LENTOS Kunstmuseum Linz
LENTOS Kunstmuseum Linz, A-4021 Linz, Ernst-Koref-Promenade 1
Tel: +43 (0)732.7070-3600 Fax: +43 (0)732.7070-3604 www.lentos.at
DV
R-N
um
mer
00
02
85
2
Presseunterlage
STERNE
Kosmische Kunst von 1900 bis heute
29. September 2017 bis 14. Jänner 2018
GesprächspartnerInnen bei der Pressekonferenz:
Doris Lang-Mayerhofer, Kulturreferentin der Stadt Linz
Hemma Schmutz, Direktorin der Museen der Stadt Linz
Elisabeth Nowak-Thaller, Sammlungsleiterin LENTOS Kunstmuseum Linz und Kuratorin
Sabine Fellner, Kuratorin
2
Inhalt
Allgemeine Daten 3
Statement Sponsor: Raffeisenlandesbank Oberösterreich 5
Kurzbeschreibung der Ausstellung 6
Ausstellungsplan 7
Katalogtext: „Sterne. Kosmische Kunst von 1900 bis heute“ 8
Kunstvermittlungsprogramm und Veranstaltungen 17
Saalheft 22
Pressebilder 42
3
Allgemeine Daten
Ausstellungstitel STERNE
Kosmische Kunst von 1900 bis heute
Ausstellungsdauer 29. September 2017 bis 14. Jänner 2018
Eröffnung Donnerstag, 28. September, 19 Uhr
Pressekonferenz Donnerstag, 28. September, 10.00 Uhr
Ausstellungsort LENTOS Kunstmuseum Linz, Obergeschoss, Großer Saal
Kuratorinnen Sabine Fellner, Elisabeth Nowak-Thaller
Exponate Die Ausstellung zeigt rund 130 Werke darunter Gemälde, Fotografien,
Skulpturen, Objekte, Grafiken, Filme und Videoinstallationen von 91
KünstlerInnen aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Die Schau ist in sieben
Kapitel: Prolog, Lichtsmog, Bedrohung, Erhabenheit, Romantik, Leitstern
und Kosmologie unterteilt.
Sponsor Die Ausstellung wird unterstützt von
Publikation Zur Ausstellung erscheint im Verlag für moderne Kunst das Buch Sterne.
Kosmische Kunst von 1900 bis heute mit einem Vorwort von Hemma
Schmutz und Textbeiträgen von Sabine Fellner, Thomas Macho, Elisabeth
Nowak-Thaller, Ute Streitt und Margit Zuckriegl in deutscher Sprache, 192
Seiten, Preis € 29
Saalheft Unseren Besucher*Innen steht ein Saalheft mit Texten zu ausgewählten
Werken in deutscher und englischer Sprache zur Verfügung. Die Einleitung
und Kapiteltexte werden auch in Leicht Lesen angeboten.
Kontakt Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 Linz, Tel. +43(0)732/7070-3600;
[email protected], www.lentos.at
Ausstellungsarchitektur Silvia Merlo
4
Öffnungszeiten Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr, Mo geschlossen
Geschlossen: 24.12., 25.12.2017
Geöffnet: 26.10., 1.11., 8.12., 26.12.2017 bis 18 Uhr
31.12.2017 bis 16 Uhr
Eintritt € 8, ermäßigt € 6 / € 4,50
Pressekontakt Clarissa Ujvari, Tel. +43(0)732/7070-3603, [email protected]
5
Statement Sponsor: Raffeisenlandesbank Oberösterreich
„Mit dem Kunstmuseum Lentos bietet Linz einen modernen Raum für Kunst
und Kultur. Die Raiffeisenlandesbank OÖ will mithelfen, die gute Position
von Linz als moderne Wirtschafts- und Kulturstadt nachhaltig zu festigen
und ist deshalb auch den heimischen Kulturstätten ein verlässlicher und
starker Partner. Dabei geht es nicht nur um finanzielle Unterstützung. Wir
wollen auch dazu beitragen, die positive Wechselwirkung von Kultur und
Wirtschaft in unserer Region weiter zu stärken."
Dr. Heinrich Schaller, Generaldirektor der Raiffeisenlandesbank OÖ
6
Kurzbeschreibung der Ausstellung STERNE
Die unendlichen Weiten des Nachthimmels vor Augen, die schimmernden Sterne zum Greifen nah! Es gibt
sie nicht mehr, die dunkle Nacht, das elektrische Licht hat sie erobert. Gebäude, Plätze und Straßenzüge
sind nachts hell erleuchtet. Die Lichter der Großstädte haben den Sternenhimmel verdrängt, nur mehr
ansatzweise lässt er sich wahrnehmen. Lichtsmog entzieht inzwischen einem Drittel der Weltbevölkerung
den Anblick der Milchstraße, von Sternschnuppen und leuchtenden Kometen.
Die vielfältige und medienübergreifende Ausstellung gibt Einblicke in das Verhältnis des Menschen zum
bestirnten Himmel, der Gegenstand der Forschung, der Romantik, der Schicksalsdeutung jedoch auch von
Bedrohungsszenarien ist. Träumerisch, humorvoll, poetisch, aber auch ironisch loten die KünstlerInnen des
20. und 21. Jahrhunderts die Beziehung des Menschen zur Unendlichkeit des Sternenhimmels aus und
setzen sich mit dem Funkeln der Sterne und dessen gegenwärtigem Verlust auseinander.
KünstlerInnen:
Mohammed Qasim Ashfaq | Robert A. Barrows | Herbert Bayer | Albert Birkle | Hans Bischoffshausen |
Julia Bornefeld | Klemens Brosch | Carmen Brucic | Angela Bulloch | Alexander Calder | Vija Celmins |
Thierry Cohen | Adriana Czernin | Jason Dodge | Max Ernst | Thomas Feuerstein | Hans Franta | Philippe
Gerlach | Rudolf Goessl | Katharina Gruzei | Roy Wallace Hankey | Peter Hauenschild | Karl Hauk | Artur
Hecke | Theodor von Hörmann | Markus Anton Huber | Barbara Anna Husar | Sabine Jelinek | Birgit
Jürgenssen | Johanna Kandl | Alex Katz | Anton Kehrer | Herwig Kempinger | Hubert Kiecol | Anselm Kiefer
Imi Knoebel | Gerhard Knogler | Moussa Kone | Alicja Kwade | Katharina Lackner | Arkadij Wassiljewitsch
Lobanoff | Robert Longo | Frans Masereel | Michaela Math | Ralo Mayer | Ferdinand Melichar | Erich
Meyer | Hans Op de Beeck | Meret Oppenheim | Emil Orlik | Trevor Paglen | Micha Payer/Martin Gabriel |
Herbert Ploberger | Hans Pollack | Teresa Präauer | Uta Prantl-Peyrer | Wendelin Pressl | Florian Raditsch
Arnulf Rainer | Gerhard Richter | Ugo Rondinone | Thomas Ruff | Gerhard Rühm | Aura Satz | Robert
Schaberl | Peter Schamoni | Roman Scheidl | Eva Schlegel/Barbara Imhof/Damjan Minovski | Arnold
Schönberg | Th. Schwan | Franz Sedlacek | Katharina Sieverding | Fritz Simak | Nicole Six & Paul Petritsch |
Kiki Smith | Curt Stenvert | Jens Sundheim | Mathias Swoboda | Volker Tannert | Grazia Toderi | Iv Toshain
Johannes Vogl | Manfred Wakolbinger | Alfons Walde | Birgitta Weimer | Nives Widauer | Bernd Zimmer
8
Katalogtext: „Sterne – Kosmische Kunst von 1900 bis heute"
Ein Text von Kuratorin Sabine Fellner
*„Künstler sind die Ökologen des Unheimlichen, die Hauszweifler, die Anderswohnenden. Ihr Wohnen unter
den Dingen bedeutet Mitarbeit mit den aufscheinenden Formen – mögen diese aus der Natur, der Kultur
oder aus dem Kosmos der wissenschaftlichen Zeichen und Modelle stammen.“1
Peter Sloterdijk*
Warum beschäftigt sich eine Ausstellung mit den Sternen? Sind sie ein gesellschaftspolitisch relevantes
Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen sollten? Finden sie tatsächlich ihren Niederschlag in der Kunst
oder wären sie nicht viel eher ein Thema für eine naturwissenschaftliche Untersuchung?
Fragen und Zweifel, die sich bei näherer Betrachtung als unbegründet herausstellen, denn die Sterne – oder
präziser gesagt ihr zunehmendes Verschwinden vom Nachthimmel – sind sehr wohl ein Thema, das uns in
unserem Menschsein unmittelbar betrifft. Denn es gibt sie nicht mehr, die dunkle Nacht; das Licht hat sie
erobert, Gebäude, Plätze und Straßenzüge sind hell erleuchtet.2 Die Lichter der Großstädte haben den
Sternenhimmel verdrängt. Nur mehr ansatzweise lässt er sich wahrnehmen, die Lichtverschmutzung
entzieht inzwischen einem Drittel der Weltbevölkerung den Anblick von Milchstraße, Sternschnuppen und
leuchtenden Kometen. Der gestirnte Nachthimmel war seit Urzeiten Bezugssystem für Zeit und Raum, und
die Ehrfurcht vor der Erhabenheit seines Anblicks ließ den Menschen nicht nur sein Schicksal direkt mit der
Konstellation der Gestirne verknüpfen, sondern war stets Anstoß für kreatives Schaffen.
Astronomen waren die Ersten, deren Arbeit durch die Aufhellung des Nachthimmels beeinträchtigt wurde:
Sie waren und sind gezwungen, immer entlegenere Gebiete aufzusuchen, um Sterne und Galaxien
beobachten zu können.3 Doch der zunehmende Lichtsmog beeinflusst inzwischen auch massiv das Leben
von Mensch und Tier. Seit Millionen von Jahren unterlag das Leben dem Wechsel von Tag und Nacht, dem
Rhythmus der Erdrotation. Arbeit und Ruhephasen waren vom Auf- und Untergang eines lichtspendenden
Sterns, der Sonne, bestimmt, nun hat künstliches Licht die Verschiebung und Ausdehnung des Tages
ermöglicht. Die innere Uhr des Menschen ist aus dem Takt geraten und neue Disziplinen wie die
Chronobiologie beginnen, sich mit den Auswirkungen des Verlustes der Dunkelheit auf den menschlichen
Organismus zu beschäftigen. Das allgegenwärtige Kunstlicht irritiert aber auch nachtaktive Insekten und
Vögel. Zugvögel, die Nachts mithilfe der Sterne wandern und tagsüber ruhen, werden durch den
1 Peter Sloterdijk, *Versuch über das Leben der Künstler. Text für Sigmar Polke*, in: *Sigmar Polke*, Ausst.-
Kat., Stedelijk Museum Amsterdam, Amsterdam 1992, zit. n. petersloterdijk.net/1992/03/versuch-ueber-das-leben-der-kuenstler (abgerufen am 9.6.2017). 2 Vergleiche hierzu den Aufsatz „Lichtverschmutzung. Ein neues Umweltproblem“ von Ute Streitt, S. 25 im
Katalog *Sterne. Kosmische Kunst von 1900 bis heute*, Hrsg. LENTOS Kunstmuseum Linz 3 Ebd.
