Wirtschaftskammer SteiermarkInstitut für Wirtschafts- und Standortentwicklung (IWS)
Stefan Helmreich, MBA
POSITION
Standpunkte der Wirtschaftskammer
Inhaltsverzeichnis 1. Politische Konzepte, Strategien und Zielwerte ............................................................. 2 2. Maßnahmen zur Reduktion des abgasbezogenen MIV ............................................. 4
2.1 Maßnahmen, die im Einflussbereich der Stadt Graz liegen ...................................................... 4
2.2 Landes- und Bundesebene – Reform der Pendlerförderung ................................................... 6
2.3 Infrastrukturelle Maßnahmen zur Stärkung der Erreichbarkeit .................................................. 7 3. Maßnahmen zur Verkehrsoptimierung im Individualverkehr ...................................... 8 4. Regionale und internationale Erreichbarkeit des Großraumes Graz ...................... 10 5. Finanzierungsalternativen zum Ausbaus des ÖV ....................................................... 14
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1. Politische Konzepte, Strategien und Zielwerte
Neben dem regionalen Verkehrskonzept G, GU existiert die Mobilitätsstrategie Graz, die sich
aus der verkehrspolitischen Leitlinie 2020 und dem Grazer Mobilitätskonzept 2020 zusammen-
setzt:
„Die übergeordneten Ziele leiten sich aus der „Verkehrspolitische Leitlinien 2020“ ab, in denen
für den Verkehr der Grazer Wohnbevölkerung zur Einhaltung der Umweltstandards (Lärm und
Luftschadstoffe) bis zum Jahr 2021 – entsprechend dem Ziel des Regionalen Verkehrskonzeptes
Graz - Graz Umgebung – eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen motorisiertem Individu-
alverkehr (MIV) und Umweltverbund von 45:55 (2008) auf 37:63 angestrebt wird. Ziel ist dabei
nicht die Einschränkung der Mobilität der Grazerinnen und Grazer, sondern eine Verschiebung
der Anteile des Kfz-Verkehrs hin zum Öffentlichen Verkehr (ÖV), Rad- und Fußgängerverkehr.“
(Mobilitätsstrategie der Stadt Graz)
Zudem gibt es das Luftreinhalteprogramm des Landes, das im Bereich Verkehr diverse Maß-
nahmen empfiehlt. Die Entwicklung der Feinstaubsituation im Grazer Zentralraum hat sich aus
Sicht der Wirtschaft sehr positiv entwickelt. Im Jahr 2014 haben nach Korrektur der provisori-
schen, kontinuierlichen Messergebnisse durch die so genannte Gravimetrie-Methode, die EU-
weit als Referenzmethode gilt, alle sieben Messstellen in Graz unter 35 Feinstaub-
Überschreitungstage aufgewiesen. Zum Vergleich: Im Jahr 2011 wurden die Grenzwerte noch
an 5 von 7 Messstellen überschritten.
Die konkreten Zielvorgaben bis 2021, deren Basis die ursprüngliche Feinstaubsituation in den
Jahren vor 2012 war, sind unverändert folgende:
- Reduktion des Anteils des Motorisierten Individualverkehrs (MIV von 46,8% auf 37%)
- Erhöhung des Anteils des Öffentlichen Verkehrs ( ÖV von 19,8% auf 24%)
- Erhöhung des Radverkehr-Anteils (14,5% auf 20%)
- Stabilisierung des FußgängerInnen-Anteils (18,8% auf 19%)
Diese Ziele wurden in der Vergangenheit vor allem dazu festgelegt, um eine verbesserte Luft-
qualität in Graz zu bewirken. In der Zwischenzeit aber, haben sich die Voraussetzungen da-
hingehend geändert, dass sich die Feinstaubsituation massiv verbessert hat. Trotz der kontinu-
ierlichen Verbesserung der Luftgüte fiel die Veränderung des Modal-Splits der Verkehrswege
in Graz aber nicht zu Gunsten des so genannten Umweltverbundes (ÖV, Rad- und Fußver-
kehr) aus, auch deshalb weil die natürliche Flottenerneuerung Ihren Beitrag zur positiven Ent-
wicklung der Feinstaubwerte leistet:
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Feinstaub alleine ist daher keine ausreichende, relevante Begründung für radikale Zielvorga-
ben, da aufgrund der natürlichen Flottenerneuerung die Emissionen immer geringer werden
und sich die Feinstaubwerte in den letzten Jahren massiv verbessert haben und sich den
Prognosen zu Folge weiter verbessern werden:
Abbildung 1: Entwicklung der Feinstaubemissionen bis 2025
Quelle: Verkehrsprognose 2025+
Neben den Umweltaspekten spielen aber sehr wohl Mobilitätsengpässe, die mitunter durch
den MIV bedingt sind, eine wichtige Rolle bei der Definition der Ziele sowie der Wahl der
Maßnahmen. Die WKO Steiermark bekennt sich daher zwar zu den Stoßrichtungen der Ziel-
vorgaben (insbesondere weil früher oder später auch die Mobilitätsqualität durch den MIV
doch etwas eingeschränkt sein wird), erachtet diese aber vor dem Hintergrund der aktuellen
Mobilitätserhebung, welche die Präferenzen der Verkehrsmittelwahl der Bevölkerung wider-
spiegelt, als viel zu hoch gesteckt, weshalb zumindest der Zeitraum für die Zielerreichung,
oder die Zielvorgabe selbst, adaptiert werden muss.
