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Dr. Peter Halfter, Die Bedeutung armenischer Krieger im byzantinischen Reich unter den Kaisern Justinian und Maurikios, ADK (Armenisch-Deutsche Korrespondenz), Nr. 158, Jg. 2013/Heft 1, 61-62

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Page 1: Dr. Peter Halfter, Die Bedeutung armenischer Krieger im byzantinischen Reich unter den Kaisern Justinian und Maurikios, ADK

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te und die Schlacht sich in eine Vielzahl von Einzel gefechten aufl öste. Den geg-nerischen General, einen bewährten und erfahrenen Feldherrn, schalteten sie durch einen gezielten Angriff auf dessen Person aus. Durch einen Vergleich der Schlacht von Akori (481 gegen die Iraner) mit der von Avnik (539) kann der Autor zeigen, dass solch taktische Maßnahmen wie vor-getäuschter Rückzug und dann plötzlicher Angriff auf einem für den Gegner unge-wohnten Gelände zum Repertoire armeni-scher Feldherrn kunst gehörte.

Der zweite Aufsatz geht der Frage nach, warum die Armenier nicht im Tak-tikon (einem militärischen Handbuch) des Kaisers Maurikios (582-602) erwähnt werden. In diesem Ratgeber werden alle Feinde des Reiches in knapper und durch-weg abfälliger Weise charakterisiert. Die Armenier fehlen in dieser Negativliste, obwohl dem Kaiser von dem armenischen Historiographen Pseudo- Sebeos unter stellt wird, er habe dem persischen Großkönig Chosrau II. vor geschlagen, gemeinsam den kriegerischen Adel Armeniens in die entferntesten Provinzen der beiden Rei-che zu deportieren und ihn dort mit der Grenzwacht zu betrauen4. Damit wären die beiden Großmächte von dem unzuverlässi-gen und dauernd zu Aufständen geneigten Element befreit, welches die gemeinsame Grenze bewohne. Der Autor kann zeigen, dass eine solche Charakterisierung der Armenier als unruhiges Volk eine lange Tradition hat. Sie geht letztlich auf Tacitus zurück, der den Armeniern den Stempel als ambigua gens aufdrückte. Dieses generel-le Misstrauen gegen über den Armeniern reichte nicht nur bis in die Zeit des Kaiser Maurikios, es blieb bis in das späte Mittel-alter lebendig. Der Autor kann verständ-lich machen, warum der Kaiser, obwohl er höchst wahrscheinlich von solchen Vor-urteilen nicht frei war, sie nicht in seinem militärischen Handbuch in Worte fasste: In Maurikios fl oss möglicherweise selbst armenisches Blut. Der Kaiser hatte große Teile Persarmeniens in seinen Kriegen ge-

4 Eine Maßnahme, die von den Byzantinern vor allem in ihren Kriegen gegen die Araber und Bulgaren durchgeführt wurde. Bei den Vorstö-ßen in das armenische Grenzgebiet wurde die armenische Bevölkerung an die ebenfalls be-drohte Westgrenze zu den Bulgaren deportiert.

