entscheidung 03-2000
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Ausgabe 3/2000 des JU-Mitgliedermagazins DIE ENTSCHEIDUNGTRANSCRIPT
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 32 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
Die CDU ist im Umbruch. Seit Monaten halten
uns finanzielle Unregelmäßigkeiten und Machen-
schaften in Atem, die von Einzelnen in der ehema-
ligen Führung der Partei verursacht wurden. Das
Fehlverhalten weniger hat die CDU in die größte
Krise seit ihrem Bestehen gestürzt hat. Die neue
Parteiführung hat seit Anbeginn der Affäre alles
daran gesetzt, die Tatbestände offenzulegen. Stän-
dig wechselnde Sachverhalte und das Schweigen
der Verursacher bestimmen die Probleme, die das
Management einer solchen Krise hat.
Dabei sind auch Wolfgang Schäuble Fehler un-
terlaufen, die seine öffentliche Glaubwürdigkeit in
Zweifel gezogen haben. Er hat seine Kandidaturen
zum Partei und Fraktionsvorsitz zurückgezogen,
um damit der CDU den Weg zu einem unbelasteten
Neubeginn frei zu machen. Aus Sicht der Jungen
Union ist dieser Rückzug eine Mahnung an die CDU,
einen qualitativen strukturellen und personellen
Neuanfang zu wagen. Es ist schmerzlich, dass mit
Wolfgang Schäuble ein integerer und herausragen-
der Christdemokrat die Konsequenzen für die Krise
der CDU übernimmt, während deren Verursacher im
Hintergrund unbehelligt schweigen. Für die erheb-
lichen Leistungen und Verdienste, die er sich in der
CDU für unser Land erworben hat, gehört Wolfgang
Schäuble unser Dank. Für den entschlossenen Schritt
und seine darin beinhaltete Mahnung zum Aufbruch
und Erneuerung zollen wir ihm Respekt.
Die Junge Union wird auf dem kommenden Par-
teitag im April erste deutliche Schritte hin zu einer
programmatischen, strukturellen und personellen
Erneuerung einfordern. Hier haben wir vorgearbei-
tet. Das ist die Stunde der Jungen in der Union. Wir
werden sie nutzen. Die Christdemokratie bleibt das
faszinierendste politische Projekt des neuen Jahr-
tausends. Deshalb ist die CDU so wichtig. Es geht in
den nächsten Wochen und Monaten darum, für un-
sere Ideale einzutreten und mit einer erneuerten Par-
tei wieder um das Vertrauen der Bürgerinnen und
Bürger zu kämpfen. Nur Mut! Wir bleiben am Ball.
Hildegard MüllerBundesvorsitzende der Jungen Union Deutschlands
die Zeiten sind bitter für die Union. Sprachlos staunt
man über immer neue Meldungen von schwarzen
Koffern, Spenden, Konten. Resignierend muss man
zur Kenntnis nehmen, wie langjährige identitäts-
stiftende Personen und Idole aber auch neue Hoff-
nungsträger Risse bekommen oder gar zerbröseln.
Zurück bleibt Wut und Unverständnis.
Selbstmitleid und Resignation hilft jedoch nicht
weiter. Neben der notwendigen Erneuerung in der
Union – und da hilft nicht nur der Austausch von
Köpfen – müssen auch wieder Inhalte in den Vor-
dergrund. Die Schröder-Regierung muss zurück
auf den Boden der Realitäten. Ohne echte Oppo-
sition können sie derzeit fröhlich ihre falsche Poli-
tik durchsetzen.
Der vermeintliche Höhenflug der Rot-Grünen
Regierungstruppe wird sich schnell als ein kurzes
Zwischenhoch herausstellen, wenn erst wieder rich-
tig Opposition durch die Union betrieben wird. Ein
zurück zur Tagesordnung darf es aber nicht sein. Nur
wenn die Union es schafft, sich deutlich zu erneu-
ern, kann verlorenes Vertrauen und verlorene Glaub-
würdigkeit wieder zurückgewonnen werden.
Hier muss auch und gerade die Junge Union Far-
be bekennen und ohne falsche Demut vor den „al-
ten Hasen“ mitmischen. Gerade jetzt sollte man sich
nicht verstecken, sondern offensiv nach vorne ge-
hen und die Union mitgestalten.
Neben der Affäre rund ums Geld geht es in die-
sem Heft im Schwerpunktthema um Studium und
Hochschule. Sind unsere Unis noch zeitgemäß?
Gehört privaten Eliteunis die Zukunft? Ist die heuti-
ge Massenuniversität weg von den ursprünglichen
Bildungsidealen eines Alexander von Humboldt und
nur noch reine Ausbildungsstelle für den späteren
Beruf? Worauf legt die Wirtschaft bei Einstellungen
wert? Wie werde ich für meinen potentiellen Ar-
beitgeber interessant? Wir bleiben dran!
Euer
Urban Windelen
MahnungzurErneuerung
Liebe Leser,
impressumHerausgeber:Bundesvorstand Junge Union Deutschlands, Inselstraße 1b, 10179 Berlin Tel. (0 30) 27 87 87-0, Fax (0 30) 27 87 87- 20,Email: [email protected], Homepage: http://www.junge-union.de
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Chefredakteur: Urban Windelen
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Titelfoto und grafische Beratung:Frank Ossenbrink
Bildnachweis:JU-Archiv, UBG, dpa, Darchinger,Becker & Bredel, BMVg.
»Aufsteigen kann mannur gegen den Wind«Hildegard Müller sprichtmit der ENTSCHEIDUNGüber die derzeitigenProbleme der CDU und diedaraus resultierendeChance für neue Inhalteund mehr Transparenzvon Urban Windelen
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Kleiner Krisen-Katechismus fürgebeutelte Christdemokratenvon Andreas Püttmann
Schwerpunktthema
Dem Volk aufs Maul geschautvon Kristin Vorpahl
Bücher
News
Hierzulande
Aktiv
Momente
Expo 2000:Mensch – Natur – TechnikDie Junge Union ist auf derWeltausstellung aktiv mitdabei! Gesucht sind Helferund gute Ideen für dieKinder- und Jugendplatt-form im Big Tipi.von Frank Thole
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Holzmann – Zwangs-arbeiterentschädigung –Bündnis für ArbeitDie Luftnummern desStrahlemann Schröder.Durch Schaumschlägereizum Zwischenhoch.von Tanja Gönner
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setze steht, kein Ehrenwort ist. Er hat an den Ge-
setzen und der innerparteilichen Demokratie vor-
bei gehandelt.
ENTSCHEIDUNG: Soll Helmut Kohl für sein Verhal-
ten, das der Partei ja großen Schaden zugefügt hat, zur
Verantwortung gezogen werden? Und wenn ja, wie?
Müller: Helmut Kohl gefährdet sein Lebenswerk
selber viel mehr, wenn er weiter nicht redet, als das
die Partei jemals könnte. Aber auch wir werden das
weitere Vorgehen sorgsam weiter prüfen.
ENTSCHEIDUNG: Durch die CDU geht offensichtlich
eine Konfliktlinie – während die Einen an Kohl hängen
und ihn als Teil ihrer Identität betrachten, drängen die
Anderen auf einen endgültigen Bruch und einen Neuan-
fang. Welche Position nimmt die Vorsitzende der Jungen
Union ein?
Müller: Natürlich fällt es uns Jungen etwas leich-
ter sich von einer Ära zu lösen, die man selber gar
nicht so aktiv mitgestaltet hat. Aber auch bei den
Älteren sehe ich eine zunehmend differenziertere
Betrachtung, die sich, wie Norbert Blüm, frei-
machen und sagen, daß sie Kohls Verhalten nicht
akzeptieren können.
ENTSCHEIDUNG: Wandelt sich die CDU?
Müller: Ja, die Union befindet sich mitten im Prozeß
der Erneuerung. Die Identität der Partei, das Werte-
konstrukt der Union, auch die Rechtsstaatlichkeit
sind wichtiger als blinde Loyalität zu Helmut Kohl.
Aufbruch und Erneuerung sind richtig und notwen-
dig. Die CDU wird deshalb nicht neu erfunden, aber
weiterentwickelt werden müssen.
ENTSCHEIDUNG: Wolfgang Schäuble will auf dem
Parteitag im April nicht wieder als Vorsitzender kandi-
dieren. War dieser Schritt überfällig?
Müller: Zunächst einmal finde ich es unschön,
wenn man so unmittelbar zur Tagesordnung über-
geht, als wäre nichts geschehen. Wolfgang Schäuble
hat mit seinem Rückzug die Konsequenzen für eine
Krise übernommen, die er nicht verursacht hat.
Wenn so ein herausragender und integrer Politiker
seine Ämter zur Verfügung stellt, weil er in einen
Strudel geraten ist, den andere verschuldet haben,
dann bleibt da ein Stück Bitterkeit. Ich finde es an-
gemessen, Wolfgang Schäuble zu danken, für sein
großes Engagement. Er hat sich bei der Gestaltung
unseres Landes hohe Verdienste erworben und als
Parteivorsitzender hat er einen wesentlichen Bei-
trag zur Siegesserie der Union bei den Wahlen im
letzten Jahr geleistet. Das bleibt und dafür schul-
den wir ihm Respekt und Dank. Mit seinem Rück-
zug hat er den Weg für einen unbelasteten Neube-
ginn freigemacht. Das müssen wir als Chance aber
auch als Mahnung verstehen.
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 5
aktuell
ENTSCHEIDUNG: Was würdest Du im Moment einem Jugend-
lichen sagen, warum er in die Junge Union/CDU eintreten soll?
Müller: Wer sich nicht einmischt, muß aushalten, was an-
dere anrichten. Deshalb ist es gerade jetzt wichtig, in die Po-
litik zu gehen. Darüber hinaus werden zur Zeit viel zu viele
wichtige Themen aus Sicht der jungen Generation immer
weiter verschoben und nicht konsequent genug angegan-
gen. Bei der Rente beispielsweise findet nur eine Reparatur-
politk, keine Visionspolitik statt.
ENTSCHEIDUNG: Siehst Du die Gefahr, daß die gegenwärtige
Parteispendenaffäre das Interesse speziell der jungen Menschen
an Parteien und an der Politik dauerhaft beschädigt?
Müller: Natürlich weiß ich, daß wir sehr um das Ver-
trauen der Menschen zu kämpfen haben. Das wird
nicht von heute auf morgen gehen und ein sehr
langwieriger Prozeß werden. Aber gerade wir
Jungen können und werden um das Vertrauen
der Menschen kämpfen.
ENTSCHEIDUNG: Bist Du – nach allem was pas-
siert ist, persönlich von Helmut Kohl enttäuscht?
Müller: Ja, vor allem weil er der Partei bei
der Aufklärung nicht hilft.
ENTSCHEIDUNG: Kannst Du sein Ver-
halten verstehen?
Müller: Ich kann mir’s nicht er-
klären, weil für mich ein Eh-
renwort, das außerhalb der Ge-
4 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
Als eine der ersten hat die Vorsitzende der Jungen Union
Deutschlands eine »rückhaltlose Aufklärung ohne Ansehen von Personen«
gefordert. DIE ENTSCHEIDUNG fragt sie nach
den Chancen und Perspektiven der CDU nach dem Rückzug von
Wolfgang Schäuble.
kann man nur
aktuell
»Aufsteigengegen den
Wind«URBAN WINDELEN
Kleiner Krisen-Katechismus fürgebeutelte Christdemokraten
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von Andreas Püttmann
Meinungsumfragen, Straßeninter-views und das eigene mulmige Ge-fühl vor den Abendnachrichten las-sen keinen Zweifel: Mandatsträger,Mitglieder und Anhänger der CDUsind von den Ereignissen der letz-ten Monate schockiert, frustriert,desorientiert und in ihrer alltägli-chen Umgebung einem gewaltigenmoralischen Rechtfertigungsdruck,bisweilen auch Häme ausgesetzt.Doch in der emotional aufgeheiz-ten Atmosphäre gilt es klaren Kopfzu behalten, zu differenzieren undden »Trittbrettfahrern« berechtig-ter Empörung ihre Heuchelei undDemagogie nicht durchgehen zulassen. Dabei erscheinen folgendeFragen besonders wichtig:
Können wir uns jetzt überhauptnoch mit Themen wie Rechtsstaat-lichkeit oder Wertorientierung andie Öffentlichkeit wagen?
Aber ja. Stellten wir solche Themenjetzt verschämt zurück, täten wir ge-nau das, was man Helmut Kohl vor-wirft: Personen und Sache zu sehr zuverquicken. Die Botschaft ist immergrößer als der Bote. Das Gedankengutder Union wird nicht dadurch diskre-ditiert, dass wenige eigene Repräsen-tanten dagegen verstießen.
Und wenn schon Verallgemeinerung,dann bitte nicht nur auf unsere Parteioder die Parteien insgesamt bezo-gen, sondern auf unsere ganze Wohl-standsgesellschaft, über der durchauseine gewisse »Fäulnis« (Claus Jacobi inder »Welt am Sonntag«) liegt. Steuer-hinterziehung, Versicherungsbetrug,Schwarzfahren, Sozialkassenmiß-brauch, Subventionsbetrug, »Privati-sierung« von Büromaterial und ande-re Formen von »Alltagskriminalität«lassen statistisch und demoskopischkeinen Zweifel daran, dass die Krisedes Rechtsbewußtseins ein Massen-phänomen ist.
Wertorientierung darf insofern keinepolitische Lyrik für Sonntagsredensein, sondern muss durch geistige An-strengung, Überzeugungsarbeit – inWorten und Taten – und praktischeMaßnahmen in allen gesellschaftli-chen Bereichen durchgesetzt werden.Werteverwirklichung bedarf dabeistets eines Dreiklangs von Tugenden(Individualethik), Normen und Institu-tionen (Sozialethik).
Ist das »C« der CDU nundiskreditiert?
Keineswegs! Das Grundsatzprogrammunserer Partei konstatiert im Eingangs-teil unter der Überschrift: »Wer wirsind«: »Jeder Mensch ist Irrtum undSchuld ausgesetzt« – ohne hinzuzufü-gen: »außer in der CDU«. So paradox esklingt: Das Trauerspiel von Rechtsbruch,Dummheit, Lüge, Intrige, Feigheit undSelbstgerechtigkeit bestätigt unser rea-listisches christliches Menschenbild mitseiner anthropologischen Skepsis, under verdeutlicht die Notwendigkeit stär-kerer christlicher Wertorientierung.Denn insgesamt sind gläubige Christen– nach sozialwissenschaftlichen Studien– gesetzestreuere Bürger. Zugleich bie-tet die christliche Ethik auch das Know-How einer gründlichen Schuldbewälti-gung. Die Läuterung erfolgt in der Rei-henfolge: Einsicht – Reue – Bekenntnis– Buße – Vorsatz der Besserung undSchaffung der (strukturellen) Voraus-setzungen dafür, dass man wenigerleicht in Versuchung gerät. Zur christ-lichen Ethik gehören freilich auch dieMäßigung im Urteil und die Nachsichtmit dem bußfertigen Sünder.
Dürfen wir andere Parteienund ihr Gebaren jetzt nicht mehrattackieren?
Durchaus doch. Glogowski, Schleußer,Rau und Co und ihre schwarze Kassenamens West-LB zeugen in gewisserWeise vom gleichen »l’etat c’est moi«-Bewußtsein wie es der »Ewige Kanz-ler« offenbar entwickelt hatte. DemGenossenfilz in NRW im Mai den Gar-aus zu machen, das ist geradezu diestaatsethische Verantwortung der»Neuen CDU im Westen«. Und selbstwenn es die alte wäre: Ob Kritik be-rechtigt ist oder nicht, hängt nicht vommoralischen Glanz des Kritikers ab,sondern von seiner korrekten Wirk-lichkeitsbeschreibung und stringentenArgumentation. Allerdings steigt sei-ne Überzeugungskraft mit der Au-thentizität, der Übereinstimmung vonForderung und Vorbild.
Ist Politik doch ein»schmutziges Geschäft«?
Im Prinzip nein. Zunächst weil jedesVolk in Freiheit die Politiker bekommt,die es verdient. Das gleiche gilt übrigensfür Journalisten, Manager, TV-Promisu.s.w. Der moralische Zustand einerGesellschaft spiegelt sich früher oderspäter in jeder ihrer Berufsgruppen wi-der. Allerdings fallen unter dem E
ENTSCHEIDUNG: Wer soll denn jetzt die Füh-
rung übernehmen?
Müller: Die Junge Union hat lange Zeit für mehr
Beteiligung der Mitglieder gekämpft. Deshab
finde ich es richtig, dass auf den Regionalkonfe-
renzen zunächst einmal in die Basis reingehört
werden soll. Wenn wir uns jetzt zu voreilig auf
Namen festlegen, dann ist der Sack wieder zu.
Wo sich die Junge Union positioniert und wen
sie favorisiert, das will ich erst mit dem Bundes-
vorstand und den Landesverbänden diskutieren,
ehe ich mich öffentlich äußere. Ich wünsche mir
generell, daß wir auf dem Parteitag in Essen eine
breitere Mischung der Generationen erreichen.
Es müssen sehr viel mehr jüngere Kräfte her. Ich
will mit Freunden aus der Jungen Union gezielt
daran gehen, den CDU-Vorstand zu verjüngen.
und ein Führungsteam zusammenstellen. Die
Partei braucht dringend frischen Wind.
ENTSCHEIDUNG: Was muß sich denn, abgese-
hen von den Personen, inhaltlich und strukturell
in der CDU ändern, damit die Partei wieder glaub-
würdig wird?
Müller: Inhaltlich fordern wir eine Agenda der
Zukunft, das heißt, es muß aus Sicht der jungen
Generation geschaut werden, wie weit die bishe-
rigen Politik-Entwürfe reichen. Geht das schon
weit genug oder müssen wir die Themen noch
mutiger angehen? Es
gibt viele Themen, die
aus Sicht der Jungen
auch die CDU noch
nicht konsequent genug
besetzt, da muß inhalt-
lich noch einiges gelei-
stet werden. Bei den Themen darf man nicht nur
auf den nächsten Wahltermin blicken, sondern
muß sich fragen, was hat das, was wir heute tun
oder nicht tun, für Auswirkungen in 30 Jahren.
Diese Zukunftsfähigkeit hat die CDU immer
stark gemacht. Die müssen wir wieder gewin-
nen, weil wir in den letzten 16 Jahren zu
sehr Regierungstätigkeit verteidigt und
zu wenig nach vorne gedacht haben.
ENTSCHEIDUNG: ... und strukturell?
Müller: Da gibt es zahlreiche Forderun-
gen, die Junge Union hat in den letzten
Jahren ja schon konsequent an diesem
Thema gearbeitet. Wir müssen endlich
den Mut haben, mehr Mitgliederbeteili-
gung möglich zu machen. Wir werden
dadurch als Partei nicht nur spannen-
der, sondern auch transparenter in den
Entscheidungen. Also, z. B. Urwahl des
Parteivorsitzenden, klare Aufgabenver-
teilung im Präsidium. Dann definieren
sich auch die entsprechenden Perso-
nen. Wir kommen im Moment viel zu
sehr über Personen zu Themen statt
umgekehrt. Wir müssen zuerst klare in-
haltliche Aussagen treffen und dann
schauen, wer dieses Thema glaubwür-
dig vertritt. Auf jeden Fall wird die Jun-
ge Union viele Forderungen nach struk-
turellen Veränderungen auf dem Esse-
ner Parteitag einbringen.
