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Gerontopsychiatrische Ambulanz
Strukturierte Informationssammlung (SIS) und Demenz
- Praxisbeispiele -
Gerontologisches Forum Bonn 10.9.2018
Rita LöbachBachelor of Arts Psychiatrische Pflege (B.A.)
Fachaltenpflegerin Psychiatrische Pflege
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Gliederung
Hintergrund
Strukturmodell zur Entbürokratisierung der
Pflegedokumentation
Strukturierte Informationssammlung (SIS)
SIS und Demenz
Praxisbeispiele
SIS + Expertenstandard
„Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“
SIS, Demenz und Qualitätsprüfung durch den MDK
Erforderliche Kompetenzen der PFK
Folie 2
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Die Referentin macht wie viele der Teilnehmenden des
heutigen Forums Praxiserfahrungen mit der SIS
-Die TF der SIS-Beispiele sind
unterschiedlich ausformuliert und sollen zur Diskussion
anregen!
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Hintergrund
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Die Einführung des Strukturmodells in der Langzeitpflege ist eine der bisher größten bundespolitischen Aktionen zur Entbüro-kratisierung der Pflege. Der Umstieg auf eine schlanke Pflegedokumentation erfolgt auf Initiative der Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, in enger Zusammenarbeit mit den Verbänden den Einrichtungs- und Kosten-trägern auf Bundes-und Landesebene sowie den Prüfinstanzen und den Ländern.
Aufgabe der Pflegefachkraft ist es, den Pflege- und Betreuungs-prozess zu steuern, in der Pflegedokumentation das Vorgehen nachvollziehbar knapp abzubilden und den interdisziplinären Prozess im Sinne der pflegebedürftigen Person zu koordinieren.
Quelle: Ein-STEP Projektbüro, 2017
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Strukturmodell + Pflegeprozess
Das Strukturmodell repräsentiert den
Pflegeprozess (n. WHO)
Kern-Elemente: person-zentrierter
Ansatz; Pflege = Beziehungsarbeit
Partizipation, prof. Beziehungsgestaltung, Be-
rücksichtigung d. Lebensumfelds, Verständigung
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Die Strukturierte Informationssammlung [SIS]: Teil des Strukturmodells und 1. Phase des Pflegeprozesses
SIS bildet 1. Phase d. PP ab:
Auftragsklärung mit der pflegebedürftigen Person (Selbstbestimmung)
Assessment = Anamnese + Diagnostik
Die SIS stimuliert die Verständigung zur Pflege / Betreuung (gemeinsame Zielsetzung)
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Kern-Elemente des Strukturmodells:
Person-zentrierter Ansatz + Pflege = Beziehungsarbeit
Bisherige Praxis:
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„In einer Untersuchung (Broderick und Coffey, 2012) wird festgestellt, dass sich eine ‚Person-Zentrierte Praxis’ in der Regel in der Pflegedokumentation nicht wiederfindet, u.a. ist selten Engagement und Austausch (= Pflege ist Beziehungsarbeit) mit den Pflegeempfängern erkennbar.Psycho-soziale Aspekte und/oder Beratung bzw. Entscheidungsprozesse zusammen mit den Betroffenen sind oft nicht nachvollziehbar“ Roes, 2014, S.30.
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Folie 8
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Die vier Elemente der SIS
A Daten
B Eingangsfragen an die pflegebedürftige Person
C1 Sechs Themenfelder (= pflegerelevante Kontextkategorien) zur
strukturierten Erfassung des Pflege- und Betreuungsbedarfs
C2 Erste fachliche Einschätzung der pflegesensitiven Risiken und
Phänomene, Risikomatrix
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A Daten
B Selbsteinschätzung (Eingangsfragen)
C1 Themenfelder 1-6 (Kontextkategorien)
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C2 Risikomatrix
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SIS + Demenz: Eingangsfragen zur Selbsteinschätzung
„Im sozialpflegerischen Arbeitsfeld der Altenpflege sind
lebensspezifische Daten ebenso wichtig wie medizinisch-
pflegerische Informationen“
„Beide werden systematisch erlangt und dokumentiert.“
„Die Informationsbeschaffung hängt vom Vorgang des Fragens ab.“
(Hecker et al. , S. 29, 2017).“
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SIS + Demenz, Eingangsfragen: Was bewegt Sie im Augenblick? Was brauchen Sie? Was können wir für Sie tun?
