwichtig zu sein(Skalenwerte 1-2).
Die Führungskräfte sind also im besonderenMaße als Change Manager gefordert, umdie Belegschaft auf Veränderungsprozessevorzubereiten und mögliche psychischeBelastungen rechtzeitig zu erkennen. Fol-gerichtig wird auch die Entwicklung neuerFührungskonzepte als eine große Heraus-forderung gesehen (Durchschnittswert4,1).
Insgesamt wird den Belegschaften einegroße Veränderungsbereitschaft abverlangt,bei den größeren Unternehmen (mit mehrals 500 Mitarbeitern) noch stärker als bei
den kleineren Unternehmen, wie eine wei-tere Analyse der Daten zeigt.
Die rolle von BgM iM change
Bei der Frage nach den BGM-Zielen in Kapitel 1wurde bereits deutlich, dass nur wenige Un-ternehmen das betriebliche Gesundheitsma-nagement gezielt dafür einsetzen, um die Mit-arbeiter beim digitalen Wandel zu begleiten.Nur gut zwölf Prozent der Studienteilnehmerverfolgen dieses Ziel, bei den größeren Un-ternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiternsind es immerhin 21 Prozent (Abbildung 9).
Der Change-Aspekt sollte in der Studie durcheine weitere Frage untermauert werden (Ab-bildung 10). Das Ergebnis: Bei fast der Hälfteder befragten Unternehmen (47,2 Prozent)spielt BGM im Transformationsprozess keinewichtige Rolle. Nur gut ein Drittel der Be-fragten (37,3 Prozent) nimmt die Schnittstellezwischen Change Management und BGMernst. p
17BGM im Mittelstand 2019/2020
Digitale tranSforMation
Die digitale Transfor-mation stellt die Unter-nehmen unter großenVeränderungsdruck.
Herausforderungen durch die Digitalisierung Frage: Wie bewerten Sie folgenden Herausforderungen, die durch die Digitalisierung in Ihrem Unternehmen gemeistert werden müssen?
Abbildung 8
Umsetzung organisatorische Veränderungen 4,3
Höhere Informationsdichte, kürzere Informationszyklen 4,2
Verändertes Lernverhalten, Zugang zu Wissen, 4,2permanente Weiterentwicklung, digitale Grundkompetenz
Verlust bekannter/etablierter Arbeitsstrukturen, Unsicherheit, Sorge 4,2
Entwicklung neuer Führungskonzepte 4,1
Entwicklung neuer persönlicher Kompetenzen 4,1
Entwicklung neuer fachlicher Kompetenzen 4,0
Entwicklung neuer Arbeitsplatzmodelle 3,9
1 2 3 4 5 6N = 261 völlig unwichtig sehr wichtig
18 BGM im Mittelstand 2019/2020
Digitale tranSforMation
BGM-Ziel: Begleitung der Mitarbeiter durch die digitale Transformation
N = 284
21,1 % Ja(Betriebe > 500 MA)
7,9 % Ja(Betriebe < 500 MA)
Nur wenige Unternehmen sehen in der bewussten Begleitungder digitalen Transformation ein explizites BGM-Ziel.
Die Rolle von BGM bei ChangeStimmen Sie der folgenden These zu?
Abbildung 10
Abbildung 9
N = 284 ja nein weiß nicht
BGM spielt bei organisatorischen Veränderungen einewichtige Rolle in unserem Unternehmen
0 %
37,3
47,2
15,5
100 %
Bei der Hälfte der befragten Unternehmen spielt BGM bei Veränderungsprozessen keine wichtige Rolle.
