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Einführung in das koreanische Recht

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Einführung in das koreanische Recht

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Korea Legislation Research Institute(Hrsg.)

Einführung indas koreanische Recht

Mit Beiträgen vonSang-Yong Kim, Young-Do Park, Ky-Byung Park,Byung-Jun Lee, Knut B. Pißler, Ju-Seon Yoo, Doo-Jin Kim,Seoung-Jae Yu und Seong-Cheon Kim

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Korea Legislation Research Institute90-4, Yangjea-dong, Seocho-guSeoul, 137-890South [email protected]

ISBN 978-3-642-11603-2 e-ISBN 978-3-642-11606-3DOI 10.1007/978-3-642-11606-3Springer Heidelberg Dordrecht London New York

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2010Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die derÜbersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funk-sendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung inDatenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Ver-vielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen dergesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. Septem-ber 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwider-handlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk be-rechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne derWarenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermannbenutzt werden dürften.

Einbandgestaltung: WMX Design GmbH, Heidelberg

Gedruckt auf saurefreiem Papier

Springer ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)

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Vorwort

Die Globalisierung hat dazu geführt, dass die Grenzen zwischen den Staaten durchlässiger werden. Der transnationale Austausch und Handel ist so groß wie nie zuvor und das wechselseitige Verständnis und die interkulturelle Kommunika-tion sind zu sehr wichtigen Themen geworden. Vor diesem Hintergrund nahm das Korea Legislation Research Institute in Seoul dieses Projekt in Angriff, um Korea und das koreanische Recht im Ausland bekannt zu machen.

Das Korea Legislation Research Institute, ein aus staatlichen Mitteln finanzier-ter think tank, der im Juli 1990 gegründet worden ist, verfolgt verschiedene Ziele. Erstens trägt das Institut systematisch Informationen über koreanische und auslän-dische Rechtsakte zusammen und hält diese Informationen aktuell. Zweitens ver-folgt das Institut die Gesetzgebung und führt hierzu Untersuchungen durch, um den koreanischen Gesetzgeber zu unterstützen. Drittens stellt es Informationen über koreanische und ausländische Rechtsakte zur Verfügung, um das Bewusst-sein für unterschiedliche Rechtskulturen zu fördern.

Als Präsident des Korea Legislation Research Institute fühle ich eine besondere Freude, dass unser Institut, aufbauend auf den ersten zwei genannten Aufgaben, trefflich die dritte Aufgabe erfüllt: Informationen über das koreanische Recht einer größeren Leserschaft zur Verfügung zu stellen.

In diesem Buch wird das koreanischen Recht in neun Kapiteln nach den jewei-ligen Rechtsgebieten vorgestellt, wobei jedes Kapitel von einem Autor geschrie-ben ist, der als Experte in diesem Rechtsgebiet gilt: Geschichtliche Entwicklungen und Charakteristika, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Zivilrecht (einschließ-lich Zivilprozessrecht), Internationales Privatrecht, Handels- und Gesellschafts-recht, Wirtschaftsrecht, Arbeits- und Sozialrecht und schließlich Strafrecht (ein-schließlich Strafprozessrecht).

An erster Stelle möchte ich den Autoren danken und hier insbesondere Herrn Dr. Knut Benjamin Pißler des Max-Planck Instituts für Ausländisches und Interna-tionales Privatrecht in Hamburg, der dieses Projekt geleitet hat. Dr. Pißler hat sich für das Projekt in Korea aufgehalten, um sich mit den Autoren direkt abzustim-men. Hierdurch hat sich die Qualität des Buchs erhöht. Zudem danke ich Herrn

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vi Vorwort

Sung-Un Lee vom Korea Legislation Research Institute für seine intensiven Be-mühungen. Er hat das Projekt von Anfang an behutsam und tatkräftig begleitet.

Ich hoffe aufrichtig, dass dieses Projekt der Beginn einer engen Beziehung zwi-schen dem Korea Legislation Research Institute und dem Max-Planck Institut in Hamburg ist.

Seoul, April 2010 Ki-Pyo Kim Präsident des Korea Legislation Research Institute

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Inhaltsverzeichnis

1 Geschichtliche Entwicklungen und Charakteristika des koreanischen Rechts.................................................................... 1 Sang-Yong Kim 1.1 Einführung................................................................................ 1 1.2 Einfluss des Buddhismus auf das koreanische

traditionelle Recht .................................................................... 3 1.3 Einfluss des Konfuzianismus auf das koreanische

traditionelle Recht .................................................................... 4 1.4 Rezeption des kontinentaleuropäischen Rechts........................ 5 1.5 Die Zeit unter amerikanischer Verwaltung und Gründung

der Republik Korea................................................................... 6 1.6 Globalisierung des koreanischen Rechts .................................. 6 1.7 Charakteristika des koreanischen Rechts.................................. 7 1.8 Rechtserziehung und Rechtspraxis in Korea ............................ 8 Literatur ............................................................................................... 10

2 Verfassungsrecht................................................................................ 11 Young-Do Park 2.1 Einführung................................................................................ 11

2.1.1 Eigenarten und Ideologie ............................................ 11 2.1.2 Verabschiedung und Änderung................................... 18 2.1.3 Grundlegende Systeme ............................................... 19

2.2 Grundrechte .............................................................................. 20 2.2.1 Grundrechtsberechtigte und die Wirkung

der Grundrechte .......................................................... 20 2.2.2 Grundrechtsgewährleistung und -beschränkungen ..... 22

2.3 Staatsorgane.............................................................................. 24 2.3.1 Prinzip der Volksvertretung ........................................ 24 2.3.2 Organe der Legislative und deren Funktionen ............ 25 2.3.3 Organe der Exekutive und deren Funktionen.............. 30

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viii Inhaltsverzeichnis

2.3.4 Organe der Judikative und ihre Funktionen ................ 38 2.3.5 Verfassungsgericht...................................................... 42

Literatur ............................................................................................... 49

3 Verwaltungsrecht............................................................................... 51 Ky-Byung Park 3.1 Einführung................................................................................ 51 3.2 Verwaltungsverfahren .............................................................. 52

3.2.1 Allgemeine Vorbemerkung......................................... 52 3.2.2 Inhalt des VwVfG....................................................... 53

3.3 Verwaltungsprozess.................................................................. 64 3.3.1 Allgemeine Vorbemerkung......................................... 64 3.3.2 Einspruchsklage .......................................................... 67 3.3.3 Parteistreitigkeiten ...................................................... 75 3.3.4 Popularklage ............................................................... 76 3.3.5 Organklage.................................................................. 77

Literatur ............................................................................................... 77

4 Zivilrecht ............................................................................................ 79 Byung-Jun Lee 4.1 Zivilrecht .................................................................................. 79

4.1.1 Einführung .................................................................. 79 4.1.2 Wesentliche Regelungen............................................. 81 4.1.3 Sonderprivatrecht ........................................................ 111

4.2 Zivilprozessrecht ...................................................................... 112 4.2.1 Entstehungsgeschichte ................................................ 112 4.2.2 Überblick über die wichtigsten Gesetze...................... 112 4.2.3 Arten der Gerichte....................................................... 113 4.2.4 Grundsatz der Anwaltsvertretung

und seine Ausnahmen ................................................. 113 4.2.5 Struktur des Zivilprozessverfahrens............................ 114 4.2.6 Alternative Streitlösungsverfahren.............................. 114

5 Internationales Privatrecht ............................................................... 115 Knut Benjamin Pißler 5.1 Einführung................................................................................ 116 5.2 Die Vorschriften im Einzelnen ................................................. 116

5.2.1 Allgemeiner Teil ......................................................... 116 5.2.2 Recht der Personen ..................................................... 123 5.2.3 Rechtsgeschäfte........................................................... 126 5.2.4 Sachenrecht ................................................................. 128 5.2.5 Schuldrechte................................................................ 133 5.2.6 Familienrecht .............................................................. 140 5.2.7 Erbrecht....................................................................... 148

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Inhaltsverzeichnis ix

5.2.8 Scheck- und Wechselrecht .......................................... 151 5.2.9 Seerecht....................................................................... 151

