einführung in die grundlagen der metallurgie und ... · auf die theorie folgt auch die anleitung...
TRANSCRIPT
Einführung in die Grundlagen der
Metallurgie und Gießereitechnik
mit Fokus auf das Messverfahren der
‚Thermischen Analyse‘
von
Sonja Osbild
Philippe Sander
Michael Frentzen
Jonathan Conrad
Math.-Nat.-Gymnasium Mönchengladbach
(Sebastian Haardt)
(Wolfgang Baumgart)
OCC-GmbH
2
© COPYRIGHT 2013 OCC GmbH
Inhaltsverzeichnis
PRÄAMBEL .......................................................................................................................................................... 3
VORWORT ............................................................................................................................................................ 3
DAS GUSSEISEN ................................................................................................................................................ 4
ANFORDERUNGEN AN DAS MATERIAL: .................................................................................................... 5
WÄRMELEITFÄHIGKEIT UND ZUGFESTIGKEIT ........................................................................................ 5
VERTIEFUNG: ZUGFESTIGKEIT ............................................................................................................................. 8
DIE HERSTELLUNG EINES GUSSSTÜCKES ............................................................................................. 10
AUSGLEICH DES VOLUMENDEFIZITS .................................................................................................................. 11
NUTZUNG VON EISEN-KOHLENSTOFF- LEGIERUNGEN ...................................................................... 13
VERTIEFUNG: ZUSAMMENHANG DES MIKROSKOPISCHEN GEFÜGES UND DER MAKROSKOPISCHEN
PHYSIKALISCHEN EIGENSCHAFTEN AM BEISPIEL GUSSEISEN ............................................................................. 15
ERSTARRUNG: KEIMBILDUNG .................................................................................................................... 17
ABLAUF DER ERSTARRUNG: DAS GEFRIEREN VON WASSER .............................................................................. 17 Kristallisationskeime................................................................................................................................... 17
VERTIEFUNG: ERSTARRUNG VON SCHMELZEN .................................................................................................. 20 Fremdkeime ................................................................................................................................................ 20 Haltepunkte bei der Erstarrung ................................................................................................................ 21
VERTIEFUNG: DICHTEANOMALIE DES WASSERS ................................................................................................ 21
PHASENDIAGRAMME ..................................................................................................................................... 24
EINSTOFFSYSTEM AM BEISPIEL WASSER ........................................................................................................... 24 ZWEISTOFFSYSTEME .......................................................................................................................................... 25 ENTWICKLUNG EINES PHASENDIAGRAMMS AM BEISPIEL DER LEGIERUNG AG-AU............................................ 26 DAS ZWEISTOFFSYSTEM AL-SI .......................................................................................................................... 28 VERTIEFUNG: MEHRSTOFFSYSTEME .................................................................................................................. 29
PRAKTISCHE VERSUCHE ............................................................................................................................. 30
ENTWICKELN EINER FORMEL FÜR DEN SI-GEHALT EINER AL-SI-SCHMELZE ANHAND DER
LIQUIDUSTEMPERATUR ...................................................................................................................................... 30 AUFBAU DES MESSSYSTEMS .............................................................................................................................. 31 ANSCHLUSS DER GERÄTE: ................................................................................................................................. 32 DURCHFÜHRUNG DER THERMISCHEN ANALYSE ................................................................................................. 34
LITERATUR- UND BILDQUELLENVERZEICHNIS ..................................................................................... 35
3
Präambel
Dieser Text ist von Schülern für Schüler.
Er wurde von Schülern verfasst, die wir während des Schülerpraktikums des
Math.-Nat.-Gymnasiums Mönchengladbach bei unserem Projekttag im
Gießereimuseum in Ennepetal kennengelernt haben und die daraufhin ein Praktikum
in unserer Firma bestritten. Die Metallurgen unserer Firma haben sich nur um die
sachlich richtige Darstellung der Zusammenhänge bemüht, den Text aber in seiner
schwungvollen Urfassung belassen.
Vorwort
Die Metallurgie befasst sich mit jeder Form von Metallen, deren Struktur, Gewinnung
und Verarbeitung.
Wichtiger Bestandteil jeder neuen Konstruktion sind die verwendeten Werkstoffe, die
im Wesentlichen für die Eigenschaften und Funktionen des Bauteils verantwortlich
sind. Deswegen ist es heutzutage umso wichtiger, Materialien „maßzuschneidern“,
damit sie genau die an sie gestellten Anforderungen erfüllen.
Ein in der Industrie häufig anzutreffender Werkstoff ist das Gusseisen. In der
folgenden Abhandlung werden sowohl seine Herstellung selbst als auch seine
Charakteristika sowie theoretische Grundlagen erläutert. Auf die Theorie folgt auch
die Anleitung zur Praxis der thermischen Analyse, einem Messverfahren, bei dem
das Abkühlverhalten des Metalls während der Erstarrung beobachtet wird, um
Rückschlüsse auf Gefügebestandteile zu erlangen.
Gusseisen ist eine Legierung aus Eisen, Kohlenstoff, Silizium und weiteren
Elementen. Im Gusseisen liegt beispielsweise je nach Abkühlgeschwindigkeit der
Kohlenstoff in verschiedenen gebundenen Formen vor, die die Eigenschaften des
Endproduktes stark beeinflussen. Mithilfe der thermischen Analyse lässt sich
vorhersagen, welche Struktur sich ausbildet. Dieses Wissen ist in Gießereien wichtig,
um die Produktion von Gusseisen zu optimieren. Folglich besitzt die thermische
Analyse eine gewisse Bedeutung in der Gießereiindustrie, derer diese Einführung
gerecht werden soll.
4
Das Gusseisen
Das Gießen von Metallen bedeutet, dass ein schmelzflüssiges Metall in eine zuvor
hergestellte Form gegossen wird und in dieser erstarrt. Mit dieser Methode ist es
möglich unterschiedlichste Formen in einem Stück zu fertigen, was deren Stabilität
signifikant erhöht.
Doch Werkstoffe werden nicht nur anhand ihres Herstellungsverfahrens klassifiziert,
sondern vielmehr anhand ihrer stofflichen Zusammensetzung.
Gusseisen zeichnet beispielsweise ein hoher Kohlenstoffgehalt aus, der dem Eisen
besondere mechanische und thermische Eigenschaften verleiht, auf die später noch
eingegangen wird.
