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FORSCHUNGSBERICHTE DES INSTITUTS FÜR GESUNDHEITSÖKONOMIE UND KLINISCHE
EPIDEMIOLOGIE DER UNIVERSITÄT ZU KÖLN
STUDIEN ZU GESUNDHEIT, MEDIZIN UND GESELLSCHAFT
NR. 07/ 2007 VOM 16.10.2007 *** ISSN 1862-7412 *** WWW.IGKE.DE/SGMG
Entwicklung der strategischen Ausrichtung des
HELIOS Research Center unter Anwendung der
Balanced Scorecard
Autor:
Huang, Tian-Chung
1
2
Die Reihe „Studien zu Gesundheit, Medizin und Gesellschaft“ umfasst Arbeits- und
Forschungsberichte des Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der
Universität zu Köln sowie kooperierender Wissenschaftler und Institutionen.
Die Berichte und weitere Informationen zu den Forschungsberichten können im Volltext
abgerufen werden unter
http://www.igke.de/SGMG
Bitte zitieren Sie vorliegenden Bericht als
Huang, T-C. Die Entwicklung der strategischen Ausrichtung des HELIOS Research Center unter Anwendung
der Balanced Scorecard. Studien zu Gesundheit, Medizin und Gesellschaft 2007; Köln: Ausgabe 07/2007 vom
16.10.2007.
3
Zusammenfassung
Die vorliegende Diplomarbeit befasst sich mit der Entwicklung der strategischen Ausrichtung der
HELIOS Research Center GmbH unter dem Aspekt der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
der HELIOS Kliniken GmbH. Durch die Forschungsmethodik einer „Fallstudie“ wurde die
Anwendungsmöglichkeit der „Balanced Scorecard (BSC)“ für den Fall geprüft und anschließend
ein Modell für die Einführung der Balanced Scorecard im HRC entwickelt.
Für die Entwicklung einer BSC war es notwendig, die Unternehmensmission und –vision klar zu
definieren. Nach Diskussion der Geschäftsleitung mit allen Mitarbeitern wurde ein Konsens in
Bezug auf die Unternehmensvision erreicht und die strategische Zielsetzung auf der Grundlage
der SWOT-, Fünf-Kräfte- und Branchenanalyse formuliert. Anschließend wurden die
Unternehmensvision und –ziele in die vier BSC-Perspektiven zerlegt: Finanzperspektive,
Kundenperspektive, Perspektive der internen Prozesse und Lern– und Entwicklungsperspektive.
Weiterhin wurden die Prioritäten der Kennzahlen intensiv diskutiert und eine machbare „Strategy
Map“ aufgebaut. Schließlich wurden die konkreten Maßnahmen zur Erreichung der kurzfristigen
sowie langfristigen Ziele entwickelt.
Durch die aktive Teilnahme am Tagesgeschäft des HRC wurden zahlreiche Probleme und
Schwierigkeiten bei der Entwicklung der BSC offenbar. Das Team hat sich mit der Möglichkeit
die BSC im HRC einzuführen auseinandergesetzt. Die Kausalität zwischen dem Betriebsergebnis
und der Einführung der BSC scheint positiv.
Mit Hilfe der in der Literatur empfohlenen Möglichkeiten zur Einführung der BSC wurde im
Rahmen der vorliegenden Arbeit versucht, ein Modell zur Einführung der BSC zu entwickeln.
Die Modellentwicklung wurde durch den Mangel an vorhandenen BSC-Beispielen für diesen
spezifischen Bereich der klinischen Forschung in Literatur und Praxis, die bisher fehlende
Beteiligung der oberen Führungsebene, die bisher unzureichenden Anreizsysteme für die
Mitarbeiter sowie die Struktur des Dienstleistungsunternehmens erschwert. Ungeachtet dieser
Hindernisse ist die Einführung der BSC ins HRC immer noch zu empfehlen. Anders als die
größeren Unternehmen generiert das HRC den Nutzen der BSC aus den folgenden zwei
Elementen: (1) aus der klaren Beschreibung der strategischen Vision und der gemeinsamen
strategischen Ziele. Die strategische Vision und gemeinsamen strategischen Ziele für den Profit
4
und Non-profit Bereich wurden durch die Entwicklung der BSC klarer formuliert und
kommuniziert. (2) aus der Entwicklung und Anwendung von wirksameren strategischen
Managementprozessen. Der Entwicklungsvorgang der BSC hat zu intensiven Diskussionen der
Mitarbeiter in Bezug auf die Optimierung der internen Prozesse und der Teaminteraktion
geführt.
Obwohl in verschiedenen HRC-Perspektiven noch keine konkreten Zielwerte bestimmt werden
konnten, sollen die Entwicklungserfahrungen zukünftig dem HRC bei der Entscheidungsfindung
in Bezug auf die strategische Ausrichtung behilflich sein. Die empfohlenen Maßnahmen zur
Einrichtung des „Call Centers“ und des „Center of Study Nurses“ können dazu beitragen, die
Durchführung klinischer Forschung aus Sicht der Prüfärzte (Personalengpässe;
Patientenrekrutierung) zu erleichtern.
Schließlich ist festzuhalten, dass das HRC gemeinsam mit der HELIOS Kliniken GmbH die
Kapazität und Chance hat, sich als Marktführer im Bereich der klinischen Forschung zu
positionieren und damit überproportional vom pharmazeutischen Outsourcingmarkt zu
profitieren. Eine Unterstützung durch die Konzernführungsebene ist zwingende Voraussetzung
zur Einleitung dieser in jeder Beziehung vielversprechenden Entwicklung.
5
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: SWOT-Analyse Matrix 13
Abbildung 2: Managementprozess einer Strategiebildung 15
Abbildung 3: Hindernisse zur Strategiendurchsetzung 16
Abbildung 4: Fünf-Kräfte-Modell (Five-Forces-Model) nach Porter 17
Abbildung 5: The Value Net nach Brandenburger und Nalebuff 18
Abbildung 6: Die Balanced Scorecard als strategischer Handlungsrahmen 23
Abbildung 7: Die Balanced Scorecard bildet den Rahmen zur Umsetzung einer Strategie in
operative Größe. 24
Abbildung 8: Die Kernkennzahlen der Kundenperspektive 27
Abbildung 9: Die interne Prozessperspektive – das generische Wertkettenmodell 28
Abbildung 10: Der Rahmen für die Kennzahlen der Lern- und Entwicklungsperspektive 30
Abbildung 11: Ursache-Wirkungskette in der BSC 33
Abbildung 12: Die Balanced Scorecard vom May Institute 41
Abbildung 13: Die Balanced Scorecard des Duke Children’s Hospital 44
Abbildung 14: Prozess der Diplomarbeit 48
Abbildung 15: Der Pharmastandort Deutschland 53
Abbildung 16: Anteil der F&E-Beschäftigten in Deutschland gering 54
Abbildung 17: Relativ wenige Forschungsstätten der pharmazeutischen Industrie liegen in
Deutschland 55
Abbildung 18: Marktverteilung der Auftragsforschungsorganisationen 62
Abbildung 19: Schaubild eines Studienzentrums 66
Abbildung 20: Professionelle Studienzentren (SMOs) in Deutschland 68
Abbildung 21: Die HELIOS-Strategiematrix 72
Abbildung 22: HRC als Schnittstelle 73
Abbildung 24: The Value Net vom HRC 81
Abbildung 25: Strategy Map des HRC 102
6
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Situationsspezifische Antriebkräfte für Lernen und Wachstum 30
Tabelle 2: Häufige Gründe für eine fehlerhafte Durchführung einer BSC 38
Tabelle 3: Phasen der klinischen Studien 52
Tabelle 4: CRO-Marktgröße und Wachstum 64
Tabelle 5: SMOs in Deutschland auf verschiedene Indikationsgebiete verteilt 67
Tabelle 6: Das Ergebnis der SWOT-Analyse vom HRC 76
Tabelle 7: Die Finanzperspektive des HRC 83
Tabelle 8: Die Kundenperspektive (Profit-Bereich) des HRC 88
Tabelle 9: Die Kundenperspektive (Non-profit-Bereich) des HRC 91
Tabelle 10: Die Perspektive interner Prozesse des HRC 95
Tabelle 11: Die Mitarbeiterperspektive des HRC 99
7
Abkürzungsverzeichnis
ABPI Association of the British Pharmaceutical Industry
AMCs Academic Medical Centers
AMG Arzneimittelgesetz
BCG Boston Consulting Group
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung
BVMA Bundesverband Medizinischer Auftragsinstitute
BPI Bundesverband der pharmazeutischen Industrie
BSC Balanced Scorecard
CRM Customer Relationship Management
CROs Contract Research Organisations
DCH Duke Children’s Hospital
DFG Deutsche Forschungsgemeinschaft
DRGs Diagnosis Related Groups
EFPIA European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations
EMEA European Agency for the Evaluation of Medical Products
FDA Food and Drug Administration
F & E Forschung und Entwicklung
GCP Good Clinical Practice
GuV Gewinn und Verlust
HRC HELIOS Research Center
IIT Investigator Initiated Trials
JPMA Japanese Pharmaceutical Manufacturers Association
KKS Koordinierungszentrum für klinische Studien
LIF Läkemedelsindustriföreningen
MDC Max-Delbrück-Centrum Berlin-Buch
NME’s New Molecular Entities
OECD Organisation for Economic Cooperation and Development
OTD on time delivery
PA Prüfarzt einer klinischen Studie
PhRMA Pharmaceutical Research and Manufacturers of America
PM Projekt Manager
8
PR Public Relation
ROCE Return on Capital Employed
ROI Return on Investment
SIT Sponsor Initiated Trials
SMOs Site Management Organisation
SNIP Syndicat National de I’Industrie Pharmaceutique
SOPs Standard Operation Procedures
VC Venture Capital
VFA Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V.