ENTSCHEIDUNG: Die Krise also auch
als Chance?
Müller: Ja, auf jeden Fall. Ein chine-
sisches Sprichwort sagt: »Aufsteigen
kann man nur gegen den Wind.« Ich
habe mir die Krise nicht gewünscht,
aber nun versuche ich aus Sicht der
jungen Generation, das Beste daraus zu
machen und die Krise dazu zu nutzen,
in etlichen Bereichen neu anzufangen.
Wir müssen uns in den Wind stellen
und kämpfen. Mehr Transparenz, mehr
Diskussionskultur, das ist die Chance.
Und sie ist insbesondere für die junge
Generation in der Union. K
6 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
aktuell
Kleiner Krisen-Katechismus/Teil 2
5
Flutlicht der permanenten öffentlichenBeobachtung und der vielfältig insti-tutionalisierten Kontrolle Fehler undschmutzige Tricks leichter auf. Außer-dem birgt der Umgang mit Macht –zentrale Kategorie der Politik – spezifi-sche Versuchungen, denen sich nurstarke Charaktere gewachsen zeigen.
Damit ist die Frage nach der Rekrutie-rung unseres politischen Nachwuchsesals Achillesferse der Demokratie ge-stellt. Die Verflüchtigung fester Grund-überzeugungen als Ergebnis der Sä-kularisierung und Entideologisierungverringert tendenziell den Anteil der»Überzeugungstäter« und Pflichtethi-ker und erhöht die Repräsentanz vongeltungssüchtigen Profilneurotikern,interessenegoistischen Händelsuchernund aalglatten Anpassern. Zudemtragen die Erfolgskriterien der Fern-sehdemokratie zu einem Vorrang derKommunikationskompetenz vor derSachkompetenz, der Wirkung vor derSubstanz, des augenscheinlichen Gut-menschentums vor der echten Cha-rakterfestigkeit bei.
Welches politische Personalbrauchen wir jetzt amdringlichsten? Innerlich unabhängige Köpfe mit Zi-vilcourage und Distanz zu sich selbst.Die CDU muss ihre kritischen Geisterpflegen, und zwar nicht die pseudo-kritischen, die sich stets grosser Me-dienresonanz gewiss sein können, weilihr Dissens zum Parteiestablishmentdurch Konsens mit dem Zeitgeist kom-pensiert wird, sondern ihre echtenQuerdenker: die Verkünder unange-nehmer Wahrheiten (auch für dasVolk), die prinzipienstarken, beharrli-chen Gestalter mit Einsamkeitsfähig-keit, die Leidenschaftlichen mit Au-genmaß, die sachorientierten Kämp-fer, die nicht immer gleich fragen:»Was bringt mir das?«, weil sie ihrenLebenssinn in einer tieferen Wirklich-keit verankert wissen, aus der sie mo-ralische Maßstäbe beziehen, die inmanchen Situationen auch Verzichtauf Geld und Geltung gebieten undein beherztes: »Mit mir nicht«.Eine Inschrift im Rathaus zu Ingolstadtbringt es auf den Punkt:
»Was andere meinen auch zumeinen, ist nicht schwer.
Nur immer anders als die andernmeinen, auch nicht sehr.
Weißt Du aus eigener Kraft,mit mutig stillem Wagen
Dort ehrlich ja, hier ehrlichnein zu sagen,
Gleich ob dich alle loben oderkeiner, Dann bist Du einer.«
»Aufbruch undErneuerung
sind richtig undnotwendig.«
◆ Zukunft der Arbeit: Der Faktor Bildungvon Markus Blume Seite 8
◆ Ich war noch niemals in New Yorkvon Andrea Ullrich Seite 10
◆ Marketing in eigener Sachevon Georg Milde Seite 12
◆ Klein und fein oder große weite Welt?von Andrea Ullrich Seite 14
◆ Hasta luego Alemañavon Kristin Vorpahl Seite 15
◆ Privat oder staatlich? Das ist die Frage!von Jan-Hendrik Klaps Seite 16
◆ Von München bis Kielvon Mark Blue Seite 18
◆ Studiengebühren als Heilmittel?von Katrin Schweins & Wolfgang Sticker Seite 19
Schwerpunktthema:
E Schule muß auch das Handwerkszeug der Zukunft vermitteln:
Medienkompetenz, erweiterte Fremdsprachenkenntnisse, Fähigkeit
zum lebenslangen und autodidaktischen Lernen.
E Bildung hört nicht nach der Schule auf. Die schulische, berufliche
und universitäre Ausbildung muß im Sinne des lebenslangen Ler-
nens besser aufeinander abgestimmt werden. Während an der Schu-
le die basic skills vermittelt werden, kann man sich in Uni und Beruf
– auch lebenslang – modulartig aktuelles Fachwissen aneignen.
Bildungsvision 21: Vernetzte Bildung
Das Ausbildungssystem darf nicht isoliert von anderen gesell-
schaftlichen (Sub-)Systemen betrachtet werden. Im Gegenteil: Erst
im gegenseitigen Austausch wird man der neuen Struktur des Wis-
sens gerecht und kann Synergien fördern.
Wer einen Blick in die »Zukunft der Bildung« wagt, dem zeigt sich
vielleicht folgendes Bild:
E Virtualität: Bildung ist nicht mehr an eine Einrichtung gebunden,
sondern kann modular wahrgenommen werden. Jeder kann sich
seine Ausbildungsinhalte von verschiedenen Bildungs- und For-
schungseinrichtungen zusammenstellen. Bildung wandelt sich da-
mit mehr und mehr vom Push- zum Pull-Faktor.
E Multimedia: Lernen geschieht künftig
auf verschiedenen Kanälen. Zum klas-
sischen Frontalunterricht treten didak-
tisch aufbereitete, multimediale Inhalte.
E Interdisziplinarität: Die fortschreiten-
de Spezialisierung in den Ausbildungen
und Berufsbildern macht wegen der
Wissensdynamik in diesen Bereichen
gerade die Vermittlung von Methoden-
und Grundwissen immer wichtiger. Die
fachübergreifende Zusammenarbeit wird
durch gemeinsame Kollegs und Projek-
te gefördert.
E Theorie und Praxis: Grundlagen sind
das eine, Anwendungsorientierung das
andere. Auf allen Ausbildungsstufen
müssen praxisrelevante Inhalte in Ko-
operation mit Unternehmen und Ver-
bänden mit einbezogen werden.
E Technik und Ethik: Die neuen Mög-
lichkeiten im medizinischen, biologi-
schen und technischen Bereich wer-
den mittels ethischer Folgenabschät-
zung auf ihre gesellschaftlichen Auswir-
kungen hin untersucht. Wissenschafts-
ethik ist fester Bestandteil der univer-
sitären Ausbildung.
E Mobilität und Internationalität: Aus-
bildung endet nicht länger an nationa-
len Grenzen. Das spielerische Erlernen
von Fremdsprachen in der Grundschu-
le, europäische Austauschprogramme
schon während der Schulzeit und regel-
mäßige Auslandsaufenthalte sind Regel
statt Ausnahme.
E Gemeinsamer Profit, geteilte Kosten:
Der Staat kann nicht allein für die Aus-
bildung aufkommen. Wer von fach-
lich besonders gut ausgebildeten Bür-
gern profitiert – wie beispielsweise die
Wirtschaft von Hochschulabgängern –,
beteiligt sich auch an den Kosten.
Weiterführende Ausbildungseinrich-
tungen wie Hochschulen werden in
privatrechtlicher Form mit Staat als
Hauptanteilseigner geführt. Eventuell
beteiligte Unternehmen nutzen die
Hochschulen dann auch zur Weiterbil-
dung ihrer Mitarbeiter. Zur Verbesse-
rung der finanziellen Ausstattungen
von Ausbildungseinrichtungen trägt
auch die stiftungsfreundlichere Ge-
setzgebung bei.
Wenn diese Vision Realität werden
sollte, dann besitzt Deutschland die Ex-
portschlager des 21. Jahrhunderts: Wis-
sen und Bildung. K
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 9
uni: job oder flop?
Die Vorboten für den Wandel am Ar-
beitsmarkt sehen wir seit Mitte der
siebziger Jahre: der Beschäftigungsrück-
gang in den traditionellen Industriebe-
reichen und damit einhergehend die
zunehmend verfestigte, strukturelle Ar-
beitslosigkeit. Die landläufige Diagnose
scheint auf der Hand zu liegen: »Es gibt
nicht genug Arbeit. – Also müssen wir die
vorhandene Arbeit besser verteilen!«
Dies ist aus zwei Gründen falsch. Er-
stens: Ökonomisch gesehen heißt Ar-
beitslosigkeit nur, daß zu einem be-
stimmten Preis (nämlich dem gegen-
wärtigen Lohnniveau) nicht genug Ar-
beit (durch die Unternehmen) nachge-
fragt wird. Es gäbe grundsätzlich genug
Arbeit, nur eben nicht zu den Bedin-
gungen, wie sie auf unserem relativ un-
flexiblen Arbeitsmarkt durch feste Ta-
riflöhne und weitgehende Kündigungs-
schutzbestimmungen vorgegeben sind.
Zweitens: Das gesamte Arbeitsvolumen
ist nur im sekundären Sektor zurückge-
gangen. Im Dienstleistungsbereich ent-
stehen täglich neue Jobs.
Bildung ist soziale Vorsorge
Die obige Diagnose regt aber zumin-
dest zum Nachdenken an. Wenn es in
den traditionellen Arbeitsbereichen we-
niger gutbezahlte Arbeit gibt, muß man
sich über neue Formen der Arbeit und
deren Anerkennung Gedanken ma-
chen, beispielsweise über die Familien-
und Bürgerarbeit. Ebenso werden neue
Berufsbilder wie die des »Wissensar-
beiters« (knowledge worker) entstehen.
Also: Es gibt genug Arbeit – nur eben
andere als bisher. Entscheidend bei der
Diskussion über die Zukunft der Arbeit,
die Sicherheit der sozialen Netze und
8 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
uni: job oder flop?
Nach jüngsten Schätzungen werden in 20 Jahren nur noch 10
Prozent der Erwerbsfähigen in einem dauerhaften Arbeitsver-
hältnis stehen. Tätigkeiten, die keine besondere Qualifizierung
erfordern, sollen dann weitgehend automatisiert sein. Der
Staat muß deshalb – auch im Hinblick auf den globalen Wettbe-
werb – ein vitales Interesse an möglichst vielen hochqualifizier-
ten Bürgern haben. Bildungspolitik wird damit zur zentralen
Aufgabe der Gesellschaftspolitik in den nächsten Jahren.
Zukunft
der
D
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Arbeit:
Bildungspolitik als zentrale Aufgabe der Politikdie Stabilität unserer Gesellschaft sind mindestens zwei Dinge: die
Faktoren Kapital/Vermögen und Wissen/Bildung. Aus Sicht des Staa-
tes kommt dabei den Investitionen in Bildung und Forschung die
größte Bedeutung zu, weil nur hier ohne weitreichende negative Al-
lokationseffekte angesetzt werden kann. Nur wer in Zukunft möglichst
hochqualifiziert, also optimal ausgebildet ist, wird am Arbeitsmarkt
auch nachgefragt. In einem rohstoffarmen Land sind die human res-
sources zudem ein Trumpf im globalen Standortwettbewerb. Konse-
quenterweise müßten die Staatsausgaben für Bildung und Forschung
dramatisch gesteigert werden. Leider ist es aber noch immer opportu-
ner, Kohle zu subventionieren als in Bildung zu investieren. Dabei ist
eine gute Ausbildung die beste Vorsorge gegen Arbeitslosigkeit.
Anforderungen an die Bildungspolitik
In unserer zunehmend vernetzten Gesellschaft verändern sich Art
und Weise sowie Geschwindigkeit, wie Informationen beschafft und
zu Wissen verarbeitet werden. Das läßt sich am besten am Schlagwort
von der Dynamik oder der »Halbwertszeit des Wissens« (fünf Jahre)
und der Forderung nach »vernetztem Denken« ablesen. Für die Bil-
dungspolitik heißt das: Ausbildung ist künftig mehr als Schule, Studi-
um und berufliche Bildung. Optimale Bildung bedeutet:
E Jeder Bürger soll leistungsorientiert, aber nach unterschiedlicher
Begabung differenziert ausgebildet werden. Gesamtschulkonzepte
sind deshalb ein Griff in die Mottenkiste der 68er.
MARKUS BLUME
ist in der glücklichen Lage, eines der begehrten Sti-
pendien des Deutschen Akademischen Austausch-
dienstes, kurz DAAD, bekommen zu haben. Dieser
übernimmt in aller Regel wenn nicht alles, so doch
den Löwenanteil der Studiengebühren für seine
Stipendiaten. Dennoch ist das Auslandsstudium
für Angelika ein teurer Spaß. »Ich habe nicht mit
einem derart hohen Pfundkurs gerechnet«, klagt
sie. »Zum Glück haben meine Eltern verstanden,
wie sehr mich das hier weiterbringt. Wenn sie
nicht für die Differenz auf meinem Konto aufkom-
men würden, ja, dann...«
Studiengebühren muß Andrea in Trient nicht be-
zahlen, aber auch sie ist auf ein Stipendium ange-
wiesen, weil sie daheim ihre Wohnung nicht aufge-
ben wollte. In ihrem Fall kommt das Cusanus-Werk
für einen Teil der Kosten auf, da Andrea Stipendia-
tin in der Begabtenförderung der katholischen Stif-
tung ist. Auch die politischen Stiftungen, etwa die
Konrad-Adenauer-Stiftung, legen ihren Stipendia-
ten während des Auslandsaufenthalts ein paar hun-
dert Mark monatlich drauf. Dafür sind die Stipen-
diaten ihren Geldgebern allerdings auch Rechen-
schaft schuldig. »Ich muss dem Cusanus-Werk de-
tailliert berichten«, erklärt Andrea, »welche Ver-
anstaltungen ich besuche und welche Leistungen
mir in Deutschland anerkannt werden. Das ist
manchmal gar nicht so einfach!«
Amerika, du hast es besser?
Vom finanziellen Standpunkt aus ist Amerika,
der Wunschtraum so vieler Studenten, ohne ein
Stipendium irgendwelcher Art fast nicht zu ma-
chen. Außerdem haben die anglophonen Länder
neben den horrenden Gebühren noch einen weite-
ren Nachteil: den Studienaufbau. Ein deutscher
Hauptstudiumsstudent hätte in England oder
Amerika den Bacherlor-Titel vermutlich schon er-
worben und würde im Masters-Programm weiter-
studieren. Aber da die deutsche Zwischenprüfung
nicht als berufsbefähigender Abschluss anerkannt
wird, müssen die Austauschteilnehmer meistens
an den »undergraduate studies« teilnehmen, mit
deutlich jüngeren Kommilitonen. Karsten,
der in Kalifornien studiert hat, beklagt die
Folgen: »Vernünftige Leute waren im Se-
mester eigentlich nicht zu finden. Die mei-
sten waren gerade achtzehn und haben
hauptsächlich die Nächte durchgemacht.
Es hat ein wenig gedauert, bis ich richtige
Freunde gefunden habe. In dieser Hinsicht
ist Amerika nicht so der Hit.«
Vor die eigene Haustür schauen!
Also: Warum in die Ferne schweifen?
Sieh’, das Gute liegt so nah: vierzehn weite-
re EU-Länder nämlich, die es studien-tech-
nisch zu erforschen gilt. Das ist zumindest
die Devise des European Community Ac-
tion Scheme for the Mobility of University
Students, kurz ERASMUS.
Auch dieses Programm vergibt Stipen-
dien, die über die Heimatuniversität relativ
leicht zu ergattern sind und noch einen
unschätzbaren Vorteil haben: dem Stu-
denten bleiben eine Menge bürokratischer
Formalitäten erspart, da die Universitä-
ten solche Dinge in Verträgen festgelegt
haben. Da sind dann Herkules-Arbeiten
wie der Antrag auf eine Aufenthaltsgeneh-
migung in Italien (für EU-Bürger – man
bedenke!) eher kabarettistische Beilagen
für’s Tagebuch.
Aber was hat die Studenten am meisten
beeindruckt? »Ich hätte vor der Abreise nie
gedacht, dass ich mich irgendwo anders so
wohlfühlen und mich so schnell einleben
könnte«, sagt Christiane nach ihrem Jahr in
Montpellier. »Dieses Gefühl, über seinen
Schatten gesprungen zu sein und sich zu
beweisen, dass man sich in völlig anderer
Umgebung behaupten kann – das wiegt
kein Stipendium auf!« K
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 11
uni: job oder flop?
»Z eugnisse? Erstklassig. Werdegang? Hochinteressant.
Arbeitshaltung? Hochmotiviert. So weit ausgezeich-
net! Aber eines würde mich noch interessieren: Waren Sie ei-
gentlich schon einmal für längere Zeit im Ausland?« Betrete-
nes Schweigen. Darauf ist der Kandidat nicht vorbereitet. Der
Arbeitgeber lächelt bedauernd – und stellt den anderen Be-
werber ein. Der war nämlich schon je ein halbes Jahr in Lon-
don und in Paris, hat in Mailand und in Buenos Aires studiert
und in Kuala Lumpur ein dreimonatiges Praktikum gemacht.
Man sieht, die Prioritäten sind eindeutig.
Auch das Lebensgefühl spielt mit
Dieser Fall ist natürlich überzogen. Und doch trifft er im
Kern ein Phänomen, vor dem heutzutage kein ambitionierter
Student mehr die Augen verschließen kann. Im Zeitalter der
Globalisierung zählt die Auslandserfahrung mitunter ebenso
viel wie das Examen mit Auszeichnung. Dabei ist es nicht so
sehr die perfekte Beherrschung einer fremden Sprache, die
den Auslandsaufenthalt für den Arbeitgeber so interessant
macht, obwohl Sprachkenntnisse immer sehr gern gesehen
sind. Zum begehrten Kandidaten wird der Bewerber viel-
mehr durch die Tatsache, dass er sich in einer ihm fremden
Umgebung mit fremden Sitten, fremder Sprache und unbe-
kannten Menschen organisiert und zurechtgefunden hat und
vermutlich bereit und in der Lage wäre, dieses Beispiel an fle-
xiblem Verhalten jederzeit zu wiederholen. Diese Tatsache ist
Semester für Semester Motor für vieltausende Studenten in
aller Welt, sich dem »Abenteuer Ausland« zu stellen.
Natürlich spielen bei vielen auch andere Dinge eine Rolle.
Tag für Tag nach dem Lernen einen Kaffee auf dem Montmar-
tre in Paris zu trinken, sonntags in Sankt Peter in Rom zur Mes-
se zu gehen, die Mitternachtssonne vor der Haustür zu haben
oder vielleicht sogar einmal für eine englische Eliteuni im Ru-
derboot auf der Themse sein Letztes zu geben – das sind alles
Dinge, für die es sich lohnt, eine Zeit lang darauf angewiesen
zu sein, sich von Null an neue Kontakte aufzubauen und mit
dem Partner nur via e-Mail oder Telefon zu turteln.