Stähle hingegen bestehen zwar auch hauptsächlich aus Eisen, sind aber mit
Mangan, Silizium und 0,02 bis 2,0% Kohlenstoff1 legiert. Sie werden vor allem durch
Walzen, Ziehen oder Gießen in Form gebracht und finden in vielen Konstruktionen
als Träger oder Bleche Verwendung.
1 Dr. Schumann, Hermann (Hg.): „Metallographie. Unveränderter Nachdruck der 13. Auflage.“, S.429;
13., neu bearbeitete Auflage, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Stuttgart, 1990.
5
Anforderungen an das Material:
Wärmeleitfähigkeit und Zugfestigkeit
Am wichtigsten bei der Auswahl der mechanischen und physikalischen Kenndaten
eines Metalls ist dessen späterer Anwendungsbereich. Die Konstruktion gibt die
geometrischen, mechanischen und thermischen Eigenschaften eines Bauteils vor.
Für das Erreichen der gewünschten Eigenschaften spielen die stoffliche
Zusammensetzung ebenso wie die äußeren Bedingungen bei der Abkühlung des
Metalls eine Rolle.
Insbesondere sind die Zugfestigkeit sowie die Wärmeleitfähigkeit von großer
Bedeutung. Beides sind Eigenschaften, die für jedes Material in ihrer Kombination
charakteristisch sind.
Die Wärmeleitfähigkeit ist die Eigenschaft eines Stoffes, an ihn herangetragene
Wärme durch sich selbst hindurchzuleiten und an anderer Stelle wieder abzugeben.
Zum Beispiel dienen gut wärmeleitende Materialien als Überhitzungsschutz,
wohingegen geringfügig wärmeleitende Stoffe als Wärmeisolator Verwendung finden.
In der folgenden Tabelle sind mehrere bekannte, ausgewählte Materialien aufgelistet
und ihrer Wärmeleitfähigkeit zugeordnet. Die Wärmeleitfähigkeit wird in [W/(m*K)],
also Watt pro Meter pro Kelvin, angegeben. Ein höherer Wert bedeutet eine bessere
Wärmeleitfähigkeit.
6
Werkstoff Wärmeleitfähigkeit [W/(mK)]
Kohlenstoff (Diamant) 2300
Silber 429
Kupfer (rein) 401
Aluminium (99,5%) 236
Kohlenstoff (Graphit) 119 - 165
Eisen (rein) 80,2
Glas 0,76
Wasser (0°C) 0,5562
Holz 0,09 - 0,19
Tabelle 1: Wärmeleitfähigkeit verschiedener Stoffe2
Die Zugfestigkeit eines Stoffes gibt Auskunft darüber, wie viel mechanische
Belastung das Material aushält ohne zu zerreißen.
Mit der Zugfestigkeit geht auch eine weitere Eigenschaft einher: Die
Dehnungsfähigkeit. Metalle haben gegenüber den meisten anderen Werkstoffen
einen wichtigen Vorteil, denn sie besitzen ein gewisses Maß an Elastizität.
Die Dehngrenze gibt (in etwa) an, bei welcher Zugspannung sich ein Stoff so
verformt, dass er bei Entlastung nicht mehr in die Ursprungsform zurückfindet.
Bei vielen Eisenwerkstoffen sind Zugfestigkeit und Dehnung umgekehrt proportional
zueinander. Beeinflusst man ein Material, z.B. durch Legieren, so dass die
Zugfestigkeit steigt, geht dies häufig mit einer abgesenkten Dehnung einher. Die
Kunst des Werkstoffingenieurs besteht darin, Methoden zu entwickeln, diese beiden
Eigenschaften unabhängig voneinander einstellen zu können.
Beide Werte werden vom Konstrukteur so festgelegt, dass das Bauteil seinen Zweck
hinreichend erfüllen kann. Viele Weiterentwicklungen wie, Dieselmotoren mit hohen
Zünddrücken, Fahrwerksteile bei PKW und LKW werden durch diese besonderen
Werkstoffeigenschaften erst ermöglicht.
2 http://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4rmeleitf%C3%A4higkeit; Stand: 08.07.2013
7
Zum Beispiel dienen neu entwickelte Werkstoffe mit besonders hohen Dehngrenzen
in Fahrwerkskonstruktionen dazu, bei einem Unfall besonders viel Energie des
Aufpralls aufzunehmen, bevor sie brechen.
Um diese Materialanforderungen zu gewährleisten, werden bei der Herstellung der
Bauteile anstelle reiner Metalle hauptsächlich Legierungen (Gemische aus Metallen
bzw. Metallen und Nichtmetallen) verwendet.
Die unterschiedlichen mechanischen und thermischen Eigenschaften der
Legierungen hängen von deren Zusammensetzung ab, die auch die
Ausbildungsformen der unterschiedlichen Phasen des Werkstoffes beeinflussen.
Eine Phase ist dabei ein homogener Bestandteil eines heterogenen Systems.
Nicht nur die bloße Wahl der Legierungselemente spielt dabei eine Rolle, sondern
auch ihr Mischverhältnis und die Abkühlungsbedingungen bei der Erstarrung.
8
Vertiefung: Zugfestigkeit
Zur Bestimmung der Zugfestigkeit eines Werkstoffes bedarf es eines speziellen
Messverfahrens: Des Zugversuchs.
Im Zugversuch werden Materialproben mit definierter Querschnittsfläche bis zum
Bruch belastet und die benötigte Kraft und die resultierende Dehnung bis zur
Zerstörung der Probe beobachtet. Die Auslenkung erfolgt mit geringer und konstanter
Geschwindigkeit.
Grafik 1 & 2: Zugversuch
In diesem Spannungs-Dehnungs- Diagramm sieht man zwei Graphen; Graph 1
beschreibt die „nominelle“ Spannung, die als Kraft pro Querschnittsfläche definiert
ist. Bei der Berechnung der nominellen Spannung benutzt man die
Ausgangsquerschnittfläche als konstanten Wert, obwohl sich tatsächlich die
Querschnittsfläche bei Dehnung der Probe durch die in der Grafik 2 schematisch
9
dargestellte Einschnürung verringert. Vorteil dieses nominellen Spannungs-
Dehnungs-Graphen ist die leichte Ablesbarkeit der maximalen Zugfestigkeit Rm.
