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Gemeinsame IT-Stelle der hessischen Justiz
EEAR-Symposium strukturierter Parteivortrag
E-Akte und Co:
Von den Chancen zu einer ergonomischen Verbesserung der
richterlichen Arbeitsmöglichkeiten
- und von den Risiken
Dr. Ralf Köbler, Präsident des Landgerichts Darmstadt
Berlin, 8. Juni 2017
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Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit
den Gerichten vom 10. Oktober 2013,
verkündet am 16. Oktober 2013 BGBl. 2013, S. 3786
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E-Justice-Gesetz: Die Meilensteine
2016 - verschoben! BESONDERES
ANWALTSPOSTFACH
2022 VERPFLICHTENDER
ERV
2018 ÖFFNUNG
ALLER GERICHTE
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Und die elektronische Akte?
„Der elektronische Rechtsverkehr macht für mich nur Sinn, wenn er vollständig
umgesetzt wird, also die elektronische Akte mitumfasst.“
„Es darf nicht unser Ziel sein, dass die Gerichte zu Druckereien werden, (…)“
Dr. Roman Poseck, Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am, INFORM 2/15
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„Die Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte und des Kammer-
gerichts halten die gleichzeitige Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs
und der elektronischen Akte für die zentrale organisatorische Zukunftsaufgabe
der Justiz. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sowie der Bediensteten
muss die Justiz mit der allgemeinen technischen Entwicklung Schritt halten.“
Beschluss der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte, des Kammergerichts und des Bundesgerichtshofs im
Rahmen der 67. Jahrestagung in Frankfurt am Main vom 22.06. - 24.06.2015
Verfügbarkeit
Alle Akten sind permanent für alle Zugriffsberechtigten verfügbar -
unabhängig von Zeit und Ort .
Schnelligkeit
Die aufwendige Suche und lange Transport- und Liegezeiten entfallen.
Stets verfügbare elektronische Daten ermöglichen sekundenschnelle
Recherchen selbst umfangreichster Akten.
Zusammenarbeit
Mehrere Personen können Dokumente gemeinsam bearbeiten.
Sicherheit
Die elektronische Akte stellt sicher, dass nur Berechtigte ein Dokument
ansehen und bearbeiten können. Akten und Dokumente sind vor
unberechtigtem Zugriff und Manipulationen bestmöglich geschützt.
Arbeiten mit elektronischen Akten
Erhebung in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Hessen*
40.000 Eingänge (Dokumente) täglich mit fast 500.000 Seiten
Hochrechnung auf ein Jahr bei 250 Arbeitstagen
125 Mio. Seiten jährlich
*Erhebungszeitraum eine Woche
Eingänge elektronisch oder in Papier
Was die Gerichte erwartet… (bundesweite Hochrechnung)
Scanvolumen
10.000.000 Blatt täglich
3 GB Datenzuwachs
pro Kopf jährlich
elektronische
Nachrichten
pro Sekunde
3.000.000 Blatt täglich
ausgehend
32.000.000 Verfahren jährlich
8 100.000 Arbeitsplätze
E-Akte und Verfahrensordnungen
• Bisher: E-Akten-Einführung fakultativ
möglich durch VO des Bundes und der Länder für den
jeweiligen Zuständigkeitsbereich
• Entwurf BMJ für Strafsachen: verbindliche E-Akte
• Bundesrat: Bitte um Erstreckung der Vorschriften für eine
verbindliche E-Akte auf alle Verfahrensordnungen
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Perspektiven der ergonomischen Optimierung des
richterlichen Arbeitsplatzes über die Dokumenten-Erstellung
und den elektronischen Postversand hinaus
- Inhaltsverzeichnis mit sprechenden Dateinamen
- Mini-Dokumentenvorschau als Auswahlhilfe
- Aktenviewer mit Strukturierungsmöglichkeiten und Zugriff auf
Fachinformationssysteme
- System Akteneinsicht ohne Notizen des Entscheiders
- Aktenaustausch mit Kompatibilität
- Mobilität: Fernzugriff auf Akten
= das ist sehr viel komplexer als elRV und eine elektronische Aktenhaltung in
einem Standard-Dokumentenmanagement-System
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Einheitliche Oberfläche
in allen Sachgebieten
Integration der
Fachanwendungen
Gute Handhabbarkeit durch z.B.
