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Page 1: Physikalische Zauberei: die Kette im Ring

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R A SA N T E PH YS I K |Physikalische Zauberei: die Kette im Ring Ein einfacher physikalischer Zaubertrick besteht darin, eine Kette überden Handrücken zu legen und danach von unten einen Ring über dieKette zu schieben. Der Ring kann entweder von der zweiten Hand oderder die Kette haltenden Hand gehalten werden. Er wird sodann losge-lassen und soll (mit einem Knoten) in der Kette hängen bleiben.

mit zwei Fingern halten (Abbil-dung 1), gelingt es manchmal – undmanchmal nicht. Der entscheidendephysikalische Tipp besteht darin,dass man einen der beiden Fingerzuerst wegzieht, so dass der Ring umdie Durchmesserachse kippt. Erbeginnt also, um den verbleibendenFinger zu rotieren, bevor er sich auchvon diesem löst.

Um den Trick nicht zu einfachdurchschaubar zu machen, sollteman vermeiden, den länger halten-den Finger nach oben zu bewegen,um die Rotation des Rings besser in Gang zu setzen. Es funktioniertaufgrund der physikalischen Gesetze auch so, und zwar wenigeroffensichtlich und daher eindrucks-voller.

Mit Hochgeschwindigkeitsaufnah-men lässt sich der Vorgang detailliertstudieren. Nach dem Loslassen desersten Fingers und vor dem Ablösenvom zweiten Finger beginnt der Ringzu rotieren. Nach etwa 100 ms hatsich der Ring um 90° gedreht. In

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einem der untersuchten Fälle er-reicht der Ring einen maximalenDrehwinkel von insgesamt etwa140°. Die durch Trägheit erwarteteweitere Rotation wird jedoch nachDurchschreiten des 90°-Winkelsgebremst und kommt praktisch zumStillstand, da das untere Kettenteilbei weiterer Rotation ausgelenktwird. Es stellt ein Gegengewicht dar,das ein Gegendrehmoment verur-sacht.

Ob der Versuch selbst nach solcheinem Bilderbuchstart erfolgreich ist,hängt von der Kombination mehrereGrößen ab, nämlich der Masse undDimension des Rings, der Steifigkeitder Kette sowie der Reibung zwi-schen Ring und Kette. Durch dasDrehen des Rings über 90° hinauswird das nach unten heraushängendeKettenende ausgelenkt. Die beidenTeile beginnen bei geringer Gleitrei-bung auf der Außenseite des Ringslangsam nach oben zu rutschen. Diesführt dazu, dass sich schon währenddes Falls ein Knoten bildet, sofernbeide Kettenteile es schaffen, überdie dickste Stelle nach oben zurutschen. Kurz bevor der Ring ganzunten ist, kann es – insbesondere beieiner feingliedrigen Kette - vorkom-men, dass der darunter befindlicheKettenrest mit Schwung um denRing rotiert.

Ein wesentlicher Parameter fürdieses Experiment ist die erforderli-che Kettenlänge. Die unter dem Ringbefindliche Kette muss mindestensso lang sein, dass der Ring über 90°drehen kann, um die Kette auszulen-ken. Auf Hochgeschwindigkeitsauf-nahmen erkennt man, dass der maxi -male Drehwinkel bei schwerem Ringund grober Kette etwa bei drei Ring -durchmessern unter der Startpositionerreicht war. In der Tat konnten wirselbst bei minimalen Falllängen umetwa 15 cm (die Kette einfach mehr -fach um Hand schlingen) den Ver-such erfolgreich durchführen. Abbil-dung 2 zeigt einige Momentaufnah-men eines erfolgreichen Falls von derSeite aufgenommen mit 1000 Bildernpro Sekunde (Videoaufnahmen fin -den Sie auf www.phiuz.de, Special

Selbst wenn der Versuch mehrfachvorgeführt wird, fällt es Unwissendenhäufig schwer, ihn erfolgreich nach-zumachen. Meistens fällt der Ringeinfach aus der Kette heraus auf denBoden. Erst wenn als Hilfestellungmitgeteilt wird, man solle den Ring

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Abb. 1 Ein Ring mit etwa 5 cm Durch-messer wird von unten auf die über derHand hängenden Kette (Gesamtlängeetwa 1 m) geschoben und dann mitzwei Fingern gehalten. Nach demLoslassen soll der Ring (mit einemKnoten) in der Kette hängen bleiben.

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Letztlich stellt sich die Frage,welche Parameter bei richtigem Startdes Experiments eine Rolle für dasGelingen spielen. Zum einen kommtes auf die richtige Kombination derMasse und Dimension des Rings mitder Steifigkeit der Kette, zum ande-ren auf die Reibung zwischen Ringund Kette an. Grobgliedrige Kettensind steifer als feingliedrige. Deshalbkönnen Ringe kleiner Masse sichnicht so weit drehen, dass die unte-ren Kettenteile stark ausgelenkt wer -den. Das ist aber notwendig, damitdas Rutschen der Kette über denRing beginnt. Bei Kombination einesleichten Rings mit einer grobgliedri-geren Kette funktioniert die Knoten-bildung nicht. Viele andere Kombina-tionen führen dagegen zum Erfolg.

Wir empfehlen, einen odermehrere Ringe zu kaufen und danndie Ketten durch Ausprobieren aus -zuwählen. Dabei kann es schon vor -

kommen, dass man sich seltsameBlicke der Verkäufer in Bastellädenoder Baumärkten gefallen lassenmuss. Diese werden aber durch dieverwunderten Blicke nach erfolgrei-cher Demonstration allemal aufge -wogen.

Literatur [1] M.Vollmer, K.-P. Möllmann, Phys. Teach.

2011, 49, 335.[2] M. Vollmer, K.-P. Möllmann, Prax. Natur-

wiss. Phys. 2011, 60(5), 30.

Michael Vollmer, Klaus-Peter Möll-mann, FH Brandenburg

Abb. 2 Versuch bei einer Restkettenlänge von nur etwa 15 cm unter dem Ring (feingliedrige Kette und leichter Ring). Man erkennt deutlich das Nach-oben-Rutschen des unteren Kettenteils über den Ring mit Bildung des Knotens (1000 Bilder pro Sekunde, Belichtungszeit 1/5000 s).

AU SS T E L LU N G |Auf Teilchenjagd mit Wolfgang PaulAnlässlich des 100. Geburtstags vonWolfgang Paul (1913–1993) hat dasDeutsche Museum in München demPhysiker eine Sonderausstellung gewid-met. Physikalische Experimente zumMitmachen, eine Teilchenkammer sowieein Teilchenbeschleuniger gehören zuden Highlights. Wolfgang Paul galt alsvirtuoser Experimentator, begeisterterHochschullehrer, groß zügiger Ideenge-ber und weitsichtiger Wissenschafts -organisator.

Die Ausstellung läuft bis zum 24. August 2014. Weitere Informationen:www.deutsches-museum.de/bonn/ausstellungen/ausstellungen-2013/wolfgang-paul


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