Graph 2 beschreibt die „wahre“ Spannung, hier wird im Gegensatz zur nominellen
Spannung bei der Berechnung die aktuelle, sich stets verkleinernde
Querschnittsfläche aufgrund der Dehnung benutzt. Da die Einschnürung in der
Betriebspraxis nicht gemessen wird, bestehen die Technischen Spannungs-
Dehnungs-Diagramme nur aus dem Graphen 1.
Zu Beginn des Versuchs steht die Ausdehnung des Materials in linearem Verhältnis
zur angewandten Zugkraft, es gilt das Hookesche Gesetz. Es schließt sich ein
kurzer, nicht linearer Bereich an. Dehnt man über das Ende dieses Bereiches hinaus,
wird die Verformung plastisch, d.h. wirkt die Kraft nicht mehr ein, bleibt eine
dauerhafte Verformung zurück. Die empirische Definition der Dehngrenze erfolgt,
wenn beim Entspannen eine permanente Dehnung von 0,2% zurückbliebe.
Diesen Punkt bezeichnet man als Rp02. Dieser relativ willkürlich gewählte Punkt
beschreibt also für jedes Material den Übergang von elastischer zu plastischer
Verformung.
Die maximale Zugfestigkeit bestimmt der Scheitelpunkt Rm des nominellen bzw.
technischen Spannung-Dehnungs-Graphen, da dort der Einschnürungsbeginn liegt.
Der Endpunkt des Graphen zeigt, bei welcher Ausdehnung die Probe reißt bzw.
zerbricht.
Werkstoff Zugfestigkeit [N/mm²]
Nickel 370
Chrom 370
Titan 235
Kupfer 200
Magnesium 116
Aluminium 45
Tabelle 2: Zugfestigkeit reiner Stoffe3
3 http://de.wikipedia.org/wiki/Zugfestigkeit; Stand: 08.07.2013
10
Die Herstellung eines Gussstückes
Da das Metall während des Gießens flüssig sein muss, ergibt sich die Problematik
ein geeignetes Material für die Form zu verwenden. Das Material der Form muss
beim Gießen Temperaturen von über 1450°C so lange widerstehen können, bis das
Bauteil soweit erstarrt ist, dass es in sich stabil genug ist, dass der Formstoff
theoretisch nicht mehr benötigt wird.
Bei der Produktion von Gusseisen werden hauptsächlich Formen aus gebundenen
Sande verwendet. Diese werden hergestellt, indem mit Bindemittel versetzter Sand
maschinell in die geschlossenen zwei Hälften der endgültigen Form gepresst wird.
Die bei diesem Verfahren genutzten Vorformen sind fast immer geteilte Formen und
nennen sich Ober- und Unterkasten, da diese mit wenig Aufwand hergestellt werden
können und die Möglichkeit bieten sogenannte Kerne einzusetzen. Kerne bilden
später die inneren Hohlräume des Gussstücks und werden ebenfalls aus
gebundenen Sanden hergestellt.
Bild 1: Ober- und Unterkasten einer Form4
Beim Herstellen der beiden Formteile wird jeweils eine Matrix genutzt, auf der ein
oder mehrere positive Modelle des Gussstücks angebracht sind und somit in dem
Formsand einen Negativabdruck der Gussstücke hinterlassen. Neben dem
4 nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Gie%C3%9Fen_%28Verfahren%29; Urheber: Gießerei Heunisch;
Stand: 08.07.2013
11
Positivmodell des Gussstücks sind auf dieser Matrix auch noch der Einguss, bei
Bedarf die Speiser sowie das Laufsystem als Positiv aufgebracht. Das Laufsystem
bildet im Formsand ein Kanalsystem vom Einguss zu den eigentlichen Gussstücken
und dient der Verteilung des Gusseisens.
Manuell oder durch Roboter gestochene Luftpfeifen ermöglichen das Entweichen der
Gießgase.
Ausgleich des Volumendefizits
Nahezu jedes Material nimmt in flüssiger Form mehr Raum ein als in fester. Füllt man
also einen Formhohlkörper mit einem flüssigen Material, der Schmelze, und lässt es
dann erstarren, so nimmt der erstarrte Körper weniger Raum ein. Dieses
Volumendefizit kann sich dadurch zeigen, dass das gegossene Bauteil geringere
äußere Dimensionen hat als das abgeformte Modell (Schwindung). Um diese
Schwindung auszugleichen, werden die Modelle mit einem Aufmaß größer
hergestellt (Schwindmaß). Bei Gusseisen beträgt dieses Schwindmaß 1,0%. In einer
Vielzahl von Fällen kommt es jedoch dazu, dass das Bauteil im Inneren
Materialdefizite enthält, so genannte Porositäten oder Lunker (mehr oder weniger
kleine Hohlräume).
Beim eigentlichen Gießen wird flüssiges Metall durch den Einguss in den Formkasten
eingefüllt und verteilt sich durch das Laufsystem in der Form.
Zur Verhinderung von großen Lunkern wird der Speiser eingesetzt. Er ist dafür
zuständig die Dichteänderung des Gusseisens beim Erstarren auszugleichen. Der
Speiser hält auch noch während des Erstarrungsvorgangs des Gusseisens flüssiges
Metall bereit und leitet das gespeicherte flüssige Metall zurück in die Form, sobald
das Volumen des Gussstücks abnimmt.
12
Grafik 3: Schematische Darstellung des Gießprozesses
13
Nutzung von Eisen-Kohlenstoff- Legierungen
Neben dem Speiser soll auch der relativ hohe Kohlenstoffanteil im Eisen das
Volumendefizit ausgleichen. Dies geschieht folgendermaßen:
Wird Gusseisen verarbeitet, so werden häufig eine Vielzahl von Elementen mit einem
Spektrometer oder im Fall des Kohlenstoffs mit einer thermischen Analyse bzw. einer
Verbrennungsanalyse überwacht.
In schmelzflüssiger Phase löst sich Kohlenstoff vollständig im Eisen. Erstarrt die
Schmelze in der Form, so scheidet sich neben der festen Eisenphase eine räumlich
getrennte Kohlenstoffphase in Form von Graphit aus:
Bild 2: Beispiel eines Gusseisenwerkstoffes mit einer Graphitphase (dunkel), die in einer Eisenmatrix
(hell) eingebettet ist.
Wenn man den Flächenanteil, den die Graphitphase auf dem Bild 2 einnimmt, mit
Hilfe einer Bildanalyse bestimmt, so erhält man einen Wert von 12,4 Flächenprozent.