Etliche Studenten zögern mit der Entscheidung für das
Ausland vor allem, weil sie fürchten, Zeit zu verlieren. Sicher,
die deutschen Absolventen sind im europäischen Vergleich
nicht eben die jüngsten, aber obiges Beispiel sollte eigentlich
angedeutet haben, dass Regelstudienzeiten nicht unbedingt
10 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
uni: job oder flop?
New YorkAuslandsstudien werden immer mehr zur Regel
Ich war nochniemals in
ANDREA ULLRICH
das wichtigste Einstellungskriterium sind. Da es außerdem an
vielen Hochschulen möglich ist, sich Studienleistungen, die
an der ausländischen Hochschule erworben wurden, auch an
der Heimatuni anerkennen zu lassen, ist das Zeitargument
ein wenig in den Hintergrund gerückt. Objektiv mag man
zwar noch ein wenig langsamer sein als einige andere, aber
der subjektive Erfahrungsgewinn macht die ohnehin gerin-
gen Zeitverluste mehr als wett.
Die Finanzen - schon eher ein Problem!
Ein anderes Problem, das weitaus schwerer wiegt, ist die Fi-
nanzierung. In vielen Ländern ist der Lebensunterhalt teurer
als in Deutschland und hinzu kommen erheblich höhere Te-
lefonkosten als gewöhnlich. Außerdem wollen auch Zug-
oder Flugtickets bezahlt werden. Den weitaus größten Posten
bilden jedoch die Studiengebühren einigen Ländern.
Angelika studiert momentan an der St-Andrews Universi-
ty in Schottland und gibt freimütig zu, dass sie es sich nicht
leisten könnte, wie die anderen UK- oder EU-Studenten
mehr als 8000 Mark für ein Studienjahr zu zahlen. Aber sie
Wer sich heutzutage auf dem Arbeitsmarkt be-haupten will, der braucht mehr als nur einenguten berufsbefähigenden Abschluß. Berufser-fahrung und Flexibilität sind ebenso gefragt wiebeispielsweise Fremdsprachenkenntnisse. Undgerade die letzte Eigenschaften kann nirgendsso gut trainiert werden wie im Ausland. Doches gibt noch andere Gründe, warum immer häu-figer Studenten ihrer Heimathochschule eineZeitlang den Rücken kehren.
fahren transparent, rational und nach-
vollziehbar sind und tatsächlich eine be-
sondere Ausbildung der Besten zulassen,
so ist dies im Sinne einer begabungsori-
entierten Förderung zu begrüßen.«
Im Zuge der neuen Anforderungen
werden sich auch die Studieninhalte
verändern. Schon im Jahr 2005 wird die
Hälfte aller Studenten virtuelle Angebo-
te nutzen – das Online-Studium weicht
der klassischen Alma Mater. Private Un-
ternehmen und Hochschulnetzwerke
werden sich vor allem praxisnahen und
lukrativen Studieninhalten widmen.
So ist es auch die Praxisnähe, die bei
der Auswahl von Bewerbern bei großen
Unternehmen eine zentrale Stellung
einnimmt. Eine Befragung des Instituts
der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln
ergab, dass Plätze für Traineeprogram-
me in erster Linie aufgrund absolvierter
Praktika und eines zielgerichteten Le-
benslaufes vergeben werden. Erst da-
nach folgen die Studienschwerpunkte
und die Studiendauer, während The-
ma der Diplomarbeit und Doktortitel
hintere Plätze einnehmen. Beruhigend
für alle Nicht-Absolventen von Elite-
Hochschulen: Der Ruf der besuchten
Universität steht erst an 15. Stelle der
Auswahlkriterien. K
Bereits heute ist es nicht mehr üblich, ein Leben lang bei ei-
nem Unternehmen zu arbeiten. Das traditionelle »Life-
long Employment« weicht flexiblen Arbeitsformen, die hin-
sichtlich ihrer Dauer und ihres Inhaltes begrenzt sind. »Die
eigene berufliche Weiterqualifizierung wird immer wichti-
ger; der Mitarbeiter und Mensch wird immer mehr zum ‘Un-
ternehmer seiner eigenen Arbeitskraft’«, so Gert Stuerzebe-
cher (Bertelsmann AG). So sind alleine ein abgeschlossenes
Studium oder eine Ausbildung bei einem renommierten Un-
ternehmen kein Garant mehr für einen erfolgreichen Beruf-
seinstieg und eine lebenslange Karriere – der Markt ist hart
umkämpft und die Ansprüche der Unternehmen steigen.
Vorbei sind auch die Zeiten, als Juristen und Betriebswirte ei-
nen Großteil des Führungsnachwuchses stellten. Stattdessen
sind zunehmend Generalisten gefragt, deren Studieninhalte
nur von nachrangiger Bedeutung sind. Stuerzebecher: »Im-
mer mehr Unternehmen erkennen, wie wichtig eine poten-
tialorientierte Managemententwicklung wird. Von daher ist
das Wissen von Geistes- und Sozialwissenschaftlern, Natur-
wissenschaftlern oder Ingenieuren gerade in der Kombina-
tion besonders vielversprechend.«
Karriere durch Privatunis?
Auch innerhalb der Unternehmensstrukturen
sind Veränderungen im Gange. »Abbau von Hier-
archien verbunden mit Flexibilität bezüglich Ar-
beitszeit und Arbeitsort«, beschreibt Frank Naeve
(Deutsche Lufthansa AG) den Wandel der kom-
menden Jahrzehnte.
Eine Frage, die sich mit Blick auf die Rekrutierung
des Führungsnachwuchses stellt, gilt der Rolle der
Privatuniversitäten, die auch in Deutschland immer
stärkeren Zulauf verzeichnen: Werden die Chefeta-
gen des 21. Jahrhunderts bevorzugt mit Absolven-
ten von WHU und Co. besetzt? Maren Peters (Volks-
wagen AG), verneint: »Führungspositionen werden
intern nach einer praxisorientierten Bewährungs-
zeit besetzt. Dadurch wird die Chancengleichheit
für alle garantiert.« Anderer Ansicht ist Gert Stuer-
zebecher, der den Begriff »Elite« positiv sieht, im
Sinne von besonderen Fähigkeiten, Verantwor-
tungsbewusstsein und Unternehmergeist: »Wenn
Elite-Universitäten entstehen, deren Auswahlver-
12 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
Der Arbeitsmarkt verändert sich. Noch vor einigen Jahren waren
Begriffe wie »lebenslanges Lernen« oder »Halbwertzeit des Wissens« eher
unbekannt, ebenso wie »Employability« und »Softskills«.
Die Berufe der Zukunft werden sich in ihren Anforderungen deutlich von
den bisherigen unterscheiden.
Nachgefragt1. Wie sollen Studenten ihre Studienzeit gestal-ten, um bei Bewerbungen nach dem Studiumbessere Erfolgsaussichten zu haben?
Bertelsmann AG, Gert Stuerzebecher: Im Stu-dium (und insbesondere am Anfang des Stu-diums) sollte man ausprobieren, lernen, dannaber auch einen Zielfokus entwickeln und sichschliesslich für eine spätere praktische Tätigkeitqualifizieren. Die setzt voraus, nicht nur »Theo-rie« zu pauken, sondern das theoretisch gelern-te in unterschiedlichen Kontexten zu erproben,also Praktika im In- und Ausland, in verschiede-nen Sektoren wie Wirtschaft oder öffentlichemLeben. Effizienz und Zielorientierung sind dabeiwichtig, sollten aber nicht ein breites, die Inte-ressen- und Begabungsschwerpunkte ausschöp-fendes »Studium generale« verhindern.
Volkswagen AG, Maren Peters: Empfehlenswertist es, während der gesamten Studienzeit Prakti-ka zu absolvieren, um so erste berufliche Erfahrun-gen zu gewinnen. Weiter empfiehlt es sich, einmehrwöchiges Praktikum oder ein ganzes Studien-semester im Ausland zu verbringen, um so inter-nationale Erfahrungen sammeln zu können.
Deutsche Lufthansa AG, Frank Naeve: Manmuss Marktnischen finden, Zusatzqualifikatio-nen während des Studiums erwerben und früh-zeitig Kontakte mit möglichen Arbeitgebernaufnehmen. Eine zielorientierte Studienwahlund -durchführung ist wichtig und sie musslogisch nachvollziehbar sein. Aber auch außer-universitäres Engagement ist hier zu nennen.
2. Was ist hinsichtlich Praktika und Auslands-aufenthalten zu beachten?
Bertelsmann AG, Gert Stuerzebecher: Praktika sindwichtig für die »Einjustierung« auf die Realität, siegeben die Möglichkeit, Wissen und Fähigkeiten zutransferieren und insbesondere auszuloten, obein potentiell interessantes künftiges Betätigungs-feld tatsächlich zu einem passt. Auslandsaufent-halte, sei es durch Studium oder durch Praktika,sind nicht mehr Luxus, sondern notwendig. Dortlernt man, sich auf Neues flexibel einzustellen, an-dere Kulturen, Kommunikationsweisen und Ge-bräuche werden erfahrbar, insbesondere lerntman auch über sich selbst und die eigene Herkunftmehr, als wenn man immer in seinem angestamm-ten geographischen Bezugsrahmen verbleibt.
Volkswagen AG, Maren Peters: Mindestens einPraktikum sollte mit einer Zeitdauer von mehrals drei Monaten absolviert werden. Für die Er-weiterung der eigenen Sprachkompetenz undfür die Sammlung von internationalen Erfahrun-gen bewährt sich immer ein Auslandsaufenthalt.
Deutsche Lufthansa AG, Frank Naeve: Auf In-halte achten! Man sollte genügend Zeit einpla-nen, damit Projekte abgeschlossen werden kön-nen. Zu beachten sind die Vorlaufzeiten bei derBewerbung. Gut ist auch, sich abzuheben vonMitbewerbern durch eine besondere Länder-oder Praktikawahl (USA hat jeder)
3. Die Rolle des »außeruniversitären Engage-ments« spielt bei Bewerbungen zunehmendeine wichtige Rolle. Auf welche Details achtenSie diesbezüglich bei Bewerbungen?
Bertelsmann AG, Gert Stuerzebecher: Wir sindaktiven, initiativen und eigenständigen Men-schen interessiert, die ihren Beitrag bei derSchaffung der Medienwelt der Zukunft leistenwollen. Hinweise auf solche unabhängigen Per-sönlichkeiten und »Macher-Naturen« lassen sichbereits aus biographischen Informationen ge-winnen, sofern es sich um »echtes« Engagement
handelt. Dieses Engagement kann selbstver-ständlich die verschiedensten Facetten haben.
Volkswagen AG, Maren Peters: Der Bewerberzeigt durch sein außeruniversitäres Engagement,dass er vielseitig interessiert und qualifiziert ist.In welche Richtung das Engagement geht, istnicht entscheidend.
Deutsche Lufthansa AG, Frank Naeve: Die Über-nahme von Führungsverantwortung, kreativeund innovative Ideen sind gefragt. Auch sozialesEngagement bringt einen weiter.
4. Die Wirkung der Bewerbungsunterlagen sindvon entscheidender Bedeutung für das weite-re Bewerbungsverfahren. Welche Mängelentdecken Sie häufig in diesen Unterlagen?
Bertelsmann AG, Gert Stuerzebecher: Die Be-werbungsunterlage ist oft der erste Kontaktzwischen Unternehmen und Bewerber, diesemersten Eindruck kommt daher besondere Be-deutung zu. Es sollte sich von selbst verstehen,dass Bewerbungsunterlagen in fehlerfreiemDeutsch abgefasst werden – leider ist dies oftnicht so! Massenbewerbungen, in denen nichts-sagende Anschreiben an die »Sehr geehrten Da-men und Herren« gerichtet werden, führen inden seltensten Fällen zum Erfolg. Zu empfehlenist, sich in seinem Bewerbungsverfahren auf diewirklich Erfolg versprechenden Adressen zukonzentrieren und durch sorgfältige RechercheAnsprechpartner und mögliche Einstiegsoptio-nen zu identifizieren. Sodann sollten Anschrei-ben und Lebenslauf auf die in Frage stehendeAufgabe kommunikativ abgestimmt werden.
Volkswagen AG, Maren Peters: HäufigsterMangel ist, dass der Bewerber nur vage Berufs-vorstellungen in der Bewerbung angibt unddadurch schwierig einzuordnen ist.
Deutsche Lufthansa AG, Frank Naeve: Prinzipielllässt sich sagen, dass die Qualität der Bewerbungs-unterlagen durch entsprechende Trainings undunzählige Veröffentlichungen so hoch ist, dasszumindest im Führungsnachwuchsbereich keineBewerbungen eingehen, die tatsächlich aufgrundvon Mängeln aus dem Auswahlprozess fallen.
5. Wie kann sich ein Bewerber in seiner Bewer-bung von seinen Mitbewerbern positiv abheben?
Bertelsmann AG, Gert Stuerzebecher: Indemdeutlich wird, warum dieser Bewerber geradezu diesem Unternehmen möchte und warum ersich genau für diese Aufgabe interessiert. DurchAnschreiben und Lebenslauf, die Eindruck ma-chen, ohne dabei hyperaktiv, überoriginell oderaufdringlich zu sein. Je mehr man im Vorfeldüber ein Unternehmen und eine zu besetzendeStelle weiss, desto besser. Wenn man einer Be-werbung eine entsprechend sorgfältige Recher-che anmerkt und die Unterlagen in diesem Zu-sammenhang »Sinn machen«, kommt es eigent-lich immer zum Vorstellungsgespräch.
Volkswagen AG, Maren Peters: Der Bewerberschafft es, in seinen Unterlagen in knapperForm ein relativ klares Bild von sich und seinenWünschen zu zeichnen. Sehr wichtig ist es her-auszustellen, welche besonderen spezifischenQualifikationen er hat, die ihn gerade für die-ses Unternehmen interessant machen.
Deutsche Lufthansa AG, Frank Naeve: Vor Ein-sendung der Bewerbung sollte bereits Kontaktaufgenommen werden. Wichtig ist, die eigenePersönlichkeit in der Bewerbung zu skizzieren,wichtig vor allem in Hinblick auf die größerwerdende Bedeutung von Softskills.
Neue Berufspro-
file verändern die
Anforderungen
an die Bewerber
GEORG MILDE
MARKETING
in eigener Sache
Das rechte Maß an Anonymität
Allzu viel Überschaubarkeit möchten viele Studenten aber
auch wieder nicht. In kleineren Städten mit großen Unis wie
Heidelberg oder Freiburg oder auch Bonn ist ja aufgrund der
Studentenzahl noch ein gewisser Grad an Privatsphäre und
Anonymität gesichert. Aber wenn eine wirklich kleine Stadt
mit einer – vielleicht sogar besonders guten – kleinen Hoch-
schule zur Wahl steht, tun sich etliche junge Menschen
schwer damit. Christine hat an der Detmolder Musikhoch-
schule klassische Gitarre studiert und bewirbt sich jetzt in
Berlin auf einen Studienplatz an der Musikhochschule Hanns
Eisler. »Mir ist klar«, sagt sie, »dass es hier in Berlin mit orga-
nisatorischen Dingen wie Räumen zum Üben oder ähnli-
chem nicht so gut aussieht wie in Detmold, aber eine so fami-
liäre Atmosphäre wie dort möchte ich nicht nochmal haben;
denn wenn man am Abend mit jemandem ausgeht, weiss es
am nächsten Morgen schon die halbe Hochschule.«
Massenuniversitäten – ein zweischneidiges Schwert
Neben den bisher geschilderten Fällen gibt es aber auch et-
liche angehende Studenten, die ihre Ortswahl vom Fach ab-
hängig machen. Dabei haben bei den sogenannten Orchideen-
fächern wie Kurdologie, Indogermanistik oder Musikethnolo-
gie natürlich die großen Städte Vorrang. Abgesehen davon,
dass viele vergleichbare Fächer schon an mittelgroßen Univer-
sitäten gar nicht angeboten werden, bieten die Großstädte ei-
nen weiteren Vorteil. Wer beispielsweise in Berlin für Musik-
wissenschaft immatrikuliert ist, kann an Instituten von vier ver-
schiedenen Hochschulen Leistungsnachweise erwerben: an den
drei Universitäten und an der Hochschu-
le der Künste. Das gilt, je nach Studien-
angebot, auch für andere Fächer.
Andererseits sind Studienanfänger ge-
rade bei einer solchen Vielfalt an mögli-
chen Fächern, Kombinationen und Ex-
tra-Angeboten verstärkt auf Kontakte
zu älteren Semestern und deren Start-
hilfe angewiesen. Dieser Punkt geht wie-
der eindeutig an die kleineren Univer-
sitäten: Das Kennenlernen ist erheblich
einfacher, wenn man zum Beispiel in
der Mensa immer wieder über die sel-
ben Leute stolpert. Darüber hinaus ist
die Anonymität an den Massenuniver-
sitäten wohl auch mit verantwortlich
dafür, dass die studentische Politik dort
ein (meist linksradikales) Schattenda-
sein führt. Wahlen oder Versammlun-
gen gehen einfach in der Masse unter.
Der Geheimtipp: Die Fachhochschule
Gerade diese Negativa haben in den
letzten Jahren einen anderen Trend
deutlich verstärkt: den Gang zur Fach-
hochschule. Nähe zum Alltag, Praxisbe-
zogenheit, gute Lernbedingungen und
auch kürzere Studienzeiten sind die
Pluspunkte, mit denen diese Einrich-
tungen werben. Hinzu kommt, dass der
Studienablauf klar vorgegeben wird
und die Studenten deshalb weniger Zeit
verlieren. Außerdem: Überqualifikati-
on und fehlende Praxis machen Univer-
sitätsabsolventen in Deutschland immer
stärker zu schaffen. Auf dem Arbeits-
markt sind Spezialisierung und Effizi-
enz gefragt. Deshalb ziehen gerade klei-
ne und mittlere Betriebe immer häufi-
ger Fachhochschulabsolventen denUni-
versitätskollegen vor. Kleinere Hoch-
schulstandorte gerade in den Neuen
Ländern haben diese Tendenz genutzt
und so erfreuen sich beispielsweise die
Fachhochschule in Neubrandenburg,
aber auch die TU Cottbus, wachsender
Beliebtheit. Die anfängliche »Ost-pho-
bie« bei Studienanfängern aus dem Alt-
bundesgebiet hat stark nachgelassen.
Sabine aus Stuttgart fühlt sich in Neu-
brandenburg sehr wohl: »Ich weiss nicht
wieso, aber irgendwie ist der Studienall-
tag hier nicht so miefig und eingefahren
wie an vielen Unis im Westen, wo alles
seit Jahrzenten den selben Gang geht.
Hier herrscht sowas wie Aufbruchsstim-
mung und das motiviert!« K
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 15
uni: job oder flop?