VWL Verwaltungsleiter (in HELIOS Kliniken)
9
1 Einleitung
1.1 Hintergrund und Motivation der Arbeit
In der bereits im Jahr 2005 abgeschlossenen Diplomarbeit1 wurde für die klinische Forschung in
dem privaten Krankenhausträger – HELIOS Kliniken GmbH – die Principal-Agent-Beziehung
zwischen dem Arzt und dem Klinikmanagement analysiert. Im Ergebnis wurden
Kosteneinsparungen im Rahmen klinischer Studien für die HELIOS Kliniken GmbH für
möglich gehalten, d.h., klinische Forschung kann unabhängig von Art und Anzahl
Medikamentenkosten sparen. Die Arbeit wies daraufhin, dass durch die Durchführung klinischer
Studien nicht nur Medikamentenkosten gespart werden können, sondern dass Patientennutzen
dadurch steigt und die Marktposition der HELIOS Kliniken GmbH gestärkt wird.
Für die Entwicklung zur HELIOS Klinikgesellschaft, die sich mit dem Alleinstellungsmerkmal
„Wissenskonzern“ von der Konkurrenz abgrenzt und Spitzenmedizin anstrebt, spielt die
klinische Forschung die entscheidende strategische Rolle.
Im Rahmen dieser Diplomarbeit soll die Analyse der Strategie in Bezug auf die klinische
Forschung für alle HELIOS Kliniken fortgeführt werden. Die strategische Ausrichtung des
HELIOS Research Center (HRC) soll sowohl die Wettbewerbsfähigkeit der HELIOS
Kliniken GmbH weiter verbessern, als auch die Gewinnsteigerung garantieren und die
Marktposition der HELIOS Kliniken GmbH langfristig sichern.
Für diesen spezifischen Fall wird die Anwendung der „Balanced Scorecard (BSC)“ geprüft und
ein Modell für die Implementierung der Balanced Scorecard im HELIOS Research Center
entwickelt. Die Balanced Scorecard ist ein Managementinstrumentarium, welches die
Unternehmensvision und –strategie mit einem übersichtlichen System zur Leistungsmessung
verbindet. Die Scorecard misst die Leistung des Unternehmens auf der Grundlage von vier
ausgewogenen Perspektiven des Unternehmens: der finanziellen Perspektive, der
1 Uecke. Oliver (2005): Klinische Forschung – Interessenkonflikte zwischen Arzt und Klinikmanagement? Eine Analyse aus Sicht der Principal-Agent-Theorie. Diplomarbeit bei der HELIOS Research Center GmbH.
10
Kundenperspektive, der internen Perspektive und der Innovationsperspektive. Die BSC befähigt
Unternehmen, finanzielle Ziele zu verfolgen und gleichzeitig den Fortschritt zu überwachen,
indem Kompetenzen aufgebaut und immaterielle Vermögenswerte (Kundenzufriedenheit,
Mitarbeiterzufriedenheit) als Grundlage für zukünftiges Wachstum geschaffen werden.
1.2 Ziele der Arbeit
Mit der „Case Study“ zum HELIOS Research Center möchte die Diplomarbeit folgende Ziele
erreichen:
Entwicklung des Modells für die Einführung der „Balanced Scorecard“ ins HELIOS Research
Center (HRC)
Simulierung der Schwierigkeiten bei der Implementierung
Eine Aussage über die Wettbewerbsfähigkeit und strategische Ausrichtung des HRC nach der
Simulation
1.3 Der Rahmen der Arbeit
Die Diplomarbeit umfasst acht Kapitel:
Kapitel 1: Hintergrund, Motivation, Ziele und Rahmenbedingungen der Diplomarbeit
Kapitel 2: Theoretische Grundlage der Balanced Scorecard, Aufbau einer Strategy Map,
Einführungsprozesse der BSC und Beispiele der Anwendung der BSC in medizinischen
Einrichtungen
Kapitel 3: Forschungsmethodik Fallstudie (Case Study) und Forschungsdesign der Arbeit
Kapitel 4: Branchenanalyse. Bedeutung „Klinischer Forschung“ und Analyse des
pharmazeutischen Outsourcingmarktes
Kapitel 5: Fallstudie HELIOS Research Center (HRC): Geschichte, Struktur und Vision
vom HRC, die Einführungsprozesse der BSC ins HRC, die Analyse der Betriebsstrategie des
HRC, die Balanced Scorecard und Strategy Map des HRC (strategische Ausrichtung, Ziele,
Kernerfolgsfaktoren, Kennzahlen und Maßnahmen)
Kapitel 6: Schwierigkeiten bei der Entwicklung der BSC fürs HRC
11
Kapitel 7: Schlussfolgerungen und Ausblick für das HRC
Kapitel 8: Zusammenfassung
12
2 Theoretische Grundlage
Für die Unternehmensführung ist strategisches Denken unabdingbar. Ohne Konzept lässt sich
keine effiziente Wettbewerbsstrategie entwickeln. Der erste Schritt zur Entwicklung der Balanced
Scorecard ist die Formulierung der strategischen Zielsetzung und der Unternehmensvision2. In
den folgenden Kapiteln werden verschiedene Modelle zur Erfüllung der Aufgabe vorgestellt und
weiterhin in der Fallstudie verwendet.
2.1 Abgrenzung des Begriffs der Strategie
Der Begriff der Strategie stammt aus dem Griechischen und bedeutet Heeresführung
(stratos=Heer, agein=führen). Strategisches Handeln ist ein zielorientiertes Vorgehen nach
langfristigem Plan und zielt auf den richtigen Einsatz bestimmter Mittel zum geeigneten
Zeitpunkt und am richtigen Ort ab. Unter Strategie in der Wirtschaft werden meist langfristig
geplante Verhaltensweisen des Unternehmens zur Erreichung seiner Ziele verstanden. Eine gute
Strategie macht deutlich, welche Maßnahmen schon heute ergriffen werden müssen, um
zukünftige Unternehmensziele zu erreichen.
Es gibt unterschiedliche Definitionen des Wortes Strategie. Nach Simon und Gathen kann man
die Bedeutungen der Strategie wie folgt zusammenfassen:3
Strategie ist die Bewertung von Alternativen.
Strategie grenzt Lebensräume für Unternehmen auf dem Markt ab.
Strategie basiert auf relativen Wettbewerbsvorteilen.
Eines der Ziele des Strategiemanagements ist die Konkurrenz um externe Ressourcen.
Strategie muss machbar sein.
Die Strategische Ausrichtung muss von der Führungsebene festgelegt werden.
Die Entwicklung einer Strategie beinhaltet drei Elemente:4 1. Organisationsmission 2. Kernwert
einer Organisation 3. Organisationsvision. Auf der Grundlage dieser drei Elemente kann man das
2 Olve N.G. (1999), et. Al 3 Herman Simon, Andreas von der Gathen (2002).
Geschäftsfeld und die Funktionen der Organisation ermitteln und darauf aufbauend die
strategische Ausrichtung entwickeln.
2.1.1 Der Rahmen einer Strategie (SWOT-Analyse)
Zur Formulierung einer unternehmenseigenen Strategie wird seit den 1960’er Jahren häufig die
SWOT-Analyse verwendet. 5 Die SWOT-Analyse (engl. Akronym für Strengths, Weaknesses,
Opportunities sowie Threats) ist ein Werkzeug des strategischen Managements. In dieser
einfachen und flexiblen Methode werden sowohl innerbetriebliche Stärken und Schwächen
(Strengths-Weaknesses), als auch externe Chancen und Gefahren (Opportunities-Threats)
betrachtet, welche die Handlungsfelder des Unternehmens betreffen. Aus der Kombination der
Stärken/Schwächen-Analyse und der Chancen/Gefahren-Analyse kann eine ganzheitliche
Strategie für die weitere Ausrichtung der Unternehmensstrukturen und der Entwicklung der
Geschäftsprozesse abgeleitet werden. Die Stärken und Schwächen sind dabei relative Größen
und können erst im Vergleich mit den Konkurrenten beurteilt werden.
Die Dimensionen des Modells werden in einer Matrix dargestellt (Abbildung 1):
Abbildung 1: SWOT-Analyse Matrix
Quelle: Andrew K.R., The Concept of Corporate Strategie revised ed., Homewood, IL: Richard D. Irwin, S. 69..
4 Andrews K.R. (1980)
13
5 Andrews K.R. (1980)
14
Die SWOT-Analyse ist ein weit verbreitetes Instrument zur Situationsanalyse6, welches nicht nur
in der strategischen Unternehmensplanung eingesetzt wird. Innerhalb des Marketings lässt sich
der SWOT-Ansatz z.B. im Bereich der Produktpolitik, insbesondere für die Festlegung des
Produktlebenszyklus, einsetzen. Auch in der Standortwahl kommt diese Methode zum Einsatz,
etwa im Rahmen einer Standortanalyse, um die optimale Region für eine Niederlassung zu
eruieren oder ein Gebiet (Industriegebiet, Großraum) bezüglich der Absatzpotentiale zu
beurteilen.
2.1.2 Strategiemanagement
Nach Hill und Jones7 hat der strategische Managementprozess sechs Hauptaufgaben:
Definition der Unternehmensvision und der Ziele
Analyse der externen Situation, um die Chancen und die Risiken zu evaluieren
Analyse der internen Situation, um die Stärken und Schwächen herauszufinden
Strategienauswahl, basierend auf den Stärken der Organisation
Anwendung der Strategie
Management des Organisationswandels
Abbildung 2 nach Hill und Jones veranschaulicht das strategische Management.