6 Handels- und Gesellschaftsrecht ...................................................... 157 Ju-Seon Yoo 6.1 Einführung................................................................................ 157 6.2 Handelsrecht............................................................................. 158 6.3 Vertriebsrecht ........................................................................... 159

6.3.1 Unselbstständige kaufmännische Hilfspersonen......... 159 6.3.2 Selbstständige kaufmännische Hilfspersonen ............. 161

6.4 Gesellschaftsrecht..................................................................... 165 6.4.1 Personengesellschaft ................................................... 166 6.4.2 Kapitalgesellschaften .................................................. 170 6.4.3 Ausländische Gesellschaften....................................... 177

6.5 Neue Entwicklung des Gesellschaftsrechts .............................. 177 Literatur zum Handelsrecht: ................................................................ 178 Literatur zum Gesellschaftsrecht: ........................................................ 178

7 Wirtschaftsrecht: Kartellrecht und Verbraucherschutzrecht ....... 179 Doo-Jin Kim 7.1 Einführung................................................................................ 179

7.1.1 Geschichte des koreanischen Wirtschaftsrechts.......... 179 7.1.2 Bereich des Wirtschaftsrechts ..................................... 180

7.2 Gesetz gegen Monopole und für den fairen Handel ................. 182 7.2.1 Einführung .................................................................. 182 7.2.2 Verbot des Missbrauchs der marktbeherrschenden

Stellung ....................................................................... 186 7.2.3 Kartellverbot ............................................................... 188 7.2.4 Verbot des unlauteren Verkehrs.................................. 191 7.2.5 Rechtsfolgen bei Verstößen ........................................ 193

7.3 Verbraucherschutzrecht ............................................................ 197 7.3.1 Allgemeines Gesetz für Verbraucher .......................... 197 7.3.2 Gesetz zum Verbraucherschutz im E-Commerce ....... 198

7.4 Abschließende Bemerkungen ................................................... 201 7.5 Zusammenfassung .................................................................... 201 Literatur ............................................................................................... 202

8 Arbeits- und Sozialrecht.................................................................... 205 Seoung-Jae Yu 8.1 Arbeitsrecht .............................................................................. 205

8.1.1 Einführung .................................................................. 205 8.1.2 Individualarbeitsrecht.................................................. 207 8.1.3 Kollektives Arbeitsrecht ............................................. 220 8.1.4 Verfahrensrecht........................................................... 227

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x Inhaltsverzeichnis

8.2 Sozialrecht ................................................................................ 228 8.2.1 Einführung .................................................................. 228 8.2.2 Sozialversicherung...................................................... 229 8.2.3 Sozialhilfe ................................................................... 236 8.2.4 Verfahrensrecht........................................................... 237

Literatur ............................................................................................... 237

9 Strafrecht............................................................................................ 239 Seong-Cheon Kim 9.1 Einführung................................................................................ 239 9.2 Strafrecht .................................................................................. 243

9.2.1 Strafrechtliche Gesetzgebung ..................................... 243 9.2.2 Strafrecht Allgemeiner Teil ........................................ 244 9.2.3 Strafrecht Besonderer Teil .......................................... 252

9.3 Strafprozessrecht ...................................................................... 256 9.3.1 Strafjustizsystem......................................................... 256 9.3.2 Untersuchung .............................................................. 257 9.3.3 Hauptverfahren ........................................................... 258 9.3.4 Rechtsmittel ................................................................ 258 9.3.5 Vollstreckung.............................................................. 258

Literatur ............................................................................................... 259

Sachregister ...................................................................................................... 261

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xi

List of Contributors

Prof. Dr. Doo-Jin Kim Department of Law Pukyong National University 599-1, Daeyeon3 Dong NamGu Busan 608-737 South Korea [email protected] Prof. Dr. Sang-Yong Kim Law School Yonse University 262 Seongsanno Seodaemun Gu Seoul 120-749 South Korea [email protected] Prof. Dr. Seong-Cheon Kim Law School Chung-Ang University 221 Heukseok Dong Dongjak Gu Seoul 156-756 South Korea [email protected]

Prof. Dr. Byung-Jun Lee College of Law Hankuk University of Foreign Studies 270, Imun Dong Dongdaemun Gu Seoul 130-791 SouthKorea [email protected] Prof. Dr. Ky-Byung Park College of Law and Politics Kwandong University 522, Naegok Dong Gangneung City Gangwon Do 210-701 South Korea [email protected] Dr. Young-Do Park Korea Legislation Research Institute 90-4, Yangjea-dong Seocho-gu Seoul 137-890 South Korea [email protected]

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xii List of Contributors

Dr. Knut Benjamin Pißler Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg Mittelweg 187 20148 Hamburg Deutschland [email protected] Prof. Dr. Ju-Seon Yoo Department of Law Kangnam University 111, Gual Dong Giheung Gu Yongin City Gyeonggi Do 446-702 South Korea [email protected]

Prof. Dr. Seoung-Jae Yu Law School Chung-Ang University 221 Heukseok Dong Dongjak Gu Seoul 156-756 South Korea [email protected]

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1 Korea Legislation Research Institute, Einführung in das koreanische Recht, doi:10.1007/978-3-642-11606-3, © Springer 2010

Kapitel 1 Geschichtliche Entwicklungen und Charakteristika des koreanischen Rechts

Sang-Yong Kim

1.1 Einführung

Korea liegt auf einer Halbinsel zwischen China und Japan. Das Land kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Der Legende nach wurde Korea im Jahr 2333 v. Chr. vom Halbgott Dangun Wanggeom (檀君王儉) unter der Bezeich-nung Alt-Joseon (古朝鮮) gegründet und erstreckte sich sowohl über die koreani-sche Halbinsel als auch über fast die gesamte Mandschurei. Das Reich zerfiel allerdings in die drei Reiche Goguryeo (高句麗, 37 v. Chr. bis 668 n. Chr.), Baekje (百濟, 18 v. Chr. bis 660 n. Chr.) und Silla (新羅, 57 v. Chr. bis 935 n. Chr.). Nach der Wiedervereinigung dieser drei alten Königreiche unter der Silla-Dynastie (im 7. Jahrhundert n. Chr.) herrschten für die nächsten tausend-unddreißig Jahre drei starke Monarchien, nämlich die vereinigte Silla-Dynastie (676–918 n. Chr.), Goryeo-Dynastie (高麗, 918–1392 n. Chr.) und Joseon-Dynastie (朝鮮, 1392–1910, auch als Yi-Dynastie bezeichnet). Von 1910 bis 1945, als Korea eine Kolonie Japans war, wurde die Bezeichnung Joseon beibe-halten. In den Jahren 1945 bis 1948 war der Süden Koreas von amerikanischen Truppen besetzt, während der Norden sowjetisches Einflussgebiet wurde. 1948 wurde Korea in die südkoreanische Republik und die nordkoreanische Volks-republik geteilt.

Während seiner langen Geschichte hat sich in Korea kontinuierlich eine traditi-onsreiche Kultur entwickelt: zunächst die uralte einheimische Kultur, dann die buddhistische Kultur und schließlich die konfuzianische Kultur. In jüngster Zeit wächst die Zahl der Christen. Daher kann man sagen, dass die koreanische Kultur stark von verschiedenen Religionen geprägt ist. Zwar sind der Buddhismus und der Konfuzianismus über China nach Korea gekommen, aber Korea hat diese

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Prof. Dr. Sang-Yong Kim Law School, Yonse University, 262 Seongsanno, Seodaemun Gu, Seoul, 120-749, South Korea [email protected]

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2 Sang-Yong Kim

fremden Religionen dem Koreanischen entsprechend umgestaltet und neue, dem Land eigene, religiöse Lehren erschaffen: den Mahayana-Buddhismus (大乘佛敎) und den Neu-Konfuzianismus (性理學).

