Univ.-Prof. Dr. Reinhold Popp
Zukunft : Innovation : Ideenmanagement
Vortrag – Tagung „Ideenmanagement & Innovation“,
Österreichisches Produktivitäts- und Wirtschaftlichkeits-
Zentrum (ÖPWZ) / Forum KVP & Innovation,
12.06.2013, Salzburg
Einige Anmerkungen zur
so genannten Zukunftsforschung
Der Begriff „Zukunftsforschung“ suggeriert, dass es eine
Forschungsrichtung gibt, die „die Zukunft“ erforschen kann.
→ nicht möglich, aber:
Zukunftsforschung erforscht die vielfältige Formen der
gegenwärtigen individuellen und institutionellen
Auseinandersetzung mit der Zukunft, also die
Plausibilität unserer Zukunftsbilder, -pläne, -programme, -
ängste, -wünsche, -hoffnungen, -befürchtungen, -pro-
jektionen, -vorstellungen u. Ä.
Einige Anmerkungen zur
so genannten Zukunftsforschung
Realisierung konkreter Zukunftsbilder:
• Know-how der Wissenschaft
• Gestaltungskraft gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und
politischer Interessensgruppen
• zukunftsgestaltende Kraft unserer individuellen Pläne und
Handlungen in Beruf, Familie und Freizeit
Planung und Vorbereitung der Zukunft → Dynamik zwischen
den beharrenden und den innovativen Kräften einer
Gesellschaft
Denken auf Vorrat. Einige wahrscheinliche
Zukunftsentwicklungen …
… und ihre innovative Kraft
Für das betriebliche Ideenmanagement besonders
wichtige gesellschaftliche Innovationsprozesse:
(1) innovative Dynamik wichtiger demografischer
Entwicklungen
(2) alle Lebensbereiche durchdringende Innovationskraft der
Digitalisierung
Denken auf Vorrat. Einige wahrscheinliche
Zukunftsentwicklungen …
… und ihre innovative Kraft
Unverzichtbare Voraussetzungen betrieblicher und
gesellschaftlicher Innovationsprozesse:
(1) individuelle Voraussetzung von Kreativität und
Innovationsfähigkeit
(2) systemische Voraussetzung eines vorausschauenden
und innovationsfördernden Managements
Zukunftsthema Nr. 1: Innovation durch
demografische Entwicklungen
Das durchschnittliche Lebenszeitbudget stieg in den
vergangenen 100 Jahren um rund 200.000 Stunden pro
Person an.
Zeitwohlstand in gigantischem Ausmaß vermehrt → eine
der wichtigsten gesellschaftlichen Innovationsdynamiken
Gleichzeitig reduzierte sich der Anteil der beruflich
gebundenen Zeit an der gesamten Lebenszeit.
Zukunftsthema Nr. 1: Innovation durch
demografische Entwicklungen
~ 73.000 Stunden im Beruf verbrachte Zeit, ausgehend von
einer durchgehenden Vollzeitarbeit
= nur 11 % der gesamten Lebenszeit (!)
• zukünftig leichter Anstieg der Lebensarbeitszeit
• allerdings nur in Relation zur ebenfalls steigenden
Lebenserwartung
• d. h. Anteil der Berufszeit wird 11-Prozent-Marke nicht
überschreiten
Zukunftsthema Nr. 1: Innovation durch
demografische Entwicklungen
• Objektiv betrachtet hält sich der berufliche Anteil unseres
Lebenszeitbudgets in überschaubaren Grenzen,
• subjektiv betrachtet erscheint er als Zentrum des Lebens.
Verkauf der Arbeitskraft in
1/10 der Lebenszeit =
finanzielle Wertschöpfung für
restliche 9/10 des Lebens
Zukunftsthema Nr. 1: Innovation durch
demografische Entwicklungen
Aspekte demografischer Entwicklung mit starker
innovativer Gestaltungskraft:
(1) Bedeutungszuwachs von Frauen in Wirtschaft und
Politik
(2) Höherer Stellenwert von älteren Menschen in Beruf
und Konsumwelt
(3) Aufstieg von jüngeren Menschen zur umworbenen
Minderheit
(1) Frauen in Wirtschaft und Politik immer wichtiger
• Aufholjagd von Frauen in der Bildung
• setzt sich im Berufsalltag nur sehr begrenzt fort
• Unterschiede zwischen den Gehältern von Frauen und
Männern in Ö und D größer als in den meisten anderen EU-
Ländern
• Frauen trotz immer besserer Qualifizierung in Ö und D
besonders selten in Führungspositionen
Erwartung einer zukünftigen Verbesserung dieser Situation?
