TAGUNG: GELINGENSBEDINGUNGEN
GUTEN SCHULUNTERRICHTSD I E H E G G E – C H R I S T L I C H E S B I L D U N G S W E R K
25.9.2013
P R O F. D R . V E R A M O S E RH U M B O L D T- U N I V E R S I TÄT Z U B E R L I N
Qualitätsmerkmale inklusiven Unterrichts und seine
professionellen Anforderungen
1. Bildungspolitischer Kontext von Inklusion
2. Inklusion als Qualitätsmerkmal von Schule
3. Unterrichtsforschung im Bereich Inklusion
4. Sonderpädagogische Kompetenzen – Projekt Kompetenzen in inklusive settings (KIS)
5. Forschungen zu beliefs von Lehrkräften im inklusivem Unterricht – Projekt BILF
6. Qualität und Professionalität in inklusiven settings
Qualitätsmerkmale inklusiven Unterrichts und seine professionellen
Anforderungen
Seit PISA neue Qualitätsdebatte um SchuleSchulstrukturelle Veränderungen:
zunehmende DeregulierungAllgemeiner SchülerrückgangHohe Anzahl sog. ‚Risikoschüler/innen‘ (ca. ¼)Uneinheitliches Verständnis
sonderpädagogischer Förderung und Integration/Inklusion in den einzelnen Bundesländern
1. Bildungspolitischer Kontext von Inklusion
Sonderpädagogische Förderung in Deutschland
Quelle: BMAS (2103):Teilhabe-bericht, 93
Inklusionsquoten in Deutschland 2005-2010
Quelle:BMAS(2013):Teilhabe-bericht, 94
Inklusionsquoten nach Bundesländern 2010/11
Quelle:BMAS (2013):Teilhabe-bericht, 95
Förderschule/Inklusion nach Förderschwerpunkten 201o/11
Quelle:BMAS (2013):Teilhabe-bericht, 96
1. Bildungspolitischer Kontext von Inklusion
Reforming special education cannot be done in isolation; it requires integration with reforms being made in gerenal education.“
(Aron & Loprest 2012, 116)
Output-orientierte Steuerung?„Finland succeeds not by following the
policies recommended by the OECD, but by ignoring them.“
(Meyer & Benavot 2013, 15)
2. Inklusion als Qualitätsmerkmal von Schule
Ebenen der Schulentwicklung für Inklusion:
Schulleitung (Management/Steuerung, Schul- und Personalentwicklung),
Schulklima/Schulkultur (Gestaltung des Zusammenlebens), Unterricht (Lehr-Lern-Arrangements, Teilhabeplanung), Lernprozessbegleitung (individuelle Entwicklungsplanung und
Förderung), Lernerfassung und Beurteilung (Lernstandsdiagnostik), Lernprozess- und unterrichtsbezogene Zusammenarbeit
(Elternarbeit, Teamteaching), Fortbildung, Qualitätssicherung, Infrastruktur (Kooperationen) und Support (externe
Unterstützung) (Moser 2012a)
3. Unterrichtsforschung im Bereich Inklusion
1. Effiziente Klassenführung und Zeitnutzung 2. Klarheit und Strukturiertheit 3. Konsolidierung und Sicherung 4. Aktivierung 5. Vielfältige Motivierung 6. Lernförderliches Unterrichtsklima 7. Schülerorientierung und Unterstützung 8. Wirkungs- und Kompetenzorientierung 9. Umgang mit heterogenen Lernvoraussetzungen 10. Angebotsvariation von Aufgaben, Methoden und Sozialformen 11. Curriculums- und systembezogene Diagnostik 12. Kooperative Lernformen 13. Individuelle Feedbacks 14. Gestaltung des Zusammenlebens 15. Lernprozess- und unterrichtsbezogene Zusammenarbeit (u.a. Helmke 2009, King-Sears 1997, Schuck 1999, Meijer 2001)
3. Unterrichtsforschung im Bereich Inklusion
Inklusive settings haben leicht positive Effekte auf die kognitiven Kompetenzen und die soziale Integration in der Klasse auf nichtbehinderte Schüler/innen,
bei Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf variieren diese jedoch im Wesentlichen in Abhängigkeit von der Art der Behinderung/Beeinträchtigung;
bezogen auf den Aspekt der kognitiven Selbstkonzepte liegt hier der Befund vor, dass Schüler/innen mit Förderbedarfen bezogen auf die Leistungsdimension schlechtere Werte erzielen
4. Sonderpädagogische Kompetenzen
Inwiefern unterscheiden sich diese von anderen Lehrkräften, wenn sie gemeinsam Inklusiven Unterricht gestalten?