Formelles Recht kannte man bereits in Alt-Joseon: das so genannte „Gesetz der acht Verbote“ (八條禁法, wörtlich: „Acht-Paragrafen Verbotsgesetz“). Von den acht Verboten sind nur drei überliefert worden: 1. Totschlag wurde mit der To-desstrafe geahndet; 2. Derjenige, der einen anderen verletzte, musste den Verletz-ten mit Getreide entschädigen, und 3. wurde derjenige, der fremde Sachen stahl zum Sklaven des Eigentümers der gestohlenen Sachen. Dieses Recht galt lange Zeit in Korea.

Während der Einflusszeit des Buddhismus vom Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. bis zum Ende des 14. Jahrhunderts ist dieses Recht durch den buddhisti-schen Gedanken der Barmherzigkeit allmählich gemildert und geläutert worden. Zum Zweck der Verwaltung des Königreichs wurde in derselben Periode chinesi-sches Gesetzesrecht aufgenommen, dessen Grundlage der chinesische Konfuzia-nismus war. Damals erzogen buddhistische Mönche die weltlichen Könige und dienten Ihnen als Lehrer. Die Anwendung des rezipierten chinesischen Rechts beschränkte sich allerdings auf die Verwaltung und das Herrschen im Königreich. Im alltäglichen Leben des Volks war dagegen die Lehre des Buddhismus Richt-linie für sein Verhalten.

Vom 14. Jahrhundert an wurde der Buddhismus als staatliche Leitidee durch den Konfuzianismus ersetzt, weil das buddhistische Königreich Goryeo in seiner Endzeit sehr korrupt gewesen ist. Während der Yi-Dynastie wurde daher der Kon-fuzianismus zur staatlichen Leitidee.

In dieser Zeit flossen viele gesetzliche Regelungen aus China ein. Obwohl viele Gesetze von der Yi-Dynastie erlassen wurden, war die Rechtswissenschaft damals noch nicht hoch entwickelt. In der Yi-Dynastie war nicht die Rechtswissenschaft Hauptforschungsthema der damaligen Wissenschaftler, sondern die konfuziani-sche Philosophie. In dieser Zeit wurde Recht als ein Druckmittel für die Umset-zung der konfuzianischen moralischen Lehre in der Yi-Dynastie verstanden.

Vom Ende des 18. Jahrhunderts an ist das Christentum in Korea über französi-sche Priester des Jesuitenordens, der in China tätig war, eingeführt worden. Bis zur Anerkennung des Christentums im Jahr 1886 wurden viele Christen als Märtyrer getötet.

Im Jahr 1876 musste sich Korea auf Druck des damaligen imperialistischen Ja-pans dem Handel öffnen. Im Zuge des Einflusses Japans wurde schließlich auch das kontinentaleuropäische Recht in Korea adoptiert. Insbesondere wurde das deutsche Recht rezipiert. Während der Okkupation Koreas durch Japan von 1910 bis 1945 waren fast alle japanischen Gesetze in das koreanische Recht verpflanzt worden.

Unter der amerikanischen Militärverwaltung in den drei Jahren von 1945 bis 1948 haben naturrechtliche und demokratische Rechtsgedanken das koreanische Rechtssystem beeinflusst. In Nord-Korea wurde hingegen ein sozialistisches Rechtssystem eingeführt.

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1 Geschichtliche Entwicklungen und Charakteristika des koreanischen Rechts 3

1.2 Einfluss des Buddhismus auf das koreanische traditionelle Recht

Die buddhistische Kultur hatte während der Silla-Dynastie ihre Blütezeit. Das wäh-rend dieser Dynastie geltende Recht war so entscheidend von buddhistischen Ge-danken beeinflusst. Die folgenden berühmten „fünf weltlichen Gebote“ (世俗五戒) des buddhistischen Mönchs, Weon Kwang (圓光, 542 bis 640) gelebt hatte, waren die Richtlinien des alltäglichen Lebens des Volks und die grundlegenden Prinzipien des Rechts in Silla:

• Alle Menschen müssen ihre Königin oder ihren König respektieren und ihr oder ihm treu folgen (事君以忠).

• Alle Menschen müssen Ihren Eltern mit Pietät gehorsam sein (事親以孝). • Alle Menschen müssen zu ihren Freundinnen und Freunden mit Vertrauen

freundlich sein (交友以信). • Alle Menschen müssen sich in Kriegszeiten ohne Rückhalt einbringen

( ). • Alle Menschen müssen alles Lebende achten und nur töten, wenn dies notwen-

dig ist (殺生有擇).

Diese „fünf weltlichen Gebote“ waren lebendiges Recht in Silla. Mit ihrer Hilfe gelang es, die Bewohner in Silla zu einer starken Gesellschaft zu machen, sodass das im Vergleich zu Goguryeo und auch Baekje ziemlich kleine Königreich Silla das dreigeteilte Reich zu einem großen Königreich vereinigen konnte.

Die leitende Idee des Buddhismus ist die Barmherzigkeit allen Menschen, allen Tieren und allen Pflanzen gegenüber. Der Buddhismus hat ein größeres Interesse an der Rettung der Seele der Menschen als an weltlicher Macht und Verwaltung. Daher war auch während der Silla Dynastie die weltliche Verwaltung durch erlas-sene Gesetze fortgeführt worden, die aufgrund der konfuzianischen Lehre in China entwickelt worden waren.

Auch im nachfolgenden Königreich Goryeo war der Buddhismus als Staatsreli-gion anerkannt. Buddhistische Mönche wurden zu Lehrern und Beratern der Kö-nige ernannt. Buddhistischen Tempeln wurden im Gegenzug große Vermögen geschenkt. Nicht zuletzt deswegen wurde der Buddhismus von Korruption zerfres-sen, sodass schließlich das buddhistische Königreich Goryeo durch eine Revoluti-on in die konfuzianische Yi-Dynastie überging.

Während ungefähr tausend Jahren hatte der Buddhismus Korea seelisch und kulturell dominiert. Im Bereich des Rechts hatten die buddhistischen Gedanken das alltägliche Leben des koreanischen Volks beeinflusst. Zur Machterhaltung und zum Aufbau einer effizienten Verwaltung konnte er jedoch nicht genug beitragen.

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4 Sang-Yong Kim

1.3 Einfluss des Konfuzianismus auf das koreanische traditionelle Recht

Der Konfuzianismus war bereits mit der Einführung der chinesischen Gesetze in der Periode der drei Reiche in Korea bekannt geworden. Wegen der damaligen Dominanz des Buddhismus konnte der Konfuzianismus aber für lange Zeit nicht wissenschaftlich erforscht oder gelehrt werden. Im Staat und in der Verwaltung waren hingegen die konfuzianischen Gedanken zur Stärkungen der Macht der Könige aufgenommen und gebraucht worden. Insbesondere in der Periode der konfuzianischen Yi-Dynastie waren viele wichtige Gesetzbücher kompiliert und monarchische Gesetze erlassen worden.

Die wichtigste Leitidee des Konfuzianismus war die Tugendhaftigkeit der Menschen und die Harmonisierung der Welt. Zur Realisierung dieser Ideale waren praktische Prinzipien des Konfuzianismus entwickelt worden, welche die Regeln in zwischenmenschlichen Beziehungen in den so genannten „drei grundlegenden Prinzipien und fünf sittlichen Geboten“ (三綱五倫) zusammenfassten.

Die drei grundlegenden Prinzipien besagen:

• Der König muss den Untertanen Vorbild sein (君爲臣綱). • Der Vater muss den Kindern Vorbild sein (父爲子綱). • Der Ehemann muss der Ehefrau Vorbild sein (夫爲婦綱). • Die „fünf sittlichen Gebote“ beinhalteten Folgendes: • König und Untertanen müssen loyal und einander treu sein (君臣有義). • Vater und Kinder müssen einander lieben (父子有親). • Ehemann und Ehefrau müssen sich gegenseitig respektieren (夫婦有別). • Alte und junge Leute müssen die hierarchische Ordnung einhalten (長幼有序). • Freunde müssen zuverlässig füreinander da sein (朋友有信).