D: 60 %, Ö: 48 %; Ö Männer: 45 % (!)
(1) Frauen in Wirtschaft und Politik immer wichtiger
(1) Frauen in Wirtschaft und Politik immer wichtiger
Wichtig für bessere Erwerbsbeteiligung und Karriere-
entwicklung von Frauen:
• deutlich bessere Infrastruktur für professionelle
Kinderbetreuung
• besseres Zusammenspiel von Arbeitswelt, Freizeit und
Familie
• genderspezifisches Zukunftsproblem:
• marginaler Anteil von Frauen im Produktionssektor
• Distanz zur Technik (häufig immer noch auf geschlechts-
spezifischen Stereotypen basierende Familienerziehung)
(2) Wachsender Zeitwohlstand und alternsgerechte Arbeitswelt
(2) Wachsender Zeitwohlstand und alternsgerechte Arbeitswelt
Arbeiten bis zum 75. Lebensjahr?
Ö: 43 %, D: 49 %
• unrealistisches Zukunftsbild, da Lebensarbeitszeit zwar
kontinuierlich ansteigt, aber nicht rascher als statistische
Lebenserwartung
• 2013−2030: ca. 3 - 4 Jahre mehr Lebenszeit pro Person
• moderat verlängerter produktiver Verbleib im Erwerbsleben
= Herausforderung sowohl für Arbeitgeberinnen und Arbeit-
geber als auch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
(2) Wachsender Zeitwohlstand und alternsgerechte Arbeitswelt
Betriebliches Generationenmanagement:
Ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind nicht
• zu teuer, zu langsam, zu unflexibel, zu oft krank
sondern haben Kompetenzen wie
• Ausdauer, Erfahrung, Loyalität, soziale Kompetenz,
Verlässlichkeit
Weiters:
• Bedeutung von Seniorinnen und Senioren in der Konsumwelt
• Beteiligung an der Mitfinanzierung der Lebenshaltungskosten
von Kindern und Enkelkindern
(3) Aufstieg jüngerer Menschen zur umworbenen Minderheit
(3) Aufstieg jüngerer Menschen zur umworbenen Minderheit
Hat es die heutige junge Generation zukünftig schwerer?
Ö: 60 %, D: 70 %; je höher die Bildung, desto skeptischer
Stärken und Ressourcen der heutigen jungen Generation:
• hohes Bildungsniveau
• Fremdsprachenkenntnisse
• mediale Kompetenz
• kreative Kooperation in Projekten
• zukünftig gute Jobaussichten: aufgrund geringer Geburtenraten
wenig Nachwuchs für Arbeitsmarkt, nicht auf heimische
Stellenangebote angewiesen
(3) Aufstieg jüngerer Menschen zur umworbenen Minderheit
→ werden zur umworbenen Zielgruppe
• Mythos „Generation Praktikum“: relativ rascher
Berufseinstieg nach der Ausbildung in Ö und D dank
aktiver Arbeitsmarktpolitik
• historisch einzigartig lange Lebenserwartung
• privilegierte Rahmenbedingungen in Ö und D
Zukunftsthema Nr. 2: Digitalisierung als
Innovationsmotor
„alte“ Medien:
• in allen Lebensbereichen vertreten; z. B. mehr Zeit vor
dem Fernseher als im Beruf
neue Medien:
• bedeutsamste Innovation = Zusammenwachsen von
digitalisiertem Datenverkehr, digitalisiertem Fernsehen
und digitalisierter Telefonie
Zukunftsthema Nr. 2: Digitalisierung als
Innovationsmotor
Digitale Lebensbegleiter:
• immer leistungsfähiger
• immer kleiner
• immer vernetzter
• immer und überall verfügbar
z. B. Fahrzeugtechnik, Gesundheitssystem (Pflegeroboter),
Sensortechnologie, Miniaturisierung, Mikroelektronik und
Mikrooptik, Spracherkennung, Eye-Tracking, biometrische
Verfahren wie Fingerprinting oder Iris-Erkennung
zum elektronischen „Butler James“
ausgebautes Smartphone – bzw. mittelfristig
„Datenhelm“ – an der Schnitt- bzw. Nahtstelle
zwischen Individuum und dessen Konsum-,
Wohn-, Arbeits- und Freizeitwelt
© Etsy
Zukunftsthema Nr. 2: Digitalisierung als
Innovationsmotor
Zukunftsthema Nr. 2: Digitalisierung als
Innovationsmotor
Übersetzungs- bzw. Dolmetschprogramme:
• immer bessere direkte Übersetzung gesprochener Texte
in die wichtigsten Sprachen
• gigantische Auswirkung auf Spracherwerb, globale
Kommunikation, Markt der digitalisierten Konsumgüter
Erleichterte Kommunikation durch Geräte mit Simultan-
übersetzung?
