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05/04/15 Druckversion - S.P.O.N. - Der Kritiker: Heidegger ein Nazi? Meister Proper! - SPIEGEL ONLINE - Kultur www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/georg-diez-ueber-martin-heidegger-a-941646-druck.html 1/2 03. Januar 2014, 15:38 Uhr S.P.O.N. - Der Kritiker Heidegger ein Nazi? Meister Proper! Eine Kolumne von Georg Diez Der deutsche Philosoph Martin Heidegger soll ein rechtsradikaler Platoniker sein? Ein überzeugter Nationalsozialist und Antisemit? Seine Tagebuchnotizen sprechen Bände - doch im deutschen Feuilleton reagiert man gerne mit der typischen deutschen Abwehrhaltung. Martin Heidegger war ein Rassist, ein Antisemit, er feierte seinen Führer, er wusste, dass das deutsche Volk auserwählt war, die Welt zu retten, vor Kommunismus und Kapitalismus , vor der Moderne und den Massen, vor Liberalismus und Demokratie - aber was soll's, das ist doch öde, das ist doch bekannt, das ist doch so aufregend wie Claude Lanzmanns Film "Shoah", dieser Neun-Stunden-Stimmungskiller. Es gibt doch viel geilere Sachen: Das öffentlich-rechtliche Zwangsfernsehen etwa, finanziert mit Zwangsgebühren, mit all den dann auf Kommando gefeierten Drei-, Acht-, Elfteilern, die nochmal und nochmal davon erzählen, was für Schweine die Wehrmachtsdeutschen an der Ostfront waren und wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass dieser Oberschurke "uns Deutsche" verführen konnte - aber Heideggers Wüten und Wahn, wenn er etwa schon 1929 vor der "wachsenden Verjudung im weiteren und engeren Sinne" warnte: "Phrasen", winkt gelangweilt Jürgen Kaube in der "Frankfurter Allgemeinen" ab. Ihn kann es nicht interessieren, wenn im März Heideggers Tagebuchnotizen veröffentlicht werden, die nochmal die ganze Härte und den hässlichen Hintergrund des Heideggerschen Denkens beleuchten. Ihn kann es nicht überraschen, wenn jetzt schon vorab aus Frankreich einige besonders rassistische und antisemitische Details kolportiert werden, denn mit Kolportage macht er sich nicht gemein. Er ist schließlich Feuilletonist - und haut deshalb lieber auf den Kollegen Assheuer von der "Zeit" ein, der schreibt, dass Heidegger sich jetzt "nur noch schlecht verteidigen" lässt. Aber so einfach ist es natürlich auch nicht. Wer Heidegger verteidigen will, muss ihn ja gar nicht verteidigen: Man kann auch erstmal abwinken, auf eine "Dokumentation der nationalsozialistischen Sprüche Heideggers" aus dem Jahr 1962 verweisen und etwas angewidert abwiegeln, dass das alles doch nichts Neues sei. Das ist die beliebteste Strategie im deutschen Geistesleben der vergangenen 70 Jahre. Damit kann noch jeder Vorwurf in der Substanz bestehen bleiben, und man entwertet die Kritik scheinbar und doch ohne jedes Argument. Einen Denker verteidigen, ohne über sein Denken zu reden So wurde schon 2009 Emmanuel Fayes Buch "Heidegger. Die Einführung des Nationalsozialismus in die Philosophie" abgetan. Nichts Neues, hieß es auch damals: philosophisch mangelhaft, oberflächlich und damit implizit auch irgendwie undeutsch sei das, was der Franzose Faye da über diesen so "einflussreichen" Denker schreibt. Auch das ein tautologisches Nicht-Argument, das den Einfluss eines Philosophen mit dessen Bedeutung gleichsetzt, womit sich jede Kritik performativ erstmal im Nebel seines Ruhms verliert. Und es gibt noch weitere Strategien, wie man einen Denker verteidigt, ohne über sein Denken zu reden: Man verweist auf Freunde und Bewunderer, die über jeden Zweifel erhaben sind und im Fall von Heidegger am besten auch noch jüdisch - Hannah Arendt etwa wäre so ein Joker, obwohl es sogar antisemitisch sein kann, speziell auf jüdische Bewunderer zu verweisen, und sich übrigens auch Juden irren können. Eine andere Strategie ist es, das Denken auf "Irrtümer" zu reduzieren, die in einer bestimmten Zeit passiert seien - in Heideggers Fall eben "nur" der fast fanatische Führerglaube der Jahre 1933 und 1934, kombiniert mit einem elitär ins Geistige übersteigerten, die Biologie noch übertrumpfenden Rassismus. Als sei das noch okay, weil ohne Judenmord, als sei diese Idee ganz überraschend und aus heiterem Himmel 1933 in Heideggers Kopf geraten und nicht schon, wie Faye zeigt, in seinem Werk der zwanziger Jahre vorbereitet. Als sei so ein höherer geistiger Antisemitismus besser als das, was die Schergen der SA und der SS mit den Juden trieben. Als sei solch ein Denken etwas, das man mit dem Wort "Irrtum" beschreiben könnte und das man