Bei nicht wenigen Studenten läuft die Wahl des Studienor-
tes letztendlich auf die gute alte Heimatstadt hinaus. Wer
sich jedoch seine »letzte Freiheit vor dem Berufsalltag« (so die
landläufige Meinung über das Studentendasein) nach indivi-
duellen Vorlieben gestalten möchte, der hat fast unbegrenzte
Wahlmöglichkeiten, was Stadt und Lehranstalt angeht. Ein-
mal Großstadtluft schnuppern oder einmal aus der Anonym-
ität der Metropole fliehen und sich nur unter seinesgleichen
wiederfinden, einmal wo ganz anders hinziehen. Das sind die
eigentlichen Beweggründe für die allermeisten, die mit der
Immatrikulation auch den Wohnort wechseln.
Metropolen – noch immer aktuell
Dabei üben nach wie vor die ganz großen unter den Uni-
versitätsstädten eine enorme Anziehungskraft aus. Juliane,
die an der Freien Universität in Berlin Politologie studiert, er-
klärt ihre Uniwahl so: »Für mich – ich komme vom Land aus
Niedersachsen – ist das eine unheimlich tolle Erfahrung, in so
einer riesigen Stadt zu wohnen. Immer und überall ist etwas
los und es ist ganz egal, worauf ich gerade Lust habe: Irgend-
wo wird bestimmt ein entsprechendes Event angeboten. Das
ist einfach klasse!« Tatsächlich ist es vor allem das Kulturan-
gebot, das Städte wie Hamburg, Berlin und München als Stu-
dienstandorte attraktiv macht. Die Studienbedingungen hin-
gegen, vor allem für die großen Fächer wie Jura oder Medi-
zin, werden häufig in den kleineren Städten für besser gehal-
ten als in den Metropolen.
Großstädter zieht es »in die Provinz«
Bei vielen gebürtigen Großstädtern liegen typische Univer-
sitätsstädte wie Marburg oder Heidelberg im Trend. Clemens
aus Berlin hat der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze
gerade mitgeteilt, dass sein Erstwunsch für das Betriebswirt-
schaftsstudium Freiburg heisst. »Ich wollte eben mal raus aus
der Großstadt. In einer Stadt zu wohnen, die zum großen Teil
aus Studenten besteht und die überschaubar ist und wo man
eben in der Mittagspause auch ohne Verabredung jemandem
über den Weg laufen kann, das muss doch nett sein.«
14 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
uni: job oder flop?
Tübingen oder Berlin? Hamburg oder Frei-
burg? München? Heidelberg? Oder vielleicht
sogar Neubrandenburg? Studienanfänger
von heute sehen sich schon vor Beginn der ei-
gentlichen Plackerei mit einer folgenschweren
Entscheidung konfrontiert: der Wahl ihrer
zukünftigen akademischen Ausbildungsstät-
te. »Warum machst du dir so viele Gedanken?«
bekommt da manch einer von seinen Eltern
zu hören. »Ist es denn nicht völlig gleich, ob
du in Frankfurt am Main oder an der Oder
studierst? Bleib doch lieber zuhause, das ist
doch viel einfacher für uns alle.«Klein
und fein oder
großeweite
Welt
Kleinund fein oder
großeweite
Welt
Die Wahl des richtigen Studienortesist schwerer, als es scheint
ANDREA ULLRICH
Hasta luego Alemaña
Praktika, gerade die im Ausland,sind wichtig für uns Studenten, diewir orientierungslos auf den Ar-beitsmarkt zustolpern. In manchenStudiengängen gehören sie zumPflichtprogramm. BWLern stehenin dieser Hinsicht alle Türen offen.Auch finanziell. Wir Geistes- undSozialwissenschaftsstudis haben esda schon schwerer. Uns bleibt oftnur der müßige Gang zum Akade-mischen Auslandsamt, um wenig-stens noch einen Fahrtkostenzu-schuss vom DAAD zu ergattern.
Das klappt dann meist aufgrundabsurder Unterlageneinreichungs-fristen (»Was? Aber da wusste ichnoch gar nichts von meinen Plä-nen!«) oder unzureichenderSprachkenntnisse sowieso nicht.Andererseits ist es auch nicht dasschlechteste, ein unbezahltesPraktikum zu machen, aber ebennur solange wie man sich nichtzu Frohndiensten á la kopieren
im Akkord abkommandierenlässt. Das liegt aber bei jedemselbst. Das Wichtigste ist nämlich,dass man selbst vom Praktikumetwas hat. Fachlich und vor al-lem menschlich.
Daher mache ich mich nun aufnach Bogotá (»Mädchen, ist dasnicht zu gefährlich?«), um mich inder Behördenorganisation he-rumzutreiben. Nebenbei soll eineHausarbeit über das kolumbiani-sche Rentensystem herauskom-men. Hört sich nicht so umwer-fend an? Ist es aber. Gerade in denOECD-Ländern können wir uns inSachen Rente ja nicht mehr insFäustchen lachen. Das Praktikumist selbst organisiert und wird, dasist wichtig, von der Uni als solchesanerkannt. Möglichkeiten gibtes viele, man muss bloß genauwissen, was man wo will.
Kristin Vorpahl
mesterferien. Die Studenten haben an ihrer Universität aber
auch einen nicht zu unterschätzenden Vorteil: Sie lernen in
Kleingruppen und in einem fast großfamiliären Umfeld und
– für viele ihrer Kollegen an den staatlichen Hochschulen
nicht so angenehm – sie haben Anwesenheitspflicht für die
Veranstaltungen. Die Belohnung nach diesem nicht zu un-
terschätzenden Lern- und Prüfungsmarathon ist eine lukrati-
ve Anstellung in einem Unternehmen, die man allerdings an-
gesichts der eventuell selbst zu tilgenden Studiengebühren in
Höhe von 15.700 Mark pro Studienjahr auch benötigt.
Bildung statt Ausbildung?
Der Kampf für Absolventen einer unserer staatlichen Hoch-
schulen um einen Arbeitsplatz ist mitunter härter und länger
als für Absolventen privater Hochschulen. Dadurch, daß staat-
liche Hochschulen nicht ausschließlich am Markt orientiert
ausbilden müssen, kommt es zu einem teilweise Überangebot
von Absolventen, wie an der heutigen Juristenschwemme zu
erkennen ist. Die staatlichen Hochschulen haben den Vorteil,
nicht in erster Linie an dem Erfolg ihrer Studenten in der »Ar-
beitswelt« gemessen zu werden. Sie können sich, wie der Prä-
sident der Universität Witten-Herdecke (UWH), der Philo-
soph Walther Zimmerli sagt, unabhängig von den Marktchan-
cen überlegen, was die Inhalte ihrer Ausbildung sein sollen.
Die staatlichen Universitäten dürfen sich aber auch gar nicht
auf das Spiel einlassen, Privathochschulen zu imitieren. Sie
spielen in einer anderen Liga, unter anderem deswegen, weil
sie sich staatlich finanzieren – auch wenn fast alle Privatuni-
versitäten auf staatliche Zuschüssen angewiesen sind.
Wettbewerb der Zuschüsse
In den staatlichen Zuschüssen für Privathochschulen sieht
Professor Dr. Klaus Landfried, Präsident der Hochschulrek-
torenkonferenz (HRK), auch einen der wesentlichen Kri-
tikpunkte an diesem Hochschulmodell. Er merkte im Rah-
men seines Jahresberichtes vor dem 187. HRK-Plenum an,
daß man die umfangreiche finanzielle Förderung einiger
neugegründeter »Privatuniversitäten« durch einige Bun-
desländer, begleitet von Mittelkürzun-
gen und Personalabbau an staatlichen
Hochschulen, die immerhin 98 Prozent
aller Studenten in der Bundesrepublik
ausbilden, mit Besorgnis betrachten
muß. Zu Recht. Wie ist es zu erklären,
daß Länder, die ein Verbot von Studien-
gebühren im Hochschulrahmengesetz
fordern, gleichzeitig von den geplanten
Studentenzahlen her betrachtet kleine
private Hochschulen mit für ihre Größe relativ hohen Inve-
stitionsmitteln unterstützen und ihnen jährliche Studienge-
bühren von bis zu 20.000 Mark gestatten? Zumal noch mit
Subventionen aus Steuermitteln für den laufenden Betrieb
zu rechnen ist. Eine solche Subventionierung kann jedoch in
eine »Zwei-Klassen-Gesellschaft« von Hochschulen führen,
die nicht begründet ist. Private Einrichtungen machen we-
der besondere Angebote, die die staatlichen Hochschulen
nicht machen, noch sind private Hochschulen pro Absolvent
kostengünstiger als die staatlichen. Somit sollten
private Hochschulen prinzipiell auch privat finan-
ziert werden.
Reformen staatlicher Hochschulen
Die Freiheit von Forschung und Lehre staatli-
cher Hochschulen darf hingegen nicht dazu
führen, daß es keinerlei Reformen gibt. So ist wohl
die Verwaltung eine der größten Geisseln unserer
staatlichen Hochschulausbildung. Viele talentierte
Akademiker gehen heute ins Ausland, auch weil
sie sich dort freier und von Bürokratie ungebunde-
ner ihrer Forschung widmen können. Auch muß
man sich überlegen, an welchem Rad man drehen
muß, um bei unseren überlaufenen Universitäten
noch einen vernünftigen Lehrbetrieb zu gewähr-
leisten. Liegt eine Schwäche hauptsächlich bei den
Herren Professoren, die sich lieber ihren Publika-
tionen widmen, anstatt sich intensiver um ihre
Studenten zu kümmern oder ist es nicht eher so,
daß es auch viel zu viele junge Menschen mit
Hochschulzugangsberechtigung gibt?
Erst wurde das Abitur sozialisiert und dann be-
schwert man sich, daß es zu viele Studenten gibt
und die Universitäten hoffnungslos überlaufen sind.
So studierten 1950 nur 3 Prozent eines Altersjahr-
ganges, 1999 waren es schon 30 Prozent. Da darf es
nicht überraschen, wenn in den 70er-Jahren auf ei-
nen Professor 22 Studenten kamen und es jetzt 57
Studenten je Professor im Durchschnitt sind. Auch
kann es nicht sein, daß es an der Universität Stutt-
gart 1996 einen Sturm der Entrüstung gab, als die
damalige Rektorin, Frau Professor Heide Ziegler,
mit einer Briefaktion alle Studenten, die mehr als
achtzehn Fachsemester immatrikuliert waren, zum
Abschluß oder zur Exmatrikulation drängen wollte.
Hier muß ein vernünftiger Riegel vorgeschoben
werden, damit Bummelstudenten nicht die Studi-
enplätze für Nachrückende blockieren.
Wie geht’s weiter?
Es kann weder die private noch die staatliche
Universität für sich in Anspruch nehmen, die voll-
kommene Hochschulart zu sein. Ist die private Uni-
versität in der Lage sich verhältnismäßig schnell
auf sich verändernde Anforderungsprofile einzu-
stellen und ihre Studenten haben ein kurzes Stu-
dium, so ist der Vorteil der staatlichen Universi-
tät in ihrer Unabhängigkeit und in der Vielfalt ih-
res Lehrangebotes zu sehen. So ist nicht das Ein-
heitsmodell die Lösung, sondern eine große Viel-
falt, in der die privaten Universitäten als ein
»Leuchtfeuer« gelten können. K
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 17
uni: job oder flop?
Es gibt einen Hauptunterschied zwischen privaten Hoch-
schulen und staatlichen Hochschulen: Die privaten müs-
sen sich am Markt behaupten! Sie sind dem Gesetz von Ange-
bot und Nachfrage unterworfen. Ist ihr Produkt schlecht, so
wird es nicht gekauft, wie in jedem produzierenden Gewerbe.
Nur das in diesem Fall das Produkt die ausgebildeten jungen
Akademiker sind, die sich gegen die Konkurrenz von den
staatlichen Hochschulen durchsetzen müssen. Dieser Kampf
um das Bestehen am Markt zwingt die privaten Universitäten,
sich ihre Studenten auszuwählen. Ein Privileg, um das sie
manch staatliche Hochschule beneidet. Nur wenn sie auch
gutes »Material« erhalten, können sie leichter gute »Produk-
te« daraus formen. Es müssen motivierte Studenten sein.
Erwartungsdruck
So verlangt die European Business School (ebs), Schloß
Reichertshausen, eine private wissenschaftliche Universität
für Betriebswirtschaftlehre, etwa 55 Klausuren, Seminar und
Projektarbeiten in vier bis fünf Jahren, zudem noch einen
praktischen Ausbildungsteil in Form von Praktika in den Se-
16 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
uni: job oder flop?
In die Diskussion um eine Reform der
bundesdeutschen Hochschulen drängen
sie sich die Privaten immer stärker auf. Sie
haben den Ruf Kaderschmieden zu sein;
teuer, exklusiv, anspruchsvoll und karrie-
refördernd. Private Hochschulen nach US-
amerikanischem Vorbild. Meist sind sie
wirtschaftorientiert, dazu konzipiert, den
Nachwuchs für die Vorstandsetagen durch
hartes Studium verbunden mit »Auslands-
einsätzen« zu trimmen. Es stellt sich die
Frage, ob die private Hochschule das Bil-
dungsmodell der Zukunft ist.
Was bringen private Hochschulen?
Privat oderstaatlich?
Das istdie Frage
JAN-HENDRIK KLAPS
»Die Freiheit vonForschung und
Lehre staatlicherHochschulen darf
nicht dazu führen,dass es keinerleiReformen gibt.«
Hier bietet sich gleichzeitig die
Chance, die Hochschulfinanzie-
rung grundlegend zu reformieren, um
die Studienbedingungen erheblich zu
verbessern: Eine Lehre mit überfüllten
Hörsälen, schlechten Veranstaltungen,
fehlender Betreuung, leeren Bibliothe-
ken, gekürzten Studiengängen, unbe-
setzten Lehrstühlen und vielen admi-
nistrativen Hürden einer großen Ver-
waltung darf nicht die Norm sein.
Die Fragestellung war: Wie kann
man Anreize schaffen, dass sich die Stu-
dienbedingungen grundlegend verbes-
sern, dass Studieren an deutschen Hoch-
schulen wieder Spaß macht, dass die
Professoren sich für ihre Studenten in-
teressieren, die Ausstattung stimmt etc.
? Das derzeitige System bietet diese An-
reize nicht, das bekommen wir als Stu-
denten jeden Tag zu spüren.
Um hier eine grundlegende Verbesse-
rung zu erreichen, müssen Marktmecha-
nismen stärker genutzt und Leistungs-
anreize erzeugt werden. Dabei sollen Stu-
denten stärker an den Kosten ihrer Aus-
bildung beteiligt werden. Die Nachteile
der sozialen Diskriminierung und Ab-
schreckung müssen vermieden werden.
Folgende Anforderungen haben wir an
ein Studienbeitragsmodell gestellt:
E Das System soll Anreize zu effizien-
tem Handeln für Hochschulen, Studen-
ten und Staat schaffen
E Durch die Steuerung durch Nachfra-
ge nach Bildung soll Wettbewerb zwi-
schen den Hochschulen entstehen
E Der Mittelzufluss aus den Studien-
beiträgen muss direkt und sofort an die
Hochschulen erfolgen. Die Einführung
von Studienbeiträgen ist also ein unmit-
telbarer Beitrag zur Behebung der Un-
terfinanzierung an den Hochschulen
E Das System muss Chancengerechtig-
keit herstellen und sozialverträglich sein.
Sozialverträglichkeit bedeutet nicht, dass
nur die Kinder wohlhabender Eltern
zahlen müssen, sondern dass alle Stu-
dierenden, egal welcher Herkunft, in die
Lage versetzt werden, Studienbeiträge
zu zahlen (durch Darlehensaufnahme
mit staatlicher Bürgschaft und einkom-
mensabhängiger Rückzahlung)
E Das Modell darf zu keinen weiteren
staatlichen Belastungen führen. Das be-
deutet, dass das Modell auch in Zeiten
knapper Kassen des Landes Berlin um-
gesetzt werden kann.
E Die Rückzahlung soll in Abhängig-
keit vom späteren Lebenseinkommen
erfolgen.
Der Stifterverband der Deutschen
Wissenschaft und das Centrum für
Hochschulentwicklung haben 1998
gemeinsam ein Studienbeitragsmodell
entwickelt, das diesen Ansprüchen in
hohem Maße genügt. Darin ist vorge-
sehen, dass etwa 20-30 Prozent der
Ausbildungskosten (Kosten der Lehre)
von den Studenten in Form von Studi-
enbeiträgen selbst aufgebracht werden
(ca. 200 bis 1000 Mark pro Semester
für Wirtschaftswissenschaftler). Um die
Beiträge zahlen zu können, müssen vie-
le Studenten einen Kredit aufnehmen,
der in Abhängigkeit vom späteren Le-
benseinkommen zurückgezahlt werden
soll. Nur, wer später über ein entspre-
chend hohes Einkommen verfügt, muss
den Kredit zurückzahlen. Der Studien-
beitrag wird pro Semester erhoben – die
letztendliche Darlehenshöhe ist damit
von der Studiendauer abhängig. Die
verbleibenden 70-80 Prozent der Aus-
bildungskosten soll auch weiterhin der
Staat tragen. Allerdings sind hier Bil-
dungsgutscheine die beste Form. Auch
hier erfolgt eine Umstellung der bisher
angebotsorientierten hin zu einer nach-
frageorientierten Finanzierung. Der Wert
eines Bildungsgutscheins ergibt sich aus
den durchschnittlichen Kosten eines
Studiengangs pro Semester minus des
Anteils der Studienbeiträge. Das Land
gibt diese Gutscheine an jeden Hoch-
schulzugangsberechtigten aus. Der Stu-
dent löst die Gutscheine an der Hoch-
schule seiner Wahl ein und diese wie-
derum holt sich das Geld vom Land.
Grundsätzlich muss jeder Student den
Studienbeitrag zahlen. Diese Beiträge
fließen direkt an die Hochschule (am
besten an die Fakultät), an der der be-
treffende Student immatrikuliert ist. Das
führt unmittelbar zu einer Anbieter-
Nachfrager-Beziehung zwischen Student
und Hochschule und damit zu erhebli-
chem Wettbewerb der Hochschulen um
die Gunst der Studenten: Wären viele
Studenten unzufrieden mit dem Lehr-
angebot einer Uni und wollten wechseln,
würde das heute niemanden stören – im
Gegenteil: damit nähme die Arbeit für
Professoren und Mitarbeiter ab und es
gäbe nicht einmal Sanktionen wegen der
schlechten Lehre. Würden mit diesen
Studenten jedoch auch Beiträge und Bil-
dungsgutscheine wegfallen, könnte das
die Universitäten empfindlich treffen.
Andersherum: Mit der Gunst der Stu-
denten wächst auch die Ausstattung.
In der Bildungspolitik müssen neue
Wege beschritten werden. Wenn der
echte große Wurf mit einer strukturel-
len, tiefgreifenden Reform der Hoch-
schulen nicht den Bildungspolitikern
(insbesondere in den Bundesländern)
gelingen wird, dann werden die Finanz-
politiker »reformieren«; und das wäre
verheerend für den Hochschul- und Bil-
dungsstandort Deutschland. K
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 19
uni: job oder flop?