Bisherige Themen der Integrationsforschung:
soziale und Leistungsentwicklung der beteiligten Schüler/innen kooperative Zusammenarbeit und Teamteaching Formen der Beratung Organisationsformen des Gemeinsamen Unterrichts Effekte integrativer Beschulung für die Einmündung in den
Arbeitsmarkt Kosten integrativer/inklusiver Beschulung Einstellungen von Lehrkräften und Eltern zur
Integration/Inklusion
4. Sonderpädagogische Kompetenzen
Aufgabenbereiche von Sonderpädagog/innen lt. Fachliteratur:
Lernstands- und EntwicklungsdiagnostikBeratung- und OrganisationskompetenzLern- und EntwicklungsförderungBinnendifferenzierte UnterrichtungBedarfssensible KommunikationInterdisziplinäre KooperationFörderung des sozialen Lernens
(vgl. auch Moser, Schäfer & Jakob 2010)
Kompetenzen in Inklusiven Settings (KIS)
Stichprobe N=277 Fragebögen, davon 187 Förderschullehrkräfte und 90 Lehrkräfte
ohne förderpädagogische Ausbildung (‚Regelschullehrkräfte‘) – Statistische Relevanz dieser Stichprobe: 90% Vertrauensniveau bei
Grenzwert des Stichprobenfehlers von 5%
Bundesweite Verteilung der Stichprobe:- 32% Berlin- 13% Schleswig-Holstein- 11% Nordrhein-Westfalen- 10% Saarland
Erhebungszeitraum: 12/2012-5/2013
Befragung richtete sich nur an Lehrkräfte, die in der Integration/Inklusion tätig sind
Es folgen vertiefende schriftliche Befragungen
Kompetenzen in Inklusiven Settings (KIS)
Themenbereiche der Ergebnisse:
Anzahl Schulen, an den FöL arbeiten
Tätigkeit in studiertem Förderschwerpunkt
Tätigkeit in spezifischen Unterrichtsfächern
Vergleich Aufgaben Förder- und Regelschullehrkräfte (Klassenunterricht, Verwaltungsarbeit, Kooperation intern/extern, Kooperationsformen, Diagnostik, Beratung, Individuelle Förderung)
Nur knapp 30% der Förderschullehrkräfte, die in der Inklusion tätig sind, leiten eine Klasse (im Vergleich: 17% mit Lehramt an beruflichen Schulen, 69% Lehramt an Gymnasien)
Kompetenzen in Inklusiven Settings (KIS)
1 2 3 4 50
20
40
60
80
100
120
140
124
35
9 101
Anzahl der Schulen, an denen Förderschullehrkräfte arbeiten
Schulen
An
zah
l F
öL
10
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
86 87
43
55
20
29
66
Vergleich der jeweiligen Studienschwerpunkte und der entsprechenden Tätigkeiten in ihren prozentualen
Häufigkeiten
Lernen_Lernen EmSoz_EmSozGeistige Entwicklung_Geistige Entwicklung Körperliche Entwicklung_Körperliche EntwicklungSehen_Sehen Hören_HörenSprachliche Entwicklung_Sprachliche Entwicklung
Studienschwerpunkt und Anteil der Tätigkeit in diesem Schwerpunkt
Pro
zen
t
Deuts
ch
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hem
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Englis
ch
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Sozial
k./P
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k0.00%
10.00%20.00%30.00%40.00%50.00%60.00%70.00%
Fachunterricht der Förderschullehrkräfte in inklusiven settings
Vergleich Aufgabenverteilung Förder- und Regelschulkräfte in inklusiven settings
Klassenunterricht
Individuelle Förderung
Diagnostik
Beratung
Zusammenarbeit Schulintern
Zusammenarbeit Extern
Verwaltungstätigkeiten
Das Stundendeputat der Förderschullehrkräfte in der Inklusion und die durchschnittliche Häufigkeit der
Aufgaben
Stundendeputat 5 Stundendeputat 10 Stundendeputat 15 Stundendeputat 20
Stundendeputat 25 Stundendeputat 28
Test
s, K
lass
enar
beite
n
Diagn
. D/M
Std.
Diagn
. D/M
Eig.D
iagn
. D/M
Diagn
.WKM
Std.
Diagn
. WKM
Eig.D
iagn
. WKM
0%
40%
80%
120%
160%
200%
Spalte1Regelschullehrkraft
Lernstandserhebungen in inklusiven settings nach Berufsgruppen
D/M= Deutsch/MathematikWKM: Wahrnehmung, Konzentration, Motorik
Ort der Fördermaßnahmen von Förderschullehrkräften
In der KlasseIn KleingruppenEinzelförderung
Deuts
ch/M
athe
Förde
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Konze
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Sozial
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2
4
6
8
10
Fördermaßnahmen der Förderschullehrkräfte nach Bereichen
0 = nie, 10 = sehr häufig
Kolle
g/in
nen
Eltern
Schü
ler/i
nnen
Koop.
Inst
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nen
0
2
4
6
8
Welche Art von Beratung führen Förderschullehrkräfte in inklusiven settings durch?