I.). Die damalige armenische Geschichts-schreibung ist über dieses Ereignis hinweg-gegangen. Der Autor muss deshalb auf den byzantinischen Historiographen Prokopios von Caesarea zurückgreifen, letztlich ein Glücksfall, denn Prokop, im Stab des Feld-herrn Belisar tätig, war bestens über die Ereignisse informiert und hat uns in seiner Darstellung über die Perserfeldzüge Jus-tinians eine ausführliche Darstellung des Auf standes hinterlassen. Der Autor liefert dabei eine beeindruckende Analyse des Textes: Er entschlüsselt die Ortsnamen, die von Prokop nur in ihrer griechischen Form wieder gegeben werden. Dabei geht es nicht nur darum, die ursprünglichen Loka-litäten zu identifi zieren, sondern auch, um die räumliche Ausdehnung des Konfl iktes und die taktischen Be wegungen der Kon-trahenten zu rekonstruieren. Die Rebellion war hervorgerufen worden durch die Ver-waltungsreform und die Verhängung neuer Steuern, Maßnahmen durch die die arme-nischen Fürsten ihren Status als foederati und damit ihre relative Selbständigkeit verloren. Der Auf stand von 538/39 war, das machen die Überlegungen des Autors plausibel, eine Meuterei der Truppen, die Jahre zuvor die Byzantiner in ihrem Teil Armeniens aufgebaut hatten. Den Ober-befehl über die Rebellenarmee übernahm Vasak Mamikonean, der zuvor das Amt des Sparapet d.h. des Oberbefehlsha-bers bekleidet hatte, einen Rang und eine Funktion des alten Königreiches Armeni-ens, welche durch die Verwaltungsrefor-men des Kaisers beseitigt worden war. In den Reihen der Rebellen waren die drei führenden Adelsfamilien Armeniens, die Arsakiden, die Bagratiden und die Mami-koniden zu fi nden. Ihre Aktion hatten sie umfassend vorbereitet. Sie schlugen los, als ein Großteil der oströmischen Truppen durch den Gotenkrieg in Italien gebunden war. Und sie suchten in ihren Konfl ikt das Großreich der Sassaniden hinein zuziehen, um den Gegner in Konstantinopel durch einen Zwei frontenkrieg zu beschäftigen. Auf dem armenischen Kriegsschauplatz zeigten sie, dass sie über ein reiches Reper-toire an Kriegslisten verfügten. Sie zogen sich durch einen vor getäuschten Rückzug nach Pers armenien zurück, wo sie den Gegner in ein für ihn ungünstiges Gelände lockten, so dass er seine Truppen nicht in der gewohnten Ordnung aufstellen konn-

VON PETER HALFTER1

Es gibt einige Veröffentlichungen über die Rolle der Armenier im Byzantinischen Reich2. Darunter auch solche, die sich mit deren mili tärischer Bedeutung für das Ost-römische Reich beschäftigen3. Aber nach Meinung des Autors fehlt bisher eine aus-führliche militär geschichtliche Darstellung der Kriege und des Kriegswesens in Ar-menien in der Zeit der Antike und des Mit-telalters. Einer der ersten Versuche, diese Lücke zu füllen, ist das vorliegende Buch.

Es enthält zwei Studien: Die erste un-tersucht einen Aufstand der Armenier im byzantinischen Teil Armeniens in den Jah-ren 538/39 (zu Zeiten des Kaisers Justinian

1 Dr. Peter Halfter promovierte nach dem Studium der Geschichte, Germanistik und Philosophie in Basel und Tübingen Von ihm liegen verschiedene Veröffentlichun-gen zu den Beziehungen der Römischen Kirche und der Staufer zum armenischen Königreich Kilikien und den Kreuzfahrer-staaten, zum Königreich Georgien vor. 2 Peter Charanis, The Armenians in the Byzantine Empire, Lisbon, 1963, Georg-es Toumanoff, Studies in Christian Cau-casian History, Washington DC, 1963, 3 Gérard Dédéyan, Le Cavalier Arménien, in: Jean-Pierre Mahé and Robert W. Thom-son (ed.), From Byzantium to Iran. Armenian Studies in Honour of Nina G. Garsoian, At-lanta (Georgia), 1997, derselb, Les Arméniens soldats de Byzance, in Bazamvep, 145 (1987).