Das 4. Gesetz zur Änderung des Hochschulrahmengeset-
zes sieht bessere Möglichkeiten zum Transfer von be-
reits erbrachten Studienleistungen vor – z.B. der Teilnahme
an Vorlesungen, dem Erbringen von Hausarbeiten, Semi-
nararbeiten etc. Bislang zählte nur, ob man bestanden oder
eben nicht bestanden hat. Das bereits vor zwei Jahren einge-
führte Credit Point System gibt die Möglichkeit, für eben sol-
che Studienleistungen Punkte zu vergeben, von denen man
am Ende des jeweiligen Studienabschnittes eine Mindestan-
zahl haben muß. Aber das Wechseln der Hochschule oder
des Studienfaches wird erheblich erleichtert.
Einige Beispiele: Ein Student...
E ...aus München gelangt zur An(Ein-!)sicht, daß es in
Schleswig-Holstein viel schöner ist. Aus München zieht er
weg und studiert ab sofort an der Christian-Albrechts-Univer-
sität zu Kiel – ohne European Credit Point System ist die An-
erkennung guter Leistungen eine reine Ermessenssache der
jeweiligen Fakultät, mit dem European Credit Point System
kann man auf bereits erworbenen Punkten aufbauen.
E ...der BWL studiert, meint, daß er mit seinem Studienfach
nicht die richtige Wahl getroffen hat. Er entscheidet sich, Jura
zu studieren und bricht BWL ab. Ohne das Credit Point Sy-
stem muß er alle Studieninhalte der Rechtswissenschaften
durchlaufen – mit dem Credit Point System kann er z.B. im
Abschnitt Wirtschaftsrecht bereits erarbeitete Punkte auf den-
selben Abschnitt im Jura-Studium anrechnen lassen und um-
geht somit eine Wiederholung von bereits gelerntem Stoff.
E ...der in nahezu allen Hausarbeiten, Semi-
naren oder sonstigen Prüfungen gute, durch-
schnittliche oder ausreichende Leistungen
bringt, hat bei der Abschlußprüfung einen
schlechten Tag und fällt in der Prüfung durch.
Das ECPS modularisiert das Studium hin-
gegen: Wer im jeweiligen Studienabschnit-
te die ausreichende Punktzahl erreicht hat,
braucht am Ende des Studiums nicht den ge-
samten gelernten Stoff zu wiederholen und
abgeprüft zu werden.
Dadurch, daß dieses Credit Point System auch
im europäischen Ausland praktiziert wird, wer-
den Wechsel an Hochschulen im europäischen
Ausland wesentlich attraktiver.
Freizügigkeit erhalten,Vergleichbarkeit herstellen
Eines muß man jedoch beachten: Das bislang
eher freizügig gestaltete Studium, wo man von
der Teilnahme an Vorlesungen bis hin zur An-
zahl der Semester nahezu alles selbst entschei-
den konnte, wird verpflichtender. Es findet al-
so eine Art »Verschulung« statt. Die Mindest-
punktanzahl muß nun einmal erreicht wer-
den. Drunter geht es nicht.
Neben den vielen Vereinfachungen, die das
ECPS bringt, erhält man durch diese Art des
Studiums auch eine Möglichkeit zum Ver-
gleich der erbrachten Leistungen in einem
Fach – das, was an den Schulen also das Zen-
tralabitur bringen soll, ist an den Hochschu-
len bereits möglich. Ob nun ein Schüler oder
ein Student – wer Leistung bringt, muß auch
wissen können und dürfen, wie gut er im Ver-
gleich zu anderen ist. K
18 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
uni: job oder flop?Hamburg, München, Berlin – oder doch lie-
ber im Ausland? Für Abiturienten gestaltet
sich die Frage nach dem richtigen Studienort
häufig sehr schwierig. Der berufliche Vorteil
eines Studiums im Ausland aber auch Uni-
Rankings und der Ruf einer Hochschule spie-
len in die Entscheidung hinein. Neu ist das
Wechseln von Hochschulen keinesfalls. Neu
aber ist die Möglichkeit, bereits erbrachte
Studienleistungen bei einem Wechsel der
Hochschule – bei gleichen Inhalten sogar des
Studienfaches – anrechnen zu lassen.
Die Vergleichbarkeit von Bildungs-
abschlüssen durch das European Credit
Point System (ECPS)
Von MünchenbisKiel MARK BLUE
»Warum fordern Studenten Studiengebühren?« wurden wir als Teil-
nehmer eines Seminars an der Universität oft von unseren Kommilito-
nen gefragt. Der Grund ist offensichtlich: Die Studiensituation an den
Hochschulen ist seit langem nicht zufriedenstellend. Und für die Zukunft
muss ein Modell gefunden werden, das die Ausstattung der Hochschu-
len unabhängig von der Finanzlage der Länder sicherstellt.
KATRIN SCHWEINS, WOLFGANG STRICKER
Studiengebühren alsHeilmittel
lifestyle
Börsenspekulation via Internet ruft
mittlerweile auch den deutschen
Pioniergeist auf den Plan. Wer nicht
selbst eine E-Firma an den Markt
bringt, der investiert eben. Die ameri-
kanischen Kids haben es vorgemacht.
Und dann gibt es natürlich noch die
jungen Feuilletonisten, die sich gegen-
seitig hochloben, um die Missgunst
der alten Revierwölfe ertragen zu kön-
nen. Benjamin von Stukkard-Barre
zum Beispiel, der Vorzeige-Zeitungs-
mann der jungen Journalistengilde
möbelt derzeit das Image der FAZ auf.
Er und all die anderen des neuen Ber-
lin puschen sich selbst zum Medien-
event und ernten dafür oft mehr als
nur Spott. Alles toll und Sonnen-
schein, aber wo bleiben die, die E-Mail
für Emaille halten und bei yahoo an
die Flintstones denken? Diejenigen
also, denen schlaue Werbeleute zum
Abonnement eines bekannten Wo-
chenmagazins raten, um ihr Wissen
aufzubessern?
Wundermedium TV
Die Antwort hierauf gibt das letzte
Fernsehjahrzehnt. Das Fernsehen gilt
bisweilen als das einzige Medium in der
Gesellschaft, dass sich noch richtig ba-
sisnah gibt. Programmchefs wissen, dass
sie nur Erfolg haben, wenn sie machen,
was dem Publikum gefällt. Und dem er-
lauchten Publikum in seiner ganzen
Masse gefällt nun einmal die Welt der
Volksmusik in all ihren Facetten ebenso
wie die Daily Soap. Aber das Leben der
meisten Menschen entspricht selten
den Traumwelten, die ihnen da unter-
gejubelt werden. Und, das wird immer
wieder betont, das Leben schreibt nun
einmal die besten Geschichten. Auf die-
sen Trichter sind die Erfinder der Talks-
hows schon vor Jahren gekommen.
Meiser, Kiesbauer & Co.
Einmal im Fernsehen sein, dass wün-
schen sich die vielen Menschen, die
sonst eher nicht im Rampenlicht der
Öffentlichkeit stehen. Aber wie man
diesen geheimen Wünschen nach-
kommt und damit so richtig volksnah
agiert, mussten sich auch Kogel, Thoma
und Co. erst in Amerika abgucken. Dort
wuchsen die Talkshows wie Pilze aus
dem Boden. Die Ikone Oprah Winfrey
beispielsweise eroberte die Herzen ihrer
Zuschauerinnen, als sie ihren Diät-Hor-
ror breittrat. Millionen übergewichtiger
Amerikanerinnen kämpften Oprahs
schweren Kampf mit – und gewannen
ihn mit ihr. Winfrey, die mittlerweile zu
den reichsten Frauen Amerikas gehört,
kann aber nicht zu den Talkerinnen der
Neuzeit gezählt werden. In ihre Fuß-
stapfen, mit ähnlichem Abspeck-Kum-
mer, trat auch die niedliche Ricky Lake.
Sie war als schwer übergewichtige Tee-
nagerin im Musical-Film »Hairspray«
zu Ruhm gekommen.
Quotenerfolg
Je mehr Talkmaster auf den Plan tra-
ten, desto größer wurde natürlich auch
die Konkurrenz. Mitte der 90er entfach-
te ein regelrechter Kampf um Publikum
und Themen. Je brutaler, gemeiner und
absurder die zwischenmenschlichen Be-
ziehungen, desto quotenträchtiger.
20 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
lifestyle Talkshows am Nachmittagerobern die Gesellschaft
Das letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts steht für Wis-
sensgesellschaft. In der Wissensgesellschaft kann nur be-
stehen, wer sich gut ausgebildet in den High-Tech-Kosmos
integriert und sich hier geschmeidig wie ein Delfin zwi-
schen den Anforderungen des Business-Lebens bewegt. In
den schlappen 80ern genügte es noch, einen reichen Papa
vorzuweisen, um in die Hochetagen der Eliten zu gelan-
gen. Im frischen 21. Jahrhundert ist das anders.
Dem Volk aufsgeschautMaul
KRISTIN VORPAHL
In Deutschland wurde der angegrau-
te Hans Meiser als einer der ersten von
RTL im Nachmittagsprogramm plaziert,
um sich die Krankheitsgeschichten und
Familiendramen des Volkes anzuhören.
Damals baute man noch auf das ältere
Publikum als Quotenbringer, heute
wissen die Macher, dass auch die Ju-
gend ihre Nachmittage gerne vor der
Glotze verbringt. Meiser talkt trotzdem
weiter, aber anders: je älter er wird, de-
sto frech-frivoler werden seine The-
men. Vergessen sind die Zeiten, in de-
nen Margarete Schreinemakers uns zur
Schlafenszeit gemeinsam mit ihren Gä-
sten die Ohren volljaulte. Im Gegensatz
zu Oprah verschwand sie – nach einem
Steuerskandal – in der Versenkung.
Während Meiser beharrlich den se-
riösen Obertalker mimt, lauern die
schicken Mittzwanziger schon in den
Vorsprech-Castings. Nachdem sich vor
einigen Jahren auch Brillenfee Ilona
Christen – sie galt als weibliches Pendant
zu Meiser – nicht mehr mit der Fernseh-
basis auseinandersetzen wollte, sorgte
der Auftritt von Arabella Kiesbauer bei
Pro7 schon länger für ansehnliche Ein-
schaltquoten. Seitdem kann sich das
Publikum immer neuer und vor allem
jüngerer und ausgefallener Talkmaster
erfreuen. Doch langsam geht den Talk-
mastern die Puste aus. Denn auf kon-
ventionellem Talkweg lässt sich mit der
Einschaltquote kein Blumentopf mehr
gewinnen. Die Gäste sind oft dieselben
und die Shows scheinen die Themen zu
vererben. Was gestern noch bei And-
reas Türck heißgeredet wurde, findet
morgen schon regen Diskussionsbedarf
bei Bärbel Schäfer und umgekehrt.
Nutznießer Talkgast
Manche Talkgäste scheinen sogar auf
den Geschmack gekommen zu sein und
gelten bereits als Bestandteil des Talk-
show-Jet-Set-Lebens. Sie nennen sich
Talkshow-Hopper, hüpfen also von Show
zu Show. Fällt das der unangenehmen
Basis auf, dann kriegen die Hüpfer schon
mal Talk-Verbot. Dann ist Schluss mit
dem schönen Leben in den Großstadt-
Hotels und den paar Hundert Mark Ent-
schädigung. Dass die meisten Shows von
der Zuschauerschaft allerdings nicht all-
zu ernst genommen werden sollten,
liegt damit auf der Hand. So machte
kürzlich ein junger Zivildienstleistender
ein ungewöhnliches Eingeständnis bei
Sonja in Hamburg. Besagter Jungzivi
machte glauben, er sei arbeitslos, weil er
einem anderen Bedürftigen seinen Ar-
beitsplatz frei machen wolle.
Mehr Action
Eins ist klar: Abwechslung wird nicht
lange auf sich warten lassen. Geht man
davon aus, dass sich die Amerikaner ih-
res Fernseh-Vorsprungs von einer hal-
ben Dekade sicher sein können, dann
wird es im nächsten Jahr Zeit für mehr
Action auf deutschen Talkbühnen. Im
fernen Amerika waren schon Mitte der
Neunziger zahlreiche Ordner und Bo-
dygards pro Show notwendig, um die
angestachelten Gäste im Zaum zu hal-
ten. Nicht selten will da ein betrogener
Freund seinem Rivalen und der Ange-
beteten gleichzeitig an die Kehle.
Eine Goldgrube für Psychologen
Im Anschluss an die Show machen
sich naive Gäste oft Vorwürfe. Sie be-
dauern, ihr Intimleben landesweit kund-
getan zu haben und trauen sich kaum
noch auf die Straße. In den USA setzte
sich die angestaute Wut auf den Liebha-
ber schon mal nach der Show in einem
Mord fort. Schon fast Gewohnheit sind
die anschließenden und regelmäßigen
Besuche auf der Couch eines Speziali-
sten. Da ergeben sich auch für Psycholo-
gen in Deutschland ganz neue Berufsper-
spektiven. Vielleicht finden sie dann ja
auch heraus, was Menschen dazu bringt,
sich in Talkshows zu postieren.
Analysehilfe könnte ihnen hierbei die
schier unerträgliche Michael-Stich-Ehe-
frau Jessica behilflich sein. Die perfekte
Klischee-Blondine lockt die wahren Fans
auch am Samstag noch einmal vor die
Mattscheibe. Sie quakt die sogenannten
Talk-Highlights der Woche in kompri-
mierter Form vor. Die Kritiken sind ver-
herrend, aber das Publikum fährt darauf
ab. Aber solange sie keine Karriere in
Richtung Samstag-Abend-Show macht,
können auch die Kritiker beruhigt sein.
Gatte Michael soll – glaubt man Ankün-
digungen – auch bald ins TV-Business
einrücken. Darüber lästerte die geistreiche
Süddeutsche Zeitung schon mal prophy-
laktisch ab. Aber so könnte das Publikum
wenigstens einmal einen Elite-Angehö-
rigen hautnah erleben. Das wäre ja qua-
si so, als ob der FAZ-Chef Frank Schirr-
macher den Tigerenten-Club moderierte
oder die kecke Verona Feldbusch sich an
Reich-Ranicki auf seinem Sofa imLitera-
rischen Quartett ankuscheln würde. Es
ist wohl gerechtfertigt, dass Talkshows
die Gemüter der Menschen erregen,
denn jede einzelne ist eine Glosse wert.
Aber damit würden die Damen und Her-
ren Schreiberlinge gewaltig zur Ausbrei-
tung dieses Phänomens beitragen. K
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 21
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 23
bücher
22 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
bücher
K O L U M N E
BundesländerVASSILIOS THEODOSSIOU
5. Das Land Brandenburg
Brandenburg ist – um es einfach zu
sagen – der Landkreis der Stadt Berlin.
Die Trennung der Stadt Berlin von
ihrem Umland ist das wohl offensicht-
lichste Ergebnis der Grenzziehungen
bei der Länderbildung nach 1945. Hi-
storisch ist das heutige Land Branden-
burg der letzte Rest des 1947 aufgelö-
sten Landes Preußen, dessen Haupt-
stadt jedoch nicht Potsdam, sondern
eben gerade Berlin war. Jedoch: Die
Geschichte Brandenburgs mit der Ge-
schichte Preußens gleichzusetzen wäre
hingegen grundfalsch: In der branden-
burgischen Mark, der Landschaft also
zwischen Elbe und Oder sowie Havel
und Spree, die oft als »des Heiligen Rö-
mischen Reichs Streusandbüchse« be-
zeichnet wurde, entwickelte sich erst
seit dem 15. Jahrhundert unter der
Herrschaft der Hohenzollern zu einem
der preußischen Stammlande.
Eigenständigkeitsabstimmung
Als Eckpunkte der brandenburgi-
schen Geschichte sind vor allem terri-
toriale Veränderungen zu nennen: In
der Folge des Wiener Kongresses ver-
lor Brandenburg 1815 die Altmark,
die heute mehrheitlich zu Sachsen-
Anhalt gehört und gewann die Nie-
derlausitz hinzu, nach dem zweiten
Weltkrieg gingen schließlich alle Ge-
biete östlich von Oder und Neiße, ins-
besondere die Neumark verloren. Sei
1990 ist Brandenburg zum ersten Mal
eigenständiges Land. Wie lange die-
ser Zustand noch anhalten wird, wer-
den wohl in absehbarer Zeit die Wäh-
ler in Brandenburg und Berlin zu be-
schließen haben. K
Tip: Ingo Materna/Wolfgang Ribbe:
Geschichte in Daten – Brandenburg,
Koehler & Amelang, München 1995,
ca. 29,90 DM
Wer kann schon noch die 10 Gebote aus dem Stehgreif
aufsagen. Oder die drei Furien? Alles, was man eigent-
lich wissen sollte, aber immer wieder vergißt findet sich in ei-
nem neuen Sammelband, einer wahren Fundgrube für alle
Fans populärer Listenbücher.
6, 12, 14, 24, 66, …
Nach Zahlen geordnet, kann man sich hier fundiert und
unterhaltsam über alles informieren, was mit Zahlen & Ge-
schichte zu tun hat. So erfährt man alles über die 12 Apostel,
die 14 Punkte Wilsons, die 18 inoffiziellen homerischen Titel
im Ulysses von James Joyce oder die 24 Buchstaben des grie-
chischen Alphabets. Insgesamt 66 Texte bilden eine verg-
nügliche Kulturgeschichte der etwas anderen Art. (vt) K
Peter D’Epiro/Mary Desmond Pinkowish: 7 Weltwunder,
3 Furien und 64 andere Fragen, auf die Sie keine Antwort wissen,
ca. 448 S., Piper Verlag, München 1999, 44,00 DM
Lesen nach Zahlen
Ralf Bönt zählt zweifelsohne zu den be-
gabteren jungen deutschen Autoren. Er
wohnt, wie es sich gehört, in Berlin, wahr-
scheinlich, wie es sich gehört, in »Prenzel-
berg« und kauft Samstags beim Italiener um
die Ecke Antipasti, die zwar viel zu teuer sind –
aber man gönnt sich ja sonst nichts. Doch er
hat einen Makel: Er kommt aus Bielefeld. Das
ist in Prenzelberg so uncool, daß man entwe-
der einen Roman schreiben oder auswandern
muß. Bönt hat sich für den Roman entschie-
den und läßt seinen Helden Icks (warum ei-
gentlich nicht Icke?) von Berlin nach Bielefeld
reisen, auch wenn ihm – ist es ihm irgendwie
peinlich? – das Wort »Bielefeld« auf 170 Sei-
ten nicht einmal aus der Feder kommt.