6 Vgl. Lombriser (1998), S.186 ff. 7 Vgl. Hill/Jones (1998), S. 7.
Abbildung 2: Managementprozess einer Strategiebildung
Quelle: Hill C.W.L. and Jones G.R. (1998): Strategic Management Theory, 4th eds. Houghton Mifflin College, S. 7
Es gilt schon als Herausforderung für ein Unternehmen, eine wirksame Strategie zu entwickeln,
aber der schwierigste Schritt liegt in der Durchsetzung der Strategie. Hier spielt die
Durchsetzungsfähigkeit die Hauptrolle im Strategiemanagement. Kaplan und Norton haben vier
Durchsetzungshindernisse vorgestellt (Abbildung 3).
15
Abbildung 3: Hindernisse zur Strategiendurchsetzung
Quelle: Niven P.R.(2002): Maximizing performance and maintaining results, in: Balanced Scorecard Step-by-Step.
New York, John Wiley & Sons. S. 9
Die Abbildung 3 macht deutlich, dass die Hindernisse in Bezug auf die Durchsetzung der
Strategie häufig mangelhafte Erklärung der Vision, fehlende Motivation, unzureichende
Diskussion sowie ungenügende Ressourcen sind.
2.1.3 Modelle zur Branchenanalyse
Bei der Entwicklung einer Strategie werden sowohl interne als auch externe Faktoren einer
Organisation analysiert. Um die Beziehung zwischen der Organisation und deren externen
Einflussfaktoren ausführlich analysieren zu können, wird die SWOT-Analyse hier durch zwei
Analysenmodelle ergänzt: Fünf Kräfte Modell und Value Net.
Fünf Kräfte Modell (Five Forces Model) nach Porter
Das Five Forces Model wurde von Michael E. Porter an der Harvard University entwickelt und
spielt eine führende Rolle als Hilfsmittel zur Strategieanalyse beim Planungsprozess von
Geschäftsprozessen in Bezug auf das strategische Management. Anders als bei der SWOT-
16
Analyse werden hier jedoch nur Kräfte betrachtet, die von der externen Umwelt auf die
Unternehmung einwirken.
Porter’s Five Forces Model ermöglicht den Unternehmen, außer der originalen
Wertschöpfungskette (Zulieferer Unternehmen Kunden) noch die potentiellen
Mitbewerber und Ersatzprodukte zu betrachten. Das Modell enthält folgende Dimensionen
(Abbildung 4):
die Rivalität zwischen existierenden Unternehmen
die Verhandlungsstärke der Zulieferer
die Verhandlungsstärke der Kunden
die Bedrohung durch den Markteintritt neuer Konkurrenten
die Bedrohung durch Ersatzprodukte und Dienstleistungen
Abbildung 4: Fünf-Kräfte-Modell (Five-Forces-Model) nach Porter
Quelle: Porter M.E. (1985): Competitive Advantage, New York, Free Press, S.6
Value Net nach Brandenburger und Nalebuff
„The Value Net“ ist ein schematisches Diagramm (Abbildung 5), das entworfen wurde, um alle
Spieler im „Game“ und deren Abhängigkeiten untereinander darzustellen. Das Value Net Modell
17
von Brandenburger und Nalebuff erkennt vier Hauptgruppen, die die Rendite des Unternehmens
beeinflussen:
Kunden
Lieferanten
Konkurrenten
Ergänzungen
In der Horizontalen finden wir die Kunden und die Lieferantenfirmen. Entlang der vertikalen
Dimension sind die Spieler dargestellt, die auf die Firma einwirken, die aber nicht transagieren.
Sie sind die „Substitutors“ und „Complementors“.
Abbildung 5: The Value Net nach Brandenburger und Nalebuff
Quelle: Brandenburger A./Nalebuff B. (1996): Co-opetition, New York, Currency Doubleday, S. 17
Substitutors (Konkurrenten) sind alternative Spieler, von denen Kunden Produkte kaufen oder
an die Lieferanten ihre Betriebsmittel verkaufen können.
Complementors (Ergänzungen) sind Spieler, von denen Kunden ergänzende Produkte kaufen
oder an die Lieferanten ergänzende Betriebsmittel verkaufen können. Der Stellenwert der
Complementors wird vom Autor hoch geschätzt. Sie können sowohl Konkurrenten, potentielle
Mitbewerber oder Ergänzungen sein. Auf der Nachfragerseite, können sie die Kaufbereitschaft
der Kunden steigern. Auf der Anbieterseite können sie den vom Zulieferer veranschlagten Preis
drücken.
18
19
2.2 Grundlage der Balanced Scorecard (BSC)
Nach der Festlegung der Unternehmensvision und der strategischen Ausrichtung sollen
Kennzahlen eingesetzt werden, die das Erreichen des strategischen Ziels grafisch oder numerisch
darstellen können. Anhand der Kennzahlen kann man feststellen, wie gut ein Unternehmen die
strategischen Ziele erreicht hat und welche Leistungen von den Mitarbeitern erbracht wurden.
Kennzahlen sind wichtig: „If you can’t measure it, you can’t manage it.“ Das Kennzahlensystem
eines Unternehmens hat einen großen Einfluss auf das Verhalten der Menschen innerhalb und
außerhalb einer Organisation. Wenn ein Unternehmen im Informationszeitalter überleben und
Erfolg haben will, müssen Zielgrößen und Managementsysteme aus der Unternehmensstrategie
und den vorhandenen Potentialen ableitbar sein. Diese Kennzahlen müssen im Unternehmen
eindeutig festgestellt werden. Es muss sichergestellt werden, dass es nicht nur um „mehr“ Wissen
geht, sondern um Konsequenzen daraus.
2.2.1 Mängel traditioneller finanziellen Kennzahlsysteme
Um einen ersten Eindruck der Entwicklung einer Balanced Scorecard (BSC) zu vermitteln, wurde
von den Erfindern Kaplan und Norton ein fiktives Beispiel erarbeitet, um die Notwendigkeit sich
ergänzender Kennzahlen zu untermauern:8
Eine moderne Organisation im heutigen Wettbewerbsumfeld ist so kompliziert wie ein Flugzeug,
weshalb Manager ein umfangreiches Instrumentarium benötigen, um ihre Unternehmen zu
steuern. Sie benötigen genauso wie Piloten ein Instrumentarium, das die unterschiedlichen
Aspekte der Umgebung und der Unternehmensleistung anzeigt, um eine Navigation in Richtung
Unternehmenserfolg zu ermöglichen.
Viele Unternehmen haben Strategien, die die Kundenbeziehungen, Kernkompetenzen und
Organisationspotentiale betreffen, messen ihre Leistungen aber leider nur mit Finanzkennzahlen.
8 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 1.
20
Finanzielle Kennzahlensysteme
Das traditionelle Kennzahlensystem für Unternehmen ist bisher überwiegend finanzwirtschaftlich
ausgerichtet. Finanzwirtschaftliche Techniken wie das System der Kapitalrendite (ROI: Return on
Investment) sowie die Budgetierung waren erfolgskritische Faktoren für Unternehmen des
frühen zwanzigsten Jahrhunderts.9
Der Trend nach 1945 zu diversifizierten Unternehmen schuf einen unternehmensinternen Bedarf
an Berichten zur Bewertung von Geschäftseinheiten und deren Leistungen. Jedoch führte die
vorrangige Verwendung kurzfristiger, finanzwirtschaftlicher Ergebnisse dazu, dass Unternehmen
verleitet wurden, kurzfristig zu hoch zu investieren und die langfristige Wertschöpfung zu
vernachlässigen, besonders in Hinblick auf die immateriellen und intellektuellen Vermögenswerte
(wie Personal), die zukünftiges Wachstum unterstützen. Häufig befinden sich Manager
börsennotierter Unternehmen in dem Dilemma, dass sie sich trotz der Bedeutung langfristiger
Investitionen auf kurzfristige Ergebnisse konzentrieren, um die Aktionäre zu befriedigen.
Versagen des traditionellen Finanz-Kennzahlensystems
Als ein typisches Beispiel10 ist hier die FMC Corporation genannt, die in den siebziger und
achtziger Jahren eine der besten finanzwirtschaftlichen Leistungen unter allen großen
amerikanischen Unternehmen zu verzeichnen hatte. Im Jahr 1992 führte das neue Management
einen Strategie-Review durch, um den optimalen Kurs festzulegen, mit dem der „Shareholder
Value“ maximiert werden könnte. Der „Review“ zeigte, dass sich das Unternehmen unter
Beibehaltung der kurzfristigen operativen Leistung mehr der Wachstumsstrategie widmen sollte.
Manager sind gezwungen, beständige und ausgezeichnete kurzfristige finanzwirtschaftliche
Leistungen zu erbringen. Daher ist es unvermeidlich, dass Trade-Offs vorgenommen werden,
welche die Investitionen in Wachstumspotentiale beschränken. Was noch schlimmer ist: Unter
dem Druck, kurzfristige finanzwirtschaftliche Leistungen zu erbringen, vernachlässigen viele
Unternehmen die Produktentwicklung, die Prozessverbesserung, die Personalentwicklung und
die Entwicklung von Informationstechnologien und Datenbanken sowie die Kunden- und
Marktentwicklung. Kurzfristig schlägt sich dies in der GuV-Rechnung als Ertrag nieder, auch
wenn die Kürzungen das Anlagevermögen und die wirtschaftlichen Wertschöpfungspotentiale
schon längst verzehrt haben. Eine Alternative dazu wäre, die kurzfristigen finanziellen Ergebnisse
9 Vgl. Johnson, H.T. und Kaplan R.S. (1987), S.61-123. 10 Vgl. Kaplan/Norton (1997), S.21-22.
21
auf Kosten des Kunden, nämlich durch hohe Preise und schlechteren Service, aufzubessern. Dies
würde wohl kurzfristig die Rentabilität fördern, die Kunden jedoch nicht zufrieden stellen und
das Unternehmen somit höchst verwundbar für die Konkurrenz machen.