Die Spektrometer-Analyse oder die thermische Analyse einer typischen Eisen-
Kohlenstoff-Legierung zeigen jedoch Kohlenstoffgehaltswerte im Bereich von 2 bis
4% bei fast allen gängigen Gusseisenlegierungen an5. Dieser doch sehr erhebliche
5 Dr. Schumann, Hermann (Hg.): „Metallographie. Unveränderter Nachdruck der 13. Auflage.“, S. 421;
13., neu bearbeitete Auflage, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Stuttgart, 1990.
14
Unterschied liegt in den Messgrößen begründet. Auf dem Bild haben wird den
Flächenanteil der Graphitphase bestimmt, der dem Volumenanteil entspricht. Der
Graphit nimmt also im erstarrten Bauteil ca. 12,4 % des Volumens ein. Die
analytischen Verfahren geben jedoch immer den Massenanteil wieder, das heißt in
dieser typischen Grauguss-Gusseisen-Legierung ist ein Massenanteil des
Kohlenstoffs von ca. 3,2 % zu erwarten.
Dieses Phänomen erklärt auch, warum Kohlenstoff das Element ist, das die
Schwindungseigenschaften im Gusseisen so positiv beeinflusst. Aus einem relativ
geringen Massenanteil von Kohlenstoff wird in der festen Phase ein bis zu viermal
größerer Volumenanteil. Die Ausscheidung der Graphitphase kann also die
Schwindung des Eisens zumindest in Teilen ausgleichen.
Dies spiegelt sich auch in der Dichte der beiden Materialien wieder. Während Eisen
im festen Zustand eine Dichte von ungefähr 7800 kg/m³ hat, hat Kohlenstoff lediglich
eine Dichte von 4600 kg/m³. Kohlenstoff ist also das Element, das Gusseisen seine
positiven Eigenschaften bezüglich schwindungsarmen Gießens verleiht.
15
Vertiefung: Zusammenhang des mikroskopischen Gefüges und der
makroskopischen physikalischen Eigenschaften am Beispiel Gusseisen
Neben der im Bild 2 gezeigten lamellaren Ausscheidungsform des Graphits gibt es
noch die Ausscheidung in Form von Vermikeln (Gusseisen mit Vermikulargraphit)
oder in Form von Sphäroliten (Gusseisen mit Kugelgraphit). Sie verleihen dem
Gusseisen unterschiedliche Eigenschaften bezüglich der Zugfestigkeit und der
Wärmeleitfähigkeit, um es für unterschiedliche Maschinenbauteile einzusetzen.
Bild 3: Zylinderkopf6.
Bei Bremsscheiben z.B. lag der Fokus der Entwicklung in den letzten Jahren auf
einer Vergrößerung der Wärmeleitfähigkeit. Es hat sich gezeigt, dass die
Lebensdauer viel wesentlicher von hohen Wärmeleitfähigkeiten als von hohen
Zugfestigkeiten abhängt. Der Einsatz von Materialien mit hoher Wärmeleitfähigkeit
verhindert die Rissbildung auf den Bremsscheiben.
Eine weitere aktuelle Materialentwicklung stellt das Gusseisen mit Vermikulargraphit
dar. Motoren aus diesem Material besitzen bessere Emissionseigenschaften, da in
ihnen höhere Ladedrücke erzeugt werden können. Hier muss also eine hohe
Zugfestigkeit des Zylinderkurbelgehäuses und des Zylinderkopfes gewährleistet
werden bei gleichzeitig hoher Wärmeleitfähigkeit, da die nicht nutzbare Wärme aus
dem Verbrennungsraum möglichst effektiv in das Kühlsystem hinübergeleitet werden
soll.
6 http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:DOHC-Zylinderkopf-
Schnitt.jpg&filetimestamp=20050824210432; nach: Stahlkocher; Stand: 08.07.2013
16
Dabei ist die Zugfestigkeit die Kraft, die pro Fläche aufgewendet werden muss, um
ein Material reißen zu lassen (siehe Vertiefung). Die Kraft wird hauptsächlich durch
die metallische Matrix vermittelt, so dass die Graphitlamellen insbesondere mit ihren
spitzen Enden wie kleine Kerben wirken, entlang denen das Material zum einen
einreißen kann und dann auch weiter aufreißt.
Ganz im Gegensatz dazu findet man im Gusseisen mit Kugelgraphit (Sphäroguss)
wesentlich höhere Zugfestigkeiten. Sphäroliten bieten keinen so starken
Angriffspunkt für Risse.
Darüber hinaus bilden diese Sphären keine zusammenhängenden räumlichen
Strukturen, an denen der Riss fortschreiten könnte. Gusseisen mit Vermikulargraphit
stellt einen Mittelweg dar. Die Vermikel haben keine spitz auslaufenden Enden, so
dass es weniger Angriffspunkte für Risse gibt als im Gusseisen mit Lamellengraphit.
Sie haben jedoch ausgeprägtere räumliche Strukturen, so dass sie den Rissfortschritt
stärker als im Sphäroguss zulassen.
Bild 4: Einfluss der Graphitform auf die Zugfestigkeit und die Wärmeleitfähigkeit
Im Gusseisen wird Wärme insbesondere durch die Graphitphase geleitet. Gusseisen
mit Lamellengraphit, das eine ausgedehnte zusammenhängende räumliche Struktur
aufweist, ist hier gegenüber Gusseisen mit Kugelgraphit im Vorteil. Auch hier nimmt
das Gusseisen mit Vermikulargraphit wieder eine Mittelposition ein. Es leitet die
Wärme schlechter als Grauguss, jedoch besser als Sphäroguss.
17
Erstarrung: Keimbildung
Jedes Element und viele einfache Moleküle sind in der Lage drei Aggregatzustände
einzunehmen: Fest, flüssig und gasförmig.
Auch Metalle sind hier keine Ausnahme. Reines Eisen z.B. hat einen Schmelzpunkt
von 1538 °C7. Unterhalb dieser Temperatur wird es fest. Das kontrollierte Erstarren
von metallischen Schmelzen ist die Grundlage jedes Herstellungsverfahrens von
Gussstücken noch so komplizierter Form. Im Regelfall erstarren alle Metalle kristallin
und bilden somit ein Kristallgitter.