9
erleuchteten Nachthimmel von ihren Flugbahnen abgelenkt und prallen gegen Hochhäuser, Lampen und
Brücken.4
Mitteleuropa ist neben dem Osten der USA und den Metropolen in Asien ein Zentrum der weltweiten
Lichtverschmutzung. Inzwischen kämpfen WissenschaftlerInnen aus den unterschiedlichsten Disziplinen
und NaturschützerInnen für eine Eindämmung der Lichtflut.
Lange Zeit nahm man an, Sterne seien unveränderlich; erst seit circa 400 Jahren wissen wir um ihre
Wandelbarkeit. Sterne sind kein fest am Himmel stehendes Licht, sondern sich verändernde, wachsende,
schrumpfende, aber auch explodierende Sonnen. Es gibt junge, nur ein paar Millionen Jahre alte Sterne und
alte, deren Leuchten 100 Milliarden Jahre dauern wird. Ihr Licht ist oft Jahre bis Jahrhunderte unterwegs,
bis es von uns gesehen werden kann. Das Licht unserer Sonne hingegen, sie gehört übrigens zu den kleinen
Exemplaren, ist nur acht Minuten unterwegs, bis es die Erde erreicht. Erheben wir den Blick zum
Sternenhimmel, blicken wir in die Vergangenheit, denn so manches Funkeln ist die Botschaft eines bereits
erloschenen Sterns.
„Blicke oft zu den Sternen empor – als wandelst du mit ihnen. Solche Gedanken reinigen die Seele von dem
Schmutz des Erdenlebens“,5 so der römische Kaiser und Philosoph Marc Aurel, dessen Rat die Frage
aufwirft, was wir verlieren, wenn uns der Anblick des Sternenhimmels verloren geht. Eine
Orientierungshilfe, einen Blick in die Unendlichkeit, einen Sehnsuchtsort?
Der bestirnte Himmel hat Poeten, Astrologen, Philosophen, Wissenschaftler verschiedenster Fachbereiche,
aber auch Künstler seit jeher beschäftigt. Dabei bedeutet die künstlerische Auseinandersetzung mit den
Sternen keineswegs nur die deskriptive Abbildung des Sternenhimmels. Die Zugänge zeitgenössischer
Positionen sind oft assoziativ, wie etwa bei *Ephemere* von Julia Bornefeld, einem aus Tausenden Ein-
Cent-Münzen zusammengesetzten Luster, einem Sternenregen gleich, oder sie sind konzeptuell-poetisch
wie bei Jason Dodge, der Decken weben lässt in den Farben des Nachthimmels, oder aber, wie bei Hubert
Kiecol in seiner Arbeit *Himmel*, zeichenhaft reduziert auf minimalistische Strahlenbündel.
Die künstlerische Beschäftigung mit den Sternen bietet unterschiedlichste Einblicke in das Verhältnis des
Menschen zum bestirnten Himmel. Sechs Themenbereiche illustrieren, wie KünstlerInnen des 20. und
21. Jahrhunderts die Beziehung des Menschen zur Unendlichkeit des Sternenhimmels kritisch, träumerisch,
humorvoll, poetisch, aber auch ironisch ausloten.
Verlust
Das Dunkel, das seit jeher als Sinnbild des Bösen und der Bedrohung galt, schien zu Beginn des
20. Jahrhunderts zunehmend durch überall und unbegrenzt einsetzbares künstliches Licht gebannt.
Inzwischen überstrahlt die Beleuchtung der Metropolen zunehmend den Sternenhimmel, und von der
4 Thomas Posch, Anja Freyhoff, Thomas Uhlmann (Hg),* Das Ende der Nacht. Die globale
Lichtverschmutzung und ihre Folgen*, Weinheim 2010, S. 83ff. 5 Zit. n. www.zeno.org/Philosophie/M/Mark+Aurel/Meditationen/Siebentes+Buch (abgerufen am 11.6.2017).
10
Europäischen Union unterstützte Projekte wie *Die helle Not*6 oder die 1988 ins Leben gerufene Dark Sky
Association7, die für den sorgsamen Umgang mit Licht plädieren, reagieren auf dieses Phänomen.
Tatsächlich sieht man in einer Großstadt bei klarem Himmel nur mehr ungefähr 100 Sterne, an einem
entlegenen Ort ohne Lichtsmog circa 3000.8
Die künstlerischen Auseinandersetzungen mit der Nacht zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind geprägt von
der Faszination des flirrenden Lebens in mondänen Bars und auf den belebten Straßen der erleuchteten
Großstädte, wie sie etwa Albert Birkle in *Am Kurfürstendamm* und in *Straßenszene am Abend* oder
Clemens Brosch in *Nächtliche Großstadtstraße mit Bogenlampen* schildern. Die Segnungen der
Elektrifizierung finden wir auch in Hans Op de Beecks Animationsfilm *Night Time*, der auf einer Serie von
Schwarz-Weiß-Aquarellen basiert. Doch der Künstler führt die Nacht in all ihren Facetten vor: Städte im
Glanz ihrer Beleuchtung, Räume im Kerzenlicht, Sternenhimmel über unberührter Natur, Traumgebilde und
Traumgeschichten sind Teil seiner filmischen Erzählung über die Nacht.
Dunkle Dörfer und Städte, die wir so heute kaum mehr finden, führen uns Alfons Waldes *Stadt im
Tauschnee (Kitzbühel)* oder Arnold Schönbergs *Nachtstück [II]* vor Augen, Arbeiten, die uns den Zauber
stiller, kontemplativer Betrachtungen der nächtlichen Dunkelheit zeigen.
Diese Stille dunkler Städte ist auch der Ausgangspunkt für die Fotografien von Thierry Cohen. Er taucht in
*Darkened Cities* Metropolen in totale Dunkelheit, sie erscheinen seltsam tot und verlassen. Über ihnen
spannt er funkelnde Sternenhimmel auf. Es entstehen Bilder, deren Faszination man sich nicht entziehen
kann, bekannt und dennoch fremd – und dann begreifen wir, dass wir diese Sternenhimmel in unseren
Städten nicht mehr kennen. Cohen suggeriert die Unendlichkeit des Sternenfirmaments über Städten, die
in dieser Form nicht existiert. Tatsächlich findet er die fantastischen Himmel nur, indem er – immer dem
Breitengrad der fotografierten Städte folgend – zu den entlegensten Orten der Welt reist. Mit dieser
Verfremdung und der damit ausgelösten Irritation führt er uns schlagartig vor Augen, welche Tragweite
unser Verlust des bestirnten Firmaments hat.
Der Entzauberung der von Sternen erleuchteten Nacht durch allgegenwärtiges Licht setzt Grazia Toderi ihre
Arbeit *Orbite Rosse*, die 2009 auf der 53. Biennale di Venezia zu sehen war, entgegen. Sie verknüpft das
Leuchten der Städte mit dem Leuchten der Sterne, verbindet das Licht des Himmels mit dem der Erde. In
ihrer riesigen Videodoppelprojektion verschwimmt die Trennungslinie, die der Horizont sonst bietet; die
BetrachterInnen tauchen in ein unendliches spektakuläres Lichtmeer ein, dessen Quellen nicht klar
auszumachen sind. Leuchten hier Sterne, Raketen oder die Lichterflut des urbanen Raums? Der
wummernde Ton macht zweifelsfrei klar, dass der visuelle Strudel das Abbild einer Großstadt sein muss.
6 www.hellenot.org.
7 www.darksky.org.
8 Posch, Freyhoff, Uhlmann 2010, S. 41.
11
Bedrohung
Zuweilen sind wir mit Boten aus dem Universum ziemlich unmittelbar konfrontiert, wenn Kometen an der
Erde vorbeirasen und Meteoriten direkt auf der Erdoberfläche einschlagen. Doch was genau sind eigentlich
Meteoriten? Sehr prosaisch handelt es sich um Sand, Staub, kieselsteingroße Partikel oder größere Teile,
die zwischen den Planeten ihre Bahnen ziehen und Tag für Tag zumeist unbemerkt in die Erdatmosphäre
eindringen. Manche nehmen wir als Sternschnuppe wahr, als Meteor, wenn sie mit einer Geschwindigkeit
von ein paar Zehntausend Kilometern pro Stunde in die Erdatmosphäre eintreten, kurz aufglühen und
verdampfen. Dieses Lichtereignis hat den Volksmund veranlasst, zu behaupten, man dürfe sich etwas
wünschen, wenn eine Sternschnuppe über den Himmel huscht.
Große Stücke können die Reise durch die dichte Erdatmosphäre überstehen und fallen dann als Meteoriten
zu Boden. Diese Abgesandten aus der Unendlichkeit des Weltalls werden in irdischen Labors analysiert und
erlauben Rückschlüsse auf das Alter unseres Sonnensystems und der Erde. Kometen, Himmelskörper, die
aus Gas und kleineren Eis- und Gesteinsbrocken bestehen, bilden, wenn sie nahe an die Sonne kommen,
einen leuchtenden Schweif.
Im Jahr 1832 war die Ankunft von zwei Kometen vorhergesagt worden, eine Prognose, die größte
Beunruhigung auslöste und Nestroy in *Der böse Geist Lumpazivagabundus* zu einem seiner berühmtesten
Couplets inspirierte:
„Es is kein’ Ordnung mehr jetzt in die Stern’,
D’ Kometen müßten sonst verboten wer’n;
Ein Komet reist ohne Unterlaß
Um am Firmament und hat kein’ Paß,
Und jetzt richt’ a so a Vagabund
Uns die Welt bei Butz und Stingel z’grund;
Aber lass’n ma das, wie’s oben steht,
Auch unt’ sieht man, dass ’s auf ’n Ruin losgeht …“9
Gleichsam wie die Illustration eines gigantischen Kometen erscheint Johanna Kandls großformatiges
Diptychon *Die eine und die andere Seite*, das – leuchtende Farben und düstere Dunkelheit
kombinierend – Anziehungskraft und Schrecken dieser Bedrohung in der Balance hält.
Bei allem Unbehagen, das die unmittelbare Konfrontation mit der Materialität des Alls durch Meteoriten
bereiten mag, löst sie doch gleichzeitig Faszination aus. Den Meteoriten wohnt seit jeher Magie und
Geheimnis inne, eingefangen und gebannt in Nives Widauers *MeteoRita*, einer archaischen Göttin, die
einen bedrohlichen Meteoriten wie eine Krone mächtig und stolz auf dem Kopf trägt. Barbara Anna Husar
9 Johann Nestroy, *Der böse Geist Lumpazivagabundus*, Wien 1833, zit. n. www.nestroy.at/nestroy-
stuecke/18_lumpazi/lumpazivagabundus.pdf, S. 83 (abgerufen am 9.6.2017).
12
errichtet eine *Meteoritenfalle*, zusammengesetzt aus Fritteusen, um diese Boten aus dem Universum
einzufangen.