Um die konfuzianische Lehre in der staatlichen Politik und der Verwaltung zu realisieren, wurden in der die Yi-Dynastie wichtige Gesetze erlassen. Diese betra-fen insbesondere das öffentliche Recht. Im Jahr 1485 wurde das „Große Gesetz zur Regierung des Staates“ (經國大典) fertiggestellt und verkündet. Außerdem wurden während der Yi-Dynastie weitere von China kompilierte Gesetzbücher in Korea aufgenommen. Die Rechtswissenschaft konnte sich hingegen nicht entwi-ckeln, weil die konfuzianische Philosophie Hauptforschungsthema von Wissen-schaftlern war.

Privatrechtliche Probleme im alltäglichen Leben des Volks wurden hauptsäch-lich mit konfuzianischen moralischen Lehren, nicht mit staatlichen Gesetzen regu-liert und gelöst. Außerdem hatte sich im Volk ein Gewohnheitsrecht entwickelt. Als das wichtigste Gewohnheitsrecht in der Yi-Dynastie kann die Pflicht zur ge-genseitigen Hilfe (契) und zur gemeinsamen Arbeit (두레) als Regel für das Zu-sammenleben im Volk genannt werden. .

Neben dem Gewohnheitsrecht arbeiteten leitende Wissenschaftler oder höhere Beamten auf Provinzebene außerdem so genannte „Gemeindeabreden“ (鄕約) auf der Basis konfuzianischer Lehren aus.

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1 Geschichtliche Entwicklungen und Charakteristika des koreanischen Rechts 5

Im Allgemeinen regelten diese „Gemeindeabreden“ Folgendes:

• Mitglieder der Gemeinde müssen sich einander tugendlich fördern (德業相勸). • Mitglieder der Gemeinde müssen sich bei unrichtigem Verhalten beistehen und

zu richtigem Verhalten ermahnen (過失相規). • Mitglieder der Gemeinde müssen untereinander den Anstand einhalten

( ). • Mitglieder der Gemeinde sollen sich in schwierigen Lagen gegenseitig helfen

(患亂相恤).

Diese Gewohnheitsrechte und Gemeindeabreden können als traditionelles Volks-recht der Yi-Dynastie angesehen werden, die für das friedliche Leben im Volk ent-wickelt und genutzt wurden.

Bis heute sind sowohl die staatlichen Gesetze als auch dieses Volksrecht der Yi-Dynastie wissenschaftlich nicht ausreichend erforscht worden, was eine zu-künftige wichtige Aufgabe der Rechtswissenschaftler in Korea sein wird.

1.4 Rezeption des kontinentaleuropäischen Rechts

Nachdem Korea durch Japan gezwungen worden war, sich der Außenwelt zu öffnen, wurde das kontinentaleuropäische Recht eingeführt. In Japan selbst war dieses nach der Öffnung durch die Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1865 rezipiert worden. Korea hatte bis zur Öffnung während der Yi-Dynastie nur mit China offizielle diplomatische Beziehung.

Für mehr als 70 Jahre (vom Ende der 1870er Jahre bis zur Emanzipation von Japan im Jahr 1945) stand das koreanische Recht unter dem Einfluss des japani-schen imperialistischen Rechts, welches auf einer rechtspositivistischen Rechtsan-schauung fußt. Der koreanischen Bevölkerung erschien dieses Recht als sehr bru-tal und harsch. In dieser Periode der Kolonisation entwickelte sich daher ein negatives Rechtsbewusstsein und Rechtsgefühl im Hinblick auf das rezipierte Recht. Man zog sich auf das Naturrecht zurück.

Es ist nicht zu verkennen, dass das über Japan rezipierte kontinentaleuropäische Recht formal liberalistische und individualistische Elemente aufweist. Diese konn-ten sich jedoch nicht durchsetzen, weil die koreanische Bevölkerung von der japa-nischen Okkupationsgewalt in vielfacher Hinsicht unmenschlich behandelt wurde und Vermögen von Koreanern geplündert wurde. Während des Zweiten Welt-kriegs wurden koreanische Männer für Zwangsarbeit und junge Koreanerinnen als sogenannte „Komfortfrauen“ für japanische Soldaten zwangsweise oder heimlich requiriert. Ferner zwang Japan die Koreaner, ihre eigene Sprache nicht mehr zu gebrauchen und japanische Namen anzunehmen. Diese unmenschlichen Maßnah-men wurden in Form von Gesetzen und Verordnungen durchgesetzt, sodass nicht verwundern kann, dass die koreanische Bevölkerung auch die anderen Rechtsinsti-tute, die Japan den Koreanern überstülpte, ablehnte.

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6 Sang-Yong Kim

So waren nach 1910 viele japanische Gesetze, wie etwas das japanische Zivil-gesetz, das Handelsgesetz und das Strafgesetz ohne Änderungen nach Korea ver-pflanzt worden. Sie galten als koreanische Gesetze und wurden dementsprechend in Korea angewandt.

Auch heute noch sind die Erinnerungen an den negativen Einfluss der japani-schen rechtspositivistischen Rechtsanschauung und unmenschlichen Rechtsan-wendung nicht gänzlich beseitigt. Nicht zu vergessen ist jedoch, dass unter der japanischen Okkupation auch der Spross des naturrechtlichen Widerstandsgedan-kens in Korea erwachsen ist, der eine leitende Rechtsidee für Entwicklungen des zukünftigen koreanischen Rechts sein sollte. Es ist Aufgabe der koreanischen Rechtswissenschaftler, das in der Kolonisationszeit gültige Recht und seine An-wendungsbereiche umfassend zu würdigen.

1.5 Die Zeit unter amerikanischer Verwaltung und Gründung der Republik Korea

Nach der Unabhängigkeit Koreas im Jahr 1945 wurde das Land drei Jahre von der amerikanischen Militärbehörde verwaltet, bis sich die koreanische Regierung im Jahr 1948 konstituierte. Während der amerikanischen Verwaltungszeit wurden viele von Japan erlassene Gesetze beseitigt. Zugleich wurden der naturrechtliche Rechtsgedanke und ein demokratisches politisches System in Korea eingeführt. Koreaner nahmen wieder ihre koreanischen Namen an.

Auch zu dieser Zeit war der deutsche Rechtswissenschaftler Ernst Fränkel (1898–1974) als Rechtsberater für die amerikanische Militärbehörde tätig. Wegen der relativ kurzen Zeit der amerikanischen Verwaltung konnten aber grundlegend neue Gesetze, wie etwa ein Zivilgesetz, ein Handelsgesetz oder ein Strafgesetz nicht verkündet werden. Die japanischen Gesetze galten daher zunächst weiter.

Erst nach der Bildung der koreanischen Regierung konnten das Strafgesetz im Jahr 1953, das Zivilgesetz im Jahre 1958 und das Handelsgesetz im Jahr 1962 verabschiedet werden.

Obwohl die Republik Korea seit ihrer Gründung einige politische und wirt-schaftliche Krisen durchlebt hat und den koreanischen Krieg (1950–1953) durch-machen musste, hat sich die Republik Korea allmählich in Richtung einer frei-heitlichen Demokratie, des Naturrechts und der freiheitlichen Marktwirtschaft entwickelt.

1.6 Globalisierung des koreanischen Rechts

Während der Devisenkrise in den Jahren 1997 und 1998 hat Korea seinen Geld-markt wesentlich liberalisiert und verschiedene Rechtsinstitutionen auf dem Ge-

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1 Geschichtliche Entwicklungen und Charakteristika des koreanischen Rechts 7

biet des Finanzrechts legalisiert. Die wichtigste legalisierte Institution war die Einführung von US-amerikanischen asset-backed securities, also der Verbriefung (securitization) von Vermögenswerten und der Umlauf von Hypotheken.

Im Jahr 2004 ist Korea Vertragspartei des „Übereinkommens der Vereinten Na-tionen über Verträge über den internationalen Warenkauf“ (UN-Kaufrecht) ge-worden. Das Übereinkommen gilt seit dem Jahr 2005 in Korea. Es ist zu erwarten, dass die Geltung des UN-Kaufrechts in Korea einen Einfluss auf die Revisions-arbeiten im Zivilgesetz haben wird, die in den Jahren 2009 bis 2012 stattfinden sollen.