Wie das Beispiel der Firma Xerox zeigt11 reichen finanzielle Kennzahlen nicht aus, den Weg eines
Unternehmens durch das Wettbewerbsumfeld zu führen und zu bewerten. Sie sind nur schwache
Indikatoren für Wertschöpfung bzw. dafür, was während der vergangenen Geschäftsperiode gut
oder schlecht gemacht wurde.
2.2.2 Entwicklung und Perspektiven der „Balanced Scorecard“
Die BSC geht auf Arbeiten von Robert S. Kaplan und David P. Norton Anfang der 1990er Jahre
an der Harvard-Universität zurück. Ausgehend von einer Strategie, die neben den Shareholdern
auch andere Stakeholder und die Umwelt berücksichtigt, werden kritische Erfolgsfaktoren
bestimmt und daraus ein Kennzahlensystem („Scorecard“) abgeleitet, das die Messgrößen für die
Erreichung von strategischen Zielen repräsentiert. In einem kontinuierlichen Prozess werden
Ziele und Zielerreichung überprüft und durch weitere Maßnahmen gesteuert.
Anders als die Prozesskostenrechnung, mit deren Hilfe man nur die angefallenen Gemeinkosten
im Wertschöpfungsprozess im Nachhinein auf die einzelnen Produkte und Leistungen umlegen
kann, dient die Balanced Scorecard als Führungsinstrument im Rahmen des Controllings bzw.
Performance Managements zur Ausrichtung der Organisation an strategischen Zielen. Im
Gegensatz zu Leitbildern und anderen unscharfen Formulierungen versucht die Balanced
Scorecard auch die Erreichung von strategischen Zielen umsetzbar und messbar zu machen.
Mit den Methoden der BSC soll das Blickfeld des Managements von einer traditionellen, durch
finanzielle Aspekte gekennzeichneten Unternehmenssicht auf alle relevanten Teile gelenkt
werden und so zu einem ausgewogenen („balanced“) Bild führen. Die umfassendere Sicht
ermöglicht dann konkretere Maßnahmen zur Ausrichtung der Organisation an den vorgegebenen
Zielen.
11 Vgl. Beispiel in Juran, J.M. (1993).
22
Wichtiges Element einer Balanced Scorecard ist, dass bereits ihr Erstellungsprozess eine starke
Komponente von Veränderungsmanagement enthält, d.h. das Einbeziehen aller relevanten
Stakeholder notwendig macht. Dadurch wird die Akzeptanz gesteigert und die Treffsicherheit der
Maßnahmen erhöht.
2.2.3 Neue Leistungsmessung und Management im Informationszeitalter
Die Balanced Scorecard (BSC) versorgt das Management mit den für den Wettbewerbserfolg
notwendigen Instrumentarien. Heutzutage konkurrieren Unternehmen in einem komplexen
Umfeld, so dass ein genaues Verständnis ihrer Ziele und der zur Zielerreichung notwendigen
Maßnahmen dringend notwendig ist. Die Balanced Scorecard übersetzt die Unternehmensvision
und –strategie in ein übersichtliches System zur Leistungsmessung (Abbildung 6), welches den
Rahmen für ein strategisches Leistungsmessungs- und Managementsystem bildet. 12 Man
verwendet den Blickwinkel der Scorecard, um kritische Managementprozesse zu erkennen und zu
verändern.
12 Kaplan/Norton (1996)
Abbildung 6: Die Balanced Scorecard als strategischer Handlungsrahmen
Quelle: Kaplan, R.S. / Norton, D.P. (1996): Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System“,
Havard Business Review (Jan.-Feb.):76.
Klärung und Herunterbrechen von Vision und Strategie,
Kommunikation und Verknüpfung von strategischen Zielen und Maßnahmen,
Planung und Festlegung von Zielen sowie Abstimmung strategischer Initiativen,
Verbesserung von strategischem Feedback und Lernen.
Die Balanced Scorecard betont zwar die finanziellen Ziele, beinhaltet jedoch auch die
Leistungstreiber dieser finanziellen Ziele. Die Scorecard misst die Leistung des Unternehmens
auf der Grundlage von vier ausgewogenen Perspektiven (Abbildung 7): der finanziellen
Perspektive, der Kundenperspektive, der internen Perspektive und der
Innovationsperspektive. Die BSC befähigt Unternehmen, finanzielle Ziele zu verfolgen und
23
gleichzeitig den Fortschritt zu überwachen, indem Kompetenzen aufgebaut und immaterielle
Vermögenswerte als Grundlage für zukünftiges Wachstum geschaffen werden.13
Abbildung 7: Die Balanced Scorecard bildet den Rahmen zur Umsetzung einer Strategie in operative
Größe.
Quelle: Kaplan, R.S. / Norton, D.P. (1996): Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System“,
Havard Business Review (Jan.-Feb.):76.
Für jede der Perspektiven werden solche Kennzahlen ausgewählt, die die Annäherung an die
strategischen Ziele messen. Die Herausforderung liegt in der Auswahl weniger und zugleich
relevanter Kennzahlen. Um die Größe und Vielfalt von Organisationen abzubilden, werden
hierarchische Kennzahlensysteme gebildet und die Balanced Scorecard auf die einzelnen
Unternehmenseinheiten heruntergebrochen. Normalerweise sollen nicht mehr als 10-20
Kennzahlen pro Unternehmenseinheit definiert werden.
24
13 Kaplan/Norton (1996), S. 76
25
2.3 Die vier BSC-Perspektiven
Auf Grundlage der vier BSC-Perspektiven und der Ursachen-Wirkungsanalyse („Strategy Map“:
in Kapitel 2.4) kann ein Unternehmen seine strategische Ausrichtung definieren.
2.3.1 Die finanzwirtschaftliche Perspektive
Die finanzielle Perspektive bildet die wirtschaftlichen Ergebnisse ab. Die finanzwirtschaftlichen
Ziele dienen normalerweise als Fokus für die Ziele und Kennzahlen aller anderen Scorecard-
Perspektiven (für NPO ist die Finanzperspektive nicht unbedingt das oberste Ziel, sondern die
Kundenperspektive). Jede gewählte Kennzahl sollte ein Teil der Ursache-Wirkungskette sein, die
schließlich zur Verbesserung des finanziellen Ergebnisses führt.
Finanzwirtschaftliche Ziele und Kennzahlen spielen eine Doppelrolle: Sie definieren die
finanzielle Leistung, die von der Strategie erwartet wird und dienen als Gesamtziel aller anderen
Scorecard-Perspektiven. Wesentliche finanzwirtschaftliche Ziele für das Gesamtunternehmen
sind die Vermeidung von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Effektives Finanzmanagement muss sowohl Gewinn als auch Risiko berücksichtigen. Mit
Wachstum, Rentabilität und Cash Flow verbundene Ziele wirken sich auf den „Return on
Investment (ROI)“ aus. Unternehmen müssen die Balance zwischen erwartetem ROI,
Risikokontrolle und –management halten. Deshalb integrieren viele Unternehmen ein Ziel in ihre
finanzwirtschaftliche Perspektive, das sich mit der Risikodimension ihrer Strategie befasst:
Die Diversifizierung ihrer Einnahmequellen,
die Erschließung weiterer Geschäftsfelder,
die Bearbeitung zusätzlicher Regionen.
Im Allgemeinen ist Risikomanagement eine Restriktion oder ein zusätzliches Ziel, das zur
Ergänzung jeder von der Geschäftseinheit gewählten Gewinnstrategie dient.
26
2.3.2 Die Kundenperspektive
Hier werden Kunden- und Marktsegmente identifiziert oder definiert, in denen das Unternehmen
konkurrenzfähig sein soll. Diese Segmente stellen gleichzeitig die Quelle dar, mit denen das
Unternehmen die Erlöskomponente seiner finanzwirtschaftlichen Ziele erfüllen soll. Die
Kundenperspektive ermöglicht es den Unternehmen, die Hauptergebniskennzahlen –
Kundenzufriedenheit, Kundentreue, Kundenerhaltung, Kundenakquisition sowie
Kundenrentabilität den Zielkunden und Marktsegmenten zuzuordnen. Weiterhin können
Unternehmen die Wertangebote (Dienstleistungen oder Produkte) für die Zielkunden und
Marktsegmente klar identifizieren und messen. Diese Wertangebote sind die treibenden Faktoren,
die Hauptindikatoren für die Kundenergebniskennzahlen.
Kernkennzahlen für die Kundenperspektive sind zum Beispiel:
Marktanteil,
Kundentreue,
Kundenakquisition,
Kundenzufriedenheit und
Kundenrentabilität.
Diese Kernkennzahlen können in einer Kausalkette (Abbildung 8) dargestellt werden.14 Sie gelten
für alle Arten von Organisationen. Um jedoch ihren Einfluss so groß wie möglich zu gestalten,
sollten sie auf die Zielkundengruppe abgestimmt werden. Davon erhoffen sich die einzelnen
Geschäftseinheiten Wachstum und Rentabilität
14 Kaplan/Norton (1997), S. 66.
Abbildung 8: Die Kernkennzahlen der Kundenperspektive
Quelle: Kaplan, R.S. / Norton, D.P. (1997): "Balanced Scorecard, Strategien erfolgreich umsetzen", aus dem
Amerikanischen von P. Horvath, Stuttgart 1997 Horvath, P.: "Controlling", Verlag Vahlen, München. S.66
2.3.3 Die interne Prozessperspektive
Bei der internen Prozessperspektive identifiziert das Management die Prozesse, die für das
Erreichen der finanziellen und Kundenziele am kritischsten sind. Normalerweise entwickeln
Unternehmen ihre Ziele und Kennzahlen für diese Perspektive erst nach der Formulierung von
Zielen und Kennzahlen für die finanzielle und die Kundenperspektive. Diese Reihenfolge
ermöglicht es den Unternehmen, die Messgrößen ihrer internen Geschäftsprozesse auf diejenigen
27
Prozesse zu konzentrieren, welche die für Kunden und Anteilseigner formulierten Ziele
verwirklichen.