Provinz-Vergangenheit
Es ist eine Reise in die Provinz und in die Ver-
gangenheit des Protagonisten, weg von all dem,
von dem er meint, daß es sein Leben lebens-
wert macht. Er besichtigt eine ihm fremd ge-
wordene Welt, deren Piefigkeit er wahrnimmt,
über die er sich aber auch nicht hinwegsetzen
kann, da sie ein Teil seiner eigenen Biographie
ist. Am Ende des Buches hat Bönt es geschafft:
Man hält Bielefeld mindestens für einen Vor-
ort von Wladiwostok und beneidet Icks um
sein Flugticket nach New York. Kein Buch für
Freunde von Ostwestfahlen-Lippe. (vt) K
Ralf Bönt: Icks. Roman,
Piper Verlag München 2000, 29,80 DM
Back to Bielefeld
Wer war Monsieur Kir, dessen königli-
cher Aperitif die Zierde jeder Speise-
karte ist? Gab es eine »Margeritha«, lebte
sie in Italien und mochte sie Pizza? Und was
hatte Lord Sandwich mit belegten Broten
zu tun? Diesen zentralen Fragen der west-
lichen Zivilisation widmet sich ein kleiner
Band, der den Leser zu einer Reise durch
die Geschichte von Speisen einlädt.
Speisefolge
Auch Deutsche hinterließen auf der Spei-
sekarte ihre Spuren: Fürst Pückler, der ein
Eis in den (damaligen) deutschen Farben
schwarz-weiß-rot kreierte oder Reichskanz-
ler Bismarck mit dem zugehörigen Hering.
Ein kulinarisches Lesevergnügen. (vt) K
Marcel Grauls: Lord Sandwich und Nellie
Melba. Wie berühmte Persönlichkeiten
auf der Speisekarte landeten, Kabel Verlag,
München 1999, 29,80 DM
Royal oderordinaire
»Dem deutschen Volke« steht über dem Eingangspor-
tal des Reichstagsgebäudes und keine Inschrift
könnte unpassender sein: Für Touristen aus allen Ländern
der Welt ist der Sitz des Bundestages mit seiner begehba-
ren Kuppel schon längst zur Hauptsehenswürdigkeit des
neuen Berlins geworden, weit vor dem Potsdamer Platz
oder der Nofretete. In einem hübsch bebilderten, etwas
offiziös daherkommenden Sammelband melden sich zum
Abschluß der Umbauten am ehrwürdigen Gebäude noch-
mal alle Gestalter zu Wort: So findet Sir Norman Foster, von
dem vor allem der Entwurf für die Kuppel stammt, daß
der Reichstag »ein optimistisches Zeichen für ein moder-
nes Deutschland« sei. Beiträge über die »Kunst am Bau«
des Reichstages und die Arbeit der Bundesbaugesellschaft
runden den Band ab, der vom FAZ Redakteur Heinrich We-
fing herausgegeben wird. (vt) K
Heinrich Wefing (Hrsg.): Dem deutschen Volke.
Der Bundestag im Berliner Reichstagsgebäude. Bouvier Verlag,
Bonn 1999, 68,00 DM
Kuppeltexte
Ein Jahrtausend wird besichtigt. Und wenn der Besucher
die »Frankfurter Allgemeine« ist, kann man sogar sicher
sein von knipsenden Touristenrudeln und Ballermannpau-
schalisten verschont zu bleiben. Das ganze Jahr 1999 hin-
durch hat die FAZ einmal im Monat in ihrer samstäglichen
Tiefdruckbeilage »Bilder und Zeiten« Schriftsteller, Wissen-
schaftler und Journalisten je ein Jahrhundert porträtieren
lassen, vom Wetterbericht bis zur Kunst. Ergänzt um eine
Chronik und einen bunten Schuber sind diese Beiträge nun
in Buch-, genauergesagt im Heftchenformat, erschienen. Das
hübsche Potpourri liest sich nicht immer ganz leicht. Den Au-
toren ging es erkenntlich nicht um eine Einführung in die Ge-
schichte der Jahrhunderte anhand der Eckdaten, sondern um
eine Reflexion der wichtigsten intellektuellen Strömungen
der Zeit aus heutiger Sicht. Doch auch diese, manchmal etwas
anstrengende und abgehobene Darstellungsweise, läßt für je-
des Jahrhundert ein konzises Gesamtbild entstehen, daß
mehr vermittelt als Zahlen und Fakten. (vt) K
Michael Jeismann (Hrsg.): Das Jahrtausend. C. H. Beck Verlag,
München 2000, 11 Bände, zusammen im Schuber 68,00 DM,
einzeln je Band 6,80 DM
Per aspera ad astra
AnzeigeAMA-Acedemy
Der JU-Bundesvorstand hat auf seiner letz-
ten Sitzung die folgenden Themenbereiche
vorgeschlagen, die kinder- und jugendspezi-
fisch aufbereitet und ansprechend präsentiert
werden könnten:
E Leben Formen Geben (Familie, Partnerschaf-
ten, Formen des Zusammenlebens)
E Aus- u. Weiterbildung, Forschung und Umwelt
E demokratische Beteiligungsmöglichkeiten von
Kindern und Jugendlichen
E Generationengerechtigkeit (Rente, Verschul-
dung)
E Europa
E sonstige Themen/Veranstaltungsmöglichkei-
ten wie z.B. Menschenrecht, Umfrageaktion,
Graffitiwettbewerb, Spiele, Sportevents usw.
Ideenwettbewerb: Auf gute Ideenkommt es an!
Natürlich hat sich der Bundesvorstand zu
den genannten Themen intensiv Gedanken
gemacht und Präsentationsmöglichkeiten aus-
gearbeitet. Ganz bewusst jedoch möchten wir
auch in den Verband »horchen« und hören,
was Ihr für Vorschläge habt. Auf gute Ideen
kommt es an, wenn wir auf der Expo Erfolg
haben und den Zugang zu vielen jungen Men-
schen finden wollen.
In der Gestaltung der Themen ist wichtig,
dass man sich die Zielgruppe vor Augen hält:
Wir gehen davon aus, dass vor allem die Alter-
sklasse 12 bis 18 das Big Tipi in der Woche »Demokratie
erleben!« besuchen wird. Aufgrund der Tatsache, daß die
Konkurrenz auf der Weltausstellung nicht schläft, er-
scheint uns eine attraktive und pfiffige Darstellung unse-
res Programms auch unter Einsatz neuester technischer
Hilfsmittel sehr viel Mühe wert. Wir setzen deshalb auf
Eure aktive Unterstützung. Bitte wendet Euch mit Euren
Vorschläge direkt an die Bundesgeschäftsstelle. Für Eure
ideenreiche Mitarbeit winkt auch das ein oder andere at-
traktive Dankeschön.
Helfer gesucht
Allerdings brauchen wir nicht nur viele gute Ideen, wir
brauchen auch viele engagierte JU-Mitglieder, die auf der Ex-
po mit anpacken wollen. Vom 26. Juni bis zum 2. Juli 2000
suchen wir deshalb vierzig engagierte Interessierte, die bereit
sind, eine Woche lang im Big Tipi sowohl an der organisatori-
schen Arbeit wie auch an der Gestaltung und Präsentation
des politischen Programms mitzuwirken. Täglich werden
zwei Schichten gefahren, so dass für jeden Helfer und jede
Helferin genügend Zeit bleibt, sich »nach der getanen Arbeit«
auf der Expo umzutun. Für die Helfer ist selbstverständlich
der Zutritt zur Expo gratis, Übernachtung und Verpflegung
werden ebenso gestellt. Es ist wohl nicht zuviel versprochen,
von einem einmaligen Erlebnis zu sprechen, die Weltausstel-
lung auf die Art und Weise zu erleben. Ein größerer Kreis in-
teressierte JUler aus dem Bereich der Jungen Union Nieder-
sachsen hat sich bereits gefunden und trifft sich regelmäßig
zum Expo-Stammtisch, doch wären wir für weitere Unter-
stützung dankbar. Interessierte melden sich bitte umgehend
in der Bundesgeschäftsstelle. K
Frank Thole ist Mitglied im Bundesvorstand und zuständig für die
Koordinierung des Engagements der Jungen Union auf der Expo
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 25
aktuell
Die Kinder- und Jugendplattform ist der Zusammen-
schluß des größen Teils der Träger der Jugend- und Kin-
derarbeit in Deutschland, die sich im Dezember 1996 zum
Zweck des gemeinsamen Engagements bei der Weltaus-
stellung Expo 2000 in Hannover gegründet hat. Als Darstel-
lungsort für die Kinder- und Jugendplattform hat man ein
großes Indianerzelt, ein Big Tipi, ausgewählt. Im Einklang
mit der Natur zu leben, diese Sehnsucht junger Menschen
wird durch das Big Tipi symbolisiert. Gleichzeitig weckt es
Erinnerungen an Zeltlager, Feriencamps, Urlaub und Ju-
gendfreizeiten, also Erlebnisse, die einen engen Bezug zur
Jugendarbeit aufweisen. Das Big Tipi wurde daher als geeig-
neter Begegnungsort für Kinder und Jugendliche aus aller
Welt auf der Expo 2000 gewählt.
Eine Woche lang »Demokratie erleben!«
Neben dem Bundesforum Kinder- und Jugendreisen, der
Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung, dem Deut-
schen Jugendherbergswerk, der Deutschen Sportjugend
und dem Deutschen Bundesjugendring, der die Kinder- und
Jugendplattform koordiniert und die Finanzierung sicher-
stellt, erhalten die politischen Jugendorganisationen (JU,
Jusos und Julis) vom 26. Juni bis 2. Juli 2000 die Möglich-
keit, eine Woche unter dem Motto »Demokratie erleben!«
gemeinsam ein entsprechendes Programm zu gestalten, was
vor dem Hintergrund des großen zu erwartenden Besuche-
randrangs ohne Zweifel eine große Chance darstellt.
»Demokratie erleben!« ist das Motto der Woche, die die
politischen Jugendorganisationen im Rahmen der Expo im
Big Tipi gestalten, und das sich genauso wie das generelle
Motto der Expo »Mensch – Natur – Technik« in den The-
men und Aktionen wiederfinden muss. Demokratie erle-
ben, hierzu gehört, sich über Demokratie zu informieren,
Demokratie zu erfahren und Demokratie selbst zu ge-
stalten. Es muß deutlich werden, dass Demokratie nicht
immer nur die anderen sind und dass sich politisches Enga-
gement lohnt. Es muss das Bewusstsein für Verantwortung
geweckt werden.
Die Themen
Bis Ende Januar 2000 geht es darum, sich mit den Jusos
und den Julis auf fünf Themen und ihre Präsentation zu
einigen, die dann jeweils einen Tag lang als Progamm aus-
gestaltet werden können. Die zwei verbleibenden Tage sol-
len offen bleiben: zur Reflexion, Zusammenfassung oder
auch Fortsetzung z.B. von Umfrageaktionen oder eines
Graffitiwettbewerbs.
24 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
MENSCH – NATUR – TECHNIKOhne die Junge Union darf die Expo
2000 natürlich nicht stattfinden: Des-
halb sind wir auf der Weltausstellung
in Hannover vom 26. Juni bis zum
2. Juli 2000 selbstredend aktiv mit
von der Partie. Gemeinsam mit den
Jusos und den Julis wird im Rahmen
der Kinder- und Jugendplattform
eine Woche lang unter dem Motto
»Demokratie erleben!« in einem
großen Indianerzelt ein Programm
gestaltet, das insbesondere den jun-
gen Expo-Besuchern Politik näher-
bringen und Interesse wecken soll.
Kinder- und Jugendplattform im Big Tipi:Helfer und gute Ideen gesucht!
Die Junge Union ist auf derWeltausstellung aktiv mit dabei!
FRANK THOLE
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 27
news
Alle drei aufgeführten Vorkomm-
nisse waren jedoch nichts anderes
als Schaumschlägerei. Es ist Schröder
gelungen, diese Ereignisse jeweils me-
diengerecht zu inzenieren.
1. Holzmann
Schröder ließ sich als der Retter des
Holzmann-Konzerns feiern. Diese Ret-
tung war angeblich möglich, weil die
Kreditanstalt für Wiederaufbau
250 Millionen Mark zur Ver-
fügung stellte und der
Staat eine Beihilfe von
150 Mio. Mark bei-
steuert. Damit wurde
das Insolvenzverfah-
ren abgewendet.
Fakt ist allerdings,
dass die Sanierung des
Holzmann-Konzerns nach
wie vor in der Schwebe ist.
Zum einen gibt es nach wie vor Pro-
bleme hinsichtlich des ursprünglich zu-
gesagten Beitrags der Arbeitnehmer.
Hier streiten sich Betriebsrat und Ge-
werkschaft darüber, wie der Beitrag er-
bracht werden kann, ohne dass dadurch
der Tarifvertrag unterlaufen wird.
Die Frage, ob die vom Staat zugesag-
ten Hilfen tatsächlich fließen können,
hängt letztlich von der Entscheidung der
EU ab. Nach den bisherigen Ent-
scheidungen des Wettbewerbs-
kommissars Monti, ist davon
auszugehen, dass dies als un-
zulässige Staatsbeihillfe an-
gesehen werden wird.
Des weiteren ist festzuhalten, dass bei
dem Sanierungskonzept derzeit 4.500
Arbeitsplätze zur Disposition stehen.
Für den Fall des Insolvenzverfahrens
gab es ebenfalls ein Konzept, bei dem
3.500 Arbeitsplätze abgebaut werden
sollten. Aufgrund des neuen Insolvenz-
rechtes wäre es durchaus möglich ge-
wesen, eine Sanierung im Insolvenz-
verfahren zu erreichen, die weniger Ar-
beitsplätze und weniger Staatsgelder
gekostet hätte. Und es wäre notwendig
gewesen, dass der Staat in dieser Weise
in den Lauf der Wirtschaft eingreift.
2. Zwangsarbeiterentschädigung
Die Verhandlungen drohten zu schei-
tern, weil die angebotene Summe nicht
ausreichte. Es war bald klar, dass eine
zweistellige Milliardensumme angebo-
ten werden muß. Da die deutsche Wirt-
schaft nicht bereit war, den ihr oblie-
genden Obulus entsprechend zu er-
hören, mußten für eine Einigung der
Staatsanteil erhöht werden. Hier konn-
te Wirtschaftsmann Schröder seine
Freunde nicht von einer höheren Be-
teiligung überzeugen. Er versuchte es
nicht einmal, sondern wollte die Ange-
legenheit vom Tisch haben.
Der absolute Hohn ist jedoch der Ge-
setzentwurf der Bundesre-
gierung zur Verteilung
der zur Verfügung
stehenden Gelder.
Hier versucht die
Bundesregie-
rung den Emp-
fängern vorzuschreiben, wie das Geld
verteilt werden soll. Dass die Betrof-
fenen hiergegen protestieren und den
gesamten Komplex in Frage stellen, ist
daher nur logisch.
3. Bündnis für Arbeit
Die größte Schaumschlägerei war aber
der angebliche Durchbruch beim Bünd-
nis für Arbeit. Etwa vier Wochen nach
diesem Erfolg erinnert sich schon gar
niemand mehr, was eigentlich Inhalt
war. Die Tarifparteien halten sich in im
anstehenden Tarifkampf in keiner Wei-
se mehr an die Abmachungen, jeder
sieht seine Position durch die wachs-
weichen, nichtssagenden Formulierun-
gen bestätigt. Die Forderungen der Ge-
werkschaften in den anstehenden Tarif-
verhandlungen zeigen, dass kein einzi-
ger Schritt nach vorne getan wurde. Die
Rente mit 60 ist ebenso wenig vom
Tisch wie die reine Lohnrunde. Für den
Abbau der Arbeitslosigkeit wurde eben-
so wenig etwas erreicht, wie für eine
strukturelle Änderung im Tarifsystem.
Alle drei Beispiele zeigen auf, dass
Schröder nicht in der Lage ist, Politik
mit Substanz zu machen. Es genügt
ihm, wenn er als Strahlemann vor den
Kameras stehen kann. Die Bezeich-
nung Schröders in der Werbung der
Jungen Union im Bundestagswahl-
kampf 98 als Schaumschläger hat sich
voll und ganz bewahrheitet. K
Tanja Gönner ist stellvertretende
Bundesvorsitzende der Jungen Union
26 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
aktuell
Die Luftnummern desStrahlemann Schröder
TANJA GÖNNER
Im November fing der Aufschwung der Regierung mit der angeblichen Rettung des
Holzmann-Konzerns durch Schröder an. Seit dem hat er mit der scheinbaren Lösung bei
der Zwangsarbeiterentschädigung, aber auch mit dem angeblichen Durchbruch beim
Bündnis für Arbeit jeweils für kurze Zeit Schlagzeilen positiver Art gemacht.
Bündnis für ArbeitZwangsarbeiterentschädigung –
Holzmann –18 . M Ä R Z 19 9 0
Gedächnishilfe
Was war am 18. März 1990? Schon verges-
sen? Am 18. März 1990 fanden die er-
sten freien Volkskammerwahlen in der DDR
statt. Der Zusammenschluss der bürgerlich-de-
mokratischen Kräfte der Mitte, die »Allianz für
Deutschland«, deren Ziel die Wiedererlangung
der staatlichen Einheit der Deutschen war, er-
reichte mit 48, 15 Prozent der Stimmen einen
überwältigenden Sieg.
Zeitreise 1990
Auf solche und andere wichtige Ereignisse
vor zehn Jahren weist die Konrad-Adenauer-
Stiftung im Internet regelmäßig hin und stellt
Material bereit. Das Kalendarium zum Verei-
nigungsjahr 1990 soll wichtige Etappen der
Vollendung der deutschen Einheit in Erinne-
rung rufen. Darüber hinaus werden Hinter-
grundinfos, Situationsberichte und neueste
Analysen geboten sowie Hinweise auf interes-
sante Veröffentlichungen und andere Info-
quellen gegeben.
Geht mit auf eine Zeitreise zurück zu den
dramatischen Ereignissen des Jahres 1990! Erst
in der Vergegenwärtigung des Vergangenen
wird das bis heute Erreichte deutlich sichtbar.
(www.kas.de) K
K O M P L E T T
Neu in der Bgst
Die Bundesgeschäftsstelle der Jungen
Union ist wieder komplett. Astrid
Patsch ist die Nachfolgerin von Andrea
Fisch als Internationale Referentin.
Astrid Patsch, 29, kommt aus Bayern
und ist seit 1. Februar bei uns in Berlin.
In Passau, Perugia, Kairo und Beirut
hat sie Politikwissenschaften, Jura, Ge-
schichte und Sprachen studiert und ar-
beitet noch an einer Promotion im Be-
reich Internationale Politik – Nahost.
Bevor Astrid nach Berlin kam, leitete sie
ein Projekt zur Achtung von Menschen-
rechten und Stärkung von Zivilgesell-
schaft im Libanon, das in Zusammen-
Z E I T R E I S E
Faszinierend
Science-Fiction ist »in«: »Star Trek«, »Baby-
lon 5«, »Stargate«, »Star Wars« oder »Akte X«
heißen die SF-Serien und -Filme, die Millionen
von Zuschauern vor die Glotzen locken und ei-
ne regelrechte Fankultur begründet haben. Ist
SF nur ein trivialer Zeitvertreib, oder steckt mehr
dahinter? Die Karl-Arnold-Stiftung veranstal-
tet vom 07.04.-09.04.2000 ein Seminar zum
Thema: »Faszinierend«: Science Fiction.