Personen mit Demenz (PmD)…… verstehen u.U. die Fragen nicht werden durch offene Fragestellungen überfordert können sich verbal nicht angemessen äußern äußern sich offensichtlich unrealistisch antworten gar nicht können sich nicht lange konzentrieren äußern sich weitschweifig, verlieren den Faden werden von Angehörigen im Gespräch ignoriert, übertönt,
korrigiert subjektiv belastete Angehörige schätzen Situationen, Bedarfe
und Bedürfnisse häufig anders ein als PmD oder PFK Folie 13
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Offene Eingangsfragen der SIS und Alternativen vgl. Hecker et al.
Was bewegt Sie im
Augenblick?
Was brauchen Sie?
Was können wir für Sie tun?
Sind Sie zufrieden im Moment?
Sie scheinen besorgt, verärgert,…
stimmt das?
Gibt es etwas, das Sie sich wünschen?
Ich frage ihre Tochter mal, in Ordnung?
Wann möchten Sie geweckt werden?
Trinken Sie lieber Kaffee oder Tee zum
Frühstück?Folie 14
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SIS + Demenz: Strukturierte Erfassung des Pflege- und Hilfebedarfs
Fähigkeiten und Einschränkungen der Person mit Demenz
TF 1 sich zeitlich, persönlich und örtlich zu orientieren, zu interagieren sowie Risiken
und Gefahren zu erkennen. Treten herausfordernde Verhaltensweisen auf?
TF 2 sich selbst frei und selbständig, innerhalb/ außerhalb des Wohnumfelds zu
bewegen, Auswirkungen emotionaler/ psychischer Aspekte auf Mobilität
TF 3 krankheits- und therapiebedingte für die Pflege und Betreuung relevante
psychische /physische Einschränkungen
TF 4 bei der Körperpflege, Kleiden, essen + trinken sowie der Toilettenbenutzung
TF 5 selbst Aktivitäten im näheren Umfeld / außerhäuslichen Bereich zu gestalten
TF 6 Haushaltsführung, Wohnen / Häuslichkeit
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Herausforderungen bei Demenz:
Eingangsfragen: Kontakt herstellen, zum Erzählen anregen, Verhalten + Umgebung wahrnehmen, Angehörige befragen
Themenfelder/Risiken:Demenzfolgen betreffen oft alle TF! TF 1 weist direkt auf Kognition/ Interaktion TF 3 Demenz ist Erkrankung mit Auswirkungen im Alltag: hier kann PESR-Schema zur Beschreibung helfen. Einschätzung von Risiken und Phänomenen bei Demenz ist meist sehr komplex und benötigt genaue Beobachtung / Zeit.
Zusammenführung der Sicht des Pflegebedürftigen und der pflegefachlichen Einschätzung(Verständigung): Unterschiedliche
Einschätzungen zwischen PFK / PE / Angehörigen in der SIS im jeweiligen TF dokumentieren (nicht
wertende Formulierung!)
fremdanamnestische Aussagen kenntlich machen
Informationsvermittlung / Beratung der Angehörigen sind psychosoziale Interventionen Maßnahmenplanung!
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Praxisbeispiele
Die Strukturierte Informationssammlung „SIS“ in den Beispielen wird
hier im Rahmen der Psychiatrischen Pflegeüberleitung (PPÜ) bei
Entlassung erstellt (Schnittstellenmanagement: von SGB V nach
SGB XI). Die PPÜ erfolgt ausschließlich mit dem Einverständnis der Patienten/ gesetzl. Vertretung!
Sie bezieht sich auf die Situation der pflegebedürftigen Person am
Ende der stationären Behandlung und dient als Basis für eine
gemeinsame Fallbesprechung mit den weiterversorgenden
Pflegefachleuten
Ziel ist die Vermittlung einer gemeinsam mit den Patienten
(Angehörigen) abgestimmten Einschätzung zur Sicherung der
erlangten Pflegergebnisse im Sinne einer Empfehlung.Folie 17
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Beispiel 1: Frau M., 86 Jahre
Medizinische Diagnosen:
Schizoaffektive Störung, gegenwärtig depressiv
Nicht näher bezeichnete Demenz
Dissoziativer Stupor
Aufnahmegrund:
Wiederholte stuporöse Zustände ( „Erstarrung“) im Pflegeheim
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Folie 19
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Anmerkungen Austausch?