Die Stadtpolitik und die Bevölkerung benötigen offenbar mehr Zeit für diese Anpassungspro-
zesse als bisher erwartet wurde, wie die Mobilitätserhebung aus dem Jahr 2013 zeigt. Kurzum,
die in unten stehender Tabelle (rechte Spalte) ersichtlichen Zielvorgaben der Grazer Stadtpo-
litik sind schlichtweg unrealistisch und müssen adaptiert werden.
Tabelle 1: Wegeanteile nach Transportmittelwahl in %
2008 2013 Zielwerte 2021 (?) MIV 45,2 46,8 37 ÖV 19,9 19,8 24 Fahrrad 16,1 14,5 20 zu Fuß 18,8 18,9 19 Summe 100,0 100,0 100,0
Quelle: Mobilitätserhebung Graz 2013
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Forderungen WKO zu den politischen Grundsatzkonzepten und Zielvorgaben
Adaption der Ziele der Modal Split – Anteile
Trennung zwischen E-Mobilität und abgasbezogenem MIV bei den Zielvorgaben
Zwischen-Evaluierung und Erneuerung des Verkehrskonzeptes G, GU
Vermehrter Fokus auf Fußgänger-Anteil
Ausarbeitung des Maßnahmenkataloges unter Einbeziehung der Sozialpartner
2. Maßnahmen zur Reduktion des abgasbezogenen MIV2.1 Maßnahmen, die im Einflussbereich der Stadt Graz liegen
Pull statt Push als Devise
Bezüglich der Maßnahmen lehnt die WKO Steiermark radikale Push-Maßnahmen ab, die auf-
grund der ursprünglichen Zielvorgaben diskutiert wurden, und plädiert in erster Linie für positi-
ve Anreize. City Maut – Systeme werden abgelehnt. Vorstellbar sind sämtliche Maßnahmen,
die das zu Fuß gehen fördern und dabei auch einen positiven Nutzen für die Gesundheit stif-
ten (etwa Sammelgaragen) sowie die weitere Förderung von ergänzenden Systemen zum
ÖV (E-Bikes, E-Taxis, Anrufsammeltaxis, Car-Sharing etc.). Während der abgasbezogene MIV
schrittweise reduziert werden sollte, ist andererseits der elektro-angetriebene Verkehr im Ver-
hältnis zum gesamten MIV auszuweiten!
Folgende Maßnahmen zur Reduktion des abgasbezogenen MIV werden vorgeschlagen:
Job-Ticket weiter bewerben.
Unter Jobticket versteht man, dass Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine ÖV-Fahrkarte für
den Weg vom Wohnort bis zum Arbeitsort zur Verfügung stellen können. Es fallen dabei
keine Sozialabgaben oder Steuern an. Der Arbeitgeber kann das Jobticket als Betriebs-
aufwand geltend machen. Das Jobticket ist eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers, es
kann auch in Kollektivverträgen, Betriebsvereinbarungen oder im Arbeitsvertrag festgehal-
ten werden. Eine Erweiterung des Job-Tickets im Mikro-ÖV – Bereich in Form eines „Job-
Abo-Tickets“ zur Nutzung von Mikro-ÖV-Angeboten in den Regionen ist ebenfalls anzu-
denken.
Zentrumsnahe Anbindung der regionalen Busse an den städtischen ÖV und multimodale
Knoten.
Die großen Grazer Knotenpunkte für den öffentlichen Verkehr sollten neu gedacht wer-
den: Anzustreben ist eine Vernetzung aller Verkehrsbereiche, von den Öffis über die Regi-
onalbusse bis zur E-Mobilität. Das Ganze heißt dann "multimodaler" Knoten. Die derzeiti-
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gen Endhaltepunkte des regionalen Busverkehrs in Graz sollten evaluiert und ein Konzept
für multimodale Knoten, die den ÖV nahtlos mit Verkehrsmitteln wie E-Taxis, E-Bikes bzw.