Ö: 30 %, D: 37 %; je jünger, desto optimistischer
Zukunftsthema Nr. 2: Digitalisierung als
Innovationsmotor
Zukunftsthema Nr. 2: Digitalisierung als
Innovationsmotor
• digitale Medien → Nutzung innovativer Ideen z. B. Wikis, Unterhaltungselektronik („Innovation durch Inter-
aktion“, kreatives Potenzial der Kundinnen und Kunden nutzen)
• partizipative Potenz der „Social Media“ z. B. möglicher wachsender Einfluss der Konsumentinnen und
Konsumenten auf die Wirtschaft bzw. der Bürgerinnen und
Bürger auf die Politik (E-Commerce, E-Government)
• bei der Partnersuche („E-Love“),
v. a. in der Anfangsphase des Suchprozesses
Zukunftsthema Nr. 2: Digitalisierung als
Innovationsmotor
Zukunftsthema Nr. 2: Digitalisierung als
Innovationsmotor
Innovationszyklen digitalisierter Technik immer kürzer
Zukunftsproblem = digitale Spaltung zwischen
• Alt und Jung
• Frauen und Männern
• Personen mit Pflichtschulabschluss
und Personen mit Matura
Zukunftsthema Nr. 2: Digitalisierung als
Innovationsmotor
Zukunftsthema Nr. 2: Digitalisierung als
Innovationsmotor
Weitere Konsequenz der Digitalisierung:
• systematische Sammlung und Verknüpfung unserer
persönlichen Daten, z. B. Konsum- und Wahlverhalten,
Mediennutzung, Krankheiten etc.
• immer leistungsfähigere Datenbanken
• gläserner Mensch bis 2020 immer realer
Zukunftsthema Nr. 3: Erziehung zu
Kreativität und Innovationsfähigkeit
Kreativität und Innovationsfähigkeit:
• = Schlüsselkompetenzen für zukünftige Lebensqualität und Wettbe-
werbsfähigkeit, werden aber nur begrenzt in heutigen Schulen und
Hochschulen gelehrt („Unterrichtsvollzugsanstalten“)
kreative, innovationsorientierte Wissensaneignung durch:
• mehr multimedial unterstütztes, selbst organisiertes und
forschendes Lernen
• mehr fächerübergreifende Projekte
• neue Schul- und Hochschularchitektur
Respekt vor der Neugierde der Lernenden
Zukunftsthema Nr. 3: Erziehung zu
Kreativität und Innovationsfähigkeit
„Ich habe keine besondere
Begabung, sondern bin nur
leidenschaftlich neugierig.“
Albert Einstein
© Wikimedia Commons - Dantadd - Public Domain
Zukunftsthema Nr. 3: Erziehung zu
Kreativität und Innovationsfähigkeit
• Neugierde fördert Kreativität und Innovationsfähigkeit
• Kreativität und Innovationsfähigkeit sind die Motoren
für soziale, kulturelle, technische, wirtschaftliche und
politische Innovation
• Innovation stärkt die Chancen der wissensbasierten
Gesellschaften Europas auf dem globalen Markt und
sichert die ökonomische Basis für unsere zukünftige
Lebensqualität
Zukunftsthema Nr. 4: Vorausschauendes
Management für betriebliche Innovationskultur
Minderheit in Ö und D vertraut Chefs bei Lösung von Zukunftsfragen!
