Dr. Katrin HilleTransferZentrum für Neurowissenschaften und LernenUniversität Ulm
Wie lernt das Gehirn –Und was heißt das für unsere Schule?
www.pbs.org/wgbh/aso/tryit/brain/
PenfieldsHomunculus
Kortikale Karten
Jenkins et al., J Neurophysiol 1990
Veränderung kortikaler Karten
• Professionelle Klavierspieler: größere Gehirnregionen für das Hören von Klaviertönen [Pantev et al., 1998]
• Je jünger die Musiker, als sie mit dem Klavierspiel begannen, desto größer diese Region. [ebd.]
• Londoner Taxifahrer: vergrößerte Gehirnregion, für räumliche Orientierung zuständig [Maguire et al. 2000]
• Je länger diese Taxifahrer im Beruf, desto größer [ebd.]
• Junge Leute übten drei Monate Jonglieren: vergrößerte Gehirn-regionen für Auge-Hand-Koordination [Draganski et al., 2004]
• Erwachsene ab Mitte Fünfzig brauchten länger, aber zeigten dieselben Veränderungen [Boyke et al., 2004]
• Studenten wurden Finger einer Hand betäubt: in den folgenden drei Stunden schrumpften Gehirnregionen zuständig für Tastempfindungen der Finger. Gleichzeitig verbesserte sich die Tastempfindung im Gesicht. [Weiß et al., 2004]
• Das Gehirn ist plastisch
• Übung / Erfahrung / Umwelt verändern das Gehirn
• Wir machen Erfahrungen und die Erfahrungen machen uns.
• „Man wird, was man tut.“
Neuroplastizität
Plastizität ist die Grundlage für individuelle Gehirne.
Menschen sind unterschiedlich
Leseleistung von Zweitklässlern
Leseleistung (Rohwertpunkte in der Würzburger-Leise-Leseprobe) von Zweitklässlern (Daten ZNL, Begleitung „Bildungshaus 3-10“)
Eine typische zweite Klasse hat im Schnitt drei Schüler die schlechter alsdurchschnittlicher Erstklässler lesen und weitere drei die besser als durchschnittlicher Drittklässler lesen.
Leseleistungen von 15 Jährigen
Leseleistung (PISA Kompetenzstufen) getrennt nach Schulart (Daten PISA 2012 aus Prenzel, Sälzer, Klieme & Köller, 2013)
1. Oberflächliches Verständnis einfacher Texte
2. Herstellen einfacher Verknüpfungen
3. Integration von Textelementen und Schlussfolgerungen
4. Detailliertes Verständnis komplexer Texte
5. Flexible Nutzung unvertrauter, komplexer Texte
Prinzipien des Lernens aus der Sicht des Gehirns
Erfolgserlebnissewerfen den
Lernturbo an
Verarbeitungstiefe schafft
Nachhaltigkeit
Aufmerksamkeit :begrenzt, aber
wichtig
Erfahrungen :Das Gehirn generiert
Regeln
Bedeutung :Reizdarbietung
allein reicht nicht
Beteiligung :Positive Emotionen
aktivieren
Gesagt ist noch nicht gehört,gehört ist noch nicht verstanden.
• Zu Lernendes muss bedeutsam sein=> Reizdarbietung allein reicht nicht
Neurowissenschaftliche Binsenweisheit
Kompetenzraster
Kompetenzraster
Kunze / Solzbacher (2008): 98 % der Lehrer finden „individuelle Förderung“ wichtig und erstrebenswert90 % meinen, dass es nicht möglich sei
Wie es doch geht
• Raum, Zeit und Material zur Verfügung stellen und die Aktivität zu den Lernenden verlegen
Lehrerzentrierter Unterricht
Lehrerzentrierter Unterricht
Schülerzentrierter Unterricht
Schülerzentrierter Unterricht
Schülerleistungen im Vergleich
Leistungen über dem Durchschnitt
Leistungen unterdem Durchschnitt Lara organisiert
sich Unterstützung
Höke, Hille & Kansteiner-Schänzlin (2012)
Schülerleistungen im Vergleich
Leistungen über dem Durchschnitt
Leistungen unterdem Durchschnitt
Inga arbeitet nur unter Druck
Lars lässt sichleicht ablenken
Tim kann sichnicht organisieren
Höke, Hille & Kansteiner-Schänzlin (2012)
Selbststeuerung: Den einen Marshmallow nicht essen, wenn man dafür später zwei bekommt.
Eine kleine Aufgabe, die Selbststeuerung erfordert
Im folgenden sehen Sie jeweils ein Herz oder eine Blume. Die Regeln bleiben dieselben. Erscheint das Herz links, heben Sie die linke Hand. Erscheint die Blume links, heben Sie die rechte Hand.
Reagieren Sie so schnell wie möglich.
Noch mal:
Herz: Auf derselben SeiteBlume: Auf der anderen Seite
Herzen und Blumen
Geschafft!
