Download - „standard versus maßgefertigt“
Falldarstellung
die ChirurgisChe Vorgehensweise im ÜberbliCk
Die 55-jährige Patientin konsultierte unsere Praxis, da sie sich
eine optische Verbesserung ihrer Frontzahnsituation erhoffte
(Abb. 1). Die Behandlung war an ein definiertes Budget gebun-
den und folgte so dem Wunsch der Patientin nach Vorhersagbar-
keit und Transparenz in Bezug auf die zu erwartenden Kosten.
Nach eingehender Prüfung wurde der Zahn 21 als nicht
erhaltungswürdig eingestuft, an den Zähnen 13, 12, 11 und
22 wurden Revisionen der Wurzelfüllungen geplant, um die
Zähne nachfolgend bei guter Prognose mit Stiftaufbauten und
keramischen Kronen zu versorgen (Abb. 2).
Zahn 21 wurde schonend entfernt, so dass nur das Weichge-
websvolumen verbessert werden musste. Das Schleimhaut-
transplantat wurde dem Gaumen entnommen und passgenau
platziert (Abb. 3). Ein definierter Volumenüberschuss des
Weichgewebes ist für die Implantation und der im Anschluss
erforderlichen Weichgewebsausformung hilfreich (Abb. 5).
Das in diesem Termin eingegliederte, laborgefertigte Proviso-
rium ist hierbei ein wichtiger Protokollschritt (Abb. 4).
Ohne Einschränkungen kann der Heilungsprozess abgewar-
tet werden – gute Werkstoffe und zahntechnische Präzision
sind dabei förderlich. Der Patient bekommt ein Gefühl für
die spätere Ästhetik und kann seine eigenen Vorstellungen
hierzu frühzeitig mit einbringen.
Drei Monate später erfolgte die Insertion eines Ankylos-C/X-
Implantats. Dieses ist besonders zum Ersatz einzelner Zähne
geeignet und hat sich in unserer täglichen Praxis hervorragend
bewährt. Die deutliche Stufe zwischen Implantat und Einbring-
pfosten hilft bei der präzisen Platzierung. Die Insertion wurde
analog den Herstellervorgaben durchgeführt (Abb. 6).
Die spätere Freilegung und Abdrucknahme wurden ebenfalls
nach den klassischen Protokollschritten, durchgeführt (Abb. 7).
Seit mehreren Jahren reduzieren wir jedoch fallspezifisch die
Anzahl der Schritte, indem wir bereits am Tag der Insertion
eine sogenannte Indexabformung der Implantate vornehmen
und so bereits zum Freilegungstermin ein individuelles, ana-
tomisch geformtes „Healingabutment“ (Abb. 8) eingliedern
können.
Diese Veränderung des Implantatprotokolls empfinden wir
als zukunftsweisend. Nach zweiwöchiger Tragedauer dieses
keramischen „Gingivaformers“ ist das Gewebe optimal aus-
geformt und bietet mit seinem Emergenzprofil die perfekte
Vorlage für das spätere individuelle Abutment (Abb. 9).
Wichtigste Erkenntnis ist hierbei, dass jeder maßgefertigte
Aufbau durch ein ebenso individuelles Healingabutment
ergänzt werden muss. Präfabrizierte Komponenten sind nicht
zielführend, da ein unkorrekt ausgeformtes Gewebebett die
Eingliederung des definitiven Abutments behindert. Unver-
drängtes Gewebe kann eingeklemmt werden und so den rich-
tigen Sitz des Aufbaus verhindern, wodurch unter anderem ein
Bruchrisiko für die Schraube beim Eindrehen mit definiertem
Drehmoment bestehen kann.
„standard versus maßgefertigt“Welche Vorteile haben individuell gefertigte Aufbauten?
| Rafaela Jenatschke | Carsten Fischer
0 2 | i d e n t i t y 1 _ 1 1 i d e n t i t y 1 _ 1 1 | 0 3
1_Ausgangssituation der zu versorgenden Zähne 13 bis 22. Zahn 21 ist nicht erhaltungswürdig.
2_Röntgenbild Zahn 11 und 21.
3_Die Alveole wurde sorgfältig aufbereitet und das ungenügende Gewebsvolumen durch ein Weichgewebstransplantat
aus dem Gaumen ergänzt (Socket Preservation).
4_Ein laborgefertigtes Langzeitprovisorium reduziert mögliche Risiken auf ein Minimum. Die umliegende Mukosa hat somit
ausreichend Zeit zur Regeneration. Darüber hinaus können ästhetische Erwartungen definiert werden.
Der Patient muss bis zur Eingliederung der definitiven Versorgung keine Einschränkungen in Kauf nehmen.