Sehr häufig haben sich bislang derartige Aktivitäten auf die Verbesserung bestehender
Betriebsprozesse bezogen. 15 Für die Balanced Scorecard sollte eine vollständige
Wertschöpfungskette interner Prozesse definiert werden. Unabhängig davon, in welchem Markt
ein Unternehmen agiert bzw. welche Produkte oder Dienstleistungen es anbietet, muss die
vollständige Wertschöpfungskette interner Prozesse mit der Kundenperspektive und der
finanziellen Perspektive verknüpft werden. Dabei kommt der Qualität des Produktes oder der
Leistung eine herausragende Bedeutung zu.
Kaplan und Norton haben das Wertkettenmodell schematisiert dargestellt.16 Es kann bei der
Vorbereitung der internen Perspektive individuell gestaltet werden (Abbildung 9). Dieses Modell
beinhaltet drei Hauptgeschäftsprozesse:
Innovationen,
betriebliche Prozesse,
Kundendienst.
Abbildung 9: Die interne Prozessperspektive – das generische Wertkettenmodell
Quelle: Kaplan, R.S. / Norton, D.P. (1997): "Balanced Scorecard, Strategien erfolgreich umsetzen", aus dem
Amerikanischen von P. Horvath, Stuttgart 1997 Horvath, P.: "Controlling", Verlag Vahlen, München. S.93
Im Innovationsprozess erforscht das Unternehmen die aufkommenden oder latenten Wünsche
der Kunden und schafft so Produkte oder Dienstleistungen, die diesen Wünschen entsprechen.
15 Speckbacher/Bischof (2000), S. 795-810.
28
16 Kaplan/Norton (1997), S.92 ff.
29
Im Betriebsprozess, der zweiten Stufe der internen Wertkette, werden Waren und
Dienstleistungen produziert und an Kunden ausgeliefert.
Effiziente Betriebsprozesse sowie Kostensenkung in Fertigungs- und Dienstleistungsprozessen
sind wesentliche Ziele. Die Wertschöpfungskette (Abbildung 9) zeigt, dass optimierte
Betriebsprozesse nur einen Teil in der gesamten internen Wertschöpfungskette zur Erreichung
finanzieller und Kundenziele darstellen.
Der dritte große Schritt in der internen Wertkette umfasst Serviceleistungen für den Kunden
nach dem Verkauf eines Produktes oder einer Dienstleistung. Manche Unternehmen besitzen
sogar eigene Strategien für besonders hochwertige Kundendienstangebote. Beispielsweise bieten
Unternehmen, die komplizierte Ausrüstungen oder Systeme verkaufen, Trainingsprogramme für
die Mitarbeiter des Kundenunternehmens an, um ihnen bei der effektiven und effizienten
Nutzung der Ausrüstung oder des Systems behilflich zu sein (z.B. Computerserver, Kopierer). Sie
können auch eine schnelle Reaktion auf aufgetretene oder potentielle Ausfälle gewährleisten.
2.3.4 Die Lern- und Entwicklungsperspektive
Die Lern- und Entwicklungsperspektive wird auch als Innovationsperspektive bezeichnet. Hierzu
werden Ziele und Kennzahlen zur Förderung einer lernenden und wachsenden Organisation
entwickelt. Im Informationsalter scheinen Investitionen in Personal, Systeme und Prozesse
wichtiger zu sein als Investitionen in Anlagengüter. Ziele der Lern- und Entwicklungsperspektive
sind die treibenden Faktoren für hervorragende Ergebnisse der ersten drei Scorecard-
Perspektiven. Kaplan und Norton’s Erfahrungen im Aufbau der Balanced Scorecard bei vielen
Dienstleistungs- und Industrieunternehmen haben drei wichtige Antriebskräfte für die Lern- und
Entwicklungsperspektive identifiziert:
Mitarbeiterpotentiale fördern,
Potentiale von Informationssystemen verstärken und
Motivation, Empowerment (Vollmacht) und gemeinsame Zielausrichtung festhalten.
Sie haben herausgefunden, dass die Mitarbeiterzufriedenheit von den oben genannten drei
Faktoren beeinflusst wird. Viele Unternehmen haben folgende drei Kennzahlen gebildet:
Mitarbeiterzufriedenheit,
Personaltreue und
Mitarbeiterproduktivität.
Die Mitarbeiterzufriedenheit ist der treibende Faktor der beiden anderen Kennzahlen (Abbildung
10).
Abbildung 10: Der Rahmen für die Kennzahlen der Lern- und Entwicklungsperspektive
Quelle: Kaplan, R.S. / Norton, D.P. (1997): "Balanced Scorecard, Strategien erfolgreich umsetzen", aus dem
Amerikanischen von P. Horvath, Stuttgart 1997 Horvath, P.: "Controlling", Verlag Vahlen, München. S.124
Sobald ein Unternehmen Kernkennzahlen ausgewählt hat – Zufriedenheit, Treue und
Produktivität – müssen individuelle situationsspezifische Antriebskräfte für die Lern- und
Entwicklungsperspektive identifiziert werden.
Tabelle 1: Situationsspezifische Antriebkräfte für Lernen und Wachstum
30
Quelle: Kaplan, R.S. / Norton, D.P. (1997): "Balanced Scorecard, Strategien erfolgreich umsetzen", aus dem
Amerikanischen von P. Horvath, Stuttgart 1997 Horvath, P.: "Controlling", Verlag Vahlen, München. S.127
Kaplan und Norton haben herausgefunden17, dass die treibenden Faktoren zur Erreichung der
Mitarbeiterzufriedenheit von den Personalpotentialen, der technologischen Infrastruktur und
dem Arbeitsklima beeinflusst werden.
2.3.5 Die Balance zwischen den vier Perspektiven
Nach der Vorstellung der erwähnten vier BSC-Perspektiven ist es besser zu verstehen, warum es
„Balanced“ Scorecard heißt:
Sie schafft einen Ausgleich zwischen internen (Betrieb, Technik und Innovation) und externen
Indikatoren (Anteilseigener und Kunden).
Sie bringt die Outcome-Indikatoren (Rendite und Marktanteil) und die Treiber-Indikatoren
(Investition und Personalschulung) ins Gleichgewicht.
Sie balanciert objektive (ROI, Beschwerden von Kunden) und subjektive Indikatoren
(Kundenzufriedenheit und Mitarbeitertreue) aus.
Sie bringt die kurzfristigen (Rendite, Kurse) und die langfristigen Indikatoren (Kundentreue und
die Kosten für Personalschulung) ins Gleichgewicht.
2.4 Integration verschiedener Scorecard-Kennzahlen zu einer einzigen
Strategie (Aufbau einer Strategy Map)
31
17 Kaplan/Norton (1997), S.126 f.
32
Bei der Auswahl der Kennzahlen in der individuellen Perspektive ist noch zu beachten, dass die
verschiedenen Kennzahlen in den Perspektiven auf einer richtig angelegten Balanced Scorecard
aus einer Verknüpfung von Zielen und Kennzahlen bestehen sollten, die sowohl beständig als
auch wechselseitig verstärkend wirken.
Eine Strategie ist ein Bündel von Hypothesen über Ursache und Wirkung. Das
Kennzahlensystem sollte die Beziehungen (Hypothesen) zwischen Zielen (und Kennzahlen) aus
verschiedenen Perspektiven deutlich machen, damit sie gesteuert und bewertet werden können.
Die Kette von Ursache und Wirkung sollte sich durch alle vier Perspektiven auf der Balanced
Scorecard ziehen. Beispielsweise (Abbildung 11) kann die Kapitalrendite (ROCE) eine Scorecard-
Messgröße der finanziellen Perspektive sein. Diese Größe wird durch wiederholten bzw.
erweiterten Kauf durch den existierenden Kundenstamm als Ergebnis einer größeren
Kundenzufriedenheit und –treue beeinflusst. Deshalb wird Kundentreue in die Scorecard
einbezogen (in der Kundenperspektive), da sie einen entscheidenden Einfluss auf die
Kapitalrendite (ROCE) hat. Wie jedoch kann die Organisation Kundentreue erreichen? Eine
Analyse der Kundenwünsche kann zeigen, dass pünktliche Lieferung von den Kunden sehr hoch
geschätzt wird. Deshalb wird die termingerechte Lieferung (on time delivery/OTD) zu höherer
Kundentreue führen, was wiederum zu höherer finanzwirtschaftlicher Leistung führt. Deshalb
sind sowohl der Faktor Kundenzufriedenheit als auch OTD in die Kundenperspektive auf der
Scorecard einbezogen.18
18 Kaplan/Norton (1997), S.28 ff..
Abbildung 11: Ursache-Wirkungskette in der BSC
Quelle: Kaplan, R.S. / Norton, D.P. (1997): "Balanced Scorecard, Strategien erfolgreich umsetzen", aus dem
Amerikanischen von P. Horvath, Stuttgart 1997 Horvath, P.: "Controlling", Verlag Vahlen, München. S.29
Wir führen dies weiter, indem wir uns fragen, welche betriebsinternen Prozesse ein Unternehmen
besonders gut beherrschen muss, um immer pünktlich liefern zu können. Um verbesserte OTD
zu erreichen, muss das Unternehmen seine Durchlaufzeiten in den operativen Prozessen
optimieren und damit qualitativ hochwertige interne Prozesse schaffen. Beide Faktoren können
die Scorecard-Kennzahlen in der internen Perspektive sein. Zur Verbesserung interner Prozesse
und Verkürzung der Durchlaufzeiten dienen z.B. Training und Weiterbildung der Mitarbeiter als
Bestandteil der Lern- und Entwicklungsperspektive. So zeigt sich nun, wie eine ganze Kette von
Ursache-Wirkungsbeziehungen (Strategy Map) einen vertikalen Vektor durch die vier BSC-
Perspektiven bildet (Abbildung 11).
