ein elektronenleitungseffekt bei 4,4′-dioxybenzophenon

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Ein Elektronenleitungseffekt bei 4,4'-Dioxybenzophenon :.~. Von E. Schauenstein und E. Ziegler. Unter experimenteller Mitarbeit yon W. Berndt. Aus den Instituten fiir Theoretische und Physik~lische Chemie und ftir Organische und Phurmazeutisehe Chemie der Universit~t Gr~z. Mit 1 Abbildung. (Eingelangt am 27. Dez. 1951. Vorgelegt in der Sitzung am 17. Jan. 1952.) E. Ziegler und G. Zigeuner 1, 2 haben in einer Reihe yon VerSffent- ]ichungen fiber die leicht verl~ufende Spaltung verschiedener 4,4'-Dioxy- diphenylmethane durch Diazoniumsalze berichtet. Nicht vSllig analog verl~uft diese Reaktion ~in Pheno]phthalein, das unter bestiminten Bedingungen a unter Absprengung ]ediglich eines Pheno]kerns in p-Oxy- azobenzol und 2-(4'-Oxybenzoyl)-benzoes~ure 4 zerf~illt. Letztere Ver- bindung zeigt sieh Kupplungsreagenzien gegenfiber vollkommen indiffe- rent. Auch an underen p-Oxyphenylearbonylverbindungen, wie p-Oxy- benzaldehyd, p-Oxybenzophenon, p,p'-Dioxybenzophenon u. ~. in., konnte ein vSllig negatives Verhalten gegenfiber Di~zoniumverbindungen be- obachtet werden. Diese Erscheinung wurde seine~'zeit yon G. Zigeuner und \ \ \(+) _ (-) E. Ziegler 5 Init der Polarisierbarkeit der C=O ~-~ C--OI-Gruppe / / / - erkl~rt. Die Beseitigung der Carbonylgruppe durch geduktion 5 oder ihre Maskierung durch Addition 6 schaltet die erwiihnten Effekte aus und eine Spaltung, bzw. eine einfache Kernkupplung mittels Diazoniuin- * Herin Prof. Dr. A. Zinlce zum 60. Geburtst~g gewidmet. Mh. Chem. 79, 42, 89, 358 (1948); 80, 295 (1949). - - Siehe aueh F. Zipplies, Dissert. Tiibingen (1939). 2 E. Ziegler und G. Zigeuner, Mh. Chem. 79, 363 (1948). s E. Ziegler und H. Toppler, Scientia pharmac. 19, 21 (1951). 4 G. Zigeuner und E. Ziegler, Mh. Chem. 79, 371 (1948). Mh. Chem. 80, 359 (1949). 6 G. Zigeuner, E. Ziegler und F. Aspan, 5Ih. Chem. 81, 480 (1950).

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Ein E l e k t r o n e n l e i t u n g s e f f e k t bei 4 , 4 ' - D i o x y b e n z o p h e n o n :.~.

Von E. Schauenstein und E. Ziegler.

Unter experimenteller Mitarbeit yon W. Berndt.

Aus den Instituten fiir Theoretische und Physik~lische Chemie und ftir Organische und Phurmazeutisehe Chemie der Universit~t Gr~z.

Mit 1 Abbildung.

(Eingelangt am 27. Dez. 1951. Vorgelegt in der Sitzung am 17. Jan. 1952.)

E. Ziegler und G. Zigeuner 1, 2 haben in einer Reihe yon VerSffent- ]ichungen fiber die leicht verl~ufende Spaltung verschiedener 4,4'-Dioxy- diphenylmethane durch Diazoniumsalze berichtet. Nicht vSllig analog verl~uft diese Reaktion ~in Pheno]phthalein, das unter bestiminten Bedingungen a unter Absprengung ]ediglich eines Pheno]kerns in p-Oxy- azobenzol und 2-(4'-Oxybenzoyl)-benzoes~ure 4 zerf~illt. Letztere Ver- bindung zeigt sieh Kupplungsreagenzien gegenfiber vollkommen indiffe- rent. Auch an underen p-Oxyphenylearbonylverbindungen, wie p-Oxy- benzaldehyd, p-Oxybenzophenon, p,p'-Dioxybenzophenon u. ~. in., konnte ein vSllig negatives Verhalten gegenfiber Di~zoniumverbindungen be- obachtet werden. Diese Erscheinung wurde seine~'zeit yon G. Zigeuner und

\ \ \ (+ ) _ (-) E. Ziegler 5 Init der Polarisierbarkeit der C = O ~ - ~ C--OI-Gruppe

/ / / - erkl~rt. Die Beseitigung der Carbonylgruppe durch gedukt ion 5 oder ihre Maskierung durch Addition 6 schaltet die erwiihnten Effekte aus und eine Spaltung, bzw. eine einfache Kernkupplung mittels Diazoniuin-

* Herin Prof. Dr. A. Zinlce zum 60. Geburtst~g gewidmet. Mh. Chem. 79, 42, 89, 358 (1948); 80, 295 (1949). - - Siehe aueh

F. Zipplies, Dissert. Tiibingen (1939). 2 E. Ziegler und G. Zigeuner, Mh. Chem. 79, 363 (1948). s E. Ziegler und H. Toppler, Scientia pharmac. 19, 21 (1951). 4 G. Zigeuner und E. Ziegler, Mh. Chem. 79, 371 (1948).