Car- oder Bikesharing Systemen verknüpfen, ausgearbeitet werden.
Infrastrukturmaßnahmen im innerstädtischen Öffentlichen Verkehr
Insbesondere neue Straßenbahnverbindungen müssen geschaffen werden:
Linie 8 – (Süd-West – Linie)
Erschließung Smart City
Erschließung Reininghaus
Abbildung 2: Geplante und verzögerte Straßenbahnprojekte
Quelle: Kleine Zeitung
Anrufsammeltaxis in Umlandgemeinden
Nach dem Vorbild der Modellregion Linz und den Linz AG Linien könnte in Graz und den
Umlandgemeinden ein Konzept für eine Anrufsammeltaxi – Lösung ausgearbeitet werden.
Sammelgaragen als Anreiz zur Förderung von Fußwegen und des ÖV errichten.
Eine Errichtung von Sammelgaragen d.h. zentrale Garagen für mehrere Wohnbauten an-
stelle von direkten Stellplätzen bei allen Wohnhäusern wird von der WKO Steiermark
grundsätzlich unterstützt, sofern es einen Mindestbestand an direkten Parkplätzen für La-
detätigkeiten sowie Handwerker (Kurzparkzonen direkt vor dem Haus) und Besucher
(entweder in der Sammelgarage oder direkt vor Ort) gibt. Eine Sammelgarage ist eine
zentrale Garage für mehrere Wohnbauten, wodurch Stellplätze direkt bei den Wohnhäu-
sern ersetzt werden sollen. Damit kann die Nutzung des ÖV indirekt gefördert werden (vgl.
dazu etwa den „Leitfaden Mobilität für Bauvorhaben“ der Stadt Graz aus dem Jahr 2009).
Schaffung einer bedarfsgerechten E-Taxi – Infrastruktur (Ladestationen etc.)
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2.2 Landes- und Bundesebene – Reform der Pendlerförderung Neben Maßnahmen, welche die Stadt Graz selbst beeinflussen kann, sind auch landes- und
bundesweite Themen maßgeblich. So liefern etwa die steirische PendlerInnenbeihilfe, die
10.000 SteirerInnen jährlich als Sozialtransfer von Land und Arbeiterkammer (Finanzierung 2/3
zu 1/3) beantragen, sowie generell die Pendlerpauschale, die österreichweit von über einer
Million Menschen in Anspruch genommen wird, häufig fehlgeleitete Anreize zur Verwendung
des Privat Kfz auf dem Weg zur Arbeit: Insbesondere in jenen Fällen, wo die Nutzung eines
öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar ist, sollten Subventionen für Pendler nicht pauschal als
Transferleistungen in deren Taschen fließen. Stattdessen sollten den Pendlern Sachleistungen
in Form von ÖV-Tickets zur Verfügung gestellt werden.
Anpassung der Steirischen PendlerInnenbeihilfe zur Nutzung des Öffentlichen Verkehrs.
Jährlich nehmen rund 10.000 SteirerInnen die Steirische PendlerInnenbeihilfe (Sozialtransfer)
des Landes Steiermark und der AK in Anspruch. Im Durchschnitt werden damit 127 Euro jähr-
lich ausbezahlt, in Summe macht dies also 1,3 Mio. € aus. Dieses Geld sollte für Sachleistungen
(Job-Ticket für den ÖV) bzw. für die Gegenfinanzierung der Reduktion von ÖV-Ticketpreisen
verwendet werden.
Abschaffung der Kleinen Pendlerpauschale – Sachleistungen für ÖV statt Transfers
Die kleine Pendlerpauschale, die Personen ab 20 km Entfernung vom Arbeitsort zusteht,
macht dreißig Prozent des gesamten Betrages an ausbezahlter Pendlerpauschale in Ö aus.
Voraussetzung für den Erhalt der kleinen Pendlerpauschale ist eine Zumutbarkeit und mögli-
che Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels auf dem Weg zur Arbeit. Durch diese Pau-
schale entstehen aber dennoch keine direkten Anreize, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen!
Transferleistungen in Form der kleinen Pendlerpauschale laut Einkommenssteuergesetz sollten
daher abgeschafft werden. Stattdessen sollten die für die Strecke zur Arbeit erforderlichen,
nötigen Aufwendungen für die Benützung des Öffentlichen Verkehrs als Sachleistungen (z.B.
Reduktion der Kosten der ÖV-Tickets oder Förderung von Job-Tickets für ÖV-Nutzung) zur Ver-
fügung gestellt werden. Es handelt sich hierbei in Österreich um ein Volumen von rund 200
Mio. €, das aus der Kleinen Pendlerpauschale in Sachleistungen (oder den ÖV-Ausbau) um-
geschichtet werden könnte. Damit würde ein Lenkungseffekt in Richtung zumutbare Nutzung
des ÖV erzielt und der MIV eingeschränkt werden.