Ablauf der Erstarrung: Das Gefrieren von Wasser
Der Stoff, der im Alltag wohl am häufigsten in allen drei Aggregatzuständen
anzutreffen ist, ist das Wasser. In flüssiger Form ist es ständig vorhanden und als
fester Eiskristall im Winter zu sehen. Wasser hat seinen Schmelzpunkt bei 0°C. Wird
es auf diese Temperatur abgekühlt, so wird es fest wie jeder Stoff, der seine
charakteristische Schmelztemperatur unterschreitet.
Kristallisationskeime
Die Temperatur (genauer: die freie Enthalpie) ist zwar der Hauptantrieb für die
Erstarrung einer Flüssigkeit, jedoch gibt es noch einen anderen Faktor, der beim
Ausbilden eines kristallinen Gefüges eine Rolle spielt: Die Keimbildung.
Dies hat nichts mit Keimen im biologischen Sinne zu tun. Die Rede ist von
sogenannten Kristallisationskeimen. Als Kristallisationskeim versteht man feste
Partikel, die in der flüssigen Phase vorliegen. Nur solche Strukturen werden als
Keime bezeichnet, die eine Kristallisation ermöglichen. Dort können sich Atome oder
Moleküle in geordneter Form anlagern und geben somit weiteren Atomen oder
Molekülen die Möglichkeit eine geordnete Position einzunehmen. Ohne solche
Keime würde eine Kristallisation deutlich verzögert ablaufen.
7 http://de.wikipedia.org/wiki/Eisen; Stand: 08.07.2013
18
So ist es z.B. möglich Wasser auf bis zu -40°C abzukühlen, ohne dass es erstarrt8.
Voraussetzung ist, dass das Wasser hochrein, in einer Flasche oder Ähnlichem
verschlossen und vor äußeren Kräfteeinwirkungen wie Erschütterung geschützt ist.
Der Gefrierpunkt kann aber auch durch Zugabe von Salz manipuliert werden. Wird
Kochsalz (NaCl) in Wasser gegeben, so teilt sich das Molekül NaCl in ein positiv
geladenes Na+ und ein negativ geladenes Cl--Ion. Da Wasser ein Dipol ist, also
räumlich gesehen auf der Seite des O-Atoms negativ und auf der Seite der
gebundenen H-Atome positiv geladen ist, wird es sowohl von den Na+ als auch von
den Cl--Ionen angezogen und lagert sich mit der gegensätzlich gepolten Seite
kugelförmig um das Ion.
Grafiken 5: Hydratation von NaCl1 und Grafik 6: gelöstes Natriumion
, 3
Dieses Ummanteln des Wassers um ein Ion nennt man Hydratation. Die
Wassermoleküle sind nun an das Ion gebunden, woraus Änderungen im Siede- und
Schmelzverhalten resultieren.
Salzwasser kann man weit unter 0 °C, dem Gefrierpunkt von reinem Wasser,
abkühlen, ohne dass es gefriert.
1http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Na%2BH2O.svg?uselang=de Stand: 08.07.2013
3http://daten.didaktikchemie.uni-bayreuth.de/umat/wasser/wasser.htm; Stand: 08.07.2013
8https://www.uni-hohenheim.de/lehre370/weinbau/praktikm/eisnuk.htm; Stand: 08.07.2013
19
Der Grund ist darin zu suchen, dass Eis, welches aus Salzwasser auskristallisiert
reines Wasser ist, da dieses mit Salzen keine Mischkristalle bildet.9 Die von den
Ionen des gelösten Salzes festgehaltenen Wassermoleküle werden gehindert, ein
Eiskristallgitter aufzubauen. Dies gelingt erst bei tieferen Temperaturen, da die dann
freiwerdende größere Kristallisationsenergie ausreicht, um die Wassermoleküle aus
ihrer Bindung an andere Teilchen zu lösen. (Die wissenschaftliche Argumentation bei
der Erstarrung ist stets: Die freie Enthalpie der festen Phase ist kleiner als die der
flüssigen Phase.)
Grafik 7: Abkühlkurve von Wasser + Salz
9 http://www.chemieunterricht.de/dc2/wasser/w-salzwa.htm; Stand: 08.07.2013
20
Vertiefung: Erstarrung von Schmelzen
Die Erstarrung von Schmelzen erfolgt nicht gleichmäßig über die ganze Schmelze
hinweg, sondern beginnt an einzelnen, lokalisierten Stellen. Bestehen diese Stellen
aus Atomen der Phase, die als nächstes erstarrt, spricht man von Eigenkeimen oder
homogener Keimbildung. Werden die Keime durch in der Schmelze vorliegende feste
Fremdpartikel gebildet, spricht man von heterogener Keimbildung.
Eigenkeimbildung Ein Keim ist ein kleines, festes Gebilde, das sich von der eigentlichen Schmelze
unterscheidet. Er muss bei seiner Entstehung gegenüber der Schmelze eine
Grenzfläche aufbauen. In einer Schmelze sind die Metallatome und die Atome oder
Moleküle der beigemischten Zusatzstoffe stets in Bewegung und nicht stark
gebunden. Es kommt vor, dass an manchen Stellen in der Schmelze die
Bindungskraft mehrerer Atome ausreicht, um vereinzelt Nahordnungen auszubilden.
Diese sog. Keimembryonen oder Vorkeime sind relativ kleine Ansammlungen von
sich gegenseitig bindenden Atomen. Sie sind jedoch nicht sehr stabil und zerfallen
bei entsprechend schnell wieder. Zwischen dem Zerfall der Nahordnungen und deren
Neubildung stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein.
Die Kristallisation geht von der Nah- in die Fernordnung über und erfolgt in den zwei
Teilschritten “Keimbildung” und “Kristallwachstum”.
Fremdkeime
Neben den oben beschriebenen Eigenkeimen existieren auch Fremdkeine. Hierbei
handelt es sich um Gebilde aus schmelzefremden Material, die schon in der flüssigen
Schmelze fest vorliegen und auf die mithilfe ihrer Grenzfläche eine feste Phase
aufwachsen kann.
Der Kristall beginnt zu wachsen und es lagern sich weitere Atome der Schmelze am
Keim an, bis die Schmelze vollständig aufgebraucht ist und ein kristalliner Werkstoff
entstanden ist.10
10
http://www.ww.tu-freiberg.de/mk/Dokumente/Praktikumsanleitungen/P3_Erstarrung.pdf; Stand: 08.07.2013
21
Haltepunkte bei der Erstarrung
Wird ein Stoff im flüssigen Zustand abgekühlt, so ändert sich ab einem bestimmten
Punkt sein Aggregatzustand und er wird fest. Während diesen Phasenübergangs
findet eine komplett neue Anordnung der Atome bzw. der Moleküle des Stoffes statt.