19BGM im Mittelstand 2019/2020
Digitale tranSforMation
Foto: Fürstenberg
„Gesunde Mitarbeiter sind flexibler“
Frage an Reinhild Fürstenberg,Geschäftsführerin Fürstenberg Institut:
Wann und wie sollte BGM bei Transformationsprozessen in Unternehmen eine Rolle spielen?
uGesunde, leistungsfähige Mitarbeiter und Führungs-kräfte bilden gerade in Veränderungsprozessen einewichtige Säule. Wer psychisch stabil ist, kann sich inder Regel leichter auf Veränderungen und die häufigdamit einhergehende Mehrarbeit oder -belastung ein-stellen und bringt mehr Flexibilität sowie Begeisterungmit, um neue Situationen anzunehmen und mitzu-gestalten. BGM sollte deshalb nicht erst zu Beginn
eines Veränderungsprozesses etabliert, sondern ganz-heitlich und präventiv aufgestellt werden. Wenn esin den Organisationsstrukturen und der Führungs-strategie verankert ist, kann BGM die Belegschaftlangfristig stärken, sodass bei zusätzlichen Heraus-forderungen und veränderten RahmenbedingungenFehlzeiten aufgrund psychischer Belastungen geringbleiben. p
20 BGM im Mittelstand 2019/2020
nachhaltige verankerung
Kapitel 4: nachhaltige verankerung von BgM
uDie Studienteilnehmer sollten beurteilen,wie mit BGM-Analysen umgehen und obsie ein übergreifendes BGM-Konzept ver-folgen. Dafür wurden Aussagen als Gegen-satzpaare bewertet. In Abbildung 11 ist dieHäufigkeit der beiden höchsten und nied-rigsten Bewertungsmöglichkeiten dargestellt.Demnach führen gut 30 Prozent der befrag-ten Unternehmen regelmäßig Erhebungendurch und knapp 40 Prozent leiten darausregelmäßige Maßnahmen ab (Top 2 derSkala).
zu viele eintagSfliegen
Eingebettet in ein übergreifendes BGM-Konzept sind die Erhebungen und Maß-nahmen jedoch nur selten. Lediglich 25,7Prozent der befragten Unternehmen habenbisher übergreifende BGM-Konzepte ent-wickelt. Vor allem in kleineren Unterneh-men fehlt ein konzeptioneller Ansatz. In-sofern verwundert es nicht, wenn 58 Prozentder Studienteilnehmer selbstkritisch sagen,dass viele BGM-Maßnahmen Eintagsfliegensind.
geSunDheitSManager SinD rar
Die fehlende Nachhaltigkeit hängt auch damitzusammen, dass vor allem in kleineren Un-ternehmen klare Zuständigkeiten für das ThemaBGM fehlen (siehe Abbildung 12). In rund 40Prozent der befragten Unternehmen unter 500Mitarbeitern ist das so. BGM ist in jedem drittenUnternehmen eine Zusatzaufgabe des Perso-nalreferenten. Hauptberufliche BGM-Beauf-tragte leisten sich fast nur die größeren Un-ternehmen (in diesem Cluster 44,2 Prozent).
Doch es ist nicht nur die organisatorischeEinbindung, die es zu verbessern gilt. Beider Analyse der Qualifikationen, die dieBGM-Verantwortlichen in den Unternehmenhaben, wird großer Nachholbedarf deutlich(siehe Abbildung 13). Das gilt insbesonderein Unternehmen mit weniger als 500 Mit-arbeitern. In dieser Gruppe liegt der Anteilder BGM-Verantwortlichen, die keine zu-sätzliche fachliche Qualifikation haben, bei63 Prozent. Bei den größeren Unternehmentrifft das lediglich auf 29,5 Prozent der BGM-Verantwortlichen zu.
ahnunSgloSe geSchäftSführung?
Die Bedeutung von BGM leidet aber auchdaran, dass die Unternehmensleitung zuwenig eingebunden ist. Bei einem Viertelder befragten kleineren Unternehmen be-richtet ein BGM-Gremium an die Geschäfts-führung. Bei den größeren Unternehmensind es auch nur rund 38 Prozent.
Ein weiterer Wert gibt zu denken: 30 Prozentder befragten Unternehmen stimmen der Thesezu, „dass das Topmanagement des Unterneh-mens so gut wie nichts über den tatsächlichenGesundheitszustand der Mitarbeiter erfährt.Geführt wird fast ausschließlich mit Unfall-und Fehlzeitenstatistiken.“ In größeren Unter-nehmen ist dieses Problem noch ausgeprägter.
wenig BuDgetNachhaltiges BGM leidet offenbar auchimmer noch unter restriktiven Budgets. Nurrund 30 Prozent der Unternehmen gebenfür BGM mehr als 5000 Euro im Jahr aus(ohne Personalkosten). Viele Befragten ken-nen das Budget allerdings nicht. p
21BGM im Mittelstand 2019/2020
nachhaltige verankerung
Umgang mit BGM-AnalysenFrage: Wie geht Ihr Unternehmen mit den Ergebnissen der Analysen um?