Österreichweit wäre durch die Abschaffung der kleinen Pendlerpauschale hier ein großer
Lenkungseffekt, der vor allem eine Verkehrs-Entlastung für die Ballungsräume wie Graz erwar-
ten lässt, gegeben. In Bezug auf die große Pendlerpauschale sind die Bezuschussungen der
kurzen Wege von 2 bis 20km zu überdenken.
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Zur Erläuterung: Die kleine Pendlerpauschale steht derzeit zu, wenn die Benützung eines Mas-
senverkehrsmittels zumutbar ist.
Tabelle 2: Kleine Pendlerpauschale
Entfernung Betrag/Monat 2014 Jahresbetrag 2014
bei mindestens 20 km bis 40 km 58,00 Euro 696,00 Euro
bei mehr als 40 km bis 60 km 113,00 Euro 1.356,00 Euro
bei mehr als 60 km 168,00 Euro 2.016,00 Euro
Quelle: BMF
Die große Pendlerpauschale steht derzeit zu, wenn die Benützung eines Massenverkehrsmit-
tels nicht zumutbar ist.
Tabelle 3: Große Pendlerpauschale
Entfernung Betrag/Monat 2014 Jahresbetrag 2014
bei mindestens 2 km bis 20 km 31,00 Euro 372,00 Euro
bei mehr als 20 km bis 40 km 123,00 Euro 1.476,00 Euro
bei mehr als 40 km bis 60 km 214,00 Euro 2.568,00 Euro
bei mehr als 60 km 306,00 Euro 3.672,00 Euro
Quelle: BMF
An dieser Stelle könnte auch eine Diskussion über die Arbeitswelt 2.0, die Möglichkeiten der
neuen Technologien im Zusammenhang mit dem Breitbandausbau und der Flexibilisierung
des Faktors Arbeit (Telework etc.) geführt werden. Dies würde aber den Rahmen dieses Positi-
onspapieres sprengen.
2.3 Infrastrukturelle Maßnahmen zur Stärkung der Erreichbarkeit
Eine Umfrage der WKO Steiermark zum Mobilitätsverhalten der steirischen Bevölkerung aus
dem Jahr 2013 hat ergeben, dass bessere Anschlussmöglichkeiten in den Regionen den Um-
stieg auf den ÖV aus Sicht der Bevölkerung am gezieltesten fördern könnten. Höhere Benzin-
preise hingegen haben keinen großen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten.
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Tabelle 4: Verzicht auf das Auto nach Szenarien
Quelle: MResearch, SPSS-Auswertung WKO Steiermark, IWS.
Die Schaffung schneller Verbindungen in und aus dem Ballungsraum ist die beste Möglichkeit,
um den Öffentlichen Verkehr attraktiver zu gestalten, und einen Kulturwandel Richtung ÖV
einzuleiten. Diese Themen werden in Kapitel 4 (Erreichbarkeit) und 5 (Finanzierungsalternati-
ven) diskutiert.
3. Maßnahmen zur Verkehrsoptimierung im IndividualverkehrDie Realität ist leider, dass die ausschließliche Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln für
diverse Wege (Arbeit, Einkauf, Ausflüge etc.) in vielen Fällen unzumutbar ist. Vor allem in den
Umlandgemeinden ist daher mit einem weiteren Anstieg des Motorisierungsgrades zu rech-
nen. Aufgrund der topografischen Gegebenheiten und Zersiedelung zählt Österreich zudem
zu den Ländern mit der höchsten Motorisierungsrate innerhalb der EU. Die vergangene
Raumordnungspolitik lässt sich nicht von heute auf morgen korrigieren. Bis der öffentliche Ver-
kehr also derart attraktiv wird, dass er in vielen Bereichen (auch für Pendler und in den Um-
landgemeinden, die derzeit keine zumutbaren Verbindungen haben) eine echte Alternative
zum Individualverkehr darstellt, sind folgende Maßnahmen im Bereich des Individualverkehrs
denkbar, sowie aktuelle Trends zu berücksichtigen:
Neuer P+R Parkplatz im Norden von Graz mit direkter Anbindung an die Straßenbahn.
Schaffung eines Parkleitsystems, das alle Grazer Parkgaragen in der Innenstadt beinhal-
tet.
Evaluierung der Tiefgaragen
o Wie ist die Auslastung, reicht das Angebot aus, sind sie attraktiv genug?
o Angeregt wird speziell eine zusätzliche Parkgarage im Bezirk St. Leonhard
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o Erweiterungsmöglichkeiten der zentrumsnahen Tiefgarage am Andreas Hofer
Platz sollten geprüft werden.