Im festen Zustand haben die Atome oder Moleküle eine feste Ordnung im Gefüge
und sind gut miteinander verbunden. Diese entstehenden Verbindungen sind der
Grund für die Haltepunkte während der Erstarrung, denn wie bei allen anderen
Formen von chemischen Bindungen wird Energie freigesetzt. Einerseits wird also
durch die kalte Umgebung Energie abgeführt, andererseits aber wird durch die
Bindungen, die beim Erstarren entstehen, Energie abgegeben. Die Bindungsenergie
wird in Form von Wärme abgegeben und gleicht somit den äußeren Temperaturabfall
aus, es kommt zu einem Haltepunkt der Temperatur.
Im Gleichgewichtsfall geschieht die Phasenumwandlung bei einer stoffspezifischen
Temperatur. Wasser wandelt sich unter Normalbedingungen bei 0° Celsius unter
Energieabgabe zu Eis um. Während dieser Umwandlung liegen sowohl das Wasser
als auch die sich darin befindlichen Eiskristalle bei 0° Celsius vor. (Wissenschaftlich:
Der Grund für die Umwandlung des flüssigen Wassers ins Eis ist die Größe der
freien Enthalpie. Eis hat bei 0° Celsius eine geringere freie Enthalpie als Wasser.)
Vertiefung: Dichteanomalie des Wassers
Auch Wasser bildet eine geordnete Struktur, sobald es abkühlt. Die Anordnung der
Wassermoleküle und die entstehenden Bindungen sind ein Sonderfall und führen zu
der sogenannten Dichteanomalie des Wassers. Normalerweise ist es so, dass die
Dichte einer Substanz mit sinkender Temperatur zunimmt. Die Atome oder Moleküle
sind dicht miteinander verbunden und bewegen sich nicht mehr vereinzelt oder in
Gruppen im Medium umher. Bei Wasser ist dies bis etwa 4 °C auch der Fall. Aber
sobald die Temperatur weiter abfällt, so sinkt auch die Dichte wieder ab. Der Grund
dafür ist die Art und Weise, wie die Wassermoleküle beim Erstarren miteinander
verbunden werden. Sinkt die Temperatur unter 4 °C, zeigt die Dichte des Wassers
22
ein anormales Verhalten, die sogenannte Dichteanomalie. Die Ursache hierfür sind
die Wasserstoffbrückenbindungen, die Wassermoleküle untereinander eingehen.
Neben der oben beschriebenen freiwerdenden Energie beim Erstarren wird bei
dieser Art der Bindung auch etwas mehr Raum benötigt, als es im flüssigen Zustand
der Fall war. Dieser Raum wird benötigt, um jedem Wassermolekül den gleichen
Abstand zu seinen Bindungspartnern in allen drei Dimensionen zu geben.11
Grafik 8: Eiskristallgitter12
Das Wassermolekül besteht aus einem Sauerstoffatom, an das im Winkel von 104°
zwei Wasserstoffatome gebunden sind. Gefriert Wasser, so bildet sich aufgrund der
Anziehung der Dipole, in diesem Fall zwischen Wasserstoff- und Sauerstoffatomen
zweier benachbarter Moleküle, und des Öffnungswinkels eine räumlich verzweigte
sechseckige Struktur, die große Hohlräume enthält. Schmilzt das Wasser, so
brechen Teile der Bindungen auf und andere Wassermoleküle können zwischen
diese Struktur gelangen, die Dichte steigt. Erst bei Temperaturen über 4°C ist die
Bewegung der Wassermoleküle bei gerade geschmolzenem Wasser wieder völlig
unbeeinträchtigt, so dass darüber hinaus die Dichte wieder sinkt.
Aus diesem Grund schwimmt Eis auf der Wasseroberfläche, was eine der wichtigen
Grundlagen für das Leben ist. Würde Eis auf den Grund sinken, so würden gerade in
11
http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/diss/2003/fu-berlin/2002/23/Kap_2.pdf, s.13; Stand: 08.07.2013 12
http://daten.didaktikchemie.uni-bayreuth.de/umat/wasser/wasser.htm; Stand: 08.07.2013
23
Seen oder Gewässern die Pflanzen zufrieren und den im Wasser lebenden
Lebewesen die Nahrungsgrundlage genommen werden. Läge die Arktis nicht über,
sondern unter der Wasseroberfläche, so stiege nach dem Prinzip der Verdrängung
der Meeresspiegel und es stünde wesentlich weniger Land zur Verfügung.
24
Phasendiagramme
Die drei Aggregatzustände fest, flüssig und gasförmig treten unter unterschiedlichen
Bedingungen zu Tage, nämlich je nachdem wie hoch der Druck und die Temperatur
der Umgebung sind, in der sich der Stoff befindet.
Um darzustellen, bei welchem Druck und bei welcher Temperatur ein Stoff in
welchem der drei Aggregatzustände vorliegt, verwendet man Phasendiagramme. In
ihnen werden anschaulich Kurven gezeigt, die die Übergänge zwischen den
Aggregatzuständen eines Stoffes illustrieren.
Einstoffsystem am Beispiel Wasser
Grafik 9: Phasendiagramm des Wassers
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nach: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Phasendiagramme.svg&page=1&filetimestamp=20081011105632; Stand: 08.07.2013
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Zunächst erkennt man drei voneinander abgetrennte Bereiche, die je einem
Aggregatzustand zugeordnet werden.
Die Übergänge zwischen zwei Aggregatzuständen entsprechen dem jeweiligen
Kurvenabschnitt, der zwei Bereiche des Phasendiagramms voneinander abgrenzt.
Auf der Dampfdruckkurve findet sich auf der Höhe des Normaldrucks von 1,013 bar
der allgemein bekannte Siedepunkt des Wassers von 100° Celsius. Äquivalent dazu
liegt der Schmelzpunkt auf derselben Höhe, aber auf der Schmelzkurve.
Am Tripelpunkt liegen Eis, Wasser und Wasserdampf alle gleichzeitig und zu
gleichen Teilen vor, da ein Gleichgewicht zwischen den Phasen herrscht. 14
Zweistoffsysteme
Als Zweistoffsysteme bezeichnet man Gemische aus zwei verschiedenen Stoffen.