Nur wenige Unternehmenhaben ein übergreifendesBGM-Konzept entwickelt.
Top 2 Bottom 2 Skala von 1-6
Es werden keine Maßnahmen abgeleitet
Es werden regelmäßig Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt
0 %
8,7 39,1
Es erfolgen unregelmäßige Erhebungen
Es erfolgen regelmäßige Erhebungen
20,2 30,4
Die BGM-Themen werden einzeln betrachtet und besprochen
Es existiert ein übergreifendes BGM-Konzept
24,1 25,7
BGM ist in unserem Unternehmen (noch) nichtnachhaltig genug, weil viele Maßnahmen Eintagsfliegen sind.
58,1
29,2
12,7
100 %0 %N = 284 ja nein weiß nicht
Abbildung 11
22 BGM im Mittelstand 2019/2020
nachhaltige verankerung
Zuständigkeiten für BGM Abbildung 12
Frage: Wer kümmert sich in Ihrem Unternehmen um das Thema BGM? (Mehrfachnennung möglich)
100 %0 %N = 284 > 500 MA < 500 MA
Es gibt einen hauptberuflichen BGM-Beauftragten
44,2
10,1
Es existiert ein BGM-Gremium, das an dieGeschäftsführung berichtet
37,9
23,8
Niemand ist explizit für das Thema BGM zuständig
BGM ist eine individuelle Zusatzaufgabeeines Personalreferenten
29,5
33,9
8,4
40,7
Vor allem in Betrieben mitweniger als 500 Mitar -beitern fehlen vielfach klare Zuständigkeiten fürdas Thema BGM.
23BGM im Mittelstand 2019/2020
nachhaltige verankerung
Qualifizierte Gesundheitsmanagersind in der Minderheit.
Qualifizierung der BGM-BeauftragtenFrage: Über welche Qualifikationen verfügen die BGM‐Verantwortlichen? (Mehrfachnennung möglich)
Abbildung 13
Die BGM-Verantwortlichen haben an Weiterbildungsmaßnahmen teilgenommen
N = 284 > 500 MA < 500 MA0 %
49,5
29,6
Die BGM-Verantwortlichen haben eineBerufsausbildung/Studium in dem Bereich abgechlossen
33,7
12,7
Die BGM-Verantwortlichen haben keine zusätzlichen fachlichen Qualifikationsnachweise
29,5
63,0
100 %
24 BGM im Mittelstand 2019/2020
nachhaltige verankerung
Foto: Techniker Krankenkasse
„Klare Verantwortlichkeitensind wichtig“
Frage an Dr. Sabine Voermans, Leiterin Gesundheitsmanagement der Techniker Krankenkasse:
Wie können es Unternehmen schaffen, Betriebliches Gesundheits -management nachhaltig zu verankern?
uBGM sollte sowohl auf den einzelnen Mitarbeiterabzielen als auch auf die Verhältnisse im Betrieb.Dabei müssen die beidseitigen Maßnahmen parallelund vernetzt laufen. Betriebliche Gesundheitsförderungwird auf Dauer ins Leere laufen, wenn Unterneh-mensleitung und Führungskräfte sie nicht unterstützen,indem sie als Wissensträger, Promotor und Vorbilderagieren. Ebenso ist das permanente Feedback der Be-schäftigten wesentlich, da sie am besten wissen, wasan ihren Arbeitsplätzen gut läuft und wo es Verbes-
serungspotenzial gibt. Wichtig sind außerdem einegewisse personelle Stabilität und klare Verantwort-lichkeiten und Organisationsstrukturen – Aufgabenund Kompetenzen müssen eindeutig definiert sein.BGM-Beauftragte agieren dabei als Organisationsent-wickler und Berater. Sie stoßen Projekte an, setzen siein der Koordination mit anderen um, überprüfen dieResonanz und sorgen zusammen mit dem Managementfür eine Weiterentwicklung des eingeschlagenenWeges. p
25BGM im Mittelstand 2019/2020
fazit unD auSBlick
fazit und ausblick
uDie Studienergebnisse zeigen, dass in denUnternehmen einiges unternommen wird, umdie Gesundheit der Mitarbeiter zu fördern. Po-sitiv ist dabei hervorzuheben, dass die Unter-nehmen mittlerweile versuchen, stärker überMitarbeiterbefragungen und Gespräche zu er-fahren, wo der Schuh drückt. Das zeugt voneiner vorausschauenden und präventiven Per-spektive in der Gesundheitsförderung. Auchdie Tatsache, dass sich im Vergleich zur Studie2015 deutlich mehr Unternehmen mit der Ge-fährdungsbeurteilung psychischer Belastungen(GB Psych) auseinandersetzen, ist erfreulich.