Intelligente Ampelschaltungen und Stauvermeidungssysteme
Automatische Umleitungssysteme unter Berücksichtigung der neuen Technologien im IKT-
Bereich sollten als verkehrsflussoptimierende Maßnahmen entwickelt und verwirklicht wer-
den.
Berücksichtigung der digitalen Revolution
Selbst fahrende, vernetzte Autos werden einen beträchtlichen Beitrag zur Neubelebung
des Individualverkehrs und der Logistik leisten.
Zufahrtsstraßen zu Gewerbegebieten ausbauen
Etwa im Bereich des Gewerbegebietes Puntigam (Firmen XAL, usw.)
Graz-Umgebung – Querverbindungen zwischen S-Bahn Anschlussstellen schaffen
Ein Engpass sind in GU generell auch fehlende Querverbindungen mittels ÖV bzw. durch
Micro-ÖV-Systeme zwischen den S-Bahn Anschlussstellen (etwa Feldkirchen/Flughafen –
Raaba/Lieboch).
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4. Regionale und internationale Erreichbarkeit des GroßraumesGraz
Wie wichtig die internationale und nationale Erreichbarkeit des Wirtschaftsstandortes Graz ist,
unterstreicht die Tatsache, dass 43 % der steirischen Wertschöpfung in Graz generiert werden
und die Bevölkerungsprognosen eindeutig ein weiteres Wachstum des Ballungsraumes erwar-
ten lassen. Gerade aus diesem Grund sind makellose Mobilitätsbedingungen, um einerseits in
den Ballungsraum zu gelangen, und andererseits aus dem Ballungsraum heraus zu kommen,
notwendig. Die gesamthafte Sicht ist bei der Betrachtung des Verkehrs-/Mobilitätsthemas für
Graz, Graz-Umgebung also bedeutend. Es ist daher wichtig darauf hinzuweisen, dass es nicht
nur um G, GU, sondern gewissermaßen um Verbindungen in und aus der gesamten Steier-
mark und Österreich geht.
Abbildung 3: Ballungsraum Graz
Folgende Maßnahmen zur Stärkung der Erreichbarkeit des Großraums Graz werden vorge-schlagen:
Zentrumsnahe Anbindung der regionalen Busse an den städtischen ÖV und
Schaffung multimodaler Plätze
Diese Forderung wurde bereits in Kapitel 2 diskutiert (siehe oben).
Verbesserung der ÖV-Erreichbarkeit in Stoßzeiten
Die Einrichtung von auspendelqualitativen ÖV-Anbindungen ist auch ein arbeitsmarktpoli-
tisches Ziel, denn die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Graz wird zu einem immer größe-
ren Thema. Die Mobilität des Faktors Arbeit wird dabei oft unterschätzt. Mehrere hundert
Jobs entstehen beispielsweise durch den Ausbau von Shapetec und dem neuen Logistik-
zentrum von Lidl in Wundschuh. Als erster Schritt wurde hier eine Buslösung unterstützt von
den Gemeinden Kalsdorf, Werndorf und Wundschuh - eingerichtet.
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Damit zusätzliches Humankapital aus Graz auch in den Regionen verfügbar ist, bedarf es
einer auspendelqualitativen Anbindung von Gewerbeparks, Logistik- und Unternehmens-
standorten. Erste Schritte können hier im Sinne einer besseren Taktung, angepasst an Öff-
nungs-/Betriebszeiten der Unternehmen gesetzt werden.
Abbildung 4: Hunderte neue Jobs in Wundschuh
Quelle: Wirtschaftsnachrichten Süd
Erfolgsmodell S-Bahn Richtung Obersteiermark weiterführen
Die Bedienung der S-Bahn muss auch in Richtung der westlichen Obersteiermark von
Bruck/Mur über Leoben bis nach Knittelfeld/Judenburg angedacht werden, um den ÖV
für die Pendlerströme in den Grazer Ballungsraum aus dem Nordwesten attraktiver zu ge-
stalten. Die Definition der Erreichbarkeit von Graz beginnt nicht am Stadtrand von Graz,
die steirischen Regionen müssen noch enger zusammenwachsen.
Regionale Bahnanbindung Richtung Norden (obersteirischer Zentralraum) verbessern!
Nach der Fertigstellung des Semmeringbasistunnels und der Koralmbahn wird die Strecke
von Bruck/Leoben nach Graz mittelfristig an Ihre Kapazitätsgrenzen stoßen. Ein viergleisi-
ger Teilausbau der Bahn-Strecke nördlich von Graz mit einer Hochgeschwindigkeitsbahn
zur Verbindung von Bruck/Kapfenberg und Leoben mit Graz ist anzustreben! Die Trassen
dafür müssen bereits jetzt gesichert werden.