Werden zwei Stoffe, die sich meist im gleichen Aggregatzustand befinden,
miteinander gemischt, so bilden sich eine oder mehrere Mischphasen aus, deren
Ausprägung von mehreren Faktoren abhängt: der Mischbarkeit der Stoffe, der
Stoffmengenkonzentration, dem Druck und der Temperatur.15
Aufgrund der unterschiedlichen Beschaffenheit der zwei Stoffe bezüglich
Schmelztemperatur sowie unterschiedlichen Stoffmengenverhältnissen unterscheidet
sich das Phasendiagramm eines Zweistoffsystems von dem eines Einstoffsystems.
Als Beispiel für Zweistoffsysteme wird hier die Erstellung des Wasser-Salz-
Phasendiagramms gezeigt. Ausgehend von den unterschiedlichen Abkühlkurven der
Wasser-Salz-Lösungen wird beispielhaft gezeigt, dass die Erstarrungstemperatur des
Wassers mit steigendem NaCl-Gehalt sinkt. Die 14,7 Atomprozent an NaCl, die
dieses Phasendiagramm begrenzen, resultieren aus der maximalen Löslichkeit des
Kochsalzes im Wasser bei 0°C16.
14
http://www.chemie.de/lexikon/Tripelpunkt.html; Stand: 08.07.2013 15
http://de.wikipedia.org/wiki/Phasendiagramm; Stand: 08.07.2013 16
http://www.wasser-wissen.de/abwasserlexikon/n/natriumchlorid.htm; Stand: 08.07.2013
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Grafik 10: Phasendiagramm einer Kochsalz-Wasser-Lösung
Entwicklung eines Phasendiagramms am Beispiel der Legierung Ag-Au
Exemplarisch wird hier das Zweistoff- Phasendiagramm einer Silber-Gold-Legierung
entwickelt. Wichtige Eckpunkte zur Erstellung eines Phasendiagramms liefert die
Abkühlkurve der Silber-Gold-Schmelze. Im Abkühldiagramm wird die Temperatur der
Schmelze gegen die Zeit aufgetragen. Dabei wird ersichtlich, dass die Abkühlung in
drei Abschnitten verläuft, in denen wegen der Phasenübergänge unterschiedliche
Abkühlgeschwindigkeiten herrschen.
Grafik 11: Phasendiagramm Silber- / Goldlegierung
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Das Phasendiagramm eines Zweistoffsystems besitzt zwei y-Achsen, die die
Temperatur bemessen (Eine schneidet die x –Achse bei 100% Goldanteil der
Legierung, die andere bei 100% Silberanteil.) und eine x-Achse, welche angibt, in
welchem Prozentverhältnis Silber und Gold zu einer bestimmten Temperatur stehen.
Die Prozentskala des Silbers wird von links nach rechts kleiner (100%-0%),
wohingegen die des Goldes in die entgegengesetzte Richtung (0%-100%)verläuft.
Im Diagramm befindet sich eine Zigarre, die von den y-Achsen seitlich eingegrenzt
wird. Die y-Achsenabschnitte am Rande des Diagramms sind die Schmelzpunkte der
reinen Stoffe. Die untere Kurve der Zigarre ist die sog. Soliduskurve, unterhalb der
die Legierung fest ist. Die obere Kurve ist die Liquiduskurve, über der die Schmelze
vollständig flüssig ist. Die gemessenen Liquidus- und Solidustemperaturen der
thermischen Analyse der Silber-Gold-Schmelze liegen auf den entsprechenden
Kurven des Phasendiagramms. In der von der Zigarre begrenzten Fläche gibt es
Mischformen von flüssigem, bereits erstarrendem und erstarrtem Metall; es handelt
sich also in diesem Bereich um ein Phasengemisch aus fester und flüssiger Phase.
Da Silber und Gold vollständig mischbare Stoffe darstellen, tritt nur eine Mischphase
auf.
Vertiefung: Mischungslücke
Bei begrenzter Löslichkeit zweier Stoffe kann es vorkommen, dass sich zwei
verschiedene Mischphasen ausbilden. Es tut sich eine Mischungslücke auf, in der
beide Stoffe getrennt voneinander vorliegen. Sind die Stoffe kaum mischbar, so
erstreckt sich diese Mischlücke über einen Großteil des Phasendiagramms.17
17
http://www.kristallin.de/gesteine/minerale2.htm; Stand: 08.07.2013
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Das Zweistoffsystem Al-Si
Zweistoffsysteme sehen nicht immer so aus wie das Au-Ag Diagramm, z.B. bildet
das System Al-Si ein eutektisches Zustandsdiagramm.
Grafik 12: Aluminium-Silizium-Legierung18
Aluminiumlegierungen, die etwa 7-12% Silizium enthalten, besitzen hervorragende
Gießeigenschaften. Die Schmelze weist beim Erstarren eine geringe Schwindung
auf. Trotzdem besitzt diese Legierung eine hohe Festigkeit, lässt sich gut schweißen
und ist korrosionsbeständig. Legierungen aus Aluminium und Silizium finden
besonders aus diesen Gründen in der Automobilindustrie häufig Gebrauch.19
Anhand des Phasendiagramms ist erkennbar, dass Aluminium geringe Mengen
Silizium lösen kann, maximal nur etwa 1,5 Atomprozent. Es ist weiterhin zu sehen,
18
http://oregonstate.edu/instruct/me581/Homework/F05/ME481Hmwk1.html; Stand: 08.07.2013 19
http://www.giessereilexikon.com/index.php?option=com_content&view=article&id=729%3Aaluminiumguss&catid=1%3Aa&lang=de; Stand: 08.07.2013
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dass Silizium nicht in der Lage ist Aluminium zu lösen. Der sogenannte eutektische
Punkt liegt bei dieser Legierung bei etwa 12,2 Atomprozent
Siliziumanteil. Der eutektische Punkt ist der Punkt, bei dem das flüssige Metall direkt
in den festen Zustand übergeht, ohne einen Zwischenzustand einzunehmen.