Iv Toshains Liebe zum Kosmos kommt aus ihrer Beschäftigung mit Physik. Ihr mächtiger, silbern glänzender
Morgenstern, der bestückt ist mit bedrohlichen Dornen, verkörpert unberechenbare Gefahr, visualisiert
Bedrohung, spielt mit der Doppeldeutigkeit des Begriffs Morgenstern, der auf der einen Seite für das hellste
vor Sonnenaufgang hervortretende Gestirn steht, auf der anderen Seite für eine martialische
mittelalterliche Schlagwaffe. „Nomos Basileus“ steht in Leuchtschrift auf der Stahlkugel: „Das Gesetz ist
König“ oder, umgekehrt gelesen, „Der König ist das Gesetz“.
Auch Mohammed Qasim Ashfaqs *Fallings Stars II*, messerscharfen, glänzend schwarzen gefallenen
Sternen möchte man nicht zu nahe kommen. Er selbst sieht in seinen metallischen Sternen die Zeit
angehalten: “Yes, but even with the *Falling Stars*, I see them as sort of light frozen in time. I just see them
as captured in that moment when they fell to earth.”10
Unsichtbare Bedrohungen, die auf den ersten Blick sternengleich den Himmel schmücken, decken die
Astrofotografien von Trevor Paglen auf, wie *KEYHOLE 12-3 (IMPROVED CRYSTAL) Optical Reconnaissance
Satellite Near Scorpio (USA 129)*. Sie machen Raumflugkörper vor einem Hintergrund von Sternen und
Sternennebeln sichtbar und zeigen deutlich die verborgene Gefährdung durch Satelliten, Raketen und
Überwachungsstationen auf. Paglens Ziel ist es, „eine neue Art des Sehens zu schaffen“, das dasjenige, was
eigentlich verborgen bleiben soll, sichtbar macht.
Erhabenheit
„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter
und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das
moralische Gesetz in mir“, heißt es in der *Kritik der praktischen Vernunft* von Immanuel Kant11 – der
Sternenhimmel als Symbol für die unbegreifliche Ordnung der Natur und der kategorische Imperativ als
inneres Gesetz, das die Ordnung des menschlichen Zusammenlebens regelt. Ein Künstler, der dezidiert in
mehreren Arbeiten zwischen 1995 und 2000 auf Kant Bezug nimmt, ist Anselm Kiefer. 1997 entstand der
riesige Holzschnitt, der Kiefer selbst in der yogischen Ruhehaltung Shavasana unter einem bestirnten
Nachthimmel zeigt, mit dem er in unmittelbare Verbindung zu treten scheint.
Die Erhabenheit des unendlichen Sternenhimmels löst Bewunderung und Ehrfurcht aus. Die künstlerischen
Zugänge, die sich vielfältiger Medien bedienen, erkunden diese Ehrfurcht, wie etwa Ugo Rondinone in
*VIERUNDZWANZIGSTERMAIZWEITAUSENDUNDZWÖLF* oder Rudolf Goessl in *Nordlicht*, schwelgen in
Utopien, wie Bernd Zimmer in *The Wild*, unterziehen sie einer kritischen Betrachtung, distanzieren sich
10
„Maryam Eisler Meets Mohammed Qasim Ashfaq“, in: *Harper’s Bazaar Arabia*, 25.10.2015, online
verfügbar unter www.harpersbazaararabia.com/content/449-the-tates-maryam-eisler-meets-artist-
mohammed-qasim-ashfaq (abgerufen am 9.6.2017).
13
aber auch mit Witz und Ironie, so etwa Thomas Feuerstein in *Angeldust*. In den Sternenhimmel,
Sternbildern gleich, schreibt er die chemischen Formeln von psychotropen Substanzen ein, die somit einen
Trip zu den Sternen suggerieren. Herwig Kempinger wiederum zaubert mittels Waschmittelschaum die
Illusion eines bestirnten Nachthimmels.
Kunst tritt aber auch in direkten Dialog mit der Wissenschaft, etwa bei Angela Bulloch. Sie erlaubt uns in
*Night Sky: Aquarius Pegasus. 12* – basierend auf einer Raumfahrtsimulationssoftware namens Celestia,
die in Planetarien verwendet wird – von einem fiktiven Standpunkt außerhalb unserer Erde aus einen Blick
in die Sterne. Das sich ständig verändernde Funkeln der Sterne beruht auf Algorithmen und Befehlen, die
die Künstlerin programmiert hat. Einen ganzen Raum tauchen Birgitta Weimers Installationen aus der Serie
Messier in ein funkelndes Lichtereignis. Sie bestehen aus kapselförmigen, am Boden liegenden Objekten,
die einen grandiosen Sternenhimmel an die umliegenden Wände projizieren. Diese Gebilde entsprechen
den vom französischen Astrologen Charles Messier im 18. Jahrhundert erstmals katalogisierten
Himmelsobjekten.
Vija Celmins holt uns in ihren Zeichnungen und Druckgrafiken sprichwörtlich die Sterne vom Himmel: „Ich
verorte ihn [den Nachthimmel] und mache ihn damit zu etwas Besonderem. Damit schauen Sie also mir zu
als jemandem, der ein Bild von etwas macht. Es sind übergeordnete Dinge, die ich auf eine kleine Fläche
bringe und damit zu etwas sehr Physischem mache.“12
Manfred Wakolbinger findet verborgene Universen auf unserem Planeten, er entführt uns in *Galaxies 4*
in einen Kosmos, der von leuchtenden, fremdartigen Gebilden belebt ist, sichtbar gemacht in der
Dunkelheit des Meeres von Sulawesi.
Romantik
*Under the Stars (View)* von Alex Katz fängt mit im Wasser reflektierendem Sternenlicht den Prototyp
romantischer Vorstellungen ein. Der schwarze, von funkelnden Sternen erleuchtete Nachthimmel löst seit
jeher Emotionen, Sehnsüchte und romantisch-träumerische Assoziationen aus, visualisiert in Sternguckern
wie Artur Heckes *Sternseher* oder in Träumern wie in Frans Masereels *Griff nach den Sternen*, in
romantischen Visionen wie in Katharina Lackners poetischer Installation *Von Heldentum und Abenteuern*
und in Verknüpfungen von Planeten und Gestirnen mit unserer unmittelbaren Lebenswelt wie in Nives
Widauers *Constellations II*.13
11
Immanuel Kant, *Kritik der praktischen Vernunft* (1788), zit. n. gutenberg.spiegel.de/buch/kritik-der-praktischen-vernunft-3512/34 (abgerufen am 9.6.2017). 12
Johanna Hofleitner, „Vija Celmins: ,Was ist los mit der Menschheit?‘“, in: *Die Presse*, 18.11.2015, online
verfügbar unter diepresse.com/home/kultur/kunst/4869172/Vija-Celmins_Was-ist-los-mit-der-Menschheit
(abgerufen am 8.6.2017).
13 Vgl. hierzu den Aufsatz von Elisabeth Nowak Thaller, „Wir werden lichte Sterne sein …“, S. 95 im Katalog
*Sterne. Kosmische Kunst von 1900 bis heute*, Hrsg. LENTOS Kunstmuseum Linz
14
Orientierung
Ursprünglich wurden die Planeten und Fixsterne als göttliche Wesen angesehen, deren gewaltige Macht
das Leben der Menschen bestimmte.14 Der Stern als Orientierungshilfe spielt im Christentum eine
entscheidende Rolle, war es doch ein Schweifstern, der die Weisen aus dem Morgenland zu Jesus leitete.
Franz Sedlaceks *Die heiligen 3 Könige* und Hans Pollacks *Dreikönigstag* sind nur zwei Beispiele für ein
Bildthema, das in der christlichen Kunst in mannigfaltiger Ausführung zu finden ist. In der Seefahrt dienen
bestimmte besonders helle Navigationssterne seit Jahrhunderten der Orientierung; Emil Orliks *Nächtliche
Fahrt im Mittelmeer* liefert uns dafür eine atmosphärische Illustration.15
Wenn Sonne, Mond und Planeten über den Himmel ziehen, halten sie sich in einem schmalen
Himmelsstreifen, der Ekliptik, auf. Innerhalb dieses Streifens, auch Zodiak oder Tierkreis genannt, befinden
sich die Sternbilder. Die Astrologie beruht auf der Annahme, dass es einen Zusammenhang zwischen den
Positionen und Bewegungen von Planeten und Sternen und irdischen Ereignissen, vor allem dem Leben der
Menschen, gibt. „Einen großartigen Beweis von der erbärmlichen Subjektivität der Menschen, infolge
welcher sie alles auf sich beziehen und von jedem Gedanken sogleich in gerader Linie auf sich zurückgehen,
liefert die Astrologie, welche den Gang der großen Weltkörper auf das armselige Ich bezieht, wie auch die
Kometen am Himmel in Verbindung bringt mit den irdischen Händeln und Lumpereien. Dies aber ist zu
allem und schon in den ältesten Zeiten geschehen“,16 kommentierte Arthur Schopenhauer diese Form
menschlicher Selbstüberschätzung sarkastisch.
Franz Sedlacek treibt in seinem *Der Jongleur*, einem Artisten, der Planeten geschickt in der Balance hält,
die Allmachtsvorstellungen des Menschen auf die Spitze, und Imi Knoebel dreht den Spieß um und
beeinflusst seinerseits die Konstellation der Sterne, indem er in *Sternenhimmel für Lola* in jedes
Kalenderblatt eines Sternenatlasses einen zusätzlichen, ganz persönlichen Stern für seine Enkeltochter Lola
einfügt.
Aber auch der mit Symbolik aufgeladene Stern als Zeichen bestimmt die künstlerische Auseinandersetzung,
wie Adriana Czernin eindrucksvoll in großem Format visualisiert. Sie nähert sich dem Stern in seiner
Symbolik und Bedeutung in der islamischen Kunst und zeigt gemeinsame Wurzeln des Morgen- und
Abendlandes auf: „Der Islam hat seine heute ihm zugeschriebenen Ornamente ja nicht erfunden, sondern
sie in den verschiedenen Ländern übernommen und weiterentwickelt.“17
14
Vgl. hierzu den Aufsatz von Thomas Macho, „Sterne-Zeichnen“, S. 139 im Katalog *Sterne. Kosmische Kunst von 1900 bis heute*, Hrsg. LENTOS Kunstmuseum Linz 15
Vgl. hierzu den Aufsatz von Margit Zuckriegl, „Sterne. Himmelsbilder in der Kunstgeschichte“, S. 71 *Sterne. Kosmische Kunst von 1900 bis heute*, Hrsg. LENTOS Kunstmuseum Linz 16
Arthur Schopenhauer, *Aphorismen zur Lebensweisheit*, Kapitel 7, 26, online verfügbar unter gutenberg.spiegel.de/buch/aphorismen-4996/7 (abgerufen am 20.6.2017). 17
Almuth Spiegler, „Adriana Czernin: Die Schatten der Sterne“, in: *Die Presse*, 24.12.2009, online verfügbar unter diepresse.com/home/kultur/kunst/529765/Adriana-Czernin_Die-Schatten-der-Sterne (abgerufen am 20.6.2017).