Erreichbarkeit – von und aus Graz-Umgebung
o Micro-ÖV-Systeme sollten in den Umlandregionen etabliert und unterstützt werden
Mikro-ÖV-Systeme sind kleinräumige Mobilitätsangebote in den Regionen. Sie wer-
den auf die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung maßgeschneidert, sie verkehren
nachfrageorientiert und stärken die örtliche Wirtschaft, indem sie Mobilitätslücken
auf den letzten Meilen schließen. Dabei sind Mikro-ÖV Systeme keine Konkurrenz oder
gar Ersatz zu vorhandenem ÖV, sondern sollten Lücken schließen und als Zubringer
zum ÖV fungieren bzw. generell das Interesse am ÖV hervorrufen. Die wesentlichen
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Zielgruppen für Mikro-ÖV Systeme sind Jugendliche, Senioren, Pendler und Familien
ohne Zweitauto. Weitere Möglichkeiten sind Anruf-Sammeltaxis oder Ortstaxis.
Tabelle 5: Übersicht Micro-ÖV-Systeme
Art der Umsetzung nach Fahrplan
Anmeldung nötig
Abfahrt von Fahrt zu Beispiel
Linienbus Haltestelle wird nach Fahrplan angefahren
ja nein Haltestelle Haltestelle Einkaufsbus Schwanenstadt
Rufbus Haltestelle wird nach Bedarf angefahren
ja ja Haltestelle Haltestelle Gesäuse Xeismobil
Anruf-Sammeltaxi (AST)
Netz an Sammelstellen, innerhalb dessen ein-/ausgestiegen werden kann
ja ja Sammelstelle Haustüre Weinmobil Süd-steiermark
Ortstaxi Bedienungsfeld, inner-halb dessen ein-/ausgestiegen werden kann
nein ja Haustüre Haustüre WASTI – Weizer Anschlusssammel-taxi.
Quelle: VCÖ
Priorisierung von Straßenerhaltungsmaßnahmen nach ökonomischen Kriterien
Ein weiteres Thema betrifft die Sanierung des Landesstraßennetzes, das neben dem Individu-
alverkehr auch für den friktionsfreien ÖV und der Nahversorgung/Logistik bzw. Daseinsvorsor-
ge in den Regionen maßgeblich ist. So fehlen jährlich rund 50 Millionen Euro, um den derzeiti-
gen Zustand bzw. „backlog“ (55 % der Straßen sind in schlechtem oder sehr schlechtem Zu-
stand) überhaupt konstant zu halten. Hier plädiert die WKO Steiermark für eine Priorisierung
der Erhaltungsmaßnahmen bei Landesstraßen und Brücken nach einem transparenten Mo-
dell, das neben technischen, betriebswirtschaftlichen und Frequenzkriterien auch die Netz-
funktionalität, Erreichbarkeitsmaße bzw. generell wirtschaftliche und ökonomische Kriterien
beinhaltet.
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Internationale Erreichbarkeit - Flughafen Graz
o Graz – Istanbul als Chance
Neue Destinationen wie Graz-Istanbul (Turkish Airlines) sind eine große Chance, hier
ist auch der Flughafeneigentümer (Holding Graz), die Grazer Stadtpolitik, aber
auch die Landespolitik gefordert, optimale Bedingungen für den neuen
Marktteilnehmer zu schaffen. Dazu gehört auch die Vermarktung von Graz und der
Steiermark als Tourismusstandort. In Istanbul sollte bald der größte Flughafen der
Welt gebaut werden, diese Chance sollte unbedingt genützt werden.
Abbildung 5: Flughafen Graz-Destinationen
Quelle: Flughafen Graz, Bearbeitung: IWS
o Bau des Koralmbahn-Astes
Durch den Bau des Koralmtunnels wird es auf der Bestandsstrecke der Südbahn zu
Engpässen kommen, daher ergibt sich die Chance, eine Schleife über den Flughafen
Graz (Werndorf-Thalerhof) zu ziehen, womit zwei zusätzliche Gleise verfügbar werden
und einen Bahnhof/Haltestelle der Koralmbahn direkt beim Abflugsterminal des Flug-
hafens zu errichten (so genannter Flughafen-Ast). Die Fertigstellung dieses Projektes
nach 2023/24 ist jedenfalls sicher zu stellen und wertet die ÖV-Erreichbarkeit des Flug-
hafen Graz maßgeblich auf!