- Durchgehendes Blättern
- Zwei Seiten gegeneinander
- Einfache Navigation
Umfangreiche Bearbeitung durch z.B.
- Vierfarbenstift
- Anmerkungen auf dem Dokument
- Flüchtige Klebezettel
- Weitere Markierungsfunktionen
Automatisch immer im
Verfahrenskontext
Mehrwerte durch z.B..
- Strukturierungssoftware mit Über-
nahme von Markierungen
- Volltextsuche
- Mobile Verfügbarkeit von Akten
Elektronischer Aktenbock
mit allen anstehenden Aufgaben
Die ergonomische elektronische Akte - Aktenviewer
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Hardware
• Endgeräte: 2. Bildschirm und oder Tablet/eBook-Reader
• Dienstzimmer: ergonomische Tische
• Mobiles Arbeiten: Sichere Fernzugänge zum gerichtlichen
Arbeitsplatz
• Sitzungssäle: Zugang zur E-Akte für Gericht und Protokoll
Beamer, Leinwände, Video; WLAN für Prozessbeteiligte (?)
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Aktengliederung
• Automatisierte Kategorisierung der Dokumente nach derzeit ca. 10
verschiedenen Attributen mit „sprechenden“ Dateinamen
• Daraus durch Filtern: differenzierte Darstellung des Akteninhalts
nach Kategorien möglich = fachlich orientierte Aktengliederung
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Akteneinsichtsportal
• Stand der Akten zu einem bestimmten Zeitpunkt
• kein Durchgriff auf die produktiven Systeme der Justiz in Form einer „Justiz-
Cloud“: Bereitstellung einer Aktenkopie (dazu ggf. Rechtsänderungen erf.)
• keine Dauereinsicht, sondern Aktualisierungen durch erneute
Einsichtnahme (Antrag) erforderlich
• Bereitstellung strukturierter Dokumente
• Verwendung einer einheitlichen Basis-Struktur
• Bundesweiter Austauschstandard
• Die Aktenstruktur wird hinsichtlich der einzelnen Dokumente dargestellt.
• Das Herunterladen einzelner Dokumente ist möglich.
• Für den Richter wichtig: keine Akteneinsicht
in Notizen, Entwürfe und recherchiertes Material
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Methodisch-verfahrensrechtlicher Ansatz: Strukturierung des
Prozessstoffs durch Einreicher
• Ansatz der Strukturierung des Verfahrensstoffs durch Richter schöpft die
Möglichkeiten der E-Akte und des elektronischen Rechtsverkehrs nicht aus
• Beispiel: Flughafenverfahren VGH Kassel - Struktur im Einvernehmen der
Parteien
• Perspektive: strukturiertes Einreichen
• Varianten:
• normorientierter Ansatz: Vortrag zu den Anforderungen der ausgewählten
Anspruchsnorm
• situationsorientierter Ansatz: Vortrag zu bestimmter Sachverhaltssituation - setzt
Vorgaben zu den völlig verschiedenen rechtlich erheblichen Lebenssachverhalten
voraus (=Formulare).
• Anreize: Verfahrenserledigung in vorgegebener Zeit? Kostenbegünstigung?
Jedenfalls: einfachere Verfahrenserledigung
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Technische Risiken
• Netzleistung
• Mangelhafte Betriebszentren
• Redundanz
• IT-Architektur: Zwischenspeicherung zentraler E-Akten inhouse
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Ausstattungsrisiken
• Hardware: zu wenig, zu schlecht zu langsam
• kein E-Akten-Reader
• Aktenviewer zu schlecht
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Gesundheitsrisiken
• Augenrisiko durch langes Bildschirmsehen
• erste Studien: am Bildschirm höhere geistige Erfassungsleistung (!)