Außerdem ist die Republik Korea Mitglied der „Kommission der Vereinten Na-tionen für das Internationale Handelsrecht“ (UNCITRAL) und Mitglied der Welt-handelsorganisation (WTO). Mit den USA hat Korea einen Freihandelsvertrag abgeschlossen, dessen Ratifizierung im Parlament allerdings noch aussteht. Auch mit der Europäischen Union ist Korea in Verhandlungen zum Abschluss eines solchen Freihandelsvertrags.

Die in den „UNIDROIT-Prinzipien für internationale Handelsverträge“ und den „Prinzipien des europäischen Vertragsrechts“ zum Ausdruck kommenden rechts-vergleichenden Erkenntnisse, die in Korea viel Beachtung finden, werden gewiss ebenfalls bei der Revision des Zivilgesetzes berücksichtigt werden.

1.7 Charakteristika des koreanischen Rechts

Dokumente des alten koreanischen traditionellen Rechts vor der Yi-Dynastie sind nicht überliefert, während Artefakte aus der Yi-Dynastie ziemlich zahlreich be-wahrt worden sind. Aus diesen Quellen lässt sich schließen, dass Recht, Moral und religiöse Lehre in dieser Zeit nicht getrennt, sondern miteinander verwoben wur-den. Im alltäglichen Leben des Volks war die Moral oder religiöse Lehre wichtiger und überzeugungskräftiger als das Recht. Deswegen kann gesagt werden, dass die Moral und die religiöse Lehre das lebendige Recht im Leben des Volkes war. Folgerichtig war die Rechtswissenschaft nicht so hoch entwickelt worden wie die Ethik oder Religionswissenschaft. Auf dem Gebiet der monarchistischen Verwal-tung in den alten Königreichen waren öffentlich-rechtliche Gesetze zur Stärkung der Monarchie erlassen worden. Aber eine Rechtswissenschaft parallel zur Ge-setzgebung hat sich nicht entwickelt.

Die Charakteristika des koreanischen Rechts können anhand dessen dargestellt werden, was als „konfuzianisches Recht“ in der Yi-Dynastie galt. Wie oben er-wähnt war das Recht subsidiär zur Moral ( ). Recht wurde als Zwangs-mittel für die Verwirklichung der Moral verstanden, die aufgrund der konfuziani-schen Lehre geformt und entwickelt worden waren.

Während der Yi-Dynastie ist festzustellen, dass man wenig Neigung dazu hatte, die einmal geschaffenen Gesetze zu revidieren. Diese wurden also nicht weiter-entwickelt oder verbessert.

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8 Sang-Yong Kim

Das Gesetzbuch bestand aus sechs Abschnitten:

• Personalrecht ( ), • Finanzrecht (戶典), • Offizielle Zeremonien und Diplomatie betreffendes Recht ( ), • Verteidigungsrecht (兵典), • Strafrecht (刑典) und • Baurecht (工典).

Um die Monarchie zu festigen, waren zwar öffentlich-rechtliche und strafrecht-liche Gesetze erlassen und beachtlich entwickelt worden. Der Erlass von Gesetzen für privatrechtliche Angelegenheiten wurde jedoch vernachlässigt. Außerdem ist zu bemerken, dass die privatrechtliche und die strafrechtliche Haftung voneinan-der nicht klar getrennt, sondern miteinander verbunden waren. Wegen des Einflus-ses des Konfuzianismus war die Natur des Gesetzes nicht vernünftig und rationa-listisch, sondern sehr warmherzig.

Das gewohnheitsrechtliche sowie das geschriebene Volksrecht dienten der gegen-seitigen Unterstützung, was Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben war.

Hingegen ist das moderne koreanische Recht ein Recht, das hauptsächlich auf der Basis des rezipierten europäischen Rechts erwachsen ist und entwickelt wurde, nicht jedoch durch eine Umgestaltung und Modernisierung des koreanischen über-lieferten traditionellen Rechts. Nur vereinzelt scheint eine spezifisch koreanische Rechtstradition durch, beispielsweise im dinglichen Mietrecht (Cheonse-Kweon) nach den §§ 303 ff. Zivilgesetz, welches zugleich eine Sicherungsfunktion hat.

Auch heute ist festzustellen, dass die Auffassung vom koreanischen Rechts- und Justizsystem in der Bevölkerung eher negativ beschrieben werden kann, ob-wohl sich diese Auffassung gerade in den letzten Jahren positiv gewandelt hat. Dennoch spielen in der Praxis alternative Streitlösungsmethoden (insbesondere die Mediation (調停) eine außerordentlich große Rolle, da das Vertrauen in die Ge-richte nicht stark entwickelt ist.

Für die zukünftige Entwicklung des koreanischen Rechts sind zwei Aspekte wesentlich. Zum einen ist im Hinblick auf eine mögliche Wiedervereinigung mit der Volksrepublik Korea die Angleichung der sozialistischen nordkoreanischen Rechtsordnung an das liberale südkoreanische Recht zu erwarten.

Zum anderen ist wünschenswert, dass Korea den Weg zu Liberalismus, Markt-wirtschaft und Frieden beibehält. Auf dem Gebiet des Recht ist hierbei zu erwar-ten, dass sich Korea in die Richtung des Naturrechts entwickelt, wie es in seiner Tradition inzwischen als verwurzelt bezeichnet werden darf.

1.8 Rechtserziehung und Rechtspraxis in Korea

In Korea wird Recht an einer Vielzahl von Universitäten gelehrt und geforscht. Neben den Universitäten gibt es einige rechtswissenschaftliche Institute, die eben-falls für den Gesetzgeber das Recht erforschen.

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1 Geschichtliche Entwicklungen und Charakteristika des koreanischen Rechts 9

Als hauptsächliche Methode der Rechtserziehungen an den Universitäten wer-den die Methodologie der abstrakten Auslegungen der wichtigsten Gesetze und die vornehmlich in Deutschland entwickelten Rechtstheorien benutzt. Es zeigte sich, dass sich diese Methode der Rechtserziehungen von einem problemorientier-ten Rechtsverständnis und der pragmatischen Rechtsanwendungen in der Praxis in einem gewissen Maße entfernt hatte. Um dieses Problem in der Rechtserziehungen zu lösen und zu überwinden, wurde der Plan entwickelt, einen Teil der bestehen-den juristischen Fakultäten mit ihrer Ausbildung zum Baccalaureat aufzulösen und sie in Law Schools umzuwandeln, die nur die rechtswissenschaftliche Ausbildung zum Magister des Rechts übernehmen, und sie damit aufzuwerten. Bei diesen Fakultäten handelt es sich um die renommiertesten Fakultäten, die vom Bildungs-ministerium eine besondere Genehmigung für die Umwandlung erhalten haben. Die Fakultäten, die keine Genehmigung erhalten haben, werden weiter wie bislang betrieben. Es ist zu erwarten, dass es wegen der Umgestaltung eines Teils der bestehenden juristischen Fakultäten in Law Schools zu einem stärkeren Gewicht des anglo-amerikanischen Rechts und der anglo-amerikanischen Rechtstheorie in Korea kommen wird.

Im Jahr 2008 gab es in Korea 2.352 Richterinnen und Richter, 1.692 Staatsan-wältinnen und Staatsanwälte sowie 8.880 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Spezialisierte Fachagenten bieten ihre Dienste im Bereich des geistigen Eigentums an. Die Zahl der selbstständigen Notare ist aufgrund der begrenzten Zahl der vom Justizministerium gewährten Zulassung sehr gering. Stattdessen sind als Notare juristische Personen (in der Praxis in der Form der Partnerschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung) tätig, die von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten gegründet werden. Diese haben durch ihre Rechtsform qua Gesetz die Zulassung als Notar.

Das Justizsystem besteht aus einem dreigliedrigen Instanzenzug: Oberster Ge-richtshof, höherer Gerichtshof und Lokalgerichtshof. Geschworenengerichte kön-nen ausnahmsweise bei besonderen Fällen eingerichtet werden. Außer dem Obers-ten Gerichtshof entscheidet das Verfassungsgericht über die Angelegenheiten betreffend der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen und Verordnungen, der Auflö-sung politischer Parteien, Amtsenthebungsverfahren gegen höhere Beamte, Kom-petenzstreitigkeiten zwischen Verwaltungsbehörden und in Fällen der Grund-rechtsverletzung durch Ausübung oder Nichtausübung der öffentlichen Macht. Gerichtliche Urteile können nicht Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Über-prüfung sein.