Abbildung 6: Koralmbahn – Flughafenast
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5. Finanzierungsalternativen zum Ausbaus des ÖVSpeziell die Finanzierung des Stadt- und Vorortverkehrs stößt in Österreich viele Städte und
Ballungsräume vor scheinbar unlösbare Herausforderungen. Gemäß Waldhör (2015) wird dies
insbesondere dadurch begründet, dass knapp drei Viertel aller Finanzzuweisungen des Bun-
des zur Investitionsförderung nach Wien fließen (exakt 64,7 %). Zudem herrscht ein regelrech-
tes „Finanzierungschaos“, wenn die Finanzierungsströme im ÖPNRV in Österreich betrachtet
werden (vgl. Rauter 2012). Ein weiterer Kritikpunkt ist die Finanzierungsplanung des Bundes
gemäß Gesamtverkehrsplan 2025, der im Detail fast ausschließlich nationale ÖBB-Projekte
enthält, während Nahverkehr, Regionalverkehr und Stadtverkehr weitgehend unberücksich-
tigt bleiben (Waldhör 2015). Aufgrund der sich dadurch ergebenden Planungs- und Finanzie-
rungsunsicherheit regt die WKO Steiermark folgendes an:
Stadt Graz: Verhandlungen mit dem Bund und Land forcieren!
o In Wien wird die U-Bahn vor allem aufgrund von Sondervereinbarungen zwi-
schen Stadt, Land und Bund finanziert. Die U-Bahn – Abgabe ist nur der Tropfen
auf den heißen Stein zur Finanzierung der U-Bahn.
o Beim U5 Neubau sowie der U2-Verlängerung werden Sonderverträge zur Fi-
nanzierung abgeschlossen!
o Die Stadt Graz sollte seine Verhandlungsposition gegenüber Bund und Land
stärken.
Stadt Graz/Land/Bund: Langfristige Finanzierungsinstrumente über Europäische Investiti-
onsbank weiter im Auge behalten
Die Europäische Investitionsbank bietet Städten für den Infrastrukturausbau Projektfinan-
zierungsmöglichkeiten an. Sämtliche Möglichkeiten sollten hier weiter ausgeschöpft wer-
den. Die Europäische Kommission unterstützt, dass wichtige Infrastrukturvorhaben vorge-
zogen bzw. zeitgereicht umgesetzt werden und bietet dafür monetäre Anreize an!
Bund: Prozentuelle Zweckwidmung der Mineralölsteuer für den ÖV-Ausbau
Die Einnahmen aus der Mineralölsteuer könnten für den Ausbau des ÖV – Angebotes pro-
zentuell zweckgewidmet werden.
Bund/Land: Neuregelung des FAG ab 2016 – Berücksichtigung der Zentralörtlichkeit und
ballungsraumspezifischen Herausforderungen – Aufgabenorientierung statt Gießkannen-
prinzip.
Da Ballungsräume mit zunehmender Größe diverse zentralörtliche Funktionen überneh-
men, die auch Bürgern aus den Umlandgemeinden zu Gute kommen, sollte überlegt
werden, das Finanzausgleichsgesetz dahingehend zu modifizieren, dass Stadtregionen
bzw. größere Ballungsräume für die Übernahme zentralörtlicher Funktionen Kompensatio-
nen erhalten, diese Forderung ergänzt sich auch gut mit der Gemeindestrukturreform in
der Steiermark („regionale Zentren stärken“). Die Verteilung der Mittel sollte aber keines-
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wegs ausschließlich nach festgelegten, mathematischen Formeln erfolgen, sondern ein
gewisses Maß an „Aufgabenorientierung“ zulassen. Anzudenken ist eine Reform, die sich
mehr an den tatsächlichen Aufgaben/Projekten von Städten/Ballungsräumen oder Ge-
meinden orientiert, anstelle einer bloßen Mittelverteilung nach der Anzahl der festen
Wohnsitze. Zudem herrscht im FAG eine gewisse Intransparenz bei vergleichbaren Zahlun-
gen an andere Landeshauptstädte. Hier muss es zu einer nachvollziehbaren Vereinheitli-
chung und einer fairen Behandlung kommen.
Bund/Land: Agglomerationsfonds Schweiz als möglicher Weg – Stadtregionsfonds
In der Schweiz wurde im Jahr 2006 ein „Agglomerationsfonds“ geschaffen, mit dem Pro-
jekte des Verkehrs in Ballungsräumen durch den Bund mitfinanziert werden. Diese Agglo-
merationsprogramme ermöglichen eine gesamtheitliche Verkehrsplanung anhand klar
definierter Kriterien. Die Agglomerations-Regionen stehen im Wettbewerb um die Lukrie-
rung der Bundesmittel, die besten Infrastruktur-/Mobilitätsprogramme werden vom Bund
kofinanziert. Ein Stadtregions- bzw. Agglomerationsfonds könnte in Österreich etwa aus
anteilsmäßig zweckgebundenen Mineralölsteuereinnahmen bzw. aus dem allgemeinen
Steuertopf gespeist werden. Für den am zweitstärksten wachsenden Ballungsraum von
Österreich, nämlich Graz, muss auch der Bund mehr Verantwortung übernehmen!