Entwicklung der Leistungen in diesem Test
Davidson et al. 2006
Alter in Jahren
Pro
zent
kor
rekt
% J
ugen
dlic
he o
hne
Sch
ulab
schl
uss
Selbstregulationwährend Kindheit M
offit
t et a
l., 2
011
PN
AS
50
40
30
20
10
01 2 3 4 5
(niedrig) (hoch)
Selbstregulation und (kein) Schulabschluss
Vergleich: Selbstregulation und IQ
0 10 20 30 40 50 60 70 80
Zensurendurchschnitt
Leistungstest
Aufnahme an "bessere"Highschool
Unentschuldigte Fehltage
Stunden Hausaufgaben(HA)
Stunden TV
Tageszeit des Beginns derHA
IQ Selbstregulation
r=.32***r=.67***
r=.36***r=.43***
r=.56***r=.26**
r=-.07r=-.26**
r=.35***r=-.09
r=-.06r=-.33***
r=-.26**r=.18*
Duckworth & Seligman, 2005 Psych Science
Komische Gesichter
• Betrachten Sie die Unterschiede der Gesichter mit dem grauen Hintergrund und der mit dem rosa Hintergrund.
• Zu welcher Gruppe gehören die folgenden Gesichter?
Testaufgabe
Sigala & Logothetis, Nature 2002
Kriterien: Gesichter unterscheiden
Augenhöhe
Au
ge
na
bst
an
d
Die Regel heißt…
Erziehung ist sinnlos. Die Kinder machen uns ja doch alles nach.
Was wird hier gelernt?
• Das Gehirn ist ein schneller und effizienter Regel-Extraktor: Es lernt aus konkreter Erfahrung „en passant“.
• Das Gehirn lernt immer. Aber nicht immer das, was andere wollen.
Neurowissenschaftliche Binsenweisheit
3 Gruppen
A – B – C
Wörterexperiment
Gruppe A
LAMPE
Ist das Wort mit Großbuchstaben geschrieben?
Ja oder Nein?
essen
Wörterexperiment
Gruppe B
LAMPE
Ist das Wort ein Verb?
Ja oder Nein?
essen
Wörterexperiment
Gruppe C
LAMPE
Stellt das Wort etwas Belebtes dar?
Ja oder Nein?
essen
Wörterexperiment
Alle Wörter des Experiments
� Auto� laufen� Stuhl� Katze� regnen� trinken� Buch
� hören� Rose� erwärmen� Spiegel� Vogel� leuchten� sprechen
Zuhören
Lesen
Zuschauen
Diskutieren
Selber Tun
Anderen erklären
Lernpyramide
• Wenn möglichst viele der Schüler möglichst die meiste der Zeit sich möglichst „tief“ mit einem Thema auseinander setzen.
Verarbeitungstiefe (Kognitive Aktivierung) stärken
• Wenn möglichst viele der Schüler möglichst die meiste der Zeit sich möglichst „tief“ mit einem Thema auseinander setzen.
Verarbeitungstiefe (Kognitive Aktivierung) stärken
• Verarbeitungstiefe bewirkt nachhaltiges Lernen
• Lernen ist Spinnerei!- das Weben von Netzen und Knüpfen von Zusammenhängen
• „Wer hat, dem wird gegeben.“Bedeutung von Vorwissen
Neurowissenschaftliche Binsenweisheit
Lebenslange Neuroplastizität sorgt dafür, dass sich unser Gehirn an seine Umwelt anpasst, d.h. dass es lernt.
Gehirne
lernen
Opas
Schlag-
anfallMenschen
haben
Gehirne
Lernen
ist hilfreich
Gehirne sind plastisch
Opa hat nach dem Schlaganfall wieder
laufen gelernt
Plastizität ist lebenslang
Lernen geht lebenslang
Opa geht‘s wieder besser
Lernen ist Anpassung des Gehirns an die Umwelt
Lebenslange Neuroplastizität sorgt dafür, dass sich unser Gehirn an seine Umwelt anpasst, d.h. dass es lernt.
Motto-Show
Dieter Bohlen Deutschld.
sucht den Superstar
80erJahre
Menschen haben
Gehirne, oder?
Noch ein Lernexperiment
2 Gruppen (Gruppe 1, Gruppe 2)
Ein Junge fährt mit seiner Mutter durch die Stadt und wird bei einem Autounfall schwer verletzt. Er wird rasch ins Krankenhaus gebracht, wo eine Reihe medizinischer Verfahren durchgeführt wird.
Geschichte für Gruppe 1
Ein Junge fährt mit seiner Mutter durch die Stadt, um den Vater, der im Krankenhaus arbeitet, zu besuchen. Dort zeigt man dem Jungen eine Reihe medizinischer Verfahren.