Mh. Chem. 80, 359 (1949). 6 G. Zigeuner, E. Ziegler und F. Aspan, 5Ih. Chem. 81, 480 (1950).

96 E. Schauenstei~ und E. Ziegler:

vm'b~dungen ist dgnn wieder gegeben. U m diese Erkenntnisse vom physikalisoh-Chemischen Oesichtspunkt zu prfifen, wurden die ultra- violetten Absorptionsspektren des undissoziierten und phenolisch-

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2Q00 2500 3DOD 3500 ~OQ ~,'mm-I

&bb. 1. :Kin're ~ : Acetophenon } nach Z e y u. Wingchsn 7. Kltrve 2: Desoxybe~zoin

\ } / - - c---c / ~ \ Kurve a: \ _ _ / - - I t l - - ~ - - / nach Schauenstein s

OH O Km've 4: Benzophenon, nach •ackenk6hler u. l~osenbe~'g s. Kuzve 5: 4,4'-Dioxybenzophenon in ~thanol-HC1, pH 2. Kurve 5 a: 4,4'-Dioxybenzophenon in -~-thanol-l~aOH, RH 13.

4#00

dissoziier~en p,p'-Dioxybenzophenons gemessen. Zum besseren Ver- stgndnis der Spektren wollen wir zungchst die Absorption des zum Benzolkern konjugiert stehenden Karbonylchromophors betrachten, wie sie in den Kurven 1, 2, 3 und 4 der Abb. I dargestellt ist. Allen der- artigen Verbindungen gemeinsam und ffir sie charakteristisch is~ vor ~llem dus deutliche Maximum im Gebiet von etw~ 3000 mm -1, das sicher

Ein Elektronenleitungseffekt bei 4,4'-DioxybeJ~zophenon. 97

der , ,C-~0-Gruppe angeh6rt und dementsprechend ~uch bekanntlich bei den betreffenden 0ximen nicht mehr zu beobach~en is~. ])ie •ande ist infolge des Konjug~tionseffektes im Vergleich zur Absorptionslage der isolierten C = 0 - G r u p p e (3300 bis 3600 v') erwartungsgemfig batho- chrom verschoben.

])eutlich hiervon abgesetzt t r i t t bei den Substanzen 1 his 4 ein wesentlich in~ensiveres ] ~ x i m u m bei 3500 und ein weiteres noch inten- siveres bei zirk~ 4000 ~' ~uf, d ie beide ~uf den aromatischen Ring zurfick- zufiihren sind 1~

])emgegenfiber zeigt die Kurve 5 der Abb. 1, da8 die Einfiihrung der beiden par~st~ndigen Hydroxyle eine tiefgreifende Ver~nderung in den Elektronenfiberg~ngen des Molekfils bewirkt. Sie besteht vor Mlem in einer Versehmelzung des C :0 -Muximums und des lungwe]ligeren der beiden uromutischen M~xima zu einer einzigen Bande von besonderer Breite und Intensit~tt, w~hrend das Maximum bei zirka 4000 ~' nicht mehr vorh~nden ist.

])ieser interess~nte Effekt ist wohl nur so plausibel zu deuten, d~g bei Einffihrung der t tydroxylgruppen in para-Stellung ein getrennter [?bergang der z-Elektronen yon Benzolkern und Carbonylgruppe nicht mehr mSglich ist, sondern dal~ beide Elektronensysteme als einheitlicher Resonator einen gemeinsamen ~berg~ng yon besonderer Ubergangs- wahrseheinlichkeit zeigen.

])ie WellenzahI (3360 v') dieses gemeinsamen Uberganges wird zwar durch das urspriingliehe erste aromatisehe M~ximum dominierend be- einflugt, liegt aber durch die Versehmelzung so welt rotverschoben, d~g m~n daraus auf eine merkliche L0ckerung der arom~tischen ~-Bindungen schliegen darf.