5_Der erzielte Weichgewebsüberschuss wird benötigt, um eine unvermeidliche Reduktion im Rahmen der Heilung auszugleichen
und um anschließend im Zuge der Implantatinsertion ebenso ausreichendes Gewebe zur korrekten Ausformung zu erhalten.
6_Die Implantatinsertion erfolgt nach Herstellerangaben. Das Bild zeigt die Ankylos-C/X-Einbringpfosten,
mit der das Implantat in die korrekte Position geführt wird.
7_Zustand nach Freilegung und vor Abdrucknahme mit der offenen Löffeltechnik. Durch eine intraoperative
Abdrucknahme könnte man auf diese zusätzliche Sitzung fallspezifisch verzichten.
8_Individuelle Abutments erfordern eine individuelle Gingivaausformung. Um eine optimale Gewebsanlagerung
und korrekte Ausformung des Emergenzprofils zu erreichen, wird ein individuelles „Healingabutment“ aus Zirkon-
oxid angefertigt. Das definierte Emergenzprofil ist die perfekte Vorlage für das spätere maßgefertigte Abutment.
9_Die frühzeitige Eingliederung des individuellen Abutments aus Zirkondioxid (Cercon) ermöglicht eine bis
dato ungekannte schnelle Ausheilung des umliegenden Gewebes.
1_ 3_ 4_2_ 7_ 8_
9_
5_ 6_
Die richtige Wahl des Abutments ist eine zentrale Herausforderung für den Langzeiterfolg einer implantatprothe-
tischen Versorgung. Neben der Auswahl von Angulation und Schulter- bzw. Gingivahöhe rückt zusätzlich die
Frage nach dem richtigen Werkstoff – vor allem aus ästhetischer Sicht – in das Zentrum der Überlegungen.
Hierbei geht es insbesondere darum, unerwünschte Mukosaverfärbungen zu vermeiden.
Zwar gibt es für die Systeme Xive und Ankylos (DENTSPLY Friadent) eine Vielzahl von Standardkomponenten,
doch bei besonders stark geschwungenem Mukosaverlauf sind zeitgemäße Forderungen nach einem kontrollier-
baren Zementspalt, natürlichem Emergenzprofil (Durchtrittsprofil) und ausreichender Retention des Abutments
durch die Katalogkomponenten nicht immer zu erreichen. Ein neuartiges Verfahren zur Herstellung von maßge-
fertigten Abutments wird anhand des nachfolgenden Fallbeispiels beschrieben.
0 4 | i d e n t i t y 1 _ 1 1 i d e n t i t y 1 _ 1 1 | 0 5
dr. rafaela Jenatschke
Lyoner Straße 44–48, 60528 Frankfurt / D
Zt Carsten Fischer
sirius ceramics carsten fischer
Lyoner Straße 44–48, 60528 Frankfurt / D
Bildschirm auch direkt miteinander kommunizieren. Der Zahn-
arzt kreuzt seine Wünsche nicht mehr auf dem Laborauftrag an,
sondern diskutiert sie direkt mit dem Zahntechniker. Anhand
der digitalen Daten wird gemeinsam geplant und entschieden.
Insbesondere in Grenzfällen ist dies außerordentlich wichtig
(Abb. 15). Der basale Anteil des Zirkon-Aufbaus muss unter
Verwendung von Diamantpaste hochglänzend poliert werden.
Die Anschlussgeometrie wird dabei durch ein Arbeitsanalog
geschützt und darf nicht berührt werden.
Wir erhalten eine exakte Kopie der virtuellen Darstellung.
Die Fertigstellung der definitiven Versorgung erfolgt auf opti-
maler statischer Unterlage. Das maßgefertigte Abutment
folgt der Form der Nachbarzähne (Abb. 16 und 17).
Die Eingliederung des Abutments wird wiederum nach Her-
stellerangaben durchgeführt (Abb. 18) Durch die gesteuerte
Gewebsausformung funktioniert die Eingliederung so einfach
wie bei Standardkomponenten. Die Insertion der keramischen
Kronenversorgung erfolgt mithilfe eines palatinalen Zemen-
tierschlüssels. Die Implantatkrone ist schon kurz nach der
Eingliederung nicht mehr von den natürlichen Nachbarzähnen
zu unterscheiden (Abb. 20 und 21).
Maßgefertigte Aufbauten sind in unserem Arbeitsalltag bereits
jetzt zu einem festen Bestandteil unseres implantatprothe-
tischen Behandlungskonzepts geworden. Besonders in der
ästhetischen Zone und bei komplexen Versorgungen mit hoher
ästhetischer Erwartungshaltung seitens der Patienten sind sie
eine unverzichtbare Bereicherung zum kontrollierten Erfolg
der Restaurationen im Mund. n
ZahnteChnisChe FertigungssChritte
Das Implantatmodell wird nach den bekannten Techniken
mit einer weichbleibenden Zahnfleischmaske als Sägeschnitt-
modell hergestellt. Die Zahnfleischmaske wird gemäß dem
später gewünschten Emergenzprofil radiert.