Es klaffen aber auch zum Teil erhebliche Lücken.Maßnahmen sind oft Eintagsfliegen. Es fehlenüberzeugende BGM-Konzepte. Die Studiener-gebnisse zeigen zudem sehr deutlich: BGMleidet unter mangelnder Zuständigkeit, Zeit-konflikten und fehlender fachlicher Expertise.
Die chance iM change ManageMent
Dabei kann das Betriebliche Gesundheitsma-nagement jenseits von klassischen Gesund-heitsthemen (Bewegung, Ernährung) geradein heutigen Zeiten vor allem mit der Perspektive
der psychischen Gesundheit punkten unddamit die Geschäftsführungen überzeugen.
Die digitale Transformation stellt die Unter-nehmen und ihre Mitarbeiter vor großen Ver-änderungsdruck. Die Arbeitsverdichtung nimmtweiter zu, getrieben von immer schnellerenVeränderungen. Die Organisationsentwicklunghinkt dieser Entwicklung häufig hinterher.Gleichzeitig lösen sich etablierte Prozesse,Teamstrukturen und Einheiten auf. Das erzeugtbei den Mitarbeitern große Unsicherheit.
Die Fähigkeit, Veränderungen einzuleiten, um-zusetzen und die Mitarbeiter dabei mitzuneh-men, wird zur zentralen Führungsaufgabe dernächsten Jahre. Für Führungskräfte bedeutetdiese Entwicklung, dass sich die erforderlichenFührungskompetenzen und Prioritäten verän-dern. Der Druck, der dadurch entsteht, belastetsie nicht nur selbst, sondern auch die Mitarbeiter.Der Zusammenhang zwischen schlechter Füh-rung als Quelle psychischer Belastungen wurdeim Rahmen der Befragung sehr deutlich.
Ein fundiertes BGM-Konzept bringt diese Ent-wicklungen in einen Zusammenhang und hilft
der Unternehmensführung nicht nur bei derFrüherkennung akuter Probleme innerhalb derBelegschaft. Vielmehr kann es wertvolle Impulsefür die Organisationsentwicklung liefern. Bisherwird dieses Ziel, dass BGM einen wichtigenBeitrag im Rahmen der digitalen Transformationleisten soll, jedoch nur von 12 Prozent der be-fragten Unternehmen formuliert. Das erscheintangesichts der bevorstehenden Veränderungender nächsten Jahre zu wenig.
gB pSych alS heBel
Die psychische Gefährdungsbeurteilungkönnte in der Neuausrichtung des BGM alszentraler Hebel in den Unternehmen fungierenund einen Bewusstseinswandel signalisieren.Durch gezielte Befragungen der Beschäftigtenzu psychisch belastenden Rahmenbedingun-gen lassen sich Problemfelder erkennen undgezielte Maßnahmen ableiten. Maßnahmen,die als Bausteine der Personal- und Organisa-tionsentwicklung die Resilienz und Leistungs-fähigkeit der Mitarbeiter und des Unterneh-mens stärken. Bisher gehen leider nur wenigeUnternehmen diesen konsequenten Weg imRahmen der GB Psych. p
26 BGM im Mittelstand 2019/2020
Struktur Der StuDienteilnehMer
Anhang: Struktur der Studienteilnehmer
uDie Grundlage für die vorliegende BGM-Studie ist eine Online-Befragung, die imZeitraum von Juni bis September 2019 statt-fand. In der Auswertung wurden insgesamt284 Fragebögen berücksichtigt.