])as Verhalten yon 0H-substituierten Benzolringen! 1, 1~, la ]/~Bt Ierner erwarten, dag aueh das 4,4'-])ioxybenzophenon infolge der Dissoziations- ffihigkeit der phenolischen OH-Gruppen eine deutlieh yore pH abhi~ngige Ultraviolettabsorption aufweisen mug. ])ies trifft, wie die Kurve 5a

7 H. Ley und H. Wingchen, Ber. dtsch, chem. Ges. 67, 501 (1934). s E. Schauenstein, Bet. dtseh, chem. Ges. 77, 19 (1944). 9 2". Backenk6hler und A . Rosenberg, Ber. dtsch, chem. Ges. 59, 2617

(1926). lo M . Pestemer und E. Mayer-Pietsch, Mh. Chem. 70, 104 (1937). 11 M . Pestemer und H. Flaschlca, Mh. Chem. 71, 325 (1938)! 1~ a) E. Schauenstein und E . Treiber, J. Polymer. Sci. 5, 145 (1950).

b) E. R. Holiday, Biochemic. J. 80, 1803 (1936). 1~ A . Sa in t -Maxen und E. Dureuil, C. R. Acad. Sci. Paris 197, 1411

(1933). Monatshefte fiir Chemie. Bd. 83/1. 7

98 E. Sehauenstein und E. Ziegler: :

tier Abb. 1 zeigt, auch tatsgchlieh in vollem Umf~nge zu : Das Absorptions- maximum rtickt nun betrgchtlieh naeh lgngeren Wellen, was in der lYiesomerie des Phenol~tions begrfindet ist, die beim Ion sicher wesentlich stgrker ausgeprggt ist als beim undissozfierten Molekti]. Dies kommt aueh in der vergr6Berten (Jbergangswahrscheinlichkeit zum Ausdruck, die um etwa das 1,3faehe zngenommen hat. Das Hauptmaximum lieg~ bereits im Gebiet der langwelligsten C=O-Absorption, ein Effekt, der an den unter FnBnoten 11 bis 13 zitierten Substanzen ebenso beobachtet wurde, wie etwa bei der Endiolgruppe der Ascorbinsgure la.

Von weiterem Interesse ist es, dab auch im Spektrum des Phenolat- ions des 4,4'-Dioxybenzophenons eine deutliche Inflexion" im Gebiet yon 3400 v' bestehen bleibt. Das heiBt, dab auch bier der dem un- dissoziierten Molekfil entsprechende Elektronenfibergang noch mSglich ist, bzw., dub auch im Phenolation noch das System

<=> _ - c : , / i 0 101 (-)

vorhanden sein muff. Dies wird aueh verstgndlich, wenn man bedenkt, dab zur Aufrichtung der C=O-Bindung nur das Heranbringen eines einzigen fiberzghligen Elektrons an den Sauerstoff notwendig ist, womit auch bereits die Bedingung festgelegt erscheint, dab auch im dissoziierten Stadium nur einer der beiden Oxyphenylreste in der ,,chinoliden" Form Vorliegt, wghrend der andere dadureh in der benzoiden Form gewisser- maBen fixiert ist:

( - ) , ~ - / - - \ - c = ( ..... \ = o \ bzw. - \ - - / I \ = / /

IOI (-) (-,

iOI ( - ) '

Dafiir sprieht auch die Tatsache, dab im Spektrum des Phenolations aueh das zweite aromatische Maximum bei 4000 v' wieder auftritt .

Die prgparativen und spektralen Befunde lassen sieh somit dahin- gehend zusammenfassen, dab die Einfiihrung der parastgndigen, polaren Substituenten, ngmlich der OH-Gruppen, die Aufriehtungstendenz der in Konjugation mit den aromatischen Kernen stehenden Carbonylgruppe offensichtlich stark begiinstigt. Es tr i t t ein intramolekularer Elektronen- leitungseffekt auf, der bewirkt, dab die 3z-Elektronen der Carbonylgruppe

la E . Schauenstein, Mh. Chem. 79, 494 (1948).

Ein Elektronenlei~ungseffek~ bei 4,4'-Dioxybenzophenon. 99

und des aromatischen Kernes ein gemeins~mes Resonanzsystem bilden. Im undissoziierten Molektil wirkt sich das so aus, dab m~n weder yon einem ausgepr~gten Carbonyl- noch aromatischen Zustand sprechen kann.

Im Phenol~tion kommen hingegen das benzoide und chinolide Extrem deutlicher zum Ausdruck: Einerseits auf Grund der Inflexion bei 3500 ~" und des Maximums bei 4000 ~', anderseits auf Grund der bereits im typischen Chinongebiet liegenden H~uptbande. Der Carbonylch~rakter t r i t t weder im dissoziierten noch im undissoziierten Zustand auf.

In Fortfiihrung dieser Untersuchungen ist geplant, die phenolische Dissoziationskurve auf optischem Wege zu ermitte]n.

7*