„Mit dem Infrastrukturfonds als langfristigem – geplant für 20 Jahre – Finanzierungs-instrument und ausgestattet mit einem Budget von 6 Milliarden Franken stellte man sich dieser Aufgabe. Alle vier Jahre, das erste Mal 2007 für einen Umsetzungszeitraum 2011 bis 2014, können sich nun die Agglomerationen – mit der Abgabe eines Agglo-merationsprogramms als Förderungsvoraussetzung – für bis zu 50 Prozent der Baukos-ten von Verkehrsinfrastrukturprojekten bewerben.“
Quelle: Agglomerationsfonds Schweiz
Bund: Berücksichtigung des städtischen ÖPNV in der Gesamtverkehrsplanung
Bund/Land/Stadt: Keine neuen Mobilitätsabgaben!
Abgelehnt werden sämtliche, zusätzlichen Verkehrs-/Mobilitätsabgaben zur Finanzierung
des ÖV, die zu Lasten der Lohnnebenkosten gehen (etwa Nahverkehrsabgabe nach
dem Wiener Modell der U-Bahn-Steuer). Die Abgabenquote ist in Ö auf einem All-Time-
High von über 45 %, seit 1995 sind die Staatseinnahmen jährlich um durchschnittlich 3,5 %
gestiegen, die klare Position ist daher ein „Nein“ zu neuen Abgaben und Steuern. Bei der
derzeitigen Abgabenbelastung werden Finanzierungsformen in Form von generellen Mo-
bilitätsabgaben, welche insbesondere die Lohnnebenkosten erhöhen (vgl. Nahverkehrs-
abgabe), abgelehnt.
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Literaturverzeichnis
Köfel, M. und Mitterer, K. (2013). ÖPNV-Finanzierung in Österreichs Städten. Aktuelle Finanzie-rung und neue Steuerungs- und Finanzierungsmodelle.
Land Steiermark (2010), Regionales Verkehrskonzept Graz und Graz-Umgebung.
Rauter, A. (2012), Finanzierung des öffentlichen Verkehrs in Österreich, Vortrag im Rahmen der Veranstaltung „Urbane Mobilität – Finanzierung und Maßnahmen“ am 30.11.2012 in Wien.
Stadt Graz (2009), Leitfaden Mobilität für Bauvorhaben.
Stadt Graz Verkehrsplanung (2012), Mobilitätsstrategie der Stadt Graz 2020.
Stadt Graz (2014), Mobilitätsverhalten der Grazer Wohnbevölkerung 2013, durchgeführt von ZIS+P.
Waldhör, A. (2015), „Ohne Geld kein Verkehr!“ – Modelle der Finanzierung des ÖPNV in Deutschland, der Schweiz und Österreich. Vortrag am 15.01.2015 Linz AG Linien.
WKO – Wirtschaftskammer Österreich (2013), Dossier Wirtschaftspolitik 2013/4, Demografie und Verkehr in Österreich.
WKO – Fachverband für das Beförderungsgewerbe mit PKW (2014), Mobilitätskonzepte für die Taxi- und Mietwagenbranche in Österreich.
WKO Steiermark (2013), Mobilitätsverhalten Steiermark, Umfrage von mResearch im Rahmen des Bevölkerungsradars Steiermark.
Abbildungen und Tabellen
Abbildung 1: Entwicklung der Feinstaubemissionen bis 2025 ............................................................. 3 Abbildung 2: Geplante und verzögerte Straßenbahnprojekte .......................................................... 5 Abbildung 5: Ballungsraum Graz ............................................................................................................ 10 Abbildung 6: Hunderte neue Jobs in Wundschuh .............................................................................. 11 Abbildung 7: Flughafen Graz-Destinationen ........................................................................................ 13 Abbildung 8: Koralmbahn – Flughafenast ............................................................................................ 13
Tabelle 1: Wegeanteile nach Transportmittelwahl in % ....................................................................... 3 Tabelle 2: Kleine Pendlerpauschale ......................................................................................................... 7 Tabelle 3: Große Pendlerpauschale ........................................................................................................ 7 Tabelle 4: Verzicht auf das Auto nach Szenarien ............................................................................. 8 Tabelle 5: Übersicht Micro-ÖV-Systeme ................................................................................................ 12
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