2.5 Aufbau einer BSC
Jede Organisation ist einzigartig und muss ihren eigenen Weg zur Erstellung der BSC gehen.
Dennoch gibt es einen typischen, systematischen Entwicklungsplan 19 , der sich in vielen
Organisationen bereits bewährt hat. Richtig ausgeführt bietet dieser Prozess die Chance, das
obere und mittlere Management zu gewinnen.
33
19 Olve N.G. (1999), et. al..
34
2.5.1 Einführungsprozesse der BSC
Hier werden elf Schritte von Olve N.G. vorgestellt.
1. Definition und Klärung des Geschäftsbereichs
In dem ersten Schritt wird die Analyse des Marktes durchgeführt und die Marktposition und die
Rolle des Unternehmens klar definiert. Folgende Instrumente werden häufig als strategische
Analysemethode verwendet: SWOT-Analyse von Andrew, Fünf Kräfte Analyse von Porter,
Value Net von Brandenburger und Nalebuff, Ressourcen-Analyse von Grant und Dynamic-
Analyse von Ghemawat. Die fünf Analysemethoden haben ein gemeinsames Ziel: Durch
Stärken-Schwächen- und Marktanalyse eine langfristige und wettbewerbsfähige Strategie des
Unternehmens herauszufinden. In vorliegender Arbeit wurden die SWOT-, Fünf Kräfte-, sowie
die Value Net-Analyse durchgeführt.
2. Schaffung von Konsens zur Unternehmensvision
Alle Mitarbeiter des Unternehmens sollten Konsens über das interne und externe Geschäftsfeld
haben. Die Unternehmensvision wird auf Basis der Marktposition, der finanziellen Lage, der
Kernwettbewerbsfähigkeit sowie der technischen Entwicklung des Unternehmens entwickelt. Die
Vision fördert die Akzeptanz aller Mitarbeiter.
3. Entwicklung der Perspektiven und deren Kennzahlen
Viele Unternehmen nutzen die vier BSC-Perspektiven von Kaplan und Norton: Finanzen,
Kunden, interne Prozesse sowie Lern- und Entwicklungsperspektive. Aufgrund der Vielfalt in
der Industrie müssen die Kennzahlen nach eigenem Bedarf modifiziert werden.
4. Schritte zur Verwirklichung der Vision
Die Balanced Scorecard ist ein Instrument zur Strategieentwicklung und -durchführung. Man
sollte zuerst versuchen, die abstrakte Unternehmensvision und -strategie durch konkrete
Indikatoren abzubilden.
5. Festlegung der Prioritäten der Kernerfolgsfaktoren
Nach der Entwicklung der Perspektiven werden zahlreiche Kennzahlen für den Bereich der
Perspektiven entworfen. Angesichts der Knappheit der Ressourcen muss man die kritischsten
Faktoren, die die Bedeutung der Strategie am besten zum Ausdruck bringen, auswählen. Nach
35
Erfahrungen von Kaplan und Norton sollte es nicht mehr als 20 Kennzahlen in allen
Perspektiven geben, sonst wird man die Zielrichtung verlieren und Ressourcen verschwenden.
6. Entwicklung der Messvorgaben für jede Kennzahl und Aufbau der „Strategy Map“
In diesem Schritt werden messbare Vorgaben für alle Kennzahlen entwickelt. Nach der
Festlegung der Messvorgaben und der Prioritäten von Kennzahlen gilt es, die schwierigste
Aufgabe zu erledigen: die Kausalität zwischen allen Kennzahlen verschiedener Perspektiven
festzustellen und eine „Strategy Map“ zu skizzieren. Wie in Kapitel 2.4 bereits festgestellt wurde,
ist eine Strategie ein Bündel von Hypothesen über Ursache und Wirkung. Das Kennzahlensystem
sollte die Beziehungen (Hypothesen) zwischen Zielen (und Kennzahlen) aus verschiedenen
Perspektiven deutlich machen, damit sie gesteuert und bewertet werden können. Die Kette von
Ursache und Wirkung sollte sich durch alle vier Perspektiven auf der BSC ziehen.
7. Vermittlung der BSC an das gesamte Unternehmen
Um die BSC reibungslos in ein Unternehmen integrieren zu können, müssen alle Mitarbeiter über
den gleichen Informationsstand in Bezug auf die BSC verfügen.
8. Aufgabenzuordnung für alle Unternehmensbereiche
In diesem Schritt werden die Unternehmensziele für jede Abteilung spezifiziert und zugeordnet.
9. Entwicklung der Abteilungsziele
Hier kommt es darauf an, kurzfristige und langfristige Ziele und den Prozess der Zielerreichung
gleichzeitig festzulegen.
10. Entwicklung der Maßnahmen
Um Ziele zu erreichen, bedarf es konkreter Maßnamen.
11. Umsetzung der BSC
Unternehmensleiter haben die Verantwortung für die Umsetzung der BSC. Mit der Hilfe des IT-
Systems sollte der Unternehmensleiter alle Indikatoren überwachen und die Abläufe bei der
Umsetzung der BSC kontrollieren.
36
2.5.2 Kritische Faktoren bei der erfolgreichen Einführung einer BSC
Nach Olve N.G. sind vierzehn determinierende Faktoren zu berücksichtigen:
1. Die Managementebene muss die BSC fördern
Die Einführung der BSC erfordert die Unterstützung des Unternehmensleiters. Es kann
aufwändig sein, bis alle Mitarbeiter die BSC umfassend verstanden haben und vom Wert, dem
Konzept und der Philosophie der BSC überzeugt sind. Die BSC bietet eine
Kommunikationsplattform.
2. Bestimmung der Prioritäten aller laufenden Projekte
Bereits bestehende „Verbesserungsprojekte“ sollten vom Management in der Priorisierung von
Maßnahmen berücksichtigt werden.
3. Gestaltung eines Projektteams
Das Projektteam solle aus 4-15 Personen unterschiedlicher Fachbereiche zusammengesetzt sein.
4. „Pilot-BSC-Projekt“ in einer ausgewählten Abteilung
Um die Machbarkeit zu überprüfen, kann zunächst in einer Abteilung ein Pilot-Projekt
durchgeführt werden. Dadurch kann man potentielle Fehler korrigieren und die Qualität des
Projektes verbessern. Nach erfolgreichem Probelauf kann man beginnen, die BSC im gesamten
Unternehmen zu implementieren.
5. Die BSC sollte auf der Unternehmensstrategie basieren
Um zu vermeiden, dass das Projekt in eine falsche Richtung läuft, sollte die BSC auf der
Unternehmensstrategie basieren.
6. Einheitliche Definitionen der Kennzahlen in allen Abteilungen
Damit man die Leistungen abteilungsübergreifend vergleichen kann.
7. Gleichgewicht und Kausalität zwischen den Kennzahlen
Alle Mitarbeiter des Unternehmens sollten die Kausalität der verschiedenen BSC-Kennzahlen
verstehen.
8. Festlegung der Vorgaben (Zielwert)
37
Für jede Kennzahl muss es einen klaren Zielwert geben und die Zielwerte müssen mit der
Unternehmensvision in Einklang stehen.
9. Verknüpfung mit dem bestehenden Vergütungs- und Controllingsystem
Die BSC sollte mit dem bestehenden Vergütungs- und Controllingsystem verknüpft sein.20
10. Messbarkeit der Kennzahlen
Um die BSC effizient einführen zu können, müssen alle benötigten Informationen vorhanden
sein. Wenn man zu viele Kennzahlen entwickelt, die nicht vom bestehenden System erfasst
werden können, wird die Leistungsmessung deutlich schwieriger sein.
11. Integration des IT-Systems
Auf der Grundlage des IT-Systems kann man Informationen effizienter zusammenstellen und die
Ergebnisse professionell präsentieren.
12. Mitarbeiterschulung und Informationsweiterleitung
Die Konzeption der BSC sollte durch verschiedene Medien kommuniziert werden (z.B.
Broschüre, Internet oder Konferenz).
13. Entwicklung einer lernenden Organisation
Bei der Umsetzung der BSC wird die Strategie zu den Kennzahlen und den Zielwerten
konkretisiert. Um die Unternehmensziele zu erreichen, muss die Organisation Probleme
erkennen, analysieren und Strategien zu deren Lösung entwickeln.
14. Kontinuierliches Feedback
Um eigene Wettbewerbsvorteile festzuhalten, sollte ein Unternehmen seine Strategie
kontinuierlich überprüfen. Falls die Kennzahlen die Richtung zum Unternehmensziel verlieren,
muss man die Richtigkeit der ursprünglichen Strategie oder der Kennzahlen überprüfen.
20 Vgl. Horvath & Partner (2000), ebenda, S. 253ff..
2.5.3 Häufige Gründe für die fehlerhafte Durchführung einer BSC
Kaplan und Norton gehen davon aus, dass die Durchsetzungsfähigkeit einer Strategie viel
wichtiger ist als die Qualität der Strategie selbst. Aus langjähriger Praxiserfahrung ist ihnen
bekannt, dass eine Vielzahl von Unternehmen drei Hauptprobleme bei der Einführung von BSC
haben: Wechsel der Managementebene, schlechtes Design der BSC und fehlerhafte
Durchsetzung (siehe Tabelle 2).