15
Kosmologie
Die Vermessung und Erfassung des Universums, seiner Planeten und Sterne beschäftigen die Menschheit
seit jeher. *Der Eroberung des Weltraumes muß die Bewältigung des inneren Menschen entsprechen!*
heißt eine Arbeit von Curt Stenvert, die in prächtigen Farben vor goldenem Hintergrund die Umlaufbahnen
von spielzeuggleichen Raketen nachstellt.
Weit realistischer konfrontieren uns zwei Arbeiten mit dem Weltraum, die wissenschaftliches Foto- und
Filmmaterial direkt einbeziehen. Eva Schlegel entwickelte gemeinsam mit dem Architekten Damjan
Minovski und der Weltraumarchitektin und -forscherin Barbara Imhof mit *See the invisible* eine
begehbare Rauminstallation, die uns einen Flug durch den Weltraum ermöglicht. Die Konzeptkünstlerin
Alicja Kwade holt uns das Universum in unsere Handfläche: Sie baut mit *Medium Median* eine
Installation, ein Mobile aus 24 Mobiltelefonen, mit deren Apps man die Sterne am Himmel bestimmen
kann. Über GPS kommen via Satellit die entsprechenden Informationen an und wir werden somit zum
Mittelpunkt des Universums, unmittelbar konfrontiert mit der Unendlichkeit.
Direkt mit Linz verknüpft ist das Wirken des Astronomen, Astrologen, Naturphilosophen und
Mathematikers Johannes Kepler, der sich von 1621 bis 1626 hier aufhielt. Seine Entdeckung der heute so
genannten keplerschen Gesetze, die die Gesetzmäßigkeiten festlegten, nach denen sich die Planeten um
die Sonne bewegen, und somit des heliozentrischen Weltbildes brachten ihn – er war auch protestantischer
Theologe – in Konflikt mit der katholischen und der protestantischen Kirche. Das Künstlerduo Six/Petritsch
nimmt in seiner mehrere Räume übergreifenden interaktiven Installation direkt Bezug auf Johannes Keplers
Erkenntnisse.
Kritisch setzt sich Max Ernst mit dem Wissenschaftsbetrieb auseinander. Er schrieb am Drehbuch für den
Kurzdokumentarfilm *Maximiliana – Max Ernst – Die widerrechtliche Ausübung der Astronomie* von Peter
Schamoni aus dem Jahr 1967 mit und fungierte auch als Sprecher in diesem Film. Erzählt wird die
Geschichte des Amateurastronomen Ernst Wilhelm Leberecht Tempel (1821–1889), der, weil er kein
Diplom besaß, trotz seiner Entdeckungen und Forschungen zeitlebens von der Wissenschaft ignoriert
wurde. Ihm widmete Max Ernst sein grafisches Buch mit dem Titel *Maximiliana* – diesen Namen hatte
Tempel dem ersten von ihm entdeckten Planeten gegeben.
Aura Satz untersucht in ihrer Arbeit *Her Luminous Distance* kritisch Rollenzuweisungen und
Geschlechterpositionen in der astronomischen Forschung. Ausgehend von der Forschungsarbeit der tauben
Astronomin Henrietta Swan Leavitt (1868–1921), wird die Geschichte einer Gruppe wenig bekannter
Frauen in Harvard in den Blickpunkt der Aufmerksamkeit gerückt: „Human Computers“ genannt, leisteten
sie einen entscheidenden Beitrag zu astronomischen Erkenntnissen. Sie wurden zu geringem Lohn
eingestellt, um Basisforschungsarbeit zu leisten, wie beispielsweise die Helligkeit von Sternen zu messen
und zu katalogisieren. Henrietta Swan Leavitt gelang es nicht nur, Tausende von variablen Sternen zu
16
entdecken, sie entwickelte auch eine neue Methode, die Entfernung der Sterne zu bestimmen, die
letztendlich die Erkenntnisse Edwin Hubbles ermöglichte.
Nicht nur die Vielfalt der künstlerischen Untersuchungen lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung, die
die Erfahrbarkeit des Sternenhimmels für den Menschen hat. 2007 wurde in La Palma auf der *Starlight
Conference* mit der *Starlight Declaration* unter anderem von der UNESCO und der International
Astronomical Union festgelegt, dass der Sternenhimmel ein Kulturgut ist und alle Menschen ein Recht auf
seinen Anblick haben.18
18
“Aware that a view of the starlight has been and is an inspiration for all humankind, that its observation has represented an essential element in the development of all cultures and civilizations, and that throughout history, the contemplation of the firmament has sustained many of the scientific and technical developments that define progress […]”, zit. n. starlight2007.net/pdf/proceedings/Declaration.pdf (abgerufen am 11.6.2017).
17
Kunstvermittlungsprogramm und Veranstaltungen
VERANSTALTUNGEN
LANGE NACHT DER MUSEEN
Samstag 7. Oktober, 18 – 1 Uhr
Programm:
ZUKUNFT IN DEN STERNEN, AB 20 UHR
Mithilfe einer selbst konstruierten Zukunftsmaschine blicken die beiden Linzer Künstler Clemens Bauder
und Gregor Graf in die Sterne und geleiten Sie ins Universum der Vorahnungen …
VOM ZAUBER DER STERNE, 20–22 UHR
Astrofotograf Dietmar Hager zeigt Ihnen in himmlischen Kurzvorträgen die Faszination des Sternenhimmels,
die Folgen des Lichts auf der Erde und was sich über uns alles bewegt. Sternenvorträge je 20 Minuten
FÜHRUNGEN DURCH DIE AUSSTELLUNG STERNE, 19, 20, 21, 22, 23 UHR
Dauer 30 Minuten, begrenzte TeilnehmerInnenzahl, Karten sind 15 Min. vor der Führung an der Kasse
erhältlich, letzte Führung 23 Uhr
Kosten: Ticket Lange Nacht der Museen
AUSFLUG ZUM KOMETOR – HEBENSTREIT HIMMELSKÖRPER PROJEKTE
Freitag 20. Oktober, 15–19 Uhr
Freitag 15. Dezember, 15–19 Uhr
Ausflug nach Peuerbach mit Kuratorin Elisabeth Nowak-Thaller
Das KünstlerInnenpaar Manfred und Billa Hebenstreit begleitet durch ihre begehbare Skulptur. Kosten: € 28
(inkl. Führung, Eintritt, Busfahrt Linz – Peuerbach und retour)
Abfahrtsort: LENTOS Kunstmuseum, Anmeldung: [email protected], T 0732 7070 3601, bis spätestens
eine Woche vor gewünschtem Termin. Begrenzte TeilnehmerInnen
18
KUNST CAMPUS LENTOS
Donnerstag 12. Oktober, 18 − 23 Uhr
Kunst, Dialog und bester Sound, Open Doors für alle Linzer Studierenden, Lehrenden, sowie Uni-, PH- und
FH-MitarbeiterInnen, Eintritt frei
Programm:
SPHÄRISCHE KLÄNGE, 18−23 UHR
mit DJini Godez und DJ Andrix
STERNENWEIT, 18.45−19.15 UHR
Stationentheater der HBLA Lentia in der Ausstellung Sterne
DAS UNIVERSUM IN 3D STEREO. EINE REISE DURCHS ALL, 19−19.45 UHR
Vortrag im Deep Space im AEC mit Dietmar Hager Treffpunkt: 18.45 Uhr im LENTOS Foyer oder 19 Uhr vor
Ort
KLÄNGE DER STERNE, 19.30–20.15 UHR
Studentinnen der Anton Bruckner Privatuniversität besingen und bespielen die Sterne mit Werken von
Mozart bis Debussy
DER ZAUBER DER STERNE, 20.15−20.45 UHR
Vortrag im LENTOS Auditorium mit Dietmar Hager
LOS TALENTOS, AB 21 UHR
Die Los TaLENTOS geben Auskunft über ihre Lieblingswerke.
In Kooperation mit der Bruckner Privatuniversität Linz
19
FÜHRUNGEN
ÖFFENTLICHE FÜHRUNGEN MIT KUNSTVERMITTLER/IN
Jeden Dienstag und Sonntag, 16 Uhr (Ab 28. September)
Führungen durch die Ausstellung Sterne. Dauer 1 Stunde, € 3 zuzüglich Eintritt. Keine Anmeldung
erforderlich. Die TeilnehmerInnenzahl ist begrenzt.
SeniorInnen empfehlen wir die Führungen am vergünstigten SeniorInnentag (jeden Dienstag)
KURATORINNENFÜHRUNG
Donnerstag 5. Oktober, 19 Uhr
mit Sabine Fellner und Elisabeth Nowak-Thaller
Anmeldung erbeten
FÜR GEHÖRLOSE
Samstag, 4. November, 16 Uhr
Samstag, 2. Dezember, 16 Uhr
Mit Gebärdensprachdolmetscherin
Eintritt und Führung für Gehörlose frei
FÜHRUNG FÜR GEHÖRLOSE SENIOR/INNEN
Freitag 29. September, 10 Uhr
mit Gebärdensprachedolmetscherin
Eintritt und Führung anlässlich des Tags der Sprachen für Gehörlose frei
BLITZLICHTFÜHRUNG AUF ENGLISCH
Jeden ersten Samstag im Monat, 16 Uhr
mit Native Speaker, Dauer 30 Minuten, Führungskarte € 2, Eintritt frei
GRUPPENFÜHRUNGEN
Dauer 1 Stunde, max. 25 TeilnehmerInnen, gegen Voranmeldung
Erwachsene | € 65 zzgl. Eintritt
Studierende | € 45 zzgl. ermäßigter Eintritt
Migrantische Einrichtungen | € 45, Eintritt frei
Menschen mit Beeinträchtigungen | € 3 pro Person, inkl. Eintritt (Mindestteilnehmerzahl 10)
20
KINDER UND FAMILIE
RABENBABY-TOUR
Dienstag, 10. Oktober, 10.30 Uhr
Mama, Daddy, Baby. Cool! Ein entspannter Rundgang durch die Ausstellung. Kinderwagenmitnahme
möglich, Babytrage/Tragetuch bevorzugt, Fläschchen ausdrücklich erlaubt.
Dauer ca. 1 Stunde, Kosten: nur Museumseintritt, Anmeldung erforderlich.
LENTOS ATELIER
Termine: 7.10., 28.10, 2.12., 16.12., 21.10., 25.11., 9.12., 23.12.2017
Während der Schulzeit samstags 10–12 Uhr, in den Ferien mittwochs 15–17 Uhr. Für Kinder zwischen 6 und
13 Jahren. Dem experimentellen Teil geht immer ein Gespräch in der Ausstellung voraus. € 5 (für Eintritt,
Material & KunstvermittlerIn). Aufgrund der begrenzten TeilnehmerInnenzahl (maximal 15 Kinder) steht
nur bei rechtzeitiger Anmeldung ein Platz zur Verfügung.
LOS LENTONIÑOS
Termine: 21.10., 28.10.2017
Ein monatlich wechselndes Programm im Museum, speziell für 4–5 jährige Kinder
Jeden zweiten Samstag im Monat von 15–16.30 Uhr
Für Kindergartengruppen ist das Programm zu gewünschten Terminen buchbar.