Die Bedeutung armenischer Krieger im byzantinischen Reichunter den Kaisern Justinian und Maurikios

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Bücher, Zeitschriften & CDs

2012 Declaration - The Seized Properties of Armenian Foundations in Istanbul, 479 S., Hrant Dink Vakfı 2012. ISBN: 978-605-86570-0-7. Interessenten möchten sich an [email protected] wenden

Taner Akçam, Ümit Kurt: Kanunların Ruhu - Emval-i Metruke Kanunlarında Soykırımın İzini Sürmek (Der Geist der Gesetze - Auf der Spur des Genozids in den Gesetzen zum herrenlosen Eigentum), 272 S., Iletişim 2012. ISBN: 9789750511165. Preis: 20 TL (ca. 8,5 EUR)

Ronald J. Clark, John O. Rivera (Hg.): Armenia, Azerbaijan, and Georgia: Politics, Profi les and United States‘ Inte-rests, Nova Science Pub Inc 2013. ISBN: 978-1624170058. Preis: 96,99 EUR

Raymond H. Kévorkian - Paul B. Paboudjian: 1915 Öncesinde Osmanlı İmparatorluğu‘nda Ermeniler (Die Arme-nier im Osmanischen Reich vor 1915), 608 S., Aras Yayıncılık 2012, ISBN: 978-605-5753-32-0. Preis: 112 TL (ca. 48 EUR). Interessenten möchten sich an [email protected] wenden

Laurence Ritter, Max Sivaslian: Les restes de l‘épée: Les arméniens cachés et islamisés de Turquie, 250 S., Editions Thad-dée 2012. ISBN: 978-2919131044, Preis: 25 EUR

Davide Rodogno: Against Massacre: Humanitarian Interventions in the Ottoman Empire, 1815-1914 (Human Rights and Crimes Against Humanity), 391 S., Prince-ton University Press 2012. ISBN-13: 978-0691151335. Preis: 31,99 EUR

Sessizliğin Sesi II - Diyarbakırlı Erme-niler Konuşuyor (Die Stimme der Stimm-losen II - Armenier aus Diyarbakır spre-chen), 201 S., Hrant Dink Vakfı 2012. ISBN: 9786058657021. Interessenten möchten sich an [email protected] wenden

Armin T. Wegner: Ausgewählte Werke in drei Bänden 1. Der Knabe Hüssein und andere Erzählungen, hg. von Volker Wei-dermann, 311 S., Wallstein Verlag 2012. ISBN: 978-3835311046. Preis: 29,90 EUR

Jenny White: Muslim Nationalism and the New Turks, 256 S., Princeton University Press 2012. ISBN: 978-0691155180. Preis: 19,95 EUR

Antranik (Yeritsyan): Dersim Seyahat-name (Dersim-Ein Reisebuch), 200 S., Aras Yayıncılık 2012, ISBN: 978-605-5753-35-1. Preis: 12 TL (ca. 5 EUR). Interessenten möchten sich an [email protected] wenden

tische Geschehens Armeniens bestimmten, hielten als Ganzes nur dann zusam men, wenn ihre Privilegien von einer auswärti-gen Macht angetastet wurden. Ansonsten empfanden sie sich doch als Rivalen, die sich argwöhnisch belauerten und oft der Versuchung erlagen, mit einer äußeren Macht zu paktieren, um dem konkurrieren-den Clan zu schaden6. Der Aufstand von 538/39 war eben deshalb so erfolgreich, weil an ihm die drei führenden Adelshäu-ser Armeniens beteiligt waren.

Nun, das sind Einwände, die den Wert dieser Publikation nicht beeinträchtigen. Die Arbeit, die Armen Ayvazyan an den historischen Quellen geleistet hat, ist be-wundernswert. Seine Fähigkeit den geo-graphischen Rahmen der Auseinanderset-zung zu re konstruieren und dann des sen Gegebenheiten mit den strategischen und tak tischen Bewegungen der Kontrahenten zu kom binieren, verdient große Anerken-nung. Eine wert volle Hilfe ist die von ihm entworfene Karte Nr. 1, die sich (etwas versteckt) am hinteren Ende des Buches befi ndet. Dagegen ist Karte Nr. 2, S. 70, durch die die geo graphisch-geologische Beschaffenheit des Schlachtfeldes von Av-nik deutlich gemacht werden soll, nur mit einer starken Lupe entzifferbar. Minia turen aus einer Handschrift des armenischen Alex anderromans (15. Jahr hundert) und eine berühmte Dar stellung der Schlacht von Avarayr (451) aus dem 16. Jahrhun-dert sollen dem Leser eine Vorstellung geben, wie er sich die armenischen Kata-phrakten (Panzerreiter) vorstellen kann. Eine ausführliche Bibliographie rundet das Buch ab.