Zu erwähnen ist schließlich, dass es zahlreiche juristische Vereine und Stiftun-gen gibt, die eine Reihe von rechtswissenschaftlichen Zeitschriften herausgeben. Der akademische Austausch mit ausländischen juristischen Fakultäten und Uni-versitäten, sowie juristischen Instituten und Rechtswissenschaftlern ist verhältnis-mäßig aktiv.

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Literatur

Choi Chongko, Law and Justice in Korea: South and North, Seoul National University Press, 2005.

Kim Sang-Yong, Rechtsgeschichte und Rechtspolitik:Fokus der Koreanischen Rechtsgeschichte, Korea Legislation Research Institute, 2006.

Yeon, Jeong-Yeul [延正悦], Geschichte koreanischer Gesetzbücher [韓國法典史], Seoul, 1997.

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11 Korea Legislation Research Institute, Einführung in das koreanische Recht, doi:10.1007/978-3-642-11606-3, © Springer 2010

Kapitel 2 Verfassungsrecht

Young-Do Park

2.1 Einführung

2.1.1 Eigenarten und Ideologie

§ 1 Bedeutung

Das Verfassungsrecht gilt in Korea als das grundlegende bzw. höchstrangige Recht eines Staates, das die Struktur, Organisation und Funktion des Staates regelt.

Früher wurde angenommen, dass die Verfassung aufgrund des organisatori-schen Charakters bestimmter Verfassungsnormen nicht vollständig zwingende Rechtsnorm sei. Falls in der Verfassung nämlich ein Gebot oder ein Verbot gegenüber einem bestimmten Staatsorgan vorliegt, erwies es sich in der Praxis als schwierig, gegen dessen Verstoß eine Sanktion aufzuerlegen oder die Er-füllung der Pflicht einzufordern. Hinzu kam, dass die koreanische Verfassung auch bloße Programmregelungen enthielt. Trotzdem war die Normeigenschaft der Verfassung nicht gänzlich zu verneinen; es sei lediglich davon auszugehen, dass die Verfassung allein als Norm zur gerichtlichen Entscheidung nicht ausrei-chen kann. Diese Ansicht kann nach der Rechtsprechung des Verfassungsge-richts als überholt gelten, wonach „die Verfassung sowohl die Basis aller staat-lichen Ordnung als auch das höchste Wertgefüge der Staatsgesellschaft ist und daher allen anderen Rechtsnormen oder Werten vorgeht. Da die Verfassung die höchste Norm eines Staates ist, wird die Ausübung aller öffentlichen Gewalt der Rechtsetzung, Vollziehung und Rechtsprechung durch die Verfassung be-

__________________________________

Dr. Young-Do Park Korea Legislation Research Institute, 90-4, Yangjea-dong, Seocho-gu, Seoul, 137-890, South Korea [email protected]

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12 Young-Do Park

schränkt. Darüber hinaus werden auch privatrechtliche Rechtsverhältnisse mit-telbar oder unmittelbar unter den Einfluss der Verfassung stehen. Die Verfas-sung ist die höchste Ethik des Volkslebens, welche durch den Volkskonsens verabschiedet worden ist. Da die Verfassung als politische Wertnorm der politi-schen und gemeinschaftlichen Ordnung dient, ist es bei einem demokratischen Gemeinwesen grundlegend, dass man die Verfassungsnorm befolgt und ihre Autorität bewahrt.“1

§ 2 Besonderheiten

I. Kodifizierung

Dass sich die Republik Korea eine geschriebene Verfassung gegeben hat, ent-spricht dem gesetzgeberischen Bedürfnis in der wandelreichen und komplizierten modernen Welt. Außerdem besteht eine allgemeine Tendenz, neue Staatsideen und Staatssysteme von jüngeren Staaten, die durch Reformen oder errungene Unabhängigkeit entstanden sind, in Form einer geschriebenen Verfassung kund-zugeben und zu proklamieren. Allerdings ist die Niederschrift der koreanischen Verfassung nicht durch eine Ansammlung alter koreanischer Gewohnheiten oder Rechte entstanden, sondern durch die Rezeption ausländischer Verfassungen, die innerhalb einer kurzen Zeit erfolgte. Das Vorliegen einer geschriebenen Verfas-sung bedeutet, dass verfassungsrechtliche Regelungen in der Form eines Gesetzes festgelegt wurden; dies bedeutet aber nicht zugleich, dass alle verfassungsrechtli-chen Regelungen ausnahmslos in der Verfassung enthalten sind. Auch wenn die verfassungsrechtlichen Regelungen teilweise in anderen Gesetzen geregelt sind, bedeutet dies, dass die Republik Korea trotzdem ein kodifiziertes Verfassungs-recht hat. In dem Sinne sind heutzutage die meisten Staatsverfassungen kodifi-ziert. Die Änderung einer kodifizierten Verfassung setzt regelmäßig strengere Bedingungen voraus als die eines Gesetzes. Jedoch ist eine solche eingeschränkte Abänderlichkeit kein wesentlicher Bestandteil einer geschriebenen Verfassungs-form, wenn auch derzeit die kodifizierten Verfassungen im Regelfall als „sta-tisch“ charakterisiert werden können.

Seit ihrer Gründung hat die Republik Korea eine kodifizierte Verfassung, deren Änderung bestimmten Beschränkungen unterworfen ist. Dies wird dadurch deutlich, dass sie ein besonders qualifiziertes Verfahren (Art. 128–130 Verfassung) für die Verfassungsänderung vorschreibt und eine Verfassungswidrigkeitsprüfung bzw. Verfassungswidrigkeitsentscheidungsbefugnis (Verwerfungskompetenz) (Art. 107, 111 Abs. 1 Nr. 1 Verfassung) bezüglich der Gesetze regelt. Die geltende Verfassung enthält nicht alle verfassungsrechtlichen Regelungen im materiellen Sinne; vielmehr wird ein Großteil davon durch allgemeine Gesetze wie das Parlamentsgesetz (국회법), das Staatsorganisationsgesetz (정부조직법) oder das Beamtenwahl-gesetz (공직선거법) geregelt.

1 헌재결 1989.9.8. 88헌가6.

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2 Verfassungsrecht 13

II. Qualität als grundlegendes Gesetz

Die Verfassung ist ein grundlegendes Gesetz, das im Gegensatz zu anderen Geset-zesformen lediglich wesentliche und grundlegende Prinzipien enthält und die Verhältnisse zwischen Staat und Staatsbürgern regelt. Indem die Verfassung das Staatsorganisationsrecht enthält und Kompetenzen verleiht, sind die betreffenden Regelungen als abschließende und konkrete Normen anzusehen. Dennoch bedarf es zur Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben einer weiteren Konkreti-sierung der in der Verfassung enthaltenen Handlungs- und Gebotsnormen durch den Gesetzgeber, da eine zwangsweise Durchsetzung solcher Normen in der Pra-xis ansonsten schwer verwirklicht werden kann.

Die Verfassung enthält Regelungen für das Parlament, die Regierung und die Gerichte und verleiht ihnen die Gesetzgebungskompetenz (Art. 40 Verfassung), Vollziehungskompetenz (Art. 66 Abs. 4 Verfassung) und Rechtsprechungskompe-tenz (Art. 101 Abs. 1 Verfassung). Zugleich hat die koreanische Verfassung eine beschränkende Funktion, indem sie regelmäßig die Art und Weise der Gewaltaus-übung verschiedener Staatsorgane verfassungsrechtlich einschränkt. In Art. 37 Abs. 2 Verfassung ist vorgeschrieben, dass die Freiheit und die Rechte von Bür-gern nur aus Gründen der Erhaltung der staatlichen Sicherheit und Ordnung sowie des öffentlichen Gemeinwohls eingeschränkt werden dürfen. Die Einschränkung darf aber keinesfalls das Wesen der Freiheit oder des Rechts verletzen.