Dauer 1,5 Stunden, € 4 pro Kind
21
SCHULE & MUSEUM
SCHÜLER/INNENFÜHRUNGEN
Eintritt frei für SchülerInnen im Klassenverband, maximal 15 TeilnehmerInnen
alle Altersstufen, Dauer 1 Stunde, € 3 pro SchülerIn
WORKSHOPS
Dauer 1 Stunden, € 5 pro TeilnehmerIn, maximal 15 TeilnehmerInnen, Eintritt frei im Klassenverband.
❐Das ist doch sternenklar
VS/Hort/ASO
❐Hol mir die Sterne vom Himmel
Unterstufe/Oberstufe
ANMELDUNG
Teleservice Center der Stadt Linz an unter T 0732.7070
22
Saalheft
PROLOG
Der bestirnte Himmel hat Poet*innen, Astrolog*innen, Philosoph*innen und
Wissenschaftler*innen seit jeher beschäftigt; die künstlerische Auseinandersetzung mit den
Sternen ist vielfältig − deskriptiv, assoziativ, konzeptuell-poetisch und zeichenhaft minimalistisch.
Julia Bornefeld
* 1963 in Kiel, Deutschland
Ephemere, 2016
Courtesy Galerie Elisabeth und Klaus Thoman Innsbruck / Wien
1-Cent-Münzen, LED; 310 x 200 x 200 cm
Bei diesem aus Tausenden Ein-Cent-Münzen zusammengesetzten glitzernden Luster regnet es
Sterne vom Himmel. Das glanzvolle Lichtobjekt, das an einen luxuriösen Kronluster aus
vergangenen Zeiten erinnert, erfüllt viele Funktionen. Es ist zugleich Lampe, Lichtskulptur und
konsumkritisches Schmuck- bzw. Wertobjekt. Die erst beim genauen Hinsehen erkennbaren,
mühsam durchbohrten und aufgefädelten Kupfermünzen machen uns die Vergänglichkeit von
Werten bewusst, bedeutet das Wort „ephemer“ doch flüchtig oder vorübergehend.
Ephemere verweist auch auf das Sterntaler-Märchen der Gebrüder Grimm, in dem ein frommes
Mädchen sein letztes Hemd einem armen Erdenbürger schenkt: „Und wie es so stand und gar
nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel, und waren lauter blanke Taler; (…) Da
sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.“
Schade nur dass die europäischen Banken planen, die „wertlosen“ Ein- und Zwei-Cent-Münzen
bald abzuschaffen!
23
Jason Dodge
* 1969 in Newton, Pennsylvania, USA
In Alytus, Lithuania, Janina Krulikauskiene wove silk
into linen the color of a snowy night and city lights and
the distance from the earth to above the weather.
Kunsthalle Bielefeld
„In den Dingen steckt bereits alles“, sagt Jason Dodge. Der Künstler beschäftigte sich eingehend
mit Heideggers „Ding an sich“ und amerikanischer Poesie, wie z. B. jener von William Carlos
Williams. Der Künstler, dessen Werke bereits 2013 im LENTOS in einer Ausstellung präsentiert
wurden, kombiniert scheinbar alltägliche Gegenstände mit einem poetischen Titel. Diese sind
einem vielleicht so geläufig, dass man ihre Anwesenheit nicht bemerkt und wenn, vielleicht für
nicht bemerkenswert hält. Dodges ausgewählte Dinge, wie hier diese gefaltete Decke, benötigen
etwas Aufmerksamkeit, damit – angeregt durch den lyrischen Titel – etwas im Kopf der
Betrachter*innen in Gang kommt: In Alytus, Litauen, verwob Janina Krulikauskiene Seide in Leinen
mit der Farbe einer verschneiten Nacht und den Lichtern der Stadt und der Distanz von der Erde bis
über das Wetter. Der Titel erzählt von einer bestimmten Tätigkeit und Situation. Er wirkt wie eine
rätselhafte Notiz, von der ausgehend sich eine märchenhafte Geschichte entwickeln kann. Ein
Entstehungsjahr wird bewusst nicht angegeben, das von uns Betrachter*innen erschaffene Werk
ist dadurch zeitlos.
24
LICHTSMOG
Das Dunkel, das seit jeher als Sinnbild des Bösen und der Bedrohung galt, wurde durch künstliches
Licht gebannt. Inzwischen überstrahlt die Beleuchtung der Städte den Sternenhimmel und entzieht
uns den Anblick der Milchstraße, von Sternschnuppen und Kometen.
Thierry Cohen
* 1963 in Paris, Frankreich
Shanghai, Paris, Sao Paulo, 2011/2012
Aus der Serie Darkened Cities
Archiv-Pigmentdruck auf Dibond; 100,5 x 151 cm bzw. 151 x 100,5 cm
Courtesy of the artist, Danzinger Gallery, New York und Esther Woerdehoff Gallery Paris
Die Stille dunkler Städte ist Ausgangspunkt für die Fotografien Cohens. Er taucht in der Serie
Darkened Cities Metropolen in totale Dunkelheit. Sie erscheinen seltsam tot und verlassen. Über
ihnen spannt er funkelnde Sternenhimmel auf. Es entstehen Bilder, deren Faszination man sich
nicht entziehen kann, bekannt und dennoch fremd. Aber dann begreifen wir, dass wir diese
Sternenhimmel in unseren Städten nicht mehr kennen. Cohen suggeriert die Unendlichkeit des
Sternenfirmaments über drei ausgewählten Städten, die nicht existiert. Denn er findet die
fantastischen Himmel nur, indem er – immer dem angegebenen Breitengrad der fotografierten
Städte folgend – zu den entlegensten Orten der Welt reist. Er führt uns schlagartig vor Augen,
welche Tragweite der Verlust des bestirnten Firmaments für uns hat.
Grazia Toderi
* 1963 in Padua, Italien
Orbite Rosse (Red Orbits) [Rote Umlaufbahnen], 2009
Zwei Videoprojektionen in Farbe mit Ton (Loop), Edition 3/5
Collection Füsün & Faruk Eczacibasi, Istanbul
Die Künstlerin verknüpft das Leuchten der Städte mit dem der Sterne, das Licht des Himmels mit
dem der Erde. In ihrer riesigen Videodoppelprojektion verschwimmt die Trennlinie, die der
25
Horizont sonst bietet. Die Betrachter*innen tauchen in ein unendliches spektakuläres, rötliches
Lichtermeer ein, dessen
Quellen nicht klar auszumachen sind. Leuchten hier Sterne, Raketen oder die Lichterflut des
urbanen Raums? Der wummernde Ton macht zweifelsfrei klar, dass der visuelle Strudel das Abbild
einer Großstadt sein muss. Italo Calvinos Buch Die unsichtbaren Städte, aber auch Jacopo de
Barbaris fantastische Landkarte von Venedig, die um 1500 entstand, beeinflussten Toderi. 2009
auf der 53. Biennale von Venedig gezeigt, macht die Künstlerin mit Orbite Rosse auf die
Problematik weltweiter Lichtverschmutzung, auf die Entzauberung der von Sternen erleuchteten
Nacht durch allgegenwärtiges Licht, aufmerksam.
BEDROHUNG
Zuweilen sind wir mit Boten aus dem Universum unmittelbar konfrontiert, wenn Kometen an der
Erde vorbeirasen und Meteoriten direkt auf der Erdoberfläche einschlagen.
Barbara Anna Husar
* 1975 in Feldkirch, Österreich
Die Meteoritenfalle, 2011
Fritteusen(körbe), Drahtseil, Karabiner; Durchmesser 120 cm, Höhe 50 cm
Courtesy Galerie Maximilian Hutz, Lustenau
Das wilde Drahtgebilde entpuppt sich bei näherem Hinsehen als Ansammlung gebrauchter
Fritteusenkörbe. Liest man dazu den Titel Die Meteoritenfalle entfaltet sich die nicht ganz ernst
gemeinte Absicht der Künstlerin: die Festkörper aus dem Weltall zu fangen. Die Installation zierte
für einen begrenzten Zeitraum die Fassade des ORF-Landesstudios Vorarlberg. Die gebrauchten
Fritteusen stammen von freiwilligen Spender*innen. Im Gegenzug gab es für eine Fritteuse ein
Zertifikat mit eigenem „Draht zum All“. Das Landesstudio denkt Husar als Raumschiff – aufgrund
der Form des Gebäudes sicher nicht ganz abwegig – die Meteoritenfalle auch als Fangarm für
Informationen aus dem All.
26
Iv Toshain
*1980 in Sofia, Bulgarien
Nomos Basileus, 2015
Edelstahl, Aluminium, Neonleuchten; Durchmesser: 250 cm
Shooting Star – Kate Moss, 2016
Guerilla-BesucherInnen-Interaktion, Krieau, Trabrennbahn
Holz, Farbe, Druck; 42,5 x 30 x 13 cm
Leihgabe der Künstlerin
Ein überdimensionaler Morgenstern, das Symbol für Venus, Abendstern und Luzifer, springt sofort
bedrohlich ins Auge. Die von 21 Stacheln durchbohrte Weltkugel trägt die Neonleuchtschrift
„NOMOS BASILEUS“ (griechisch das Gesetz ist der König) oder − umkreist man die Kugel von der
anderen Seite − BASILEUS NOMOS (griechisch: der König ist das Gesetz). Toshain bezieht sich auf
einen Text des Dichters Pindar (518–446 v. Chr.) über die Taten des Herkules. Das Werk verweist
auf Recht und Gewalt sowie auf die historische und gegenwärtige kriegerische
Auseinandersetzung. Nicht weniger bedrohlich und emotional eindringlich ist die zweite
ausgestellte Arbeit Toshains. Das schöne Gesicht des Models Kate Moss wird von Wurfsternen
durchbohrt und dadurch regelrecht zerfetzt. Der Titel Shooting Star ist absichtlich zweideutig
gewählt.
Die Künstlerin spielt mit der glatten Makellosigkeit des Stars; durch die Verletzung des Abbilds
wird die unantastbare Prominente menschlich und verletzlich.
27
Nives Widauer
* 1965 in Basel, Schweiz
MeteoRita, 2013
Leihgabe der Künstlerin
Holzskulptur, Meteorit, Spiegel; Höhe: 29 cm, Durchmesser: 18 cm
Zum Glück ist dieser Dame kein Meteorit auf den Kopf gefallen. Fast wirkt es so, als gehöre er als
passgenaue Kopfbedeckung schon immer zu dieser Frauenfigur aus der Südsee, welche Widauer
bei ihren Reisen durch die Welt entdeckt hat.
Ein Meteorit wird dann gefährlich, wenn er in unser Gravitationsfeld gelangt. Davon erscheint
MeteoRita unberührt. Die leichte Holzfigur steht aufrecht, obwohl sie schweres Gestein auf dem
Kopf trägt. Ihre gerade Achse wird durch den Spiegel, auf dem sie steht, noch betont.