Im Seminar sollen sowohl soziologische und
ethische, als auch wissenschaftliche Fragestel-
lungen aufgegriffen und diskutiert werden: Wel-
ches Menschenbild und welche gesellschaftspo-
litischen Entwürfe werden präsentiert? Welche
Konflikte werden konstruiert und wie werden
sie gelöst? Wie realistisch sind die technischen
Prognosen – Reisen mit Überlichtgeschwindig-
keit, Außerirdisches Leben, Künstliche Intelli-
genz? Handelt es sich um wissenschaftlichen
Unsinn oder um realistische Visionen? Woher
kommt überhaupt die Faszination vieler Men-
schen für dieses Genre? K
Infos und Anmeldungen bei: Karl-Arnold-Stiftung
e.V., Venner Str. 55, 53177 Bonn,
Tel.: 02 28/3 82 07-60, Fax: 02 28/3 82 07-44,
e-mail: [email protected]
arbeit mit Partnern aus Deutschland,
Frankreich Jordanien und Libanon
durchgeführt wurde. »Das ist es«, sagte
sich Astrid, als sie die Stellenausschrei-
bung der JU las. Schnell hat es geklappt
und sie meint: »Zwischenzeitlich habe
ich mich schon recht gut eingearbeitet
und freue mich auf die Arbeit und den
Austausch mit Euch. Je mehr Impulse
von Euch kommen, desto besser wird
unsere gemeinsame Arbeit laufen!« K
Zu erreichen ist Astrid über:
[email protected] oder
Tel. 0 30-27 87 87-16
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 29
news
28 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
news
Der Wandel von der Industrie- in die
Informationsgesellschaft ist in aller
Munde. Sei es Internet, Email, WAP,
Richtfunk, DAB oder all die anderen
Wortkreationen hinter denen sich neue
faszinierende Chancen verbergen. Das
Fernsehen und die Presse bringen Inter-
netinfos am laufenden Band. Sendungen
wie Tomorrow-News auf nt-v haben
sich durchgesetzt. Die Menschen sind
an der Nutzung dieser Kommunikati-
onsmöglichkeiten sehr interessiert.
Kosten senken – Zugang erleichtern
Nicht alles verändert sich. Denn auch
in der Informationsgesellschaft wer-
den Bildung und Ausbildung wichtige
Schlüsselqualifikationen bleiben. Hin-
zu kommt aber das Wissen darüber,
sich Informationen zugänglich zu ma-
chen und damit verantwortlich umzu-
gehen (Medienkompetenz). Eng ver-
bunden ist damit die Nutzung des Inter-
net. Egal, ob Angebot oder Nachfrage
und ohne Übertreibung: das Internet
wächst explosionsartig. Eine Explosion
ist aber ein unkontrollierter Vorgang,
der Schaden verursachen kann. Des-
halb ist in diesem Bereich auch die Poli-
tik gefragt. Denn die Politik kann Vor-
aussetzungen schaffen und Rahmenbe-
dingungen setzen, damit sich das In-
ternet schnell verbreitet – so geschehen
in Skandinavien und den USA. Die Po-
litik kann (und muss) dafür sorgen, daß
die gesamte Gesellschaft in diesen Wan-
del integriert ist. Und: ein Mißbrauch
des Internet muß zurückgedrängt und
vermieden werden.
Internetpolitik wird sich zu einem
selbständigen Politikbereich emanzi-
pieren. Nicht zuletzt deshalb müssen
sich die Parteien damit beschäftigen –
je früher desto besser. Der Bundesvor-
stand der Jungen Union hat auf seiner
Januarsitzung in München das The-
ma Internet bereits eingehend disku-
tiert und anschließend den Beschluß
»Herausforderung Internet. Chancen
nutzen, Risiken begrenzen« einstim-
mig verabschiedet. Um das Internetan-
gebot mit kriminellen Inhalten zu redu-
zieren, setzt der JU-Bundesvorstand an-
gesichts der globalen Architektur des
Internet mehr auf Selbstregulierung als
auf staatliche Überwachung. Deutsch-
land müsse auch den Rückstand in
puncto Internetverbreitung gegenüber
Staaten wie den USA und Finnland
dringend wettmachen. Auf diesem Weg
sind die vergleichsweise hohen Online-
kosten ein großes Hindernis. Deshalb
müssen dringend die Kosten im Tele-
fonnahbereich gesenkt werden.
Politik transparent gestalten
Politik und Verwaltung sollten auch
ihrer Vorbildfunktion gerecht werden.
Die Politik könne über eine konsequen-
te Nutzung des Internet transparenter
werden und neue Möglichkeiten der de-
mokratischen Beteiligung erzeugen. Weil
bereits 50 Prozent der Internet-Nutzer
einfache Behördengänge vom eigenen
PC aus erledigen wollen, sei es Aufgabe
der Verwaltung, entsprechende und si-
chere Verfahren anzubieten (Quelle:
ACTA’99, Demoskopie Allensbach). Das
JU-Internetpapier enthält konkrete Vor-
schläge, die nach Ansicht des Bundes-
vorstands dringend politisch umgesetzt
werden müssen. Der Beschluß liegt zum
Download auf der Homepage der Jun-
gen Union (www.junge-union.de). Bei-
gefügt sind weiterführende Links und
Hintergrundmaterial.
Internetpolitik ist ein originäres The-
ma für die Junge Union. Es ist eine Her-
ausforderung für alle Ebenen der Jun-
gen Union – von der Kommunal- bis
zur Bundespolitik. Die Jugend von
heute will die neuen Medien nutzen.
Keine Altersgruppe beteiligt sich so
stark im Internet. Dieser Entwicklung
trägt auch der nächste Deutschlandtag
im Oktober Rechnung. Er wird unter
dem Zeichen der Medienpolitik statt-
finden. »Internet-Politiker« müssen
die jüngeren sein. Denn mit Internet
verbindet man eben in erster Linie kei-
ne Fünfziger. Die Junge Union sollte
diese neuen Chancen nutzen! K
Daniel Walther ist Mitglied im
Bundesvorstand der Jungen Union und
dort zuständig für neue Medien.
N E U E M E D I E N
Internet – Aufgaben der PolitikDANIEL WALTHER
Ob Kinder zum Glücks- oder zum Störfall werden, ent-
scheidet nicht zuletzt die Politik über die Rahmenbe-
dingungen, die sie für Familien setzt. Derzeit sind sämtliche
wirtschaftlichen, steuerlichen und rentenrechtlichen – also
aktuelle und langfristige – Anreize zugunsten von Kinderlo-
sen ausgerichtet, so dass sich diejenigen, die sich ihren Kin-
derwunsch dennoch erfüllen, heftigen strukturellen
Benachteiligungen gegenübersehen.
Solange die Bedingungen so bleiben, wie sie sind,
wird die Kinderlosigkeit weiterhin drastisch zuneh-
men, mit allen Folgen für Gesellschaft und Solidarsy-
steme. In der Talkrunde entwickelte sich schnell eine
differenzierte Diskussion um die Frage, warum gerade
in Deutschland, einem Land mit hohem Wohlstands-
niveau, Kinderwünsche immer seltener und zögerli-
cher umgesetzt werden.
Die wissenschaftliche Analyse, von Prof. Wassillios
Fthenakis vom Staatsinstitut für Frühpädagogik, Mün-
chen, verband sich mit anschaulicher Beleuchtung le-
benspraktischer Probleme und Fragestellungen von
Dr. Susanne Mayer, DIE ZEIT, zu einem Gesamtbild,
das die zentralen Anforderungen politischer Gestal-
tung für Familien nachdrücklich verdeutlichte.
Begünstigung familiär Ungebundener
Auch die sich anschließende Diskussion im fach-
kundigen Plenum bestätigte den Befund, dass nur
durch eine »kopernikanische Wende« (Fthenakis)
im Verständnis der (Familien-) Politik zugunsten ei-
nes expliziten Ansatzes ein nachhaltiger und effekti-
ver Prozess in Gang gesetzt werden wird, der die fort-
schreitende, den gesellschaftlichen Zusammenhalt
und die Solidarsysteme bedrohende Polarisierung
zwischen Familiensektor und Kinderlosen einzu-
dämmen vermag. Auch Dorothea Störr-Ritter und Christine
Henry-Huthmacher unterstrichen, dass die derzeitige – auch
von Rot-Grün nicht in Frage gestellte – strukturelle wirt-
schaftliche Begünstigung familiär Ungebundener auf dem
Arbeitsmarkt, in Steuer- und Rentengesetzgebung keinen
Anreiz bieten kann, Kinder in die Welt zu setzen. Eine Sta-
bilisierung der Familie durch äußere Rahmenbedingungen
bleibt somit aus, eine weitreichende gesellschaftliche Ent-
solidarisierung zeichnet sich ab.
Stabilisierung von innen
Positive Leitbilder, die Erwerbstätigkeit und Kindererzie-
hung miteinander verbinden, sind nicht erkennbar. Eine
wesentliche Rolle spielt dabei nach Einschätzung von Ft-
henakis die bislang ausgebliebene Emanzipation der Männer
und die damit verbundenen Konflikte
in den Partnerschaften über Rollener-
wartungen und Arbeitsteilung. An die-
ser Stelle empfiehlt er die Stärkung der
binnenfamiliären Kompetenzen und
Bewältigungsmechanismen durch Fa-
milienbildung. Ohne ein auf diesem
Wege vermitteltes positives, Familie
und Beruf integrierendes Leitbild für
Partnerschaft und Elternschaft sei kei-
ne Stabilisierung der Familie von in-
nen zu erwarten. Die Aufgabenstel-
lung für die Familienpolitik war nach
der Talkrunde allen klar. Es wäre zu
wünschen, dass es bald entsprechende
Konkretisierungen in den politischen
Programmen zu lesen gäbe. K
Sabine Fritzen-Herkenhoff,
Abteilung Frauen und Familienpolitik
der Konrad-Adenauer-Stiftung
F A M I L I E N P O L I T I K
Glücksfall oder Störfall Kind?SABINE FRITZEN-HERKENHOFF
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 31
hierzulande
30 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
hierzulande
Essen (her). – »Wir dürfen unsere Par-
tei nicht spalten lassen.« – Diesen ener-
gischen Appell richtete Landesvorsit-
zender Jürgen Rüttgers jetzt angesichts
der augenblicklichen »Finanz-Affäre«
der CDU an die Delegierten von JU und
Frauen Union im Rahmen eines ge-
meinsamen NRW-Tages der beiden Ver-
einigungen in Essen.
Neben dem eigentlichen Thema (Be-
rufliche Zukunftschancen für junge
Frauen und Männer) bestimmte die
Diskussion um Spenden an die Union
zwangsläufig die Debatte. JU-Landes-
vorsitzender Ralf Brauksiepe zeigte sich
den Delegierten gegenüber fassungslos
über den Umgang Helmut Kohls mit
seiner Partei, während Gastrednerin
Rita Süßmuth die augenblickliche Krise
zugleich als Chance für einen Neube-
ginn verstanden wissen wollte.
»NRW braucht nach 30 Jahrenden Wechsel«
Ministerpräsidenten-Aspirant Rütt-
gers wartete im Verlauf der Tagung –
genauso wie Landtags-Fraktionschef
Laurenz Meyer – mit direkten Informa-
tionen über die Finanzaffäre aus Bun-
des- und Landesvorstand für die Dele-
gierten aus mehr als 50 Landkreisen
auf. Meyer, der auch Landesschatzmei-
ster der NRW-CDU ist, versicherte den
JU- und FU-Mitgliedern zudem, dass
die Christdemokraten an Rhein und
Ruhr keine Gelder von »Schwarzkon-
ten« erhalten hätten.
Zielgruppen ansprechen
Bekräftigt wurde er darin auch von
CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers. Der
Parteivorsitzende forderte eine unein-
geschränkte Aufklärung der Finanzaf-
färe. Rüttgers bedauerte, dass durch die
Diskussion das vielfältige Engagement
zahlreicher CDU-Kommunalpolitiker
beschädigt worden sei. Er appellierte
trotz der augenblicklichen Lage an die
Aktiven von JU und FU gerade durch
ihr lokales Engagement zu einem posi-
tiven Bild der Christdemokraten und
zum Gewinn der Landtagswahl im Mai
ihren Beitrag zu leisten. Nordrhein-
Westfalen brauche nach mehr als 30
Jahren SPD-Regierung einen Wechsel.
Dies werde Tag für Tag allein schon in
der Schul- und Verkehrspolitik deut-
lich. Entsprechend formulierten die
Delegierten von FU und JU ansch-
ließend auch eine Resolution, in der sie
unter anderem bessere technische und
personelle Ausstattungen der Schulen
in NRW forderten.
Im gleichen Atemzug forderten die
Delegierten für junge Frauen und Män-
ner gleiche Chancen im Schul- und
Berufsleben, schließlich stand die ge-
meinsame Tagung unter dem Motto
»Powertag – Jungen und Mädchen, ge-
meinsam unschlagbar«. »Wenn man
Strukturen verändern, Zukunftschan-
cen für junge Frauen verbessern möch-
te, geht das nur im partnerschaftlichen
Miteinander«, erklärte Regina van
Dinther, Landesvorsitzende der Frauen
Union. Vor allem junge Frauen sieht die
Landtagsabgeordnete als Zielgruppe der
Union. Sie fühlten sich Meinungsum-
fragen zufolge leider nicht so stark wie
erhofft durch die CDU angesprochen.
Umso erfreuter zeigten sich JU-Lan-
deschef Ralf Brauksiepe und der Esse-
ner JU-Ratsherr Thomas Kufen (neben
Christian Jostes aus Ostwestfalen-Lippe
einer der Spitzenkandidaten der JU zur
Landtagswahl), neben den 700 Delegier-
ten auch zahlreiche Essener Schülerin-
nen in der »Zeche Zollverein« begrüßen
zu können. Diese beteiligten sich auf
dem Podium sogleich an einer Diskussi-
onsrunde, in die auch die JU-Bundes-
vorsitzende Hildegard Müller eingriff.
Markt der Möglichkeiten
Aber nicht nur mit Worten wollten
JU und FU die Zukunftschancen junger
Frauen in den Vordergrund ihrer Politik
stellen. Ein »Markt der Möglichkeiten«
auf dem ehemaligen Industrieareal, auf
dem unter anderem die Deutsche Tele-
kom mit einer Jobbörse vertreten war,
unterstrichen schließlich den Einsatz
von JU und FU für gleiche Chancen von
Frauen und Männern. K
E S S E N
Rüttgers macht Delegierten von JU undFrauen-Union in Essen MutHEIKO ROTTMANN
Lohne, Landkreis Vechta (ar). Das The-
ma »Zukunft« prägte den Landestag
der Jungen Union Oldenburg Ende
1999 in Lohne (Landkreis Vechta). Auf
dem Programm: Landesvorstandswah-
len, »Müller« im Doppelpack (Peter
Müller und Hildegard Müller) und das
Thesenpapier »Wir sind die Zukunft!«.
Neue Mannschaft
Neuer Landesvorsitzender ist Neid-
hard Varnhorn (Vechta). Die über 100
Delegierten wählten Varnhorn zum
Nachfolger von Frank Thole, der nach
vierjähriger Amtszeit aus beruflichen
Gründen nicht erneut kandidierte. Zu
Varnhorns Stellvertretern ernannten
die Mitglieder Jens Nacke (Wiefel-
stede) und Björn Thümler (Berne).
Stephan Theiß (Schortens) ist neuer
Schatzmeister. Das Amt des Landesge-
schäftsführers übernahm Stefan Kuhn
(Großenkneten). Andreas Rühmkorf
(Oldenburg) ist neuer Landespresse-
sprecher. Beisitzer wurden Simone
Blömer (Dinklage), Sonja Büsing (Els-
fleth), Ralf Dasenbrock (Vechta), Claus
Holzenkamp (Cloppenburg), Nora Kab-
be (Oldenburg), Lars Schmidt-Berg
(Westerstede) und Alexander Voß-
mann (Cloppenburg).
Mut zur Zukunft
Als Stargast sprach am Samstag der
saarländische Ministerpräsident Peter
Müller zum Thema »Mut zur Zukunft«.
Müller setzte sich für mehr Freiheit,
Leistungsbereitschaft und gesellschaft-
liches Engagement aus. So kündigte er
an, daß die neue saarländische Lan-
desregierung »mindestens
doppelt so viele Vorschrif-
ten abschafft, als sie neue
einführt«. Deutschland
brauche mehr »Mut zur
Leistung«: »Leistungsge-
rechtigkeit geht vor Ver-
teilungsgerechtigkeit«, er-
klärte Müller unter dem
Beifall der 130 Zuschauer.
»Wir sind die Zukunft«
Der scheidende Landes-
vorsitzende Frank Thole
konnte auf eine erfolg-
reiche Mitgliederentwick-
lung im Landesverband
zurückblicken: »Wir ha-
ben die 2000-Mitglieder
Schallmauer von unten nach oben
durchbrochen. Das ist der Erfolg einer
guten Arbeit. Von Politikverdrossen-
heit kann bei uns keine
Rede sein«.
Am Sonntag verab-
schiedeten die Delegier-
ten den Leitantrag »Wir
sind die Zukunft!«. Hierin
hat die Oldenburger JU
ihre Aussagen zu mehre-
ren Politikfeldern zusam-
mengestellt und gebün-
delt. So setzt sie sich für
mehr Leistung und Eigen-
verantwortung, für besse-
re Zukunftschancen der
jungen Generation und
Werteerhaltung ein.
Ehrengast am Sonntag
war die JU Bundesvorsit-
zende Hildegard Müller.
Sie diskutierte in einer Talkrunde »Die
Reise in die Zukunft beginnt« mit Ver-
tretern verschiedener Jugendverbände
aus der Region, so zum Beispiel der
Landjugend und des Naturschutzbun-
des. Die Teilnehmer bewegten sich da-
bei in einem fiktiven Zukunftsraum
und tauschten ihre Ideen und Ansich-
ten zur Zukunft aus.
»Feste feiern und feste arbeiten« die-
ses JU Motto nahmen auch die De-
legierten in Lohne für sich in Anspruch
– und feierten in ausgelassener Stim-
mung am Samstagabend bis in die
frühen Morgenstunden. Also ein Wo-
chenende als Mix aus Politik und Spaß,
Arbeit und Vergnügen, Diskussion
und Information. K
O L D E N B U R G
Neidhard Varnhorn neuerLandesvorsitzender
Ein Ferkel bekommt traditionell der scheidende Oldenburger Landes-vorsitzende geschenkt. v.l.: Der neue Vorsitzende Neidhard Varnhorn,Frank Thole (bisheriger Vorsitzender)
Ein Ferkel bekommt traditionell der scheidende Oldenburger Landes-vorsitzende geschenkt. v.l.: Der neue Vorsitzende Neidhard Varnhorn,Frank Thole (bisheriger Vorsitzender)
Stargast des Landestages war Peter Müller, saarländischerMinisterpräsident, hier mit Neidhard VarnhornStargast des Landestages war Peter Müller, saarländischerMinisterpräsident, hier mit Neidhard Varnhorn
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 33
aktiv
32 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
hierzulande
Die JU-Bezirksreform in Berlin
Berlin. 12 aus 23? Sollte uns das neue Jahrtausend etwa ein
neues Lottosystem beschert haben, und wir werden doch
noch alle zum Millionär? Nein, ganz so gut hat es das Schick-
sal nun wiederum nicht mit uns gemeint. Im Gegenteil, 12 aus
23 steht eher für kalkulierte Einsparungen als für den großen
Geldsegen. Berlin verfügt momentan noch über 23 Bezirke.
