Download - Soziale Beziehungen älterer Menschen in stationären Einrichtungen Macht - Autorität - Gewalt
21.04.23
Soziale Beziehungen älterer Menschen in stationären Einrichtungen
Macht - Autorität - Gewalt
Prof. Dr. Wolfgang Glatzer
Goethe-Universität Frankfurt am Main Fachbereich Gesellschaftswissenschaften
Institut für Gesellschafts- und Politikanalyse
Email: [email protected]
221.04.23
Gliederung
Einstieg
Familiäre Erfahrungen mit älteren Menschen
Soziologie und Pflegeberufe
Soziale Beziehungen und Macht
Macht: die unentbehrliche, ambivalente Ressource
Autorität: die sanfte Macht
Gewalt: die brutale Macht
Fundamente sozialer Beziehungen
Vertrauen: die Grundlage sozialer Beziehungen
Anerkennung: ein Beitrag zur Gleichberechtigung
Reziprozität: ein Ausgleichsmechanismus in sozialen Beziehungen
Selbstbestimmung: ein Grundbedürfnis im menschlichen Zusammenleben
Resümee
321.04.23
Familiäre Erfahrungen
Schloss Banz am Obermain
421.04.23
Familiäre Erfahrungen
Henriette (geb. 1863) Wilhelm (geb.1865)
521.04.23
Familiäre Erfahrungen
Anna (geb. 1895) Emmi (geb. 1922)
621.04.23
Familiäre Erfahrungen
Paul (geb. 1911)
721.04.23
Familiäre Erfahrungen
Klaus (geb. 1922)
Hedi (geb. 1922)
821.04.23
Soziologie und Pflegeberufe
Was ist Soziologie?
Soziologie ist einem ihrer großen Gründer - Max Weber – zufolge
„eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will“ (Weber 1947 S. 1).
Im Kontext der Pflegeberufe ist zu fragen: Wozu dient die Soziologie ?
In Analogie zu Max Weber kann man formulieren:
In der Profession der Pflegeberufe ist es kontinuierlich erforderlich soziales Handel deutend zu verstehen und zu erklären, um sie dadurch in ihrem Ablauf zieladäquat beeinflussen zu können.
921.04.23
Soziale Beziehungen und Macht
Macht: die unentbehrliche, ambivalente Ressource
„Macht bedeutet jede Chance innerhalb einer sozialen Beziehungen den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durch zu setzen." (Weber, 1947, S. 28).
Machtträger A
Machtpotential hoch niedrig
hochMachtbalance asymmetrische
Machtverteilung
niedrigasymmetrische Machtverteilung Ohnmacht
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er B
Übersicht 1: Die Machtverteilung und ihre sozialen Konsequenzen
1021.04.23
Soziale Beziehungen und Macht
realistisches Machtpotential
Macht hoch niedrig
hochgefestigte
Machtüberschätzte
Macht
niedrigunterschätzte
Machtlabile Macht
zug
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Übersicht 2: Die wahrgenommene Machtverteilung und ihre sozialen Folgen
1121.04.23
Soziale Beziehungen und Macht
Autorität: die sanfte Macht
Autorität ist gekennzeichnet:• einerseits durch den Autoritätsanspruch; • andererseits durch die Folgebereitschaft.
Die Bereitschaft zum Gehorchenwollen beruht vor allem auf dem Legitimitätsglauben, also der Annahme, dass der Machtanspruch gerechtfertigt ist.
Die Durchsetzungsfähigkeit von Macht und ihre Akzeptanz stehen in einem engen Zusammenhang mit ihrer Legimität.
1221.04.23
Gewalt: die brutale Macht
• Gewalt ist "physische Zwangseinwirkung von Personen auf Personen, die bestimmte angebbare Folgen hat" (Imbusch, S. 92).
• Die Anwendung von Gewalt hat die Verletzlichkeit eines Menschen und die Verletzungsmächtigkeit eines anderen zur Voraussetzung.
1321.04.23
Fundamente sozialer Beziehungen
Vertrauen: die Grundlage sozialer Beziehungen
"Vertrauen ist eine Annahme bzw. Wette über das künftige Verhalten anderer.“
(Roßteutscher 2009)
"Wie sehr und wie häufig wir Vertrauen schenken und uns auch selbst als vertrauenswürdig erweisen , merken wir erst, wenn wir die Fähigkeit dazu verloren haben." (s.o)
1421.04.23
Anerkennung: ein Beitrag zur Gleichberechtigung
Anerkennung wird definiert als Achtung der Bedürfnisse von Menschen, (insbesondere wenn sie) … einem nicht gleichgestellt sind (Becker 2009:78).
Ansehen, Ehre, Respekt sind verwandte Begriffe.