Vor vielen Jahren hat die Künstlerin im Naturhistorischen Museum in Wien ein Aha-Erlebnis:
Angesichts der dort ausgestellten gefallenen Meteoriten kommt ihr die Idee, Forscher*innen
einzuladen, um gemeinsam ein Buch über die Steine aus dem Weltall herauszugeben. Zu dieser
Zeit unterschreibt Widauer E-Mails gerne aus Spaß mit MeteoRita.
Die Überwindung der Schwerkraft und die Weltraumforschung beschäftigen die Künstlerin schon
sehr lange. Davon zeugen auch die Constellations II im Kapitel „Romantik“: In Spitzendeckchen
breitet sich hier der Kosmos von innen nach außen aus.
28
ERHABENHEIT
Die Erhabenheit des unendlichen Sternenhimmels löst Bewunderung und Ehrfurcht aus. Die
künstlerischen Zugänge erkunden diese Ehrfurcht, schwelgen in Utopien, unterziehen sie einer
kritischen Betrachtung, distanzieren sich mit Witz und Ironie, treten aber auch in direkten Dialog
mit der Wissenschaft.
Thomas Feuerstein
* 1968 in Innsbruck, Österreich
Angeldust [Engelsstaub], 2003
Leuchtkasten, 136, 3 x 136 x 12 cm, Edition 3/3
Stiftung MUSEION, Museum für moderne und zeitgenössische Kunst Bozen
Sehen wir Sternbilder? Helle Sterne, die in Gruppen am Himmelszelt zusammengefasst werden?
Andromeda, den großen Bären, Phönix, Orion oder Kassiopeia? Sternbilder lassen sich bis in frühe
Kulturen zurückverfolgen. Sie dienten der Orientierung und waren hilfreich für die Seefahrt. Doch
Fentanyl, Procain, Desipramin, Morphin oder Haloperidol sind sicher keine Sternbilder. Es sind
Narkose- oder Schmerzmittel, die zur Schmerztherapie, bei Depressionen oder Schizophrenie
eingesetzt werden. LSD und Heroin werden hingegen als Rauschgifte eingestuft. Angeldust –
Engelsstaub – Phencyclidin, so der Titel des Werks, wurde seit 1926 als Betäubungsmittel in der
Tiermedizin verwendet, gilt aber auch als Droge. 1979 löste Angeldust einen Amoklauf einer
Schülerin in San Diego aus. Der Künstler stellt die chemische Verbindung, die Formel dieser
Substanzen, auf schwarzem Grund mit weißen Punkten dar. Die Reise zu den Sternen beginnt mit
bewusstseinserweiternden Substanzen.
Anselm Kiefer
* 1945 in Donaueschingen, Deutschland
Der gestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir, 1997
Holzschnitt, Emulsion, Acryl und Schellack auf Papier; Collage auf Leinwand; 268 x 398 x 6 cm
Courtesy Albertina, Wien, Inv.-Nr. DG2016/19
Groß, schwarz und mit einem Zitat von Kant betitelt ist diese Holzschnitt- Collage. Ihre Form
erinnert an einen Flügelaltar mit Predella (ital. Stufe). Ob Kiefer hier berühmte Predellen
29
(Grünewald, Die Grablegung Christi oder Dix, Der Krieg) im Sinn hatte? In der Predella vor uns ist
ein liegender Mann – der Künstler selbst − dargestellt, der sich in einem Zustand der Wandlung
befindet. Über ihm funkeln die Sterne. Seit seinem Umzug nach Südfrankreich orientiert sich
Kiefer thematisch neu: Ihn interessieren Themen, die um die Verknüpfung von Mikrokosmos und
Makrokosmos kreisen, von Quantenphysik über Buddhismus, jüdische Mystik bis hin zur
Philosophie Robert Fludds. „Wenn wir in uns hineinschauen, sehen wir einen Kosmos, der im
Kleinen genauso groß ist wie der Kosmos im Weltall“, erläutert Kiefer in einem Video anlässlich der
Ausstellung Die Holzschnitte 2016 in der Albertina. Kiefer belebt die traditionelle Technik des
Holzschnitts neu. Arbeiten wie diese Collage aus händisch gedruckten Holzschnitten sollen alle
Sinne ansprechen.
Gerhard Richter
* 1932 in Dresden, Deutschland
Sternbild, 1969
Öl auf Leinwand, 92 x 92 cm
Museum Frieder Burda, Baden-Baden
Richter, der 1951 an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste sein Studium begann, ist Maler.
Sternbild entsteht 1969 und damit acht Jahre nachdem er über Westberlin aus der DDR flüchtet. Er
malt es in einer Zeit, in welcher der Malerei Bürgerlichkeit vorgeworfen und sie in künstlerischen
Kreisen totgesagt wird. Stattdessen beschäftigen Minimal-, Land- und Conceptual Art die
Kunstwelt. Aus diesem Zeitgeist heraus geht Richter auf Distanz zu seinen Motiven und
hinterfragt, ob Bildern überhaupt ein Erkenntniswert zugestanden werden kann. Er malt zunächst
nach fotografischen Vorlagen, z. B. aus Illustrierten. Oder er zeichnet Sterne, indem er sie aus
astronomischen Atlanten durchpaust. In Sternbild, das in der Werkphase seiner Grauen Bilder
entsteht, malt er, was man sich nicht einmal vorstellen kann: die unendliche Weite des
Sternenhimmels. Oder ist es doch nur weiße Farbe, die in nasse schwarze Farbe getupft wurde?
30
Ugo Rondinone
* 1964 in Brunnen, Schweiz
VIERUNDZWANZIGSTERMAIZWEITAUSENDUNDZWÖLF, 2012
Acryl auf Leinwand; 300 x 230 cm
Courtesy Krobath, Wien
Eines der wichtigsten Themen von Rondinone ist die Zeit. Wenn der Künstler einem seiner Werke
ein Datum als Titel gibt, dann ist das für ihn wie ein persönlicher Tagebucheintrag. Die Einteilung
in Tage, Monate und Jahre gibt dem Künstler ein Gefühl von Orientierung. Jede/r wird mit einem
bestimmten Datum seine eigene Erfahrung verbinden. Fakt ist, das am 24.5.2012 erstmals der
private Raumtransporter Dragon einen Versorgungsflug zur Internationalen Raumstation ISS
unternimmt. Ob Rondinone in diesem Zusammenhang an jenem Tag seinen Blick in den
nächtlichen Himmel richtete, wissen wir nicht. Es gibt viele Werkkomplexe von ihm, die ein Datum
als Titel haben, darunter Bilder von Wolken, Fenstern, Landschaften, Kreisen oder Streifen.
Rondinone schätzt besonders die Langsamkeit. Entsprechend entschleunigen seine Werke,
ermöglichen Versenkung und geben Raum für eigene Gedanken oder Erinnerungen.
Thomas Ruff
* 1958 in Zell am Harmersbach, Deutschland
STE 2.14 (23h26m -60°C), 1992
Chromogener Abzug; 260 x 188 cm
Edition 1/2
Courtesy Galerie Rüdiger Schöttle, München
Schon früh interessiert sich Ruff für Astronomie: Mit 14 Jahren kauft er sich sein erstes Teleskop.
1978 bewirbt er sich für die Fotoklasse Bernd Becher in Düsseldorf. Seitdem ist er der Meinung,
dass die Fotografie die Realität nicht abbilden kann. Die Wiedergabe der Wirklichkeit ist demnach
ein Resultat der Entscheidung des Fotografen. Durch großformatige Porträts der 1980er-
Generation wird Ruff zum Shooting Star der Fotoszene. Ebenfalls großformatig und damit in der
Tradition des Tafelbilds stehend ist STE 2.14 (23h26m -60°C), das zur Werkserie Sterne gehört, an
der Ruff von 1989 bis 1992 arbeitet. 606 Negative aus dem Archiv des European Southern
31
Observatory (ESO), die mit einem Teleskop in den chilenischen Anden aufgenommen wurden,
dienten ihm als Ausgangsmaterial. Er wählte bestimmte Bildausschnitte und vergrößerte sie. Ein
Firmament wie dieses ist selbst bei einem Blick durch ein Teleskop für das menschliche Auge nicht
zu sehen. Auch in Bezug auf den Sternenhimmel muss eine Darstellung der Wirklichkeit durch
Fotografie eine Illusion bleiben.
Birgitta Weimer
* 1956 in Gemünden, Deutschland
Messier 7, 13 und 38, 2012/2013
GFK, Mattlack, Lichttechnik: Halogen-Metalldampflampe; Durchmesser: 90 cm, Höhe 45 cm
Privatsammlung, Köln
Weimers Installation aus der Messier-Serie taucht den Raum in funkelndes Licht. Sie besteht aus
drei kapselförmigen Objekten am Boden, die einen grandiosen Sternenhimmel an die umliegenden
Wände projiziert. Diese Gebilde entsprechen den Himmelsobjekten, die der französische Astrologe
Charles Messier (1730−1817) erstmals katalogisierte. Messier war ein „Kometenjäger“. Er
entdeckte 20 Kometen und listete über 100 Galaxien, Sternhaufen und-nebel auf. Am 16.
November 1974 versuchen die Astrophysiker Frank Drake und Carl Sagan im Rahmen des
Forschungsprojektes SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) im Arecibo-Observatorium in
Puerto Rico mittels Radiosignal eine Botschaft an Außerirdische zu senden. Der Kugelsternhaufen
Messier 13 wurde als chancenreichster Kandidat für außerirdische Intelligenz ausgewählt, weil
viele Sterne auf engem Raum versammelt sind. Wenn eine Antwort aus dem Weltall kommt,
würde diese nach ca. 45.600 Jahren auf der Erde eintreffen. Seitdem warten die
Erdbewohner*innen auf eine Reaktion. Aliens, bitte melden!
32
ROMANTIK
Sternenglitzernde Nachthimmel, Sternseher*innen, Traumdeuter*innen und die Geburt eines
Sterns lösen Sehnsüchte, Emotionen und romantische Bilder aus.
Klemens Brosch
* 1894 in Linz; † 1926 in Linz, Österreich
Milchstraße, um 1916
Feder in Tusche, Deckfarbe; 30, 5 x 27 cm
Privatbesitz, Linz
Brosch, ein von nächtlichen Visionen und Alpträumen geplagtes Zeichengenie, versucht, das
Unmögliche auf Papier festzuhalten: die Darstellung der Milchstraße. Dem morphium- und
kokainsüchtigen, überwiegend in Linz schaffenden Grafiker wurde kürzlich eine große Ausstellung
im NORDICO Stadtmuseum und der Landesgalerie in seiner Geburtsstadt gewidmet. Brosch
zeichnet mit Feder in Tusche in kleinstem Format Tausende von winzigen Sternen, vermutlich mit
Hilfe einer Lupe. Am rechten unteren Bildrand entdeckt man eine Überraschung: Die Pflanze wird
zum pflanzenähnlichen Gnom, der sich dem Universum, dem bestirnten Himmel nähert und sein
Inseldasein sogar genießt. In der Fantasie des Künstlers ist das Weltall, wie auch sein Gemälde
Sternwarte zeigt, von ebenso seltsamen wie geschäftigen Aliens bevölkert.