Grafisch gesehen berühren sich im Eutektikum die Liquidus- und die Soliduskurve.20
Vertiefung: Mehrstoffsysteme
Mehrstoffsysteme sind, wie der Name schon vermuten lässt, Systeme aus mehr als
einem Material. Zweistoffsysteme gehören also auch zu den Mehrstoffsystemen. Je
nachdem wofür die Legierung verwendet werden soll, muss sie Eigenschaften
besitzen, die nur durch Zugabe mehrerer zusätzlicher Stoffe erreicht werden
können. Je mehr Komponenten eine Legierung hat, umso komplizierter wird die
Darstellung des Mischverlaufs in einem Phasendiagramm. Aus diesem Grund
müssen etwas exotischere Darstellungsweisen gewählt werden, um das Verhalten
der Legierung verfolgen zu können. Dazu gehören z.B. Stoffmengenanteil-
Dreiecksdiagramme (3 Komponenten) oder quadratische Stoffmengenanteil-
Vierecksdiagramme (4 Komponenten).21
20
http://www.dlr.de/mp/Portaldata/22/Resources/lehrveranstaltungen/Zweistoffsysteme-HetGleich2.pdf; Stand: 08.07.2013 21
http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Phasendiagramm; Stand: 08.07.2013
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Praktische Versuche
Entwickeln einer Formel für den Si-Gehalt einer Al-Si-Schmelze anhand der
Liquidustemperatur
Gegeben ist das Phasendiagramm einer Aluminium-Silizium-Schmelze; gesucht wird
eine Formel zur Berechnung des Siliziumgehalts in der Schmelze anhand der oben
erklärten Liquidustemperatur.
Einige Punkte werden im Phasendiagramm fixiert eingezeichnet, aus denen man
Folgendes schließen kann:
Die Liquiduskurve besitzt ihren y-Achsenabschnitt und somit ihren
Ausgangspunkt bei einer Temperatur von 660° Celsius bei 0% Silizium.
Liquiduskurve und Soliduskurve schneiden sich im sogenannten eutektischen
Punkt (Eutektikum), der bei einer Temperatur von 577° Celsius liegt.
Der Siliziumgehalt am eutektischen Punkt beträgt 12,2%.
Grafik 13: vereinfachtes Al-Si-Phasendiagramm
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Aufbau des Messsystems
1. Vorderseite des Messgeräts 2. Rückseite des Messgeräts
3. Der Stand 4. Halterung des Stands für die Tiegel
5.Der AccuVo-Tiegel
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Anschluss der Geräte:
6. AccuVo-Tiegel auf den Stand
stellen und dessen Anschlüsse
an das Gerät entsprechend den
Nummerierungen einstecken
7. Kommunikationsstecker für den
Computer in den unteren Anschluss
stecken.
8. Das Stromkabel an das Netzteil
anschließen.
9. Den Laptop an das Messgerät anschließen, die Messsoftware PhaseLab öffnen
und auf 0 kalibrieren.
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Eingabe der Formel in die Messsoftware PhaseLab
Die zuvor ausgerechnete Formel zur Berechnung des Silizium-Gehalts in der
Schmelze kann man in das Feld ‚Si‘ eingeben, so dass der Si-Gehalt nicht mehr
manuell bestimmt werden muss.
Passwort: ‚7070‘
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Durchführung der thermischen Analyse
Nun wird die Aluminium-Silizium-Schmelze von einem Gießereifacharbeiter in den
Accuvo-Tiegel gegossen. Im Tiegel befinden sich Temperaturmessdrähte aus Nickel-
Chrom- und Aluminium-Chrom-Legierungen.
Das angeschlossene Messgerät verarbeitet die Daten aus den Messdrähten im
Tiegel und bereitet sie für die Software PhaseLab auf, die die Abkühldaten der
Schmelze grafisch als Abkühlkurve darstellt und Liquidus- sowie Soliduspunkt
berechnet.
Wichtig ist es, dass die Messsoftware richtig kalibriert ist und die Daten gespeichert
werden.
Dank der selbst aufgestellten Formel lässt sich außerdem stets berechnen, wie sich
die Zusammensetzung der Legierung im Laufe dieses Prozesses ändert. Dank der
Messtechnik und zugehöriger Software lässt sich auch feststellen, wann die
Schmelze erstarrt ist und sich genug abgekühlt hat, um aus dem Tiegel herausgelöst
zu werden.
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Literatur- und Bildquellenverzeichnis
Fachliteratur:
Dr. Schumann, Hermann (Hg.): „Metallographie. Unveränderter Nachdruck der 13. Auflage.“; 13., neu bearbeitete Auflage, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Stuttgart, 1990.
Textquellen (Stand: 08.07.2013):
http://de.wikipedia.org/wiki/Eisen
http://www.ww.tu-freiberg.de/mk/Dokumente/Praktikumsanleitungen/P3_Erstarrung.pdf
http://webdoc.sub.gwdg.de/ebook/diss/2003/fu-berlin/2002/23/Kap_2.pdf
http://www.chemie.de/lexikon/Tripelpunkt.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Phasendiagramm
http://www.wasser-wissen.de/abwasserlexikon/n/natriumchlorid.htm
http://www.kristallin.de/gesteine/minerale2.htm
http://www.giessereilexikon.com/index.php?option=com_content&view=article&id=729%3Aaluminiumguss&catid=1%3Aa&lang=de
http://www.dlr.de/mp/Portaldata/22/Resources/lehrveranstaltungen/Zweistoffsysteme-HetGleich2.pdf
http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Phasendiagramm
Bildquellen (Stand: 08.07.2013):
Tabelle 1: http://de.wikipedia.org/wiki/W%C3%A4rmeleitf%C3%A4higkeit
Tabelle 2: http://de.wikipedia.org/wiki/Zugfestigkeit
Grafik 1: OCC GmbH
Grafik 2: OCC GmbH
Grafik 3: OCC GmbH
Grafik 4: OCC GmbH
Grafik 5: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Na%2BH2O.svg?uselang=de
Grafik 6: https://www.uni-hohenheim.de/lehre370/weinbau/praktikm/eisnuk.htm
Grafik 7: OCC GmbH
Grafik 8: http://daten.didaktikchemie.uni-bayreuth.de/umat/wasser/wasser.htm
Grafik 9: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Phasendiagramme.svg&page=1&filetimestamp=20081011105632
Grafik10: OCC GmbH
Grafik 11: OCC GmbH
Grafik 12: http://oregonstate.edu/instruct/me581/Homework/F05/ME481Hmwk1.html
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Bild 1: nach: http://de.wikipedia.org/wiki/Gie%C3%9Fen_%28Verfahren%29; Urheber: Gießerei Heunisch
Bild 2: OCC GmbH
Bild 3: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:DOHC-Zylinderkopf-Schnitt.jpg&filetimestamp=20050824210432; nach: Stahlkocher
Bild 4-12 : OCC GmbH