Armen Ayvazyan, The Armenian Military in the Byzantine Empire. Confl ict and Alliance under Justinian and Maurice. Foreword by Ilkka Syanne

- 128 S., Alfortville, France (Édition Sigest) 2012, ISBN: 978-2-917329-39-9, Preis: 14,50 EUR.

6 Der Autor erwähnt selbst ein Beispiel, dass die Solidarität der Armenier Sprünge bekommen konnte. In der Schlacht von Ako-ri (481), in der Vasak Mamikonean sich mit dreihundert Reitern einer persischen Über-macht entgegenstellte, wechselte während der Kämpfe eine Gruppe der Armenier die Front, ohne allerdings damit die Niederlage der Ira-ner abwenden zu können. Selbst bei dem von Vahan Mamikonean angeführten Aufstand (450-451) gegen den persischen Großkönig Jezgerd II. gab es den Apostaten Wassak, der auf die Seite des Großkönigs desertierte.

gen die Sassaniden erobert, der Anteil der Armenier in seinem Heer war bedeutend. Da konnte er sein Misstrauen bzw. sein Unbehagen an den neuen Bewohnern sei-ner strate gisch wichtigen Ostprovinz nicht öffentlich äußern. Das „armenische Prob-lem“ versuchte er auf die sanfte Metho-de zu lösen. Mit der Einsetzung eines ihm ergebenen Gegenkatholikos in Avan (591) bemühte er sich die armenische Kirche auf eine Linie mit der byzantinischen Reichs-kirche zu bringen5, um über die Einheit im Glauben die Hellenisierung Armeniens durchzusetzen.

Mit Recht betont der Autor die zwie-spältige Haltung der Byzantiner gegen-über den Ar meniern. Aber es hätte ebenso bemerkt werden können, dass auch die Armenier Konstantinopel gegen über in ei-ner Art Hass-Liebe verbunden waren. Der Autor selbst bringt dafür beeindruckende Bei spiele: Einer der Anführer der Rebelli-on von 538 Artavan, trat nach einem Zwi-schenspiel beim persischen Großkönig in die byzantinischen Streitkräfte ein, in die-sen zeichnete sich später als General unter dem Feldherrn Belisar bei den Kämpfen gegen die Vandalen in Afrika aus. Justi-nian ernannte ihn in An erkennung seiner Verdienste zum magister militum Africae und verlieh ihm die Würde eines Consuls. Als dieser Artavan später in ein gescheiter-tes Attentat auf den Kaiser verwickelt war, wurde er nicht mit dem Tode bestraft, son-dern fand in Justinian einen milden Rich-ter. Vielleicht wusste der Kaiser nur zu gut, wie sehr er auf armenische Offi ziere ange-wiesen war.

Armen Ayvazyan begründete die mili-tärische Schlagkraft der armenischen Auf-gebote, die sich oft gegen eine feindliche Übermacht erfolgreich behaupten konn-ten, mit der inneren Geschlossenheit der damaligen armenischen Gesellschaft. Eine Geschlossenheit, die auf der gemeinsamen Sprache und Kultur, der Zugehörigkeit zur nationalen Kirche und dem starken Willen zur Unabhängigkeit beruhte. Zweifels-ohne waren das wichtige Momente, um den Zusammenhalt zu stärken. Aber die Solidarität hatte auch ihre Schwachstellen. Die mächtigen Adelsfamilien, die das poli-

5 Über die vom Kaiser verordnete Union hat Alessio Antonio de Siena im Jahr 2008 promoviert: La politica ecclesiastica dell’ imperatore Maurizio (582-602): Gene-si et motivazioni, fra ortodossia e necessi-tà “strategiche”. Leider kann der Rezensent nicht sagen, ob die Arbeit publiziert wurde.

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