III. Qualität als oberste Norm in der Gesetzeshierarchie

Die Verfassung begründet die Legitimität aller Staatsfunktionen und hat die stärkste formale Geltung im staatlichen Rechtssystem. Folglich liegt die Verfas-sung auf der obersten Ebene des staatlichen Rechtssystems. Neben der Verfassung bestehen keine höherrangigen Normen und sie wird deshalb als die „ursprüngliche Norm“ – „Oberste Norm“ (상위규범, 上位規範) – bezeichnet. Diese Eigenschaft der Verfassung stammt nicht nur aus der staatsorganisierenden und Kompetenz verleihenden Funktion, sondern insbesondere aus der Tatsache, dass die Verfas-sung durch den souveränen Gesamtwillen des Staatsvolks, nämlich im Jahr 1962 durch Volksentscheid, verabschiedet worden ist. Somit ist die Verfassung als oberste Norm die Existenz- bzw. Geltungsgrundlage für die Normen unterer Rangordnung wie beispielsweise Parlamentsgesetze, Rechtsverordnungen oder Satzungen. Zudem hat die Verfassung die stärkste formale Geltung, sodass verfas-sungswidrige Normen unterer Rangordnung keine Geltung haben.

§ 3 Grundideen

Die Ideen und Werte der Verfassung werden von Grundprinzipien in einzelnen Klauseln der Verfassung verkörpert. Die Grundprinzipien der Verfassung sind

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14 Young-Do Park

zugleich die Prinzipien, die der Verfassungsgeber bei der Normierung der einzel-nen Verfassungsklauseln zugrunde gelegt hat. Sie geben damit den Zweck und das Wesen der einzelnen Klauseln wieder. Folglich sind die Grundprinzipien der Ver-fassung der Interpretationsmaßstab der Verfassungsklauseln und nachrangiger Gesetze und Rechtsverordnungen.2 Diese Grundprinzipien dienen als Leitfaden der Gesetzgebung und können nicht Gegenstand von Verfassungsänderungen sein. Wie die Grundprinzipien in der Verfassung existieren und wie wir diese erkennen können, wird außer durch die Verfassung durch die Verfassungsinterpretationsleh-re verdeutlicht. Die Präambel und die Verfassung enthalten als solche Grund-prinzipien zum Beispiel das Prinzip der Volkssouveränität, die Beachtung der Grundrechte, das Gewaltenteilungsprinzip, das Wohlfahrtsstaatsprinzip, das Kul-turstaatsprinzip, das Prinzip des internationalen Friedens und das Prinzip der sozi-alen Marktwirtschaft. Zudem ist der Volkswunsch der friedlichen Wiedervereini-gung als aktuelle koreanische Aufgabe hinzugefügt worden.

I. Volkssouveränitätsprinzip

Das Volkssouveränitätsprinzip besagt, dass die Souveränität dem Volke obliegt. Die koreanische Verfassung deklariert in Art. 1 Abs. 2 das Prinzip der Volks-souveränität: „Die Souveränität der Republik Korea obliegt dem Volk, und alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Weiterhin regelt die Verfassung in Art. 1 Abs. 1, dass „die Republik Korea eine demokratische Republik“ ist, und drückt somit ebenfalls die Aufnahme des Volkssouveränitätsprinzips aus. Schließlich ist in der Präambel der Verfassung ausdrücklich vorgeschrieben, dass das Volk als Inhaber der Souveränität die Verfassung geändert und verabschiedet hat.

Die Volkssouveränität findet nach der koreanischen Verfassung seinen Aus-druck grundsätzlich in Form des indirekten Demokratiesystems; als Ausnahme ist die Volksabstimmung als Element eines direkten Demokratiesystems vorgesehen. Das indirekte Demokratiesystem wird beispielsweise durch die Annahme des Parlamentsprinzips (Kapitel 3 Verfassung), das Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 25 Verfassung), das Wahlrecht (Art. 24 Verfassung), die Staatsprä-sidentenwahl (Art. 67 Verfassung) und die Abgeordnetenwahl (Art. 41 Abs. 1 Verfassung) verwirklicht. Als Verwirklichung des direkten Demokratiesystems ist eine Volksabstimmung über wichtige Fragen der Staatssicherheitspolitik (Art. 72 Verfassung) und über Verfassungsänderungsvorschläge (Art. 130 Abs. 2) zu nen-nen. In anderen modernen Demokratien wird das Parlamentsprinzip als eine Art der Volkssouveränitätsverwirklichung aufgefasst und so regelt auch die koreani-sche Verfassung in Art. 8 Abs. 1, dass „die Gründung politischer Parteien frei ist, 2 Das Verfassungsgericht hat hierzu wie folgt entschieden: „Die höchste Ideologie, die in der Präambel und in der Verfassung selbst enthalten ist, hat ihre Grundlage in den wesentlichen Grundprinzipien der konstitutionellen demokratischen Verfassung, die wiederum ihre Basis in der Volkssouveränität und Freiheitsdemokratie haben. Da jedes andere Verfassungsprinzip hiervon stammt, wird dies der Maßstab der Verfassungs- sowie der Gesetzes- und Rechtsverord-nungsinterpretation.“ Siehe 헌재결 1989.9.8. 89헌마194.

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2 Verfassungsrecht 15

und das Mehrparteiensystem gewährleistet ist“. Abs. 2 derselben Vorschrift be-sagt, dass „die politischen Parteien in ihren Zielen, in ihrer Organisation und in ihrer Betätigung demokratisch sein und eine Organisation besitzen müssen, die für die Teilnahme des Volkes an der politischen Willensbildung erforderlich ist“. Dies bedeutet, dass das Parlamentssystem ein System für die Verwirklichung der Volkssouveränität ist. Als solche Art der Verwirklichung ist auch das kommunale Selbstverwaltungssystem zu nennen, welches in Kapitel 8 der koreanischen Ver-fassung geregelt ist.

II. Prinzip der Grundrechtsbeachtung

In Korea ist anerkannt, dass die Garantie der grundlegenden Menschenrechte uner-lässlich für die Verfassung eines freiheitlichen demokratischen Rechtsstaates und die wichtigste Eigenschaft eines modernen Verfassungsprinzips ist. Insbesondere ist die Garantie der politischen Grundrechte für die Erhaltung und Verwirklichung der freiheitlichen Demokratie grundlegend.

Die koreanische Verfassung enthält keine ausdrückliche Grundrechtsgarantie. Aus der Präambel und der in Art. 10 Verfassung deklarierten Garantie der funda-mentalen Menschenrechte wird aber von der Lehre gefolgert, dass das Prinzip der Grundrechtsbeachtung auch in Korea Geltung hat.3 Art. 10 Verfassung wird so verstanden, dass die grundlegenden Menschenrechte ein übernationales natur-rechtliches Recht sind, und diese Rechte nicht durch die Staatsgewalt verletzt werden dürfen; der Staat hat die Pflicht dieses Recht zu bestätigen und zu ge-währleisten.4

Die koreanische Verfassung deklariert in ihrem Art. 11 die Gleichheit vor dem Gesetz und verbietet damit irrationale Ungleichbehandlungen. Die Freiheits-grundrechte, welche einen Kernbereich der modernen Verfassung darstellen, werden in den Art. 12 bis 23 konkret geregelt. Davon sind als Freiheitsrechte bezüglich intellektueller Aktivitäten zu nennen: die Freiheit des Gewissens (Art. 19 Verfassung), die Religionsfreiheit (Art. 20 Verfassung), die Rede- und Pressefreiheit sowie die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 21 Ver-fassung) und die Freiheit der Wissenschaft und der Kunst (Art. 22 Verfassung). Als Freiheitsrecht bezüglich des menschlichen Körpers ist die Freiheit des Kör-pers (Art. 12 Verfassung) zu erwähnen. Freiheitsrechte in Bezug auf das Privat-leben sind die Freiheit der Wahl des Wohnsitzes und die Freizügigkeit (Art. 14 Verfassung), die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 16 Verfassung), die Un-verletzlichkeit der Intimsphäre und des Privatlebens (Art. 17 Verfassung) und die Unverletzlichkeit der Geheimsphäre der Kommunikation (Art. 18 Verfassung). Als Freiheitsrechte bezüglich des Wirtschaftslebens regelt die Verfassung die Freiheit der Berufswahl (Art. 15 Verfassung) und die Gewährleistung des Eigen-tumsrechts (Art. 23 Verfassung). Zudem besagt Art. 34 Abs. 1 Verfassung, dass

3 성낙인, 헌법학, 제8판, 법문사, Seoul 2008, S. 117. 4 정종섭 헌법학원론 제3판 박영사 2008, S. 355 ff.