Katharina Lackner
* 1981 in Kirchdorf, Österreich
Von Heldentum und Abenteuern, 2010
Videoinstallation, Bleistiftzeichnung, Projektor und Farbe, Ton, Lautsprecher; 112 x 100 cm
NORDICO Stadtmuseum Linz
In ihrer Videoinstallation setzt sich Lackner mit der Untersuchung von Bewegung im Universum
auseinander. Eine Reise voller Sehnsucht und heldenhafter Geschichten wird in poetischen Bildern
erzählt. In einer Überlagerung von Videos, die auf eine Zeichnung projiziert werden, treffen
klischeehafte und romantische Vorstellungen aufeinander. Durch Überblendungen erscheinen,
33
wie in einem Fernrohr herangezoomt, ein alter Segelmaster, dazu Meeresrauschen, ein
Doppeldecker und die Erdkugel. Der Globus mit geografischen Koordinaten wird durch
scheibenförmige, an Planeten erinnernde Projektionen verdoppelt. Bildteile verschwinden in der
Dunkelheit, andere wiederum tauchen wie eine Fata Morgana auf. Glitzernde Sterne breiten sich
schließlich zu einem Sternenregen aus, der über die Zeichnung herabrieselt. Lackners poetische
Installation erinnert an das Sterntalermärchen, in dem das fromme Mädchen sein letztes Hemd
verschenkt und vom Himmel reich belohnt wird.
Roman Scheidl
* 1949 in Leopoldsdorf, Österreich
Geburt eines Sterns (Naissance d’une étoile), 1987
Öl auf Leinwand; 120 x 90 cm
Leihgabe Atelier Sonnenhof, Wien
Mit wilden Pinselstrichen und Rot-Blau-Kontrasten verknüpft der Maler eine Tanzszene mit der
Entstehung eines Sterns. Wenn eine Kernreaktion ausgelöst wird, wird ein neuer Stern geboren,
der in Gas und Staubwolken, sogenannten Nebeln, ruht. Genau diesen Moment zeigt Scheidl. Eine
Explosion hat den nachtblauen Himmel geteilt, ein junger Stern glitzert hervor. Auf der Erde
nimmt eine Tänzerin mit weit ausgestreckten Armen eine extreme Körperhaltung ein. Sucht sie in
einer kühnen Sprungbewegung Schutz vor der roten, glühenden Lava im rettenden Schatten eines
Baumes? Ist der in einen Farbenrausch getauchte Planet dem Untergang geweiht? Wenn die Erde
irgendwann mit all ihren Lebewesen verglüht, entstehen neue Sterne im Weltall: Auf Zerfall folgt
Neubeginn.
34
Kiki Smith
* 1954 in Nürnberg, Deutschland
Sky [Himmel], 2012
Jacquard-Tapisserie; 287 x 190,5 cm
Courtesy Pace Gallery, New York
Künstler*innen machen seit jeher Träume erlebbar. Smith lässt einen weiblichen Akt zum Himmel
schweben. Gleich einer Schwimmerin scheint die junge Frau mit emporgestreckten Armen ins
Universum zu fliegen. Nackt und frei, vorbei an mächtigen Gebirgen, großen und kleinen Sternen,
begleitet von Vögeln und Schmetterlingen, lässt sie wie in einem Traum, alle irdischen Güter
zurück. Der Gobelin wurde bei Magnolia Editions in Oakland/USA in Jacquardtechnik in einer
Auflage von zehn Stück produziert. Der französische Weber Jacquard erfand 1805 eine
Webmaschine, die komplizierte Musterungen möglich machte. Smith verknüpft alte
Webtechniken, digitale Technologien und romantische Ideen. Die vielseitige Künstlerin, die mit
Zeichnung, Skulptur, Glasmalerei, Druckgrafik, Fotografie und Tapisserie arbeitet, war mehrfach
mit Arbeiten im LENTOS zu Gast. Besondere Bedeutung kommt immer wieder dem poetischen
Thema „Frau unter Sternen“ zu.
LEITSTERN
Ursprünglich wurden die Planeten und Fixsterne als göttliche Wesen angesehen, deren gewaltige
Macht das Leben der Menschen bestimmte. Der Stern als Orientierungshilfe spielte schon in der
Seefahrt eine entscheidende Rolle, ebenso in Religion und Astrologie.
Adriana Czernin
*1969 in Sofia, Bulgarien
Ohne Titel, 2016
Aquarell, Bleistift, Farbstift auf Papier; 180 x 260 cm
Courtesy Galerie Martin Janda, Wien
35
Eine Fläche dekorativ mit geometrischen Mustern auszufüllen ist Teil der bildenden Kunst vieler
Kulturen. Als Ausgangspunkt für ihr Werk hat Adriana Czernin ein Fragment eines islamischen
Ornaments aus der Ibn Tulun-Moschee in Kairo aus dem 13. Jahrhundert benutzt. Das Fragment
befindet sich derzeit im Museum für angewandte Kunst in Wien. Um das verlorengegangene
Muster des Fragments wiederzufinden, verbindet Czernin mit dem Lineal vorhandene Punkte und
Linien. In Serie untersucht sie die geometrische Konstruktion des Musters. Ihre Aufmerksamkeit
gilt dabei sowohl der Strenge des Systems als auch möglichen Asymmetrien, manchmal lässt sie
auch Teile des Musters absichtlich weg. Dadurch entstehen freie Formen, die sie den ornamental
erkennbaren Fragmenten gegenüberstellt. Die Symmetrien werden gebrochen, die Statik in
Dynamik, die Starrheit in Bewegung verwandelt.
Imi Knoebel
* 1940 in Dessau, Deutschland
Sternenhimmel – für Lola, 1970/2006
54 Schwarz-Weiß-Fotografien; je 40 x 30 cm, Gesamtmaße 240 x 270 cm
Privatsammlung, Düsseldorf
1968 erhob der Beuys-Schüler Knoebel einen einfachen Keilrahmen zum Kunstwerk. Mit Kasimir
Malewitschs Werk Schwarzes Quadrat auf weißem Grund war für Knoebel alles in der Kunst gesagt
und getan; und so bediente er sich der Medien Fotografie und Licht für seine Idee einer
entmaterialisierten Malerei. 1970 fügt er 54 Fotografien, die zusammen den Sternenhimmel der
nördlichen und südlichen Hemisphäre zeigen, in einer minimalistischen malerischen Geste jeweils
einen weißen Punkt hinzu. Diesen zu finden ist genauso vergeblich wie die Suche nach der
berühmten Stecknadel im Heuhaufen. Vier Jahre später, anlässlich der Geburt seiner Tochter, lässt
er diese in Sternenbilder - für Olga Lina genauso unsterblich werden wie Kallisto aus der antiken
Mythologie. Diese wurde von Zeus zusammen mit ihrem Sohn als großer und kleiner Bär ans
Himmelszelt versetzt. Die Sternenbilder - für Lola sind Knoebels Enkeltochter gewidmet. Damit
erzählt das konzeptuelle
Frühwerk Sternenbilder von 1970 in seiner aktuellen Version von 2006 eine poetische und zugleich
sehr persönliche Geschichte.
36
Emil Orlik
* 1870 in Prag, heute Tschechien; † 1932 in Berlin, Deutschland
Nächtliche Fahrt im Mittelmeer, Anfang 20. Jahrhundert
Öl auf Leinwand; 70,5 x 50,5 cm
Belvedere, Wien
Orlik, der ab 1905 an der Staatlichen Lehranstalt des Berliner Kunstgewerbemuseums
unterrichtete, war stets ein Künstler auf Reisen. Er war nicht nur in Europa, sondern auch in
Nordafrika, China und Japan unterwegs. Künstlerisch war er äußerst vielseitig: Er beherrschte viele
druckgrafische Techniken und malte. Besonders bekannt wurde er für japanisch inspirierte
Farbholzschnitte. Von diesen und seinen Reisen angeregt wurde das Gemälde Nächtliche Fahrt im
Mittelmeer, bei dem Orlik es uns ermöglicht, die Perspektive des Kapitäns einzunehmen. Die
entspannten Matrosen an Deck scheinen sich ganz auf den Steuermann zu verlassen. Diesem
erleichtert ein heller Navigationsstern in der Ferne die Orientierung.
Teresa Präauer
* 1979 in Linz, Österreich
STARS [STERNE]. Ein Stück für sieben Bildschirme, 2016
Videoinstallation, 7 Monitore
Leihgabe der Künstlerin
Bewegte bewegende Worte sind auf sieben Bildschirmen verteilt. Präauer wurde für ihre
Videoinstallation von geometrischen Rastern des Sternenhimmels auf Deckengewölben in
Kirchenräumen inspiriert. Ihre Worte tauchen in einer eigenen Dynamik auf und verschwinden
wieder, die Betrachter*innen folgen ihnen und werden direkt angesprochen.
Die vielfach ausgezeichnete Literatin und bildende Künstlerin nimmt uns mit zu einer besonderen
Reise zu den Sternen. Wie auch in ihren Romanen Für den Herrscher aus Übersee, Johnny & Jean
oder Oh Schimmi kann der Schreibstil als knapp und präzise charakterisiert werden. Präauer ging
bei STARS von der Sieben und damit der berühmten Miller’schen Zahl aus, die besagt, dass ein
37
Mensch nur sieben plus minus zwei Chunks (Informationseinheiten) im Kurzzeitgedächtnis
behalten kann. Ergebnis ist ein poetisches Stück für sieben Bildschirme, das man sich merken wird.
KOSMOLOGIE
Die Vermessung und Erfassung des Universums, seiner Planeten und Sterne beschäftigte die
Menschheit seit jeher. Künstler*innen beziehen wissenschaftliches Foto- und Filmmaterial direkt
in ihre Arbeit ein und setzen sich kritisch mit Rollenzuweisungen und Geschlechterpositionen im
Wissenschaftsbetrieb auseinander.