• Augenschäden durch Bildschirm ./. Lesen auf Papier: noch nicht
erwiesen, Gewohnheitssache - Drucken muss möglich bleiben
• Rückenschäden: Risiko nicht höher als bisher, Gegensteuerung
allenfalls durch Sport und Gesundheitsmanagement
• Risiko der Selbstausbeutung: längere Arbeitszeiten durch
Möglichkeiten mobilen Arbeitens Zuhause oder sonstwo
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Sicherheitsrisiken
• Betriebssicherheit: Verlustrisiko - Redundanz, Datensicherung,
Ausfallrechenzentrum
• Persönliches Unabhängigkeitsrisiko: unbefugter Zugriff
• von intern: Zugriffsrechtemanagement
• gegen Admins: Zugriffsrechte, persönliche Ablagen, Verschlüsselung,
Logs
• gegen Zugriffe von außen: Abschottung des Netzes, tagesaktueller
Virenschutz, technisch getrennter Internetzugriff (grafische Firewall),
ev. kein E-Mailing
• Rechtlich: Schaffung von Schutznormen
und Dienstvereinbarungen
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Umsetzungsrisiken
• Zu wenig Projektpersonal
• Zu wenig Tests der Software
• Zu wenig IT-Fachpersonal
• Zu wenig Personal im Servicebereich
• Zu wenig Betreuungspersonal in der Umsetzungsphase
• Zu wenig Schulungen
• Keine Einhaltung der Projekt- und Zeitpläne
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Politische Risiken
• Vorbehalte der Anwaltschaft als politischer Lobby: Verschiebung beA
• Finanzen: auskömmlich?
• Umsetzungsbereitschaft: Deutschland im E-Governmentbereich
ohnehin nicht unter den führenden Staaten - Politik noch nicht
hinreichend sensibilisiert/Nachfrage der Bürger wird steigen
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Finanzrisiken
• Zu geringe Finanzmittel: Umsetzung für ganz Deutschland auf 330 Mill.
€ grob geschätzt, aber ohne die E-Akte
• Zu schnelle pay-back-Forderungen der Finanzminister:
Einführungsphase wird Mehraufwände bedingen, Einsparungen später
• Zu mutlose Amortisationsrechnung: enorme Einsparungen an Porto-
und Zustellkosten sowie in der gesamten Logistik der Aktenhaltung
vom Aktendeckel bis zur Archivierung
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Mangelnde Akzeptanz
• Juristen sind beständig: Sehnsucht nach Papierakte und Haptik
• Unabhängigkeit wird immer den Ausdruck
ermöglichen: Durcheinander zwischen
führender E-Akte und Papierakte
im Richterzimmer?
• Derzeit zu wenig Informationen über die bevorstehenden
Entwicklungen: Akzeptanzmanagement erforderlich mit E-Infos, Test-
Homepages im Internet, Schulungen und Tagungen etc. - derzeit wird
hier m.E. viel zu wenig investiert
• Verbindlicher Dialog mit sämtlichen Personalvertretungen und ggf.
Verhandlung von Dienstvereinbarungen erforderlich: Ressourcen
hierfür?
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Fazit
• Die Umsetzung des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs
birgt die Möglichkeit, erhebliche organisatorisch-logistische Vereinfachungen
im Gericht umzusetzen.
• Für die Optimierung (und nicht Verschlechterung) des Richterarbeitsplatzes
bedarf es mehrerer Elemente:
• Verbesserung der Hardware: 2. Bildschirm/E-Akten-Reader und mobiler Zugang
• ergonomische Texterstellungssoftware: Optimierung der Zusammenarbeit Richter/SE
und effiziente Vorlagen, die die Arbeit erleichtern
• Zukunftsweisender Aktenviewer mit über die bisherige Arbeitsweise hinausgehenden
Möglichkeiten, etwa der Verlinkung von Fundstellen mit Fachinformationssystemen und
leicht nutzbare Strukturierungswerkzeuge
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Meine Empfehlung: Mit Bedacht und Sensibilität
weitermachen! Wir müssen die Zukunft mitgestalten.
Auch in der unabhängigen Justiz.
iPhone-Effekt:
Die E-Akte wird nur dann überzeugen, wenn sie besser
ist als die Papierakte. Strukturierter Parteivortrag wäre
ein Beitrag dazu.
Und wir brauchen etwas Optimismus. Warum?