Die Lebensqualität für Kinder verbessern. Das ist unser Auftrag.
Sozialpädiatrie „Next Generation“Impulse zur Entwicklungsbegleitung
Holger PetriSozialpädiatrisches Zentrum der DRK-Kinderklink
Einführung
Vorbemerkung
• RahmenbedingungenKindergesundheit und Gesellschaft
• EntwicklungZwischen Veranlagung und Erziehung
• EntwicklungsförderungZwischen Hilflosigkeit und Hoffnung
„Die Typhusepidemie ist eine Sozialkrankheit, sie ist nur mit sozialen Mitteln zu bekämpfen.“
„Die Ärzte sind die natürlichen Anwälte der Armen.“
1847 Oberschlesien
„Neue Kinderkrankheiten“ = Sozialkrankheiten!
Vorbemerkung
15% aller Kinder zwischen 3 – 17 Jahren übergewichtig, 6% adipös(seit 1980 verdoppelt)
ADHS Prävalenz: bis 1995 3%, aktuell ca. 6% psychische Auffälligkeiten
Atopie (Allergie / Asthma / Neurodermitis): 1995 5% 2011: 17%, davon 10% dauerhafte Behandlung erforderlich
Rahmenbedingungen
Verschärfung der sozialen Unterschiede:v.a. männliche Jugendliche zunehmend schlechte Schulabschlüsse
•2002 - 2/3 der Jugendlichen Zugang zum Internet, •2010 - > 96%; der Jugendlichen•50% aller Jugendlichen täglich auf Facebook; •24 % der Jugendlichen reine Gamer,•ca. 3% mediensüchtige Jugendliche, •Ca. 6% suchtgefährdete
medienfixierte Unterschicht <-> kreative Freizeitelite
Es klafft ein zunehmend weiter Spalt zwischen wenigen - gut geförderten, gesunden - Kindern und einer zunehmend größer werdende Zahl von sozial Schwachen und gesundheitlich langfristig beeinträchtigen Kindern und Jugendlichen.
Rahmenbedingungen
Rahmenbedingungen• 2010: 16,5% der bundesdeutschen Bevölkerung < 18 Jahre (2000: 18,8%) =
13,1 Millionen minderjährige Kinder in den Haushalten Deutschlands, davon • 31% in Familien mit Migrationshintergrund• 76% bei ihren verheirateten Eltern• 17% mit nur einem Elternteil im Haushalt • 7% bei Paaren ohne Trauschein, rund 7 000 bei gleichgeschlechtlichen Paaren• (82 300 Scheidungen im Jahr 2010)• 51% in Paarfamilien mit beiden Elternteile berufstätig• (75 % ein Elternteil in Vollzeit, der andere in Teilzeit, bei 22% beide Elternteile
vollzeiterwerbstätig)• 33% in Familien mit Transferleistungen als Haupteinkommensquelle (Hartz IV
oder Sozialhilfe) • 2008 Anteil armutsgefährdeter Personen in Haushalten von Alleinerziehenden
bei 37,5% (2007: 35,9%)• 472 000 Kindern unter 3 Jahren in einer Kindertagesbetreuung• 2010/2011 45% der Sekundarstufen-Schüler am Gymnasium• 3,5% (= 474 000) Kinder und Jugendliche „Hilfe zur Erziehung“
(aus „Wie leben Kinder in Deutschland?“, Statist. Bundesamt, 3.8.2011)
Heilmittelreport 2010:
• 14 % der Kinder unter zehn Jahren erhielten Physiotherapie, Ergotherapie oder Logopädie
• „Medizinisierung der Kindheit“?
Aus: Michaelis M., Niemann G.; Entwicklungsneurologie und Neuropädiatrie, Thieme, Stuttgart / New York 1999
„Use it or lose it“(Synapsenselektion)
Maximum der Synapsendichte im präfrontalen Kortex:
3 ½ Jahre
13
Vom Schreitreflex zum freien Gehen sowie vom Saugreflex bis zur reifen Kau-Schluck-Atem-Koordination bedarf es des synchronisierten Zusammenspiels von
Interesse, adäquatem Wahrnehmungsangebot, Bewegungsmöglichkeit, Fürsorge und Förderung.
Nur so ist die möglichst vollständige Entfaltung der individuell möglichen Struktur und Funktion zu gewährleisten.