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www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/georg-diez-ueber-martin-heidegger-a-941646-druck.html 1/2

03. Januar 2014, 15:38 Uhr

S.P.O.N. - Der Kritiker

Heidegger ein Nazi? Meister Proper!

Eine Kolumne von Georg Diez

Der deutsche Philosoph Martin Heidegger soll ein rechtsradikaler Platoniker sein? Einüberzeugter Nationalsozialist und Antisemit? Seine Tagebuchnotizen sprechen Bände - dochim deutschen Feuilleton reagiert man gerne mit der typischen deutschen Abwehrhaltung.

Martin Heidegger war ein Rassist, ein Antisemit, er feierte seinen Führer, er wusste, dass dasdeutsche Volk auserwählt war, die Welt zu retten, vor Kommunismus und Kapitalismus, vor derModerne und den Massen, vor Liberalismus und Demokratie - aber was soll's, das ist doch öde,das ist doch bekannt, das ist doch so aufregend wie Claude Lanzmanns Film "Shoah", dieserNeun-Stunden-Stimmungskiller.

Es gibt doch viel geilere Sachen: Das öffentlich-rechtliche Zwangsfernsehen etwa, finanziert mitZwangsgebühren, mit all den dann auf Kommando gefeierten Drei-, Acht-, Elfteilern, die nochmalund nochmal davon erzählen, was für Schweine die Wehrmachtsdeutschen an der Ostfront warenund wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass dieser Oberschurke "uns Deutsche" verführenkonnte - aber Heideggers Wüten und Wahn, wenn er etwa schon 1929 vor der "wachsendenVerjudung im weiteren und engeren Sinne" warnte: "Phrasen", winkt gelangweilt Jürgen Kaube inder "Frankfurter Allgemeinen" ab.

Ihn kann es nicht interessieren, wenn im März Heideggers Tagebuchnotizen veröffentlichtwerden, die nochmal die ganze Härte und den hässlichen Hintergrund des HeideggerschenDenkens beleuchten. Ihn kann es nicht überraschen, wenn jetzt schon vorab aus Frankreicheinige besonders rassistische und antisemitische Details kolportiert werden, denn mit Kolportagemacht er sich nicht gemein. Er ist schließlich Feuilletonist - und haut deshalb lieber auf denKollegen Assheuer von der "Zeit" ein, der schreibt, dass Heidegger sich jetzt "nur noch schlechtverteidigen" lässt.

Aber so einfach ist es natürlich auch nicht. Wer Heidegger verteidigen will, muss ihn ja gar nichtverteidigen: Man kann auch erstmal abwinken, auf eine "Dokumentation dernationalsozialistischen Sprüche Heideggers" aus dem Jahr 1962 verweisen und etwas angewidertabwiegeln, dass das alles doch nichts Neues sei. Das ist die beliebteste Strategie im deutschenGeistesleben der vergangenen 70 Jahre. Damit kann noch jeder Vorwurf in der Substanzbestehen bleiben, und man entwertet die Kritik scheinbar und doch ohne jedes Argument.

Einen Denker verteidigen, ohne über sein Denken zu reden

So wurde schon 2009 Emmanuel Fayes Buch "Heidegger. Die Einführung des Nationalsozialismusin die Philosophie" abgetan. Nichts Neues, hieß es auch damals: philosophisch mangelhaft,oberflächlich und damit implizit auch irgendwie undeutsch sei das, was der Franzose Faye da überdiesen so "einflussreichen" Denker schreibt. Auch das ein tautologisches Nicht-Argument, das denEinfluss eines Philosophen mit dessen Bedeutung gleichsetzt, womit sich jede Kritik performativerstmal im Nebel seines Ruhms verliert.