MittelStanD iM fokuSDie Studienteilnehmer arbeiten zu einemDrittel in kleineren Unternehmen mit we-niger als 100 Mitarbeitern (32 Prozent).Großunternehmen mit mehr als 3000 Mit-arbeitern finden sich dagegen kaum unterden befragten Unternehmen (nur 6 Prozent).Einige Studienergebnisse wurden bewusst
in zwei Größenklassen verglichen, in einemUnternehmenscluster mit weniger als 500und einem mit mehr als 500 Mitarbeitern.Das erste Cluster mit kleinen und mittlerenUnternehmen unter 500 Beschäftigten re-präsentiert fast zwei Drittel der befragtenUnternehmen. Die teilnehmenden Unter-nehmen repräsentieren die unterschiedlichs-ten Brachen.
StuDienteilnehMer
Die Zielgruppe der Befragung waren Per-sonalverantwortliche, BGM-Experten und
Führungskräfte. Diese Zielgruppe wurde imRahmen der Befragung sehr gut erreicht.Der Anteil der Geschäftsführer lag bei 9,5Prozent, der von Führungskräften außerhalbHR bei 9,2 Prozent. Personalleiter warenzu 12 Prozent und Personalreferenten zu13 Prozent vertreten. Mit den Beauftragtenfür Arbeitssicherheit (9,5 Prozent) und denBGM-Beauftragten (18 Prozent) warenzudem ausgewiesene Experten unter denStudienteilnehmern. In der Gruppe „Sons-tige“ (28,9 Prozent) befanden sich über-wiegend Sachbearbeiter in HR-nahen Funk-tionen. p
27BGM im Mittelstand 2019/2020
Struktur Der StuDienteilnehMer
Mittelstandsperspektive:Zwei Drittel der befragtenUnternehmen beschäftigt weniger als 500 Mitarbeiter.
Unternehmensgröße Abbildung 14
bis zu 100 Mitarbeiter
101 bis 200 Mitarbeiter
201 bis 300 Mitarbeiter
301 bis 500 Mitarbeiter
501 bis 1000 Mitarbeiter
1001 bis 3000 Mitarbeiter
mehr als 3000 Mitarbeiter
100 %0 %
32,0
14,1
10,6
9,5
14,1
13,4
6,0
N = 284
Gut ein Viertel der Befragtensind Beauftragte für BGModer Arbeitssicherheit.
Funktion der Befragten Abbildung 15
Geschäftsführer
Personalleiter
Personalreferent
Beauftragter für Arbeitssicherheit
BGM-Beauftragter
Führungskraft außerhalb HR
Sonstiges
100 %0 %
9,5
12,0
13,0
9,5
18,0
9,2
28,9
N = 284
Die partner
Das Fürstenberg Institut unterstützt seit1989 Unternehmen dabei, die Gesundheitund Leistungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter,ihrer Führungskräfte und der gesamtenOrganisation nachhaltig zu verbessern.Das vernetzte und ganzheitliche Bera-tungsportfolio setzt sich zusammen ausder Mitarbeiter- und Führungskräftebera-tung (EAP), der gesundheitsorientiertenOrganisationsberatung, der FürstenbergAkademie und dem Work-Life-Service.
Kontakt: [email protected]
Die ias-Gruppe ist führender Anbieter fürintegrierte Lösungen im Betrieblichen Gesundheits- und Leistungsfähigkeits -management. Unsere Stärke liegt ineinem interdisziplinären Ansatz, der dieAngebote unserer drei LeistungsbereicheArbeitsschutz, Sicherheit und Arbeits -welten miteinander verzahnt. Dadurch erhält jeder Kunde ein Leistungspaket, das exakt auf seine spezifischen Anforde-rungen zugeschnitten ist.
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Als Deutschlands größte Krankenkasse beraten wir Unternehmen aller Branchenund Größen im Gesundheitsmanage-ment. Von Gesundheitsevents über Kurse im Betrieb bis zum ganzheitlichenBetrieblichen Gesundheitsmanagementmit professioneller Prozessberatung unter-stützen wir Unternehmen bundesweit.
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