0 = nie, 10 = sehr häufig
Ca. 1/3 der befragten Förderschullehrkräfte verfügte über einschlägige Fort-Weiterbildung im Bereich der Beratung
0123456789
10
7
54
Häufigkeiten der Kooperationsformen der Förderschullehrkräfte
Kooperationsformen
0=
nie
; 10 =
sehr
häufi
g
Notwendige Ausbildungsinhalte für inklusiven Unterricht
(lt. Auskunft der Befragten):
Lernstandsdiagnostik, Didaktik für heterogene Lerngruppen, Beratungstätigkeit, für Kooperation/ Teamteaching und zum Umgang mit starken
Verhaltensauffälligkeiten erforderlich sind.
Fachunterricht i.d.R. in Deutsch/Mathe selten KlassenleitungenDiagnostik und Beratung sind keine exklusiven Arbeitsbereiche
von Förderschullehrkräften die Aufgabenverteilung der unterschiedlichen Lehrkräfte ist quantitativ ähnlich!
Seltener Beratung von kooperierenden Institutionen häufigste Kooperationsform ist Klassenunterricht mit
Differenzierung durch andere Lehrkraftder größte Anteil an Fördermaßnahmen findet im
Klassenunterricht stattFördermaßnahmen mehr auf Fachunterricht als auf
Förderbereiche bezogenNur in den Förderbereichen Lernen und Em.Soz. finden sich hohe
fachspezifische Einsätze (mit mehr als 80%)1/3 verfügt über Fortbildung im Bereich Beratungdie wöchentliche Fahrtzeit von FöL, die an mehr als 2 Schulen
eingesetzt ist, beträgt 2 Stunden
Erhobenes Profil der Berufstätigkeit von Förderschullehrkräften in inklusiven
settings
Förderpädagogische Berufsprofile sind offenbar insbesondere Ergebnis lokaler
Schul- und Teamentwicklungen
5. Forschungen zu Beliefs der Lehrkräfte im inklusiven Unterricht
Laut Hattie (2009) sind etwa 30% der Varianzen von Schüler/innenleistungen auf Merkmale der Lehrkräfte und des Unterrichts rückführbar, wohingegen etwa 50% den individuellen Eingangsvoraussetzungen und sozialen Herkunftsmerkmale der Schülerinnen zugerechnet werden
(vgl. auch Reusser 2011, 14)
5. Forschungen zu Beliefs der Lehrkräfte im inklusiven Unterricht
Untersuchung ‚Beliefs Lehrkräfte im Bereich schulischer Förderung‘ (BILF)
Sonderpädagog/innen unterscheiden sich von Grundschullehrkräften bezüglich der Bereiche individueller Förderung, psychiatrisch-medizinischer Überzeugungen zu Behinderung sowie einer Selektionsorientierung– diese sind unabhängig von eigener integrativer Erfahrung, Alter und Geschlecht (vgl. Kuhl et al. 2013)
Beliefs von Sonderpädagog/innen
selektions-orientiert
psychiatrisch orientiert
Förder-/ Lebenslagen-
bezogen/ dialogisch orientiert
unabhängig von Alter, Geschlecht und Erfahrung im GUDetaillierte Ergebnisse in: Kuhl, J./Moser, V./Schäfer, L./Redlich, H. (2103): Zur empirischen Erfassung von beliefs von Förderschullehrerinnen und -lehrern. In: Empirische Sonderpädagogik. Heft 1, 3-24
Beliefs von Sonderpädagog/innen
bisherigen Befunde legen nahe, dass es professionsbezogene Überzeugungen bei Lehrerinnen und Lehrern gibt
alle gefundenen Unterschiede sind auf den Faktor Lehramt zurückzuführen
innerhalb der Gruppe der Förderschullehrkräfte spielen Geschlecht oder Erfahrungen im GU keine Rolle
widerspricht der Annahme, dass Überzeugungen institutionell am Arbeitsplatz erzeugt werden
Aktuelle Folgeuntersuchung:
Inwiefern werden Beliefssysteme durch Hochschulen erzeugt oder sind bereits bei Studieneintritt vorhanden?
6. Qualität und Professionalität in inklusiven settings
Neues Qualitätsverständnis von Inklusion – Outputs sind nicht nur in schülerseitigen Kompetenzen messbar
Offenbar sich wandelndes Berufsverständnis der Förderschullehrkräfte von förderschwerpunktbezogenen hin zu unterrichtsfachbezogenen Fördermaßnahmen
Erhalt unterschiedlicher Professionen sichert ‚zweiten Blick‘, drückt sich u.a. in unterschiedlichen ‚beliefs‘ aus
Aufgabenwahrnehmung der beteiligten Professionellen ist Aufgabe von Schul- und Teamentwicklungsprozessen
Inklusiver Unterricht hat gegenüber anderem guten Unterricht keine eigenen Qualitätsmerkmale
Inklusion benötigt förderliche Haltungen der Lehrkräfte, die im Schulprogramm verankert werden müssen
Qualitätsmerkmale inklusiven Unterrichts und seine professionellen Anforderungen
Ich danke für die Aufmerksamkeit!