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„alle Staatsbürger das Recht auf ein menschenwürdiges Leben haben“, und de-klariert somit die Basis der sozialen Grundrechte. Um dies zu praktizieren, regelt die Verfassung im Einzelnen das Recht auf Ausbildung (Art. 31 Verfassung), das Recht auf Arbeit (Art. 32 Verfassung), das Recht auf soziale Gewährleistung und soziale Wohlfahrt (Art. 34 Verfassung), der Schutz der Ehe und der Ge-sundheit (Art. 36 Verfassung) und das Recht auf eine intakte Umwelt (Art. 35 Verfassung).

Außerdem werden als politische Grundrechte das Wahlrecht (Art. 24 Verfas-sung), das Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 25 Verfassung) und das Recht auf Volksentscheid (Art. 72, Art. 130 Abs. 2 Verfassung) gewährleistet. Um die Grundrechte der Staatsbürger garantieren zu können, regelt die Verfassung als Anspruchsgrundrechte das Petitionsrecht (Art. 26 Verfassung), die Rechtswegga-rantie (Art. 27 Verfassung), den Anspruch auf Entschädigung bei Unschuld (Art. 28 Verfassung) und den Anspruch auf Staatshaftung (Art. 29 Verfassung). In der Vorschrift des Art. 37 Abs. 2 wird zudem vorgeschrieben, dass „alle Freiheiten und Rechte der Staatsbürger durch Gesetze nur dann eingeschränkt werden kön-nen, wenn es für die Staatssicherheit, die Aufrechterhaltung der Ordnung oder das Gemeinwohl erforderlich ist. Selbst wenn eine solche Einschränkung vorgenom-men wird, darf der Wesensgehalt der Freiheit oder des Rechtes nicht angetastet werden.“

III. Gewaltenteilungsprinzip

Das Prinzip der Gewaltenteilung stammt aus dem freiheitlichen und konstitu-tionellen Verlangen, die Freiheit und die Rechte der Staatsbürger zu gewährleis-ten. Dieses Prinzip wird allgemein als Grundsatz eines freiheitlichen demokrati-schen Rechtsstaates gesehen und dient der Kontrolle der Staatsgewalt. Allerdings streben fast alle freiheitlich-demokratischen Staaten heutzutage auch den sozial-staatlichen Gemeinwohlstaat an. Dadurch hat das ursprüngliche Gewaltentei-lungsprinzip, welches aufgrund eines politisch funktionalen Verlangens die Kon-trolle der Staatsgewalt vorausgesetzt hat, um die freiheitsrechtlichen Grundrechte zu gewährleisten, viele Änderungen erfahren. Dies hat seinen Grund im Verlan-gen nach einer Harmonisierung der Gewalten und einer Überschneidung der Bereiche Rechtsetzung und Vollziehung. Folglich ist das ursprüngliche Gewal-tenteilungsprinzip mehr oder weniger zu einem Prinzip der Gewaltenharmonisie-rung geworden.

Die koreanische Verfassung regelt die Staatsorganisation aufgrund des Prinzips der Gewaltenteilung. Die Verfassung teilt die Staatsgewalten in Gesetzgebung (Art. 40 Verfassung), Vollziehung (Art. 66 Abs. 4 Verfassung) und Rechtspre-chung (Art. 101 Abs. 1 Verfassung); die Funktionen der Staatsgewalten werden jeweils vom Parlament, der Regierung und den Gerichten ausgeübt. Diese drei Gewalten werden getrennt, um das Prinzip der gegenseitigen Kontrolle und Balan-ce zu erhalten. Allerdings ist dem Staatspräsidenten ein höheres Maß an Kompe-tenzen verliehen worden, was vielleicht auch als Teil einer weltweiten Tendenz

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2 Verfassungsrecht 17

zur Ausweitung und Stärkung der Exekutive zu erkennen ist. Diese Konzentration der Gewalten hat in Korea ihren Grund auch darin, dass die Staatsgewalt den Auf-trag der friedlichen Wiedervereinigung hat und in einem (formal weiterhin beste-henden) Kriegszustand die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden müssen. Insbesondere bestimmt die bestehende Verfassung mit der Einrichtung eines Prä-sidialsystems die Überlegenheit der Exekutive gegenüber den gesetzgebenden und den rechtsprechenden Gewalten.

IV. Wirtschaftsverfassung

Die Wirtschaftsordnung Koreas basiert auf der wirtschaftlichen Freiheit und Kreativität des Einzelnen und der Unternehmen. Zugleich kann aber der Staat regulierend und koordinierend in die Wirtschaft eingreifen, um Wachstum und volkswirtschaftliche Stabilität aufrecht zu erhalten, um eine ausgewogene Vertei-lung des Einkommens zu gewährleisten, um Marktmonopole und Missbrauch wirtschaftlicher Macht zu verhindern, und um die Wirtschaft durch Vermittlung zwischen den wirtschaftlichen Kräften zu demokratisieren (Art. 119 Abs. 2 Ver-fassung). Somit hat sich die koreanische Wirtschaftsordnung von einer kapi-talistisch-liberalen zu einer sozialen Marktwirtschaftsordnung, d. h. zu einer mo-difizierten kapitalistischen Wirtschaftsordnung, entwickelt. In der koreanischen Verfassung sind, wie bei anderen Staaten, das Privateigentumssystem und die kapitalistische den Wettbewerb beachtende Wirtschaftsordnung vorgegeben. Zu-dem hat diese die Eigenschaft einer sozialen Marktwirtschaftsordnung, weil es Bedarf an einer staatlichen Kontrolle bzw. einer Koordinierung der Beseitigung der vielfältigen, die liberale Marktwirtschaft begleitenden, Widersprüche gibt. Schließlich ist das Verlangen nach einer Verwirklichung der Wirtschaftsdemokra-tisierung gegeben.

Die Verfassung garantiert zunächst das Eigentumsrecht und die Freiheit der Berufswahl. In Art. 119 Abs. 1 Verfassung ist die kapitalistische liberale Markt-wirtschaftsordnung als ein Grundsatz vorgeschrieben: „Die Wirtschaftsordnung der Republik Korea beruht auf dem Grundsatz der Achtung der wirtschaftlichen Freiheit des Individuums, der Unternehmen und deren schöpferischer Kraft.“ In Art. 23 Abs. 1 Verfassung steht: „Jedem Staatsbürger werden Eigentumsrechte garantiert. Deren Inhalt und Schranken werden durch Gesetz bestimmt.“ In Abs. 2 derselben Vorschrift ist vorgeschrieben: „Die Ausübung der Eigentumsrechte muss mit dem Gemeinwohl vereinbar sein.“ Andererseits schreibt die Verfassung in Art. 119 Abs. 2 vor, dass „der Staat regulierend und koordinierend in die Wirt-schaft eingreifen kann, um ein ausgewogenes Wachstum und die volkswirtschaft-liche Stabilität aufrecht zu erhalten, eine ausgewogene Verteilung des Einkom-mens zu gewährleisten, die Marktmonopole und den Missbrauch wirtschaftlicher Macht zu verhindern, und um die Wirtschaft mittels Harmonie zwischen den wirtschaftlichen Kräften zu demokratisieren.“ Damit ist eine Ausnahmeregelung der staatlichen Kontrolle und Koordinierung gesetzt. Um das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft praktizieren zu können, errichtet die Verfassung in den Art. 120