Zukunftsthema Nr. 4: Vorausschauendes
Management für betriebliche Innovationskultur
Gestaltung betrieblicher Strukturen und Funktionen laut
Lehrbuch, z. B.:
• flache Hierarchien
• Kombination von Führung und Selbstorganisation
• flexible Orientierung an Unternehmenswerten statt an
starren Regeln
→ anstelle längst überholter Managementkonzepte
Zukunftsthema Nr. 4: Vorausschauendes
Management für betriebliche Innovationskultur
Zukunftsfähige Managementlogik geprägt von:
• deutlicher Verringerung der Führungsebenen
• Dezentralisierung der Prozess- und Ergebnisverantwortung
• Förderung der Eigeninitiative der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
• echten Zielvereinbarungen
• Schaffung vielfältiger Freiräume auf allen betrieblichen Ebenen
• Vertrauenskultur statt Kontrollkultur
• Animation zur Partizipation
• = möglichst umfassende Beteiligung aller Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter an betrieblichen Innovationsprozessen
„Der Mensch im Mittelpunkt!“
Konsequenzen
für das Ideenmanagement
Die bisher skizzierten Entwicklungen in den Bereichen
• Demografie
• Digitalisierung
• Kreativitätserziehung
• betriebliche Führungsstrukturen
haben Konsequenzen für
• Planung und Gestaltung von Innovationsprozessen
in Unternehmen und Institutionen sowie für
• die Zukunft des Ideenmanagements
Konsequenzen
für das Ideenmanagement
• Berücksichtigung der demografischen Dimension
hinsichtlich zukünftiger Entwicklung der Arbeitswelt:
„Vielfalt statt Einfalt“→ Interessen und Ideen von
• Frauen und Männern
• Jung und Alt
• von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund
• Chancen der digitalen Revolution, vor allem bei Nutzung
digitaler Medien für Kommunikation und Austausch
Konsequenzen
für das Ideenmanagement
• Kreativität = wesentlichste Voraussetzung auf der
Kompetenzebene
• kreatives Potenzial der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
nutzen
• Bereitschaft, Ideen zur Verbesserung betrieblicher
Prozesse beizusteuern
→ prinzipiell wertschätzende, vertrauensvolle,
partizipative Unternehmenskultur
→ Wille zur Produktion und Kommunikation kleiner, aber
feiner Ideen statt Wille zum „Dienst nach Vorschrift“
Konsequenzen
für das Ideenmanagement
Arbeitsplatzprofil von morgen und übermorgen:
• Gutes Einkommen und passende Arbeitszeiten fördern den Fleiß.
• Abwechslung und selbstständige Arbeitseinteilung fördern die
Zufriedenheit.
• Anerkennung und Wertschätzung fördern Erfolgserlebnisse.
• Karrierechancen und kollegiale Kommunikation fördern die
Motivation.
• Mitbestimmung und Weiterbildung fördern die Identifikation mit
dem Betrieb.
= subjektiv befriedigende sowie objektiv leistungs- und innovations-
fördernde Faktoren
Konsequenzen
für das Ideenmanagement
Muss es für jede Idee eine finanzielle Belohnung geben?
„Empowerment“ oder „Animation“?
Zukunftsfähige Managementlogik:
• deutliche Verringerung der Führungsebenen
• Dezentralisierung von Prozess- und Ergebnisverantwortung
• Förderung von Eigeninitiative und Eigenverantwortung
• echte Zielvereinbarungen
• Schaffung von Freiräumen auf allen betrieblichen Ebenen
Konsequenzen
für das Ideenmanagement
Soziales Klima eines Unternehmens für
neue Ideen und Innovationen:
• Wertschätzung ist gleich wichtig wie Wertschöpfung.
• Vertrauenskultur ersetzt die alte Kontrollkultur.
• Initiative und Kreativität werden gefördert.
• Diskurse kommen häufiger vor als Dekrete.
• Arbeitszeit ist auch persönliche Entwicklungszeit.
DANKE, DASS SIE MIR
ZUGEHÖRT HABEN.
Zukunft : Innovation : Ideenmanagement
Univ.-Prof. Dr. Reinhold Popp