Doch die Zahl 23 wird bald der Vergangenheit angehören,
wenn die Bezirke ab dem Jahr 2001 zusammengelegt werden.
Ganze 12 werden nach der Reform noch übrig bleiben.
Berlin war ja schon immer ein bißchen anders, so auch im
verwaltungsrechtlichen Sinne. Denn die Zeiten, in denen der
Berliner Bezirk Schöneberg eine Stadt des Landkreises Tel-
tow war, sind ja schon lange
vorbei. Gab es also im Gegen-
satz zu Berlin in den Ländern
nach 1949 Gemeinden und
Landkreise, so gibt es in Ber-
lin keines von beidem. Die
Berliner Bezirke sind als or-
ganisatorische Verwaltungs-
einheiten der Stadt anzuse-
hen, die rechtlich und wirt-
schaftlich abhängig sind. Le-
diglich drei Bereiche gehören
zu den originären Aufgaben
der Bezirke: Der eigene Haus-
halt, der Flächennutzungsplan sowie der Bebauungsplan.
Beim Haushalt muß man allerdings schon die Einschränkung
machen, daß es sich hierbei um einen sogenannten Global-
haushalt handelt und der Bezirk nur die Möglichkeit hat, das
Geld selbständig auf die einzelnen Haushaltstitel zu verteilen.
Reform tat not.
Die Berliner Bezirksreform, die nach der Wende von dem
damaligen Berliner Innensenator Dieter Heckelmann (CDU)
auf die Agenda gesetzt wurde, ist jedoch keine Berliner Ei-
genart. Denn diese Reform haben die Alten Bundesländer
schon in den 70er Jahren mit ihren Gemeindegebietsrefor-
men hinter sich gebracht. Da wurden zum Beispiel in Mün-
chen die Landkreise Bad Tölz und Wolfratshausen zum Land-
kreis Bad Tölz/Wolfratshausen zusammengelegt. Auf eigen-
willige Namenskreationen wie etwa Tölfratshausen verzich-
tete man in diesem Zusammenhang wohl lieber. Bei der
Phase der Gemeindegebietsreform hatte man jedoch insofern
aktive Gestaltungsmöglichkeiten, als man zum Beispiel zwi-
schen dem Bratwurst- und dem Tortenkonzept wählen
konnte. Wurde das Umland Münchens beispielsweise kreis-
förmig um die bayerische Hauptstadt neu zugeschnitten, also
bratwurstartig um die Stadt herum angeordnet,
entschied man sich in Brandenburg in Bezug
auf die deutsche Hauptstadt für das Tortenkon-
zept. Das heißt, die Landkreise wurden drei-
ecksartig um Berlin herum zusammengelegt.
Nachwendezeit ist Reformzeit
Berlin ereilte die Verwaltungsreform erst
nach der Wende, weil die Hauptstadt durch den
Vier-Mächte-Status in alliierte Zonen aufgeteilt
war. Als Innensenator Heckelmann dieses The-
ma anschob, brach in Berlin keinesfalls jubeln-
der Beifall aus. Denn eine derartige Reform
soll ja zu Einsparungen in
der Verwaltung führen. Das
heißt, weniger Abgeordnete
in den Bezirksverordneten-
versammlungen (Parlamen-
te der Bezirke), weniger Be-
zirksbürgermeister, weniger
Amtsleiter, weniger Ver-
waltungsangestellte usw.
Auch auf Parteiebene führt
diese Reform zu personeller
Verschlankung. Gibt es zur
Zeit beispielsweise für die Be-
zirke Steglitz und Zehlendorf
noch zwei Kreisvorsitzende, so wird es ab dem
Jahr 2001 nur noch einen für beide geben.
Die Jungen gehen vor
Die Junge Union Berlin hat sich davon nicht
abschrecken lassen. Sie hat auf den letzten tur-
nusgemäßen Hauptversammlungen bereits die
Fusion der jeweiligen Kreisverbände beschlossen
und auch nur noch jeweils einen Kreisvorsit-
zenden gewählt. Die einzige Ausnahme in die-
sem Bereich machen die Bezirke Hohenschön-
hausen und Lichtenberg, die sich noch vor der
»Zwangsehe« geziert haben. Sie werden sich
erst im Jahr 2001, wenn der offizielle Startschuß
für die Reform fällt, vereinigen. Gleiches gilt für
alle CDU-Kreisverbände. Hier haben es die Jun-
gen den Alten also vorgemacht, daß eine Reform
gar nicht so schmerzhaft ist, wenn man den rich-
tigen Weg erst einmal eingeschlagen hat. K
Alexa Reinck ist Pressesprecherin der
Jungen Union Berlin
B E R L I N
12 aus 23 – Torte oder Bratwurst?ALEXA REINCK
B Ö B L I N G E N
Gegen das VergessenHolzgerlingen (NL). Prominenten Besuch hatte der Jugendge-
meinderat der Stadt Holzgerlingen und die Junge Union Kreis-
verband Böblingen bei dem gemeinsamen Themenabend über
die deutsche NS Vergangenheit. Dr. Michel Friedmann, Mitglied
des Zentralrates der Juden in Deutschland und Moderator ei-
ner bekannten Politiktalkshow kam in die Burg Kalteneck nach
Holzgerlingen.
Friedmann, dessen Eltern den Holocaust nur durch Oskar
Schindlers berühmte Liste überlebten, kämpfte in seiner Rede
vehement für die Entschädigung für NS Zwangsarbeiter und da-
gegen, daß die Greuel des Nazi Regimes vergessen werden. In ei-
ner packenden Rede appellierte er an die Jugendlichen, sich
nicht von Ihren Träumen und ihrem Engagement abbringen zu
lassen. Er hoffte, daß die Jugendlichen aus der Geschichte ler-
nen, um heute in politischen Fragen Stellung zu nehmen. Um
den Jugendlichen dies zu vermitteln, darum sei er nach Holzger-
lingen gekommen. »Ich glaube an Sie«, so Friedmann zu den
Holzgerlinger Jugendlichen.
In der anschließenden Diskussion, die von Jugendreferent Ro-
land Kaiser geleitet wurde, äußerten sich Zeitzeugen wie auch in-
teressierte Jugendliche. »Die eigene Biographie nicht zu verschö-
nen«, dies forderte Friedmann von den Zeitzeu-
gen. »Warum haben Sie es zugelassen. Es mußte
nicht zu Hitler und zum Zweiten Weltkrieg kom-
men, ich bin nicht bereit, Milde walten zu lassen«,
donnerte er in den Saal. »Zeigen Sie wo Sie stehen,
ich möchte mit Ihnen streiten«, so Friedmann
zu einem Fragesteller. Der voll besetzte Saal der
Burg Kalteneck, die Mischung aus Zeitzeugen und
interessierten Jugendlichen, dies zeigt, daß in
Deutschland solche Diskussionen öfter und inten-
siver geführt werden müssen. K
O L D E N B U R G / A M M E R L A N D
»Die übertönen einfach alles«Oldenburg (ar). Aufmerksamkeit, Ver-
wunderung, Staunen – Wie dem Mo-
derator vom Offenen Kanal Oldenburg
erging es vielen beim Kramermarkts-
umzug 1999. Der Grund: Ein Wagen
fiel aus der Reihe. Die Junge Union und
die Diskothek »Twister Dance« aus San-
de präsentierten sich mit einem eige-
nen Wagen beim Umzug zum traditio-
nellen Oldenburger Jahrmarkt »Kra-
mermarkt«. Länger, lauter, auffallen-
der als die anderen. »Die übertönen
einfach alles«, kommentierte der stau-
nende Moderator die Vorstellung.
Genau das war auch Ziel der JU und
des »Twister Dance«. Aus dem Rah-
men fallen und den Umzug verjüngen.
Der Beitrag sollte vor allem die jugend-
lichen Besucher ansprechen.
Neue Wege gehen
Auf dem Wagen stieg die große Party.
50 Leute tanzten auf dem insgesamt
knapp 20 Meter langen Festwagen.
Möglich gemacht hatte diese Großvor-
stellung zum einen die Unterstützung
eines Oldenburger Autohauses. Darüber
hinaus stieg die Diskothek »Twister
Dance« aus Sande mit ein, stellte »DJ’s«,
Anlagen, Musik und »Gogo-Girls«.
Mit dem Wagen wollten die JU Ver-
bände neue Wege gehen. »Warum soll-
ten wir das nicht auch mal machen?«
hatten sich die JUler gefragt. »Spaß ha-
ben, die jungen Leute ansprechen und
zeigen, daß Engagement nicht in Hin-
terzimmern geschieht, sondern raus
auf die Straße zu den Jugendlichen
geht«, erklären sie ihre Motive. Ziel sei
es, zu zeigen, daß Politik vor Ort passie-
re und unmittelbar sei. K
DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000 35
aktiv
34 DIE ENTSCHEIDUNG 3/2000
aktiv
M Ü N C H E N
JU goes onlineMünchen (eB/ots). »JU goes online«: Als einer der
ersten Verbände der CSU hat die Junge Union
in München jetzt ein eigenes Online-Informati-
onsforum eingerichtet. Auf »www.eCircle.de«,
der nach eigenen Angaben größten deutsch-
sprachigen Internet-Diskussions- und Meinungs-
plattform, finden Anhänger und Mitglieder seit
kurzem aktuelle Infos rund um Aktivitäten und
Aktionen des CSU-Nachwuchses der bayeri-
schen Landeshauptstadt.
Information leicht gemacht
Wie jedes der mehreren tausend Einzelforen,
in denen auf »www.eCircle.de« über nahezu al-
le Themen des Lebens – neben politischen auch
wissenschaftliche, kulturelle, gesellschaftliche
und private – diskutiert und informiert wird,
hat der eCircle der Jungen Union München
eine eigene E-Mail-Adresse. Sie lautet: »ju-ne-
[email protected]«. Dort kann jeder Interessierte
die Informationen und Meinungen des Münch-
ner CSU-Nachwuchses als Newsletter abonnie-
ren, so dass er laufend über neue Aktionen und
Meinungen informiert wird. »Noch nie konnten
wir Informationen so einfach, schnell und kom-
fortabel an unsere Mitglieder und Anhänger
weiterleiten wie über die eCircle.de-Plattform«,
freut sich verständlicherweise Joachim Haedke
von der Münchner JU über den neuesten Mit-
glieder-Service seines Heimatverbandes. K
S O E S T
Mit neuemSchwung zumWahlsieg
Soest (DB). Bereits seit Anfang Dezember hat der
Kreisverband der JU in Soest einen neuen Vor-
stand. Der Werler Martin Topp löste nach gut fünf
Jahren den Lippstädter Michael Herma an der Spit-
ze ab. Topp ist 23 Jahre alt und hat sich bei der Wahl
gegen einen Gegenkandidaten souverän mit 87 zu
12 Stimmen durchgesetzt. Des weiteren wurden
zwei neue Stellvertreter gewählt. Zum einen wur-
de dies das langjährige Kreisvorstandsmitglied Tho-
mas Kerstin und zum anderen Dennis Hanke.
Werner und Eckard
Der neugewählte Kreisvorstand traf sich kurz
nach der Wahl zu einer Klausurtagung, auf der das
Landtagswahlkonzept erarbeitet wurde. Schwer-
punkte will der KV vor allem in den Bereichen Ver-
kehrspolitik sowie Schule und Bildung setzen. Ver-
schiedene, von der JU angeregte Veranstaltungen,
trafen auf reges Interesse bei den heimischen Land-
tagskandidaten. So soll zum Beispiel der Film
»Werner Beinhart« gezeigt werden, da die Vorna-
men der Kandidaten »Werner« und »Eckard« lau-
ten. Zu Beginn des Jahres stand auch eine Kon-
ferenz mit verschieden anderen Kreisverbänden
in Billerbeck (bei Münster, Westf.) an. An dieser
Klausurtagung nahm auch der Landesvorsitzende
der JU NRW, Dr. Ralf Brauksiepe teil. K
W A L L M E N R O T H
Thesen zur CDUSpendenaffäre
Wallmenroth/Scheuerfeld. Die Pressemeldungen nehmen immer
erschreckendere Ausmaße an. Die ganze Weite der Spenden-
affäre ist scheinbar immer noch nicht entdeckt, täglich kommt
Neues hinzu. Die CDU Führung reagiert darauf überrascht.
Keiner hat angeblich etwas gewußt, nur bei genauerem Nach-
fragen wird hin und wieder mal etwas zugegeben. Der Verdacht
liegt nahe, dass diese Affäre sehr weit in die Tiefen der Bun-
des-CDU hineingeht.
Das Schweigen von Kohl und seien Helfern verschlimmert die
Sache dramatisch. Dagegen sollte die CDU massiv vorgehen.
Wolfang Schäuble hat das in seinen Reden zum Ausdruck ge-
bracht. Nur die Handlung fehlt.
Daher fordern wir:
1. Die ganze CDU sollte in diesen Tagen die Führung auffordern,
Aufklärung zu betreiben. Es kann nicht sein, dass ein gesamter
Bundesvorstand jahrelang nichts von Anderkonten gewußt hat.
2. »Jeder der was weiß soll es auch sagen.« Dieser, von Wolfgang
Schäuble ausgesprochene Satz muß uneingeschränkt befolgt wer-
den. Außerdem sollten die, die etwas wissen, auch alles sagen.
3. Solange keine Klarheit herrscht, sollte bezüglich jeder Füh-
rungskraft in der CDU untersucht werden, inwiefern sie Einfluß
auf die schwarzen Konten hatte.
4. Wenn Verstöße personell zugeordnet werden können, dann
muß auch mit aller Deutlichkeit die personelle Konsequenz ge-
zogen werden. Dies gilt für Parteifunktionen ebenso wie für
Mandate in den Parlamenten. Die CDU sollte die Betreffenden in
aller Klarheit zur Rückgabe ihres Mandats auffordern.
5. Wer sich von den Verursachern der Affäre nicht deutlich di-
stanziert sondern diese vielleicht noch unterstützt, darf in unse-
rer Partei kein Vertrauen mehr bekommen! Wir fordern die De-
legierten auf, ihre Stimme in diesem Bewusstsein zu vergeben.
6. In Anbetracht der Tragweite der aktuellen Vorfälle halten wir
es für angemessen, dass sich die CDU auch rechtliche Schritte
gegen die betreffenden Person vorbehält, wenn diese weiterhin
eine Aufklärung verzögern.
7. Wer jetzt die nötige Aufklärung verzögert oder zu verhindern
sucht, kann keine Verantwortung in und für die CDU mehr
übernehmen.
8. Wirksame interne Kontrollmechanismen müssen geschaf-
fen werden. Daher treten wir für Amtszeitbegrenzungen in Par-
tei und Staat ein.
Wir sollten alles versuchen, um aus der stark gefährdeten CDU
wieder eine ehrliche Partei zu machen, so wie sie sich selbst be-
schreibt. »Freiheit in Verantwortung« gilt jetzt mehr denn je. Die
Schuldigen müssen zur Verantwortung gezogen werden! Bitte
diskutiert unsere Thesen und helft mit, die Partei zu erneuern!
Schreibt uns Eure Meinung, an [email protected] ! K
M A R B U R G
So sieht die JU Marburg-Biedenkopf die Riege der Schröder-Regierung. Im Hinblick auf die derzeitige Regierungspolitikvielleicht ein treffenderer Slogan als die wahrheitswidrigeBehauptung, sie wären bereit unser Land zu regieren.
G R Ä V E N W I E S B A C H
Kühnste Erwartungenübertroffen
Grävenwiesbach (eB/her). So viel Hilfsbereitschaft hatten die Mitglie-
der der Jungen Union im hessischen Grävenwiesbach nicht erwartet:
Mehr als 100 Geschenkpakete für Kinder in Rumänien kamen inner-
halb von nur zwei Wochen zusammen. Unter den Spenden befanden
sich neben Kleidern, Schulbedarf, Spielzeug, auch Möbel und medizi-
nisches Material.
Spendenfeuerwerk
Das übertraf dann doch die kühnsten Erwartungen, da die jungen
Christdemokraten schon fürchteten, dass die Notlagen in Rumänien
durch allerlei andere Katastrophen in Vergessenheit geraten würden.
So zeigte sich JU-Vorsitzender Christian Lewalter über das Ergebnis
des Spendenaufrufs umso erfreuter: »An sich wären wir bereits froh
gewesen, wenigstens ein paar Kindern eine kleine Freude bereiten zu
können, aber das es ein solches Spendenfeuerwerk gibt, hätten wir
niemals zu hoffen gewagt.« Neben den zahlreichen und großzügi-
gen Spenden aus den Reihen der Bevölkerung hatten auch Sachspen-
den, zum Beispiel von einem Schuhmarkt aus Oberursel, zum Gelin-
gen der Aktion beigetragen.
Zielort der Spenden war das heutige Timisoara (früher Temeswar).
Dort befindet sich ein Kinderdorf mit angeschlossenem Waisenhaus,
das unterstützt werden soll. Kurz nach der Revolution in Rumänien
vor zehn Jahren hatte die Stadt durch die schlechten Zustände in ihren
Kinderheimen europaweit traurige Aufmerksamkeit erlangt. K
U E C K E R - R A N D O W - K R E I S
Sport statt Diskussion –JU lud zum »Volleytik«
Uecker-Randow-Kreis (eB). Dass in der Politik nicht nur trocken debat-
tiert wird, bewiesen jetzt sechs Mannschaften im brandenburgischen
Uecker-Randow-Kreis. Zur »Volleytik« trafen sich Mitglieder der Jun-
gen Union, der CDU, Jugendliche vom Pasewalker Club »Fly In«, die Ju-
gendmannschaft der Freiwilligen Feuerwehr aus Krugsdorf sowie Ju-
gendliche aus dem Jugendclub in Jatznick.
»Wir möchten der Öffentlichkeit einfach zeigen, dass wir untereinan-
der auch Spass haben können«, erklärte Rüdiger Behrendt, Kreisvorsit-
zender der Jungen Union. Bereits 1998 habe es ein ähnliches Volley-
ballturnier gegeben. Die Idee dazu wurde am Stammtisch der jungen
Christdemokraten geboren. Künftig soll das Turnier zur Tradition wer-
den. Allerdings möchten sich die JU-Mitglieder dann auch gern mit
ihren politischen Gegnern sportlich messen, wie Rüdiger Behrendt
hofft: »Wir würden uns freuen, wenn die anderen Parteien auch eine
Mannschaft aufstellen würden.« K
Der neue Kreisvorstand: Charles Wisst, Martin Topp, Dennis Hanke,Alice Neuhäuser, Jörg Blöming, Daniel Brügger, LandtagskandidatWerner Lohn und Thomas Kersting.
Der neue Kreisvorstand: Charles Wisst, Martin Topp, Dennis Hanke,Alice Neuhäuser, Jörg Blöming, Daniel Brügger, LandtagskandidatWerner Lohn und Thomas Kersting.