Geschichte für Gruppe 2
Zuerst geht es um Röntgenaufnahmen und Blutdruckmessung. Währenddessen telefoniert die Mutter mit der älteren Tochter. Nach den Bluttests bei der Lungenfunktionsprüfung ist sie wieder bei dem Jungen. Dann sind EKG, EEG und Computertomographie dran. Zum Schluss geht es zu den Ultraschall-untersuchungen.
Fortsetzung der Geschichten
• Röntgenaufnahmen• Blutdruckmessung • Bluttests • Lungenfunktionsprüfung • EKG• EEG • Computertomographie • Ultraschalluntersuchungen
Die medizinischen Verfahren
Geschichte 1Ein Junge fährt mit seiner Mutter durch die Stadt und wird bei einem Autounfall schwer verletzt. Er wird rasch ins Krankenhaus gebracht, wo eine Reihe medizinischer Verfahren durchgeführt wird.
Geschichte 2Ein Junge fährt mit seiner Mutter durch die Stadt, um den Vater, der im Krankenhaus arbeitet, zu besuchen. Dort zeigt man dem Jungen eine Reihe medizinischer Verfahren.
Perf
orm
ance /
Leis
tung
Arousal / Aktivierung
Aktivierung und Lernen
Cahill et al. 1994, Nature
Wie viel Informationen (%) wurden behalten?
40
45
50
55
60
65
70
75
aktiviert . . .
. .
Wie viel Informationen (%) wurden behalten?
40
45
50
55
60
65
70
75
aktiviert neutral . .
. .
Wie viel Informationen (%) wurden behalten?
40
45
50
55
60
65
70
75
aktiviert neutral aktiviert .
. Betablocker
Wie viel Informationen (%) wurden behalten?
40
45
50
55
60
65
70
75
aktiviert neutral aktiviert neutral
Placebo Betablocker
Aktivierung und Lernen
• Lernen braucht „Aktivierung“, z.B. durch emotionale Beteiligung
Neurowissenschaftliche Binsenweisheit
Erk et al. Neuroimage 2003
Positive und negative Emotionen
Erk et al. Neuroimage 2003
Positive und negative Emotionen
• Lernen braucht „Aktivierung“, z.B. durch emotionale Beteiligung
durch positive Emotionen
Neurowissenschaftliche Binsenweisheit
• Bitte stellen Sie sich alle hin.• Nachfolgend bekommen Sie eine Aufgabe. • Wenn Sie diese Aufgabe richtig bearbeitet haben,
setzen Sie sich bitte hin und behalten die Antwort für sich.• Warten Sie bis alle sitzen.
Eine kleine Aufgabe
5 ● G 5 ● H E1 P ● A ✶ R ● 7 P ✶ ● 9
5 ✶ 5 ✶ 5 ✶ 5● ● 2 ● F G ● X 5 ●
✶ ✶ ● 6 O● 4 P ● 8 R ✶ ●
5 ✶ O ● C● Q F ● C O ● 5 R 5✶ 5 ✶ ● N● F R X F ● ✶
5 ✶ ● 6 R ✶ ●
● D P ✶ ● A ● 4 S✶ 5 ✶ ● 8
● 3 R 5 G G 5 9 ✶
5 ✶ ● 7 P ✶ ● 1 R● K P 5 ✶ ● 8 5 ✶ ●
✶ ● H R 4 5 ✶
5 ✶ ● 2 R ● D F ● 5● 9 ✶ ✶ R
Finden Sie die Zahl rechts von einem Punkt,oberhalb eines Sterns,unterhalb einer 5 undlinks von einem R.
Frontalhirnfunktionen
Arnsten 2009 Nature Rev NeuroSci
• Abgleich mit der Realität
• Fehlerkontrolle
• Steuerung von Gedanken und Aufmerksamkeit
• Inhibition von unerwünschtem Verhalten
• Steuerung von Emotionen
Frontalhirn mit Stress
Reizgesteuerte Aufmerksamkeit
Emotionale Reflexe
Emotionale Assoziationen
Emotionale Gewohnheiten
Verlust der Steuerung durch das Frontalhirn
Arnsten 2009 Nature Rev NeuroSci
Wichtiges für die Leistungsbewertung:
• Kompetenz entspricht nicht notwendigerweise Performanz
• Emotionen beeinflussen die Leistung
• Erfahrung eigener Inkompetenz sind schmerzhaft• Zweifel an der eigenen Kompetenz führen zu Minderleistung
• Lernen braucht „Aktivierung“, z.B. durch emotionale Beteiligung
durch positive Emotionen
Neurowissenschaftliche Binsenweisheit
Erfolgserlebnissewerfen den
Lernturbo an
Verarbeitungstiefe schafft
Nachhaltigkeit
Aufmerksamkeit :begrenzt, aber
wichtig
Erfahrungen :Das Gehirn generiert
Regeln
Bedeutung :Reizdarbietung
allein reicht nicht
Beteiligung :Positive Emotionen
aktivieren
Neurowissenschaftliche Binsenweisheiten
Herr Lehrer darf ich gehen? Mein Gehirn ist voll.