Zwischen Veranlagung (Programm) und Erziehung (Milieu)
• Innere Voraussetzungen: Neugier und Lernbereitschaft
• Äußere Voraussetzungen: Geborgenheit und Zuwendung,Körperliches und psychisches Wohlbefinden
Einheit (Abfolge) und Vielfalt (Ausprägung, Geschwindigkeit)
Intuition, Erfahrung, Information, Individualität…
Entwicklung
Erziehung muss sich an den individuellen Bedürfnissen und den Eigenheiten des Kindes orientieren.
dabei gilt
„Die Natur rechnet nicht mit perfekten Eltern“ (Remo Largo)
„Sie müssen als Eltern nicht perfekt sein – nur gut genug.“(Donald Winnicott)
Entwicklung
Lernen durch
• Imitation
• Spielerisches Entdecken
• Selbständigkeit erproben
• Selbstwirksamkeit erfahren
• Selbstwertgefühl stärken
Entwicklung
Entwicklung
Spontanumfrage „TOP 10 der Entwicklungsförderung“ (neben Liebe und Lob…):
• Zeit• „Ruh Dich!“• Geborgenheit• Lieder• Zuhören• Vorlesen• Natur• Medienkontrolle• Gemeinsame Mahlzeiten• Spiele(n)
• AOK-Studie 2010: „Basteln, Beten, Glotze aus“
Beispiel Sprachentwicklung
„Der Sprachbaum“
Sprache: Artikulation, Wortschatz, Grammatik
braucht:Sehen, Hören, Motorik,Sprachverständnis, Motivation,Akzeptanz und Liebe,Tägliche Kommunikation undSprachanregungen
aus Prof. Dr. Dipl. Psych. Wolfgang Wendlandt:„Sprachstörungen im Kindesalter -Materialien zur Früherkennung und Beratung“,© Thieme-Verlag, Stuttgart, 2000
Entwicklung
Wenn es schwierig wird („jenseits der 90. Perzentile…“), können verschiedene Ursachen dafür verantwortlich sein:
• Mangelnde Förderung in der Familie• Intensiver Medienkonsum• Schlafprobleme• Geschwisterzahl• Gesundheitliche Einschränkungen• Neurologische Erkrankungen• Genetisches Potenzial, Temperament• Psychische Erkrankungen der Eltern u.a.
Entwicklungsförderung
Wenn es schwierig wird („jenseits der 90. Perzentile…“), können verschiedene Maßnahmen in Frage kommen:
• Erziehungsberatung• Elternanleitung im Kindergarten• Aktivierung von Helfersystemen• Allgemeine Entwicklungsförderung
z.B.Psychomotorik,Schwimmkurs für Kleinkinder,Reiten / VoltigierenBewegungsspiele
Entwicklungsförderung
SeparationExklusion
Integration Inklusion
Entwicklungsförderung
ICF International Classification of Functioning, Disability and Health; WHO 2001
• Funktionale Gesundheitals Ergebnis der Wechselwirkung zwischen
dem Gesundheitsproblem (ICD) einer Person und ihrenKontextfaktoren (Umwelt- und personenbezogene Faktoren)
• Bio-psycho-soziales Modellangepaßt an die Lebenswirklichkeit Betroffener
Funktionale Gesundheit wird klassifiziert auf den Ebenen der
• Funktionen inkl. des mentalen Bereichs
• Strukturen des menschlichen Organismus
• Aktivität einer Person und ihrer
• Teilhabe an Lebensbereichen
Im Gegensatz zur ICIDH ressourcen- und defizitorientiert anwendbar
Entwicklungsförderung
Eltern stärken, Kinder fördern
Entlastung der Eltern Wertschätzung, ernst nehmen Sicherheit geben UnterstützungEntwicklungs-Beratung
Unterstützen der intuitiven elterlichen Kompetenzen
Beziehungsaufbau “watch, wait and wonder”
Entwicklungsförderung
Entwicklungsförderung
Auszeit Stille Zeit
Problembewältigungsstrategien
Familienregeln, direktes Ansprechen, absichtliches Ignorieren, klare ruhige Anweisungen, logische Konsequenzen
MotivationsstrategienAngemessenes Verhalten fördern•Beschreibend loben, •Aufmerksamkeit schenken, •anregende Beschäftigung
Neue Fertigkeiten und Verhaltensweisen beibringen•Gutes Vorbild sein•Beiläufiges Lernen nutzen•Fragen-Sagen-Tun anwenden
Beziehung Mit Kindern wertvolle Zeit verbringenMit Kindern redenKindern Zuneigung zeigen
Entwicklungsförderung
Jugendamt Sozialamt
Helfersysteme
SPZ KJP
FördererKindertageseinrichtungen
Kinderärzte
Therapeuten
Lehrer
PsychologenEhrenamt
Familie Eltern & KinderFreunde & Verwandte
Nachbarschaft & Vereine
Möglichkeiten nutzen, Grenzen erkennen, Unterstützung suchen und geben…