1521.04.23
Reziprozität: ein Ausgleichsmechanismus in sozialen Beziehungen
Reziprozität ist ein grundlegendes Steuerungskonzept für soziale Beziehungen. Man gibt etwas und erwirbt dabei das Recht etwas wieder zu bekommen.
„Durch die ritualisierte Abfolge von Geben, Nehmen und Erwidern können persönliche und enge Beziehungen erzeugt und intensiviert werden.“
(Hallein-Benze 2009:41)
1621.04.23
Selbstbestimmung: ein Grundbedürfnis im menschlichen Zusammenleben
"Tun oder unterlassen zu können, was man will, soweit man nicht andere schädigt - das ist in freien Gesellschaften jedermann selbstverständliches Recht“ (Wagner
2001)
Selbstbestimmung ist kein Privileg, dass wenige Menschen beanspruchen können, sondern ein Grundbedürfnis aller Menschen.
1721.04.23
Resümee
Thesen und Empfehlungen: • Zwischen den älteren Menschen und dem Pflegepersonal besteht oft eine Machtimbalance
und noch wichtiger ist zu erkennen, dass die Machtressourcen von älteren Menschen und Pflegern ganz verschieden sind. Der sanften Machtausübung durch Autorität, zum Wohl der älteren Menschen, sollte der Vorzug gegeben werden.
• Das Pflegepersonal ist gehalten Autorität, vor allem fachliche Autorität aufzubauen und damit Einfluss auf die älteren Menschen auszuüben. Dies ist vor allem wichtig, wenn ältere Menschen nicht mehr in der Lage sind ihre Interessen zu artikulieren und durchzusetzen.
• Gewaltanwendung ist eine Reaktion, die meist auf Stresssituationen und Überforderung zurückgeht, sowohl beim Pflegepersonal als auch bei älteren Menschen. Gewalttätiges Verhalten muss normativ und institutionell streng kontrolliert werden.
• Die Etablierung eines wechselseitigen Vertrauensverhältnisse ist als Basis der sozialen Beziehungen unabdingbar. Die Zerstörung von Vertrauen ist beidseitig zu vermeiden.
• Anerkennung und Respekt sind im Umgang von Pflegepersonal und älteren Menschen wichtige Grundlagen, auch wenn die hierzu notwendigen Kompetenzen beeinträchtigt sind.
• Es sollte auf Reziprozität in Beziehungen, zum Beispiel der wechselseitigen Bestätigung, geachtet werden. Reziprozität kann in vielfältigen physischen und psychischen Formen der Erwiderung und des Austausches erfolgen.
• So weit wie möglich sollte der Selbstbestimmung Raum gegeben werden, sowohl der Selbstbestimmung der älteren Menschen wie des Pflegepersonals. Kompromisse sollten nicht einseitig, sondern in einer Machtbalance gefunden werden.
1821.04.23
Literatur
Becker, Maya/Krätschmer-Hahn (Hg.) (2009): Fundamente sozialen Zusammenhalts. Frankfurt am Main, Campus
Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge (1992, 2. Aufl.): Nomenklatur der Altenhilfe. Eigenverlag
Geiger, Helmut (Hrsg.) (2003): Die Würde des alten Menschen ist unantastbar. Rechtliche, medizinische , wirtschaftliche und soziale Problem der lettzen Lebensphase. edition akademie Nr. 3
Görgen, Thomas (2000) Gewalt gegen älter Menschen im stationären Bereich. http://www.bibb.de/redaktion/altenpflege_saarland/literatur/gewalt_03.htm
Heinzelmann, Martin (2004): Das Altenheim - noch immer eine "Totale Institution". Eine Untersuchung des Binnenlebens zweier Altenheime. Göttingen, Dissertation
Imbusch, Peter (2006): Macht - Herrschaft - Autorität: In: Schäfers, Bernahrd/Kopp, Johannes (Hrsg.) 2006: Grundbegriffe der Soziologie. Wiesbaden, VS-Verlag S. 164 - 171
Imbusch, Peter (2006): Gewalt. In: Schäfers, Bernhard/Kopp, Johannes (Hrsg.) (2006): Grundbegriffe der Soziologie. Wiesbaden, VS-Verlag, S. 92 -94
Riedel, Annette/Stolz, Konrad (2009): Altenwohlgefährdung. Über die Schutzbedürftigkeit von älteren Menschen. Dr. Med. Mabuse November/Dezember 2009
Schroeter, Klaus R./Rosenthal Thomas (Hrsg.)(2005): Soziologie der Pflege. Grundlagen, Wissensbestände und Perspektiven. Weinheim und München, Juventa
Weber, Max (1947): Grundriss der Sozialökonomik. Wirtschaft und Gesellschaft. Halbband. Tübingen, Mohr/Siebeck