Fünf verschiedene Scanphasen werden mit dem Cercon-eye-
Scanner (DeguDent) durchgeführt und ergeben in der Überla-
gerung nun das erste digitale Bild der Situation. Die Soft-
ware berechnet initiale Vorschläge für ein maßgefertigtes
Abutment, die jedoch hinsichtlich aller Details frei verfeinert
werden können (Abb. 10). Mit wenigen Mausklicks erreicht
der virtuelle Aufbau die Form eines optimalen Zahnstumpfes
(Abb. 12). Angulation, Anlage des Schraubenkanals und Ein-
schubrichtung harmonisieren mit den eingescannten Formen
des Wax-ups (Abb. 13).
Insbesondere die Leichtigkeit, mit der das Emergenzprofil darge-
stellt und modifiziert werden kann, ist beeindruckend (Abb. 11).
Vorteile Von massgeFertigten, indiViduellen
abutments
n Perfekte industrielle Qualität trotz Einzelstückfertigung
n Sichere Retention für die Suprakonstruktion
n Kontrollierbarer Zementspalt durch ein natürliches
Emergenzprofil
n Zirkonoxid kann bei Verwendung der Titaniumbase auch
im Seitenzahnbereich genutzt werden
einteilige- und Zweiteilige indiViduelle abutments
Die individuellen Aufbauten sind aus Zirkonoxid und Titan
erhältlich. Zirkonoxidabutments sind neben einer einteiligen
auch in einer zweiteiligen Variante lieferbar. Bei den zweitei-
ligen Abutments kommt die neue Titaniumbase (erhältlich für
Xive und Ankylos) als Klebebasis zum Einsatz (Abb. 14).
Die Titanbasis bildet die Anschlussgeometrie zum Implantat
und die Plattform für den gelieferten Cercon-Aufbau. Beide
Komponenten werden im Labor miteinander verklebt.
Diese Variante der individuellen Aufbauten bietet bestmög-
liche Sicherheit. Auftretende Kräfte bei der Eingliederung
des Aufbaus werden durch den Titananteil aufgenommen,
so dass das Bruchrisiko minimiert ist. Das Zirkonoxid
andererseits erlaubt eine individuelle Formgebung und
bietet höchste Ästhetik sowie beste Gewebeverträglichkeit.
Neben der Möglichkeit, das Abutment individuell am Computer
zu gestalten, können Zahnarzt und Zahntechniker über den
18_Das zweiteilige Keramikabutment gliedert sich völlig natürlich in das optimal ausgeformte Gewebebett ein.
Durch die kontrollierte Ausformung des Gewebes gibt es kein unkontrolliertes Verdrängen des angrenzenden Gewebes.
19_Das individuelle Abutment gliedert sich wie ein Zahnstumpf in seine Umgebung ein.
Durch den steuerbaren Zementspalt ist die Zementierung der späteren Krone irritationsfrei durchzuführen.
20_Die fertige keramische Kronenversorgung 13 bis 22. Zustand drei Wochen nach Zementierung.
21_Harmonische und natürliche Integration der Versorgung in das orale Umfeld.
22_Die Patientin bestätigt mit ihrem Lächeln die natürliche Wirkung der neuen Restaurationen und den Erfolg der Zusammenarbeit.
10_Zur virtuellen Herstellung des individuellen Aufbaus werden unterschiedliche Scanphasen in einem virtuellen Bild ergänzt (gematcht).
11_Besonders die perfekte virtuelle Anpassung an den geschwungenen Gewebeverlauf und die Höhe der Mukosa bieten einen großen
Vorteil dieser Technologie. Ebenso kann eine völlig neue Art der Kommunikation zwischen Zahnarzt und Zahntechniker erfolgen.
12_Die Titan-Klebebasis Titaniumbase wird automatisch in das Datenbild eingelesen.
13_In kürzester Zeit lässt sich somit ein maßgefertigtes Einzelstück-Abutment gestalten – wahlweise zweiteilig (Cercon/ Titaniumbase)
oder einteilig (Cercon). Alle Parameter des Abutments konnten ohne große Vorkenntnisse frei gestaltet werden.
14_Die Titaniumbase ist als indexierte Variante /X und als nicht indexierte Variante C/ erhältlich.
15_Der zweiteilige Aufbau bestehend aus der Titan-Klebebasis (Titaniumbase) und dem individuellen Cercon-Aufbau.
16, 17_Das maßgefertige Abutment mit seiner optimal verkleinerten Zahnform. Es bietet somit beste Retention, einen kontrollierbaren
Zementspalt und bestmögliche Unterstützung der Keramikkrone.
22_20_ 21_
18_ 19_
14_ 16_ 17_15_
10_ 12_ 13_11_