Und es gibt noch weitere Strategien, wie man einen Denker verteidigt, ohne über sein Denken zureden: Man verweist auf Freunde und Bewunderer, die über jeden Zweifel erhaben sind und imFall von Heidegger am besten auch noch jüdisch - Hannah Arendt etwa wäre so ein Joker, obwohles sogar antisemitisch sein kann, speziell auf jüdische Bewunderer zu verweisen, und sichübrigens auch Juden irren können.

Eine andere Strategie ist es, das Denken auf "Irrtümer" zu reduzieren, die in einer bestimmtenZeit passiert seien - in Heideggers Fall eben "nur" der fast fanatische Führerglaube der Jahre1933 und 1934, kombiniert mit einem elitär ins Geistige übersteigerten, die Biologie nochübertrumpfenden Rassismus. Als sei das noch okay, weil ohne Judenmord, als sei diese Idee ganzüberraschend und aus heiterem Himmel 1933 in Heideggers Kopf geraten und nicht schon, wieFaye zeigt, in seinem Werk der zwanziger Jahre vorbereitet. Als sei so ein höherer geistigerAntisemitismus besser als das, was die Schergen der SA und der SS mit den Juden trieben. Als seisolch ein Denken etwas, das man mit dem Wort "Irrtum" beschreiben könnte und das man

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einfach so ablegt, wenn man nur lang genug auf einer Hütte im Schwarzwald ausharrt.

Der oberste Glaubenssatz aber, schier unhinterfragbar in seiner Evidenz und sicher auch baldeine Strategie der Heidegger Nicht-Verteidiger, lautet: Leben und Werk von Schriftstellern undauch Denkern sind streng voneinander zu trennen - als seien Texte etwas, was direkt von Gottgeschickt wird, eine Art unbefleckte Empfängnis der Gedanken, womit zugleich das eigenetempelhaft-kunstreligiöse Kunstverständnis zum Argument gemacht wird gegen seine Gegner.

Geistesaristokratische Arschlochmentalität

Kunst hat ein besonderes Verhältnis zum Leben, Kunst ist etwas anderes als das Leben. AberKunst vom Leben trennen zu wollen - so rigoros und Meister-Proper-haft - wirkt wie eineIdeologie, die dazu erdacht wurde, Menschen von ihrer Biografie zu trennen, um bei all denScheußlichkeiten, die sie gemacht haben, wenigstens ihre scheußlichen Werke zu retten. Einespeziell deutsche Denkweise, geboren genau aus jenem herrisch-aggressiven Universitätsmilieu,das in Martin Heidegger seine vielleicht böseste Schnabeltasse hatte.

Wenn man nun wieder über die hässlichen Seiten seines Lebens redet, sollte man deshalbendlich auch wieder über die hässlichen Seiten seines Denkens reden, über das Raunende,Sektenhafte, Vernunft- und Menschenfeindliche, über die Sprachklumpen, den so dumpfen wieverführerischen, weil so einfach wie schwer verständlichen Technologie-Ekel, seinen Hölderlin-Kultauch und überhaupt die immer noch herumgeisternde Art von geistesaristokratischerArschlochmentalität.

War das also, was Heidegger mindestens in den zwanziger und dreißiger Jahren vertrat, wollteund formulierte, Nationalsozialismus oder "rechtsradikaler Platonismus", wie es ein Kritikernannte? Es gibt doch noch ein paar Fragen zu klären im März, wenn Heideggers Schwarze Hefteveröffentlicht werden - und vor allem gilt es zu verstehen, wie sich Heideggers Denken so tief in20. Jahrhundert bohren konnte, bis weit hinein in die Postmoderne, und was das genaubedeutet.

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Emmanuel Faye "Die Einführung des Nationalsozialismus in die Philosophie" auf Perlentaucherhttp://www.perlentaucher.de/buch/emmanuel-faye/heidegger-die-einfuehrung-des-nationalsozialismus-in-die-philosophie.html

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