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Beispiel 2 Herr B., 91 Jahre
Medizinische Diagnose:
Demenz bei Alzheimer-Krankheit, atypische oder gemischte
Form
Aufnahmegrund:
Tätlichkeiten gegenüber dem Pflegepersonal und den
MitbewohnerInnen im Pflegeheim. Er fühlte sich
beeinträchtigt und glaubte man wolle an sein Geld.
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Beispiel 2
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Anmerkungen / Austausch ?
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Beispiel 3 Frau H., 73 Jahre
Medizinische Diagnosen:
Postenzephalitisches Syndrom
Nicht näher bezeichnete Demenz
Aufnahmegrund:
Frau H. hatte zuhause gelebt. Sie sich von der „24- Stunden-
Haushaltshelferin“ nicht mehr helfen lassen. Die Pat. sei häufig
verbal aggressiv und habe in dieser Woche 2x die Polizei
gerufen, damit diese Haushaltshelferin entferne.
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Anmerkungen / Austausch?
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SIS + Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“
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Prozesskriterien (P1):
„Die Pflegefachkraft erfasst zu Beginn des pflegerischen
Auftrags sowie anlassbezogen, schrittweise und unter
Einbeziehung der Angehörigen bzw. anderer Berufsgruppen
kriteriengestützt mit der Demenz einhergehende
Unterstützungsbedarfe in der Beziehungsgestaltung, deren
Auswirkungen auf die Lebens- und Alltagswelt sowie
Vorlieben und Kompetenzen des Menschen mit Demenz.“
DNQP, 2018, S.31.
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SIS + Expertenstandard „Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“
Ergebniskriterien (E1a + E1b)
E1a „Der Mensch mit Demenz wird durch die person-zentrierte
Haltung der Pflegenden in seiner Einzigartigkeit wahrgenommen“.
E1b „Die Pflegedokumentation enthält, der Dauer und dem Anlass
des pflegerischen Auftrags entsprechend, systematische und
konkretisierende Hinweise auf mit der Demenz einhergehende
Unterstützungsbedarfe in der Beziehungsgestaltung.“
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DNQP, 2018, S.31
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SIS, Demenz und Qualitätsprüfung durch den MDK
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SIS, Demenz und Qualitätsprüfung durch den MDK
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Erforderliche Kompetenzen der PFK
• Rollenklarheit haben / entwickeln (wofür ist PFK zuständig/ verantwortlich?)
• Klar beobachten können + ggfs. KollegInnen/ Vorgesetzte hinzuziehen (z.B.
Fallbesprechung vor Verständigung, Bedarfe und Bedürfnisse unterscheiden
können)
• Gesprächsführungskompetenzen (offene oder geschlossene Fragen stellen,
taktvoll und diplomatisch auftreten, Führen im Gespräch, Zuhören,
zurückhaltend und gleichzeitig selbstbewusst auftreten, Feedback geben….)
• Protokollieren und prägnant beschreiben können
• Verhandeln + Kompromisse finden (z.B. Spannung aushalten können,
Respektieren ist nicht gleich Gutheißen / Billigung)
• Sachlich differierende Einschätzungen beschreiben und dokumentieren Folie 34
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LiteraturDeutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.). „Expertenstandard
Beziehungsgestaltung in der Pflege von Menschen mit Demenz“, 2018. EinSTEP. „Informations- und Schulungsunterlagen zur Einführung des Strukturmodells in der
ambulanten, stationären und teilstationären Langzeitpflege.“ https://www.ein-step.de/fileadmin/content/Schulungsunterlagen_2.0/Informations-_und_Schulungsunterlagen_V2.0_November_2017_fin_.pdf. Zugriff: 8.9.2018
Hecker, T., Krebs, E.M., Molderings, S., Rasek J. „Praxisratgeber: die strukturierte Informationssammlung (SIS)“. Schlütersche, 2017.
MDK, MDS. „Ergänzende Erläuterungen für Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen nach den Qualitätsprüfungs-Richtlinien –QPR bei Umsetzung des Strukturmodells zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation.“ https://www.mds-ev.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/SPV/PV_Qualitaetspruefung/160614_Ergaenzende_Erlaeuterungen_Effizienzsteigerung_Pflegedokumentation_final_Vers3.1.pdf. 2016. Zugriff: 8.9.2018
Roes, M., „Pflegewissenschaftliche Einordnung Strukturmodell / SIS / Risikomatrix“, Vortrag, München, Katholische Akademie, Kardinal Wendel Haus, 29. Sept. 2014.
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