Max Ernst
* 1891 in Brühl, Deutschland; † 1976 in Paris, Frankreich
Maximiliana ou L’Excercice illégal de l’Astronomie
(Maximiliana oder die illegale Ausübung der Astronomie), 1964
Mappe mit 34 meist farbigen Radierungen, Aquatinta-Radierungen und Reproduktionen der
gezeichneten „Geheimschrift“ von Max Ernst auf Japon ancien, 41 x 61 cm (Doppelseite), Ex. 38/65
Sammlung Würth, Inv.-Nr. 3987
Le Monde des naifs [Die Welt der Naiven], 1965
Öl und Ölkreide auf Leinwand, 116,5 x 89,5 cm
Paris, Centre Pompidou – Musée national d’art moderne – Centre de création Industrielle
Die widerrechtliche Ausübung der Astronomie, 1967
Ein Film über Ernst Wilhelm Leberecht Tempel (1821–1889) mit und für
Max Ernst von Peter Schamoni, 12’
Die Maximiliana, eines der bedeutendsten Künstlerbücher des 20. Jahrhunderts, ist eine
Gemeinschaftsarbeit von Ernst und dem russischen Dichter Illiazd. Rätselhafte Gestalten zwischen
poetischen Texten und geheimen Schriftzeichen – dieses 120 Seiten umfassende Buch wurde
einem deutschen Amateurastronomen gewidmet. Ernst beschäftigt sich mit dem Astronomen
Tempel, dessen Gedicht Der Glöckner den Künstler zu diesem Buch, zu Gemälden und einem Film
mit Peter Schamoni inspirierte. Der Name Maximiliana benennt einen Planeten, den Tempel in
38
Venedig entdeckte. Er wollte schon als Kind Sterngucker werden, wurde aber in Deutschland ohne
Studium abgewiesen, ging dann ins Ausland; was Ernst, der ebenfalls auswandern musste, sehr
berührte. Eine Geheimschrift wird in Großbuchstaben mit Kreisen, Rädern, Spiralen oder Nebeln
verknüpft. Tempels Gedicht Der Glöckner ist im Mittelteil wiedergegeben, andere Seiten
kommentieren seine Forschungen. Vogel-Fischwesen oder Fantasiefiguren vollführen
geheimnisvolle Tänze. Die Texte sind Wellen-, Strahlenoder Zick-Zack-Formen gestaltet. Manche
Figuren erinnern an Ägyptische Totenbücher, indianische Kulturen, Geheimzeichen oder
Beschwörungsrituale. Neben Träumen werden die Gestirne, Sonne und Mond, zu
wiederkehrenden Themen. Oft geht es um das Entdecken des Unbewussten. Der Künstler
verwendet das Verfahren der „écriture automatique“ (automatische Schrift), die man im Film
beobachten kann. Buch und Gemälde werden zum Kosmos von tanzenden Sternen. Dazu Ernst:
„Der Glanz der Sterne ist nicht für die Besitzer von Eintrittskarten reserviert!“
Alicja Kwade
* 1979 in Katowice, Polen
Medium Median (Homo-Mensura), 2016
Mixed Media mit 24 iPhones; Durchmesser: 450 cm, Höhe: 375 cm
Courtesy of the artist, Whitechapel Gallery, London, König Galerie, Berlin, kamel mennour, Paris
und 303 Gallery, New York
Der Titel der Mobilé-Installation aus 24 Smartphones klingt wie ein Zauberspruch. „Medium“
stammt von „Mitte“ oder „Mittelpunkt“, „Median“ bedeutet statistischer Mittelwert, „Homo“
heißt Mensch und „Mensura“ Maß. Der berühmte Satz „Der Mensch ist das Maß aller Dinge“ von
Protagoras könnte einem in den Sinn kommen. Gemeint war damit: Der Mensch und sein Maßstab
sind klein, die Realität wird stets vom Menschen gemacht. Davon erzählt Kwades Installation, die
uns in die Mitte des Universums führt. Via GPS halten die iPhones Kontakt zu verschiedenen
Satelliten, die es wiederum der App Sky Guide (einer digitalen Sternenkarte) ermöglichen, die
Position der iPhones zu ermitteln und damit auch die jeweilige Position jedes Telefons zu den
Sternen. Die Originalstimme der Spracherkennungssoftware Siri erzählt uns von der Genesis, der
Schöpfungsgeschichte der Welt in sieben Tagen. Das Universum ist groß, das Bild davon auf der
Erde klein. So klein, dass es auf ein Smartphone-Display passt. Die übermittelten Informationen
39
sind von Menschen gemacht. Sie dürften verglichen mit der tatsächlichen Realität des Universums
spärlich ausfallen.
Aura Satz
* 1974 in Barcelona, Spanien
Her Luminous Distance [Ihre leuchtende Distanz], 2014
Installation mit Diaprojektor, Ton
Courtesy of the artist und Fridman Gallery, New York
Sphärische Klänge, blitzende Bilder von Kratern, Sternen und Frauen, ausgelöst von einem
Komparator. Ein ähnliches Gerät mit Diaprojektoren und einer rotierenden Scheibe wurde von
Himmelsforschern benützt, um Unterschiede zwischen zwei Fotografien des Nachthimmels
feststellen zu können. Satz integriert diese Apparatur und verwendet Dias von historischen
Fotoplatten. Diese zeigen Astronominnen, die in Harvard zwischen 1890 und 1920 als
„menschliche Computer“ arbeiteten. Sie mussten die Entfernung der Erde zu unzähligen Sternen
vermessen. Henrietta Swan Leavitt (1868–1921) war eine von ihnen. Die gehörlose Forscherin,
1925 für den Nobelpreis vorgeschlagen, erkannte früh, dass es viele Galaxien gibt. Sie
katalogisierte rund 2400 unbekannte Sterne. 1912 entdeckte sie die Perioden-Leuchtkraft-
Beziehung, eine Methode der Entfernungsmessung von Galaxien. Ein Mondkrater, der Leavitt-
Krater, wurde nach ihr benannt. Das Blinken erinnert an ein Ping-Pong-Spiel aber auch an die
anstrengende Arbeitsroutine dieser Frauen. Die Installation ist ein wichtiger Beitrag zur Geschichte
von vergessenen Astronominnen, die Meilensteine zur Erforschung des Universums leisteten.
40
Katharina Sieverding
* 1944 in Prag, Tschechien
Looking at the Sun at Midnight SDO/NASA (Blue)
[Die Sonne um Mitternacht anschauen SDO/NASA (Blau)], 2010–2015
Digitale Filmprojektion für LED-Wand, 233 Min. (Loop); 480 x 480 cm
Standort: Freiraum, LENTOS Fassade
Courtesy of the artist und Galerie Thomas Schulte, Berlin
Gigantisch leuchtet die fesselnde Erscheinung einer blauen Sonne aus dem Inneren des LENTOS in
den Stadtraum auf der Donaupromenade. Die Darstellung auf dem LED-Bildschirm besteht aus
200.000 4K-Satellitendaten aus dem Weltraum. Sieverding animiert daraus einen dynamischen,
fast vierstündigen kontinuierlichen Filmloop der „komplementären Sonne“. Die Aufnahmen
wurden der Künstlerin von der NASA zur Verfügung gestellt. Mit Hilfe der im Februar 2010
gestarteten Mission „Solar Dynamcis Observatory“ (kurz SDO) ist es gelungen, den Stern im blauen
Farbspektrum der Satellitenbilder zu beobachten. Sieverding verbindet in der Videoinstallation
kosmische Dimensionen mit zeitgenössischer Technologie – ein wiederkehrendes Konzept im
Werk der Künstlerin.
Nicole Six
* 1971 in Vöcklabruck, Österreich
Paul Petritsch
* 1968 in Friesach, Österreich
Das Meer der Stille, 2017
Rauminstallation: Erde und Mond, 2014; Meteorit von Prambachkirchen, 1932,
Oberösterreichisches Landesmuseum, Petrografie; Wandtext aus: Johannes Kepler, Somnium –
Der Traum, 1636; 5 Bilder aus der Serie 24-hours exposure, 2010; Handlungsanweisungen, 2017
Leihgabe der Künstler*innen Six & Petritsch beschäftigen sich hier mit Raum und Zeiterfahrungen.
Das Künstlerduo arbeitet ortsspezifisch und dialogisch. So werden Sammlungsobjekte, wie der
1932 gefundene Meteorit aus Prambachkirchen ebenso integriert wie ein Textzitat von Johannes
Kepler. Dieser schildert seine Vision einer Mondlandung.
41
Das Meer der Stille verknüpft die Objekte Mond und Erde mit Kepler, den ersten Mondspuren und
einer Fotoserie. Diese entstand bei einer Weltumrundung, gefahren von den Künstler*innen auf
einer aufgelassenen Rennstrecke nahe dem Nullmeridian. Über der Betonbahn gibt sich der
leuchtende Lichtstreifen als Sonne, als Stern zu erkennen.
Der namensgebende Teil dieser Arbeit bezieht sich auf die Apollo-11-Mission 1969, die erste
Mondlandung. Die bis heute sichtbaren Spuren der Astronauten wurden 1:1 auf die Erde
übertragen. Mithilfe der Anweisungen auf dem Plakat können Sie die Wege der Mondmission
nachgehen.
42
Pressebilder
Pressebilder stehen für die Dauer der Ausstellung auch auf www.lentos.at zum Download bereit. Lizenzfreie
Nutzung unter Angabe der Bildcredits nur im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zur Ausstellung.
Angela Bulloch
Night Sky: Aquarius Pegasus. 12, 2012
Courtesy die Künstlerin, Esther Schipper,
Berlin und Simon Lee Gallery
London/Hong Kong
Alicja Kwade
Medium Median (Homo-Mensura), 2016
Courtesy die Künstlerin, Whitechapel
Gallery, London, König Galerie, Berlin,
kamel mennour, Paris und 303 Gallery,
New York
Foto: Roman März
Katharina Sieverding
Looking at the Sun at Midnight SDO/NASA
(Blue), 2010 – 2015
Bildrecht Wien, 2017
© Katharina Sieverding, Foto: © Klaus
Mettig, Bildrecht Wien, 2017
Julia Bornefeld
Ephemere, 2016
Courtesy Galerie Elisabeth und Klaus
Thoman Innsbruck/ Wien,
Bildrecht Wien, 2017
Foto: Lena Kienzer
43
Mohammed Qasim Ashfaq
FALLING STARS II, 2014
Courtesy der Künstler und Hannah Barry
Gallery, London; Foto: Damian Griffiths
Gerhard Rühm
Auf zu den Sternen, 2016
Courtesy Privatsammlung, Köln, und
Christine König Galerie, Wien
Foto: Reinhard Haider
Barbara Anna Husar
Die Meteoritenfalle, 2011
Courtesy Galerie Maximilian Hutz
Iv Toshain
NOMOS BASILEUS, 2015
Ausstellungsansicht Winterpalais Prinz
Eugen, Wien
Bildrecht Wien, 2017
© Iv Toshain, Foto: Markus Schieder
Anselm Kiefer
Der gestirnte Himmel über mir und das
moralische Gesetz in mir, 1997 Albertina,
Wien
Adriana Czernin
Untitled, 2016
Courtesy Galerie Martin Janda, Wien
44
Ausstellungsansicht
LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017
Foto: maschekS.
Ausstellungsansicht
LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017
Foto: maschekS.
Ausstellungsansicht
LENTOS Kunstmuseum Linz,
2017
Foto: maschekS.
Ausstellungsansicht
LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017
Foto: maschekS.
Max Ernst
Le monde des naïfs, 1965
Bildrecht Wien, 2017; Foto: © Centre
Pompidou
Kiki Smith
Sky, 2011
© Kiki Smith, Courtesy Pace Gallery und
Magnolia Editions Foto: Kerry Ryan
McFate
45
Ausstellungsansicht
LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017
Foto: maschekS.
Ausstellungsansicht
LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017
Foto: maschekS.
Ausstellungsansicht
LENTOS Kunstmuseum Linz, 2017
Foto: maschekS.
Elisabeth Nowak-Thaller (Kuratorin),
Sabine Fellner (Kuratorin)
in der Ausstellung Sterne. Kosmische Kunst
von 1900 bis heute
Foto: maschekS.
LENTOS Kunstmuseum Linz, Fassade, 2017
Sicht auf: Katharina Sieverding, Looking at the
Sun at Midnight SDO/NASA, 2010 – 2015
Foto: maschekS.