Tabelle 2: Häufige Gründe für eine fehlerhafte Durchführung einer BSC
Quelle: Kaplan, R.S. / Norton, D.P. (2001): Strategische Scorecards für NPOs, öffentliche Verwaltung und
Gesundheitsfürsorge, in: Die strategiefokussierte Organisation – Führen mit der Balanced Scorecard, aus dem
Amerikanischen von P. Horvath und D. Kralj, Stuttgart, Schäffer-Poeschel
38
39
2.6 Zwei erfolgreiche Beispiele der Einführung von BSC in medizinischen
Einrichtungen
May Institute21
Das May Institute, eine in Massachusetts tätige Nonprofit-Organisation, ist in den USA einer der
größten Versorger und Anbieter in den Bereichen der psychologischen Betreuung, des
Bildungswesens und der Rehabilitationsprogramme für Erwachsene und Kinder. Es beschäftigt
2.000 Mitarbeiter und bedient jährlich, mit Hilfe seines Netzwerkes, mehr als 8.000 Einzelfälle.
Das May Institute ist ein aktives Zentrum für Forschung und Weiterbildung und verfügt über
Kooperationen zu mehr als 40 Universitäten sowie medizinischen Zentren in den USA und
weiteren Ländern.
Das May Institute initiierte das Balanced Scorecard-Projekt, um seine Expansion zu unterstützen
und seine zunehmenden Aktivitäten zu steuern. Zu Beginn musste sich das Balanced Scorecard-
Projekt dem Vergleich mit verschiedenen anderen operationalen Projekten stellen und sich gegen
Aktivitäten zur Verbesserung der Informationstechnologie durchsetzen.
Die bereits im May Institute agierenden Projektmanager und Technologieberater versuchten die
Scorecard zu nutzen, um ihre kontinuierlichen Verbesserungsprogramme durchzusetzen und
nicht, wie eigentlich vorgesehen, mit ihr die strategische Richtung für die Zukunft festzulegen.
Glücklicherweise konnten die externen Berater die Projektteams davon überzeugen, die Balanced
Scorecard für die übergeordnete strategische Zielfestlegung einzusetzen. Hier wird noch einmal
deutlich, mit welchen Schwierigkeiten Nonprofit-Organisationen bei der Abgrenzung ihrer
Strategie von potentiellen Konkurrenten zu kämpfen haben.
Die Kundenperspektive wurde an die Spitze der Scorecardhierarchie gestellt. Um den bereits
erwähnten breiten Kundenkreis widerzuspiegeln, wurden beim May Institute, wie auch bei den
meisten anderen Nonprofit-Organisationen, unterschiedliche Typen von Kunden in den
Perspektiven dargestellt:
21 Kaplan/Norton (2001), S.130 f..
40
• Konsumenten (Patienten) und deren Familien
• Geldgeber
• Akademische Gemeinschaften
• Medien
• Gesetzgeber
Abbildung 12: Die Balanced Scorecard vom May Institute
Quelle: Kaplan, R.S. / Norton, D.P. (2001): Strategische Scorecards für NPOs, öffentliche Verwaltung und
Gesundheitsfürsorge, in: Die strategiefokussierte Organisation – Führen mit der Balanced Scorecard, aus dem
Amerikanischen von P. Horvath und D. Kralj, Stuttgart, Schäffer-Poeschel, S.133
Direkt unterhalb der Kundenperspektive platzierte das May Institute die Lern- und
Entwicklungsperspektive. Man war der Ansicht, dass die Fähigkeiten der Mitarbeiter den größten
Einfluss bei der Erreichung der Kundenziele besaßen.
41
42
Die interne Perspektive wurde durch unterschiedliche kritische Prozesse charakterisiert:
• Effektive, umfassende und kostengünstige Versorgung der Konsumenten,
• Wahrung der Rechte der Kunden,
• kooperative Partnerschaft mit anderen Behörden und Anbietern.
Ein vierter Prozess charakterisierte die Wichtigkeit der Informationssysteme für die interne und
externe Kommunikation.
Die Finanzperspektive garantiert die Überlebensfähigkeit der Organisation und die Entwicklung
einer leistungsbasierten Vergütungspraxis.
Kapsalis betonte im Zusammenhang mit der Balanced Scorecard den nachhaltigen Lerneffekt für
die Organisation (May Institute). Die meisten Beschäftigten des May Institutes erbrachten
unmittelbare Leistungen am Patienten. Die Scorecard unterstützte die Mitarbeiter dabei, die
Wichtigkeit der Vorgänge innerhalb der Organisation zu verstehen und sie besonders bei den
Budgetierungs- und Marketingaktivitäten zu berücksichtigen. Im Gegensatz dazu bestand der
Aufsichtrat vom May Institute zum größten Teil aus Geschäftsleuten, die sich vor allem in den
Geschäftszahlen auskannten. Erstmals erkannten sie mit Hilfe der Balanced Scorecard die
Bedeutung der Pflegeleistungen und der Mitarbeiterentwicklung. Die Scorecard schaffte eine
ausgewogene Diskussionsgrundlage in den Führungsmeetings, besonders über die Wichtigkeit
von Personalaufgaben, wie Personalbindung und Rekrutierung in einem engen Personalmarkt.
Duke Children’s Hospital22
Das Duke Children’s Hospital (DCH), eine Universitätsklinik der Duke University Health System
in Durham, North Carolina, musste von 1994 zu 1995 eine Steigerung seiner Kosten pro
Krankheitsfall um 35% hinnehmen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer von acht Tagen pro
Patient lag um 15% über dem Zielwert. Verluste stellten sich ein, die Mitarbeiter waren
unzufrieden und kürzlich etablierte Projekte zur Prozessverbesserung waren fehlgeschlagen.
Dennoch wurde ein Antrag auf ein 40 Mio. US$ Erweiterungsprogramm vom Medical Center der
Duke University gestellt. Dr. Jon Meliones leitete das Balanced Scorecard-Programm, das alle
22 Vgl. Kaplan/Norton (2001), S.135 ff..
43
orecard..
pädiatrische Einrichtungen sowie zwei weitere große Krankenhäuser der Region (Zukauf
während der Laufzeit des Projektes) einschloss.
Dr. Jon Meliones hatte sofort die folgenden kritisch-negativen Sachverhalte erkannt:
Die Organisation war sich unsicher darüber, welche Dienstleistungen sie unbedingt anbieten
musste.
Abgestimmte Ziele zwischen der Verwaltung, dem Pflegepersonal und Ärzten waren nicht
vorhanden.
Die Kommunikation und Koordination mit überweisenden Kinderärzten war dürftig.
Die Marktposition der Organisation wurde durch Wettbewerber bedroht.
Die Organisation hatte große Schwierigkeiten, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen
hochwertiger Pflege, Patienten- und Mitarbeiterzufriedenheit sowie Forschung und Lehre und
den finanziellen Zielen zu schaffen.
Das Führungsteam des DCH entwickelte eine Mission und eine Vision. Dies umfasste die
Abstimmung mit den Zielen des gesamten Duke Medical Center, ein landesweites Benchmarking
sowie die Definition von „Centers of Excellence“. Letztendlich wurde die Vision wie folgt
definiert: „Patienten, Familien und erstbehandelnde Ärzte müssen die bestmögliche,
mitfühlendste Betreuung bei gleichzeitig vorbildlicher Kommunikation erhalten.“ Damit wurde
die Hypothese aufgestellt, dass die Überweisungen in das Krankenhaus und somit die Umsätze
zunehmen würden, wenn sich die Kommunikation verbessern und sich die Pflegeleistung
steigern würde. Zusätzlich beinhaltete die Strategie eine Reduzierung der Kosten und der
Aufenthaltsdauer, was sich auf die finanzielle Leistungsfähigkeit auswirken sollte.
Ein multidisziplinäres Team wurde mit dem Aufbau der Balanced Scorecard betraut und
überprüfte während eines Workshops mit der Führung die Mission, die Vision und die
Strategie. Abbildung 13 zeigt die dabei entstandene Sc
Abbildung 13: Die Balanced Scorecard des Duke Children’s Hospital
Quelle: Kaplan, R.S. / Norton, D.P. (2001): Strategische Scorecards für NPOs, öffentliche Verwaltung und
Gesundheitsfürsorge, in: Die strategiefokussierte Organisation – Führen mit der Balanced Scorecard, aus dem
Amerikanischen von P. Horvath und D. Kralj, Stuttgart, Schäffer-Poeschel, S.138
Das Team benannte die Lern- und Entwicklungsperspektive in die Perspektive der Forschung,
Lehre und Bildung um, da diese Aspekte von wesentlicher Bedeutung für die Versorgung in einem
akademischen, medizinischen Zentrum waren. Ziel dieser Perspektive war es, die Mitarbeiter in
den Veränderungsprozess einzubeziehen sowie die Förderung des Fortschrittes in der
medizinischen Versorgung der Kinder zu unterstützen.
44
45
Nachdem die Scorecard innerhalb des DCH kommuniziert und akzeptiert wurde, begann die
eigentliche Arbeit: „Wie kann die Balanced Scorecard umgesetzt werden?“ Dabei entwickelten die
Mitarbeiter viele Ideen zur Verbesserung der Kundenzufriedenheit. Meliones definierte ein
zweidimensionales Raster, um die Aktionsalternative besser prüfen zu können: Eingesetzte
Ressourcen (Zeit und Geld) wurden mit ihrem potentiellen Einfluss auf die Kundenzufriedenheit
in Verbindung gebracht. Das DCH berücksichtigte zunächst die kostengünstigeren und später die
finanziell aufwändigeren Alternativen. Schnell entwickelten die Mitarbeiter Ideen, die erstens
einen nachhaltigen Einfluss besaßen und zweitens auch noch kostengünstig waren.
Eine große Anzahl neuer Prozesse wurde implementiert: Täglich berieten Mediziner darüber,
welche Patienten nach Hause entlassen werden konnten, Familienangehörige wurden über die
notwendigen Behandlungen informiert und auch der nach der Entlassung verantwortliche (Haus-
)Arzt wurde über die als notwendig erachteten Maßnahmen unterrichtet. Die Ärzte erhielt
monatlich Kosten- und Behandlungsberichte sowie Auswertungen über die Zufriedenheitsrate
von Patienten und Hausärzten. Auf Grundlage dieser Dokumente waren die behandelnden Ärzte
in der Lage, Vergleiche hinsichtlich der Arbeit mit ihren Kollegen zu ziehen und gegebenenfalls
neue Wege zur Verbesserung einzuschlagen.
Nach der Durchsetzung des Balanced Scorecard-Programms wurden die Kosten je Patient und
die durchschnittliche Aufenthaltsdauer innerhalb der ersten Jahre bei einer gleichzeitig
komplexeren Fallgesamtheit um 25% gesenkt. Die Zufriedenheit und Loyalität der Patienten wie
auch der Ärzte war gestiegen.
46
3 Forschungsmethodik - Fallstudie (Case Study)
Eine Fallstudie (Case Study) ist eine empirische Sozialuntersuchung, die sich auf Einzelpersonen
oder Gruppen bezieht. Die explorativen und beschreibenden Aussagen über den
Untersuchungsgegenstand sind nicht generalisierbar. Nach Yin23 zielt die Fallstudie darauf ab, ein
aktuelles Phänomen innerhalb des Lebenszyklus des zu erforschenden Gegenstandes zu
erforschen. Es gibt keinen bestimmten Umfang für den Untersuchungsgegenstand und die
Herkunft der Beweise sind vielfältig, z.B. Dokumente, Archiveinträge, Interviews, direkte
Beobachtung, teilnehmende Beobachtung und Artefakte.
3.1 Vor- und Nachteile der Forschungsmethode
Nach Babbie24 hat die Fallstudie drei Vorteile:
1. Im Vergleich zu anderen Forschungsmethoden kann man mit Fallstudien den
Untersuchungsgegenstand am besten analysieren.
2. Im Verlauf der Forschung kann der Forscher den Forschungsprozess bei Vorliegen von neuen
Befunden modifizieren.
3. Im Vergleich zu anderen Methoden verursachen Fallstudien niedrigere Kosten.
Nach Scapens25 ist die Objektivität umstritten, da der Untersuchungsgegenstand komplex ist, und
aufgrund des Datenschutzes der Zugang zu den vertraulichen Informationen besonders sensibel
gehandhabt werden muss.
23 Yin R.K. (1987). 24 Babbie E. (1989). 25 Scapens R.W. (1990).
47
3.2 Forschungsdesign der Arbeit
3.2.1 Gründe für diese Fallstudie
Im Rahmen dieser Diplomarbeit wird die Fallstudie als Methode verwendet. Der
Untersuchungsgegenstand ist das HELIOS Research Center (HRC). Die Methode wurde
gewählt, weil die Balanced Scorecard in Deutschland im Gesundheitsbereich kaum angewendet
wird und kaum Vergleichsmöglichkeit bestehen26 (für den medizinischen Bereich ist das Beispiel
von der Uni-Klinik Aachen bekannt). Im Rahmen von Fallstudien lassen sich die
Unternehmensphilosophie und die Betriebsprozesse besser analysieren, die Phänomene während
der Untersuchung dezidiert erfassen, und sich das Forschungsergebnis konkreter darstellen. Die
Fallstudie bietet dem Forscher die Gelegenheit, Geschichte, Kultur, Management und
Kommunikation des Unternehmens intensiv zu erforschen.
Der Autor der Diplomarbeit hat die Entwicklung der BSC direkt im HRC durchgeführt.
Voraussetzungen dafür waren Erhebung und Analyse der Unternehmensdaten anhand von
Dokumenten (Unternehmensbericht, Finanzdaten etc.), Archiveinträgen, Interviews, direkte
Beobachtung, teilnehmende Beobachtung, Datenbanken usw.
3.2.2 Forschungsdesign
Das Forschungsdesign basiert auf der in Kapitel 2 vorgestellten BSC-Theorie, anhand derer die
Einführung der BSC ins HELIOS Research Center (HRC) zunächst simuliert und dann
implementiert wurde. Die Barrieren bei der Implementierung wurden analysiert und
entsprechende Empfehlungen für die zukünftige strategische Ausrichtung des HRC erarbeitet.
Der Forschungsprozess ist in Abbildung 14 dargestellt. Die Diplomarbeit umfasst verschiedene
Teile der Fallstudie: explorative, diagnostische, illustrative und kumulative Ansätze.
26 Klumpp. M. & Zug. S. (2003), S. 29.
Abbildung 14: Prozess der Diplomarbeit
Quelle: Eigene Darstellung
48
49
4 Branchenanalyse - Arzneimittelforschung
In „The Practice of Management“ beschreibt Drucker Innovation und Marketing als
fundamentale Funktion von Organisationen.27 Forschung und Entwicklung sind die wichtigsten
Faktoren für das ökonomische Wachstum eines Staates. Studien zeigen, dass in den meisten
Industrieländern 50% der ökonomischen Wachstumsenergie aus technischem Fortschritt
generiert wird, gefolgt von der Kapital-Aggregation. Die Aktivitäten im Bereich Forschung &
Entwicklung (research & development) eines Unternehmens werden als ein wichtiger Indikator
für die Wettbewerbsfähigkeit betrachtet. Daher sind die forschenden Arzneimittelhersteller
ständig bemüht, neueste Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung zur Erarbeitung
innovativer Therapiekonzepte einzusetzen, um sich langfristig in dem sich ständig verändernden
Markt zu positionieren.
4.1 Die Definition und Abgrenzung der klinischen Forschung
Der Begriff der klinischen Forschung umfasst die Bereiche Problemfindung, Problemdiskussion
und Problemlösung. Eine große medizinische Organisation kann zahlreiche und unterschiedliche
Forschungsaktivitäten betreiben. Man kann die Forschungsaktivitäten grob in zwei Kategorien
einteilen: Grundlagenforschung und Angewandte Forschung
Grundlagenforschung
Grundlagenforschung ist Erkenntnissuche ohne Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse in
tatsächliche Handlung. In Anlehnung an die Definition des „Department of Commerce, USA“
oder der „Organization for Economic Cooperation and Development; OECD“ ist
Grundlagenforschung folgendermaßen definiert: „Basic research is experimental or theoretical
work undertaken primarily to acquire new knowledge of the underlying foundation of
phenomena and observable facts, without any particular application or use in view.” 28
27 Drucker. P. (1986) 28 OECD, STI Scoreboard 2003.
50
Im medizinischen Umfeld bearbeitet Grundlagenforschung Aspekte der Biomedizin ohne
direkten Kontakt mit einem Probanden/Patienten ausschließlich anhand von Modellsystemen.
Mit Hilfe dieser Modellsysteme können molekulare Krankheitsmechanismen aufgeklärt werden,
die künftig als Ansatzpunkte für die Entwicklung von neuen Medikamenten dienen sollen.
Konkret erstreckt sich die Grundlagenforschung in diesem Zusammenhang vor allem auf
Disziplinen wie Molekularbiologie und Chemie, zunehmend aber auch auf die Kombination
verschiedener Wissenschaften, wie Biochemie, Bioinformatik oder medizinische Chemie. Die
Aufgabe der Grundlagenforschung wird teilweise von den Industrieunternehmen, hauptsächlich
aber von den universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen erfüllt.
Angewandte Forschung
Die angewandte Forschung setzt die in der Grundlagenforschung gewonnenen Erkenntnisse
zielgerichtet um. Klinische angewandte Forschung umfasst im weitesten Sinne die
biomedizinische Forschung von den Grundlagen über die Pathogenese von Krankheiten und die
klinische Entwicklung von Arzneimitteln bis hin zur Versorgungsforschung. Die vorliegende
Diplomarbeit beschäftigt sich mit der klinischen Forschung am Patienten (sog.
patientenorientierte klinische angewandte Forschung, gemäß AMG §4, Abs. 2329), die sich auf die
Prüfung von Wirkstoffen am Menschen für die Entwicklung von Arzneimitteln bezieht.
Klinische Studien können sowohl vom Arzt bzw. Prüfarzt (Investigator Initiated Trials) als auch
von einem Sponsor (Sponsor Initiated Trials) initiiert werden. Ein Sponsor einer klinischen
Studie ist für den organisatorischen Ablauf zuständig. Er trägt alleine und ausschließlich die
Verantwortung und somit das unternehmerische Risiko. Als Sponsor bezeichnet das AMG
„…eine natürliche oder juristische Person, die die Verantwortung für die Veranlassung,
Organisation und Finanzierung einer klinischen Prüfung bei Menschen übernimmt.“30
29 Arzneimittelgesetz (AMG) §4, Absatz 23: Klinische Prüfung bei Menschen ist jede am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt ist, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen. 30 AMG §4, Abs. 24.
51
Meist sind die Sponsoren Arzneimittelhersteller, die Studien zur Zulassung neuer Präparate in
den Krankenhäusern, Ambulanzen oder bei niedergelassenen Ärzten durchführen möchten. Bei
sponsorinitiierten Studien werden die Prüfmedikamente immer und die Standardmedikation (bei
Vergleichsstudien) häufig kostenlos von Sponsoren gestellt.
4.2 Aktuelle Situation der klinischen Forschung
4.2.1 Die pharmazeutische Industrie im Allgemeinen
Klinische Prüfungen haben in der Vergangenheit nachweislich dazu beigetragen, die medizinische
Versorgung zu verbessern. Sie sind auch weiterhin von zentraler Bedeutung für die Entwicklung
neuer Medikamente und die Einführung neuer bzw. verbesserter Therapieverfahren.
Trotz der Erfolge zur Heilung von Krankheiten durch Arzneimittel ist bis heute für etwa zwei
Drittel aller bekannten Krankheiten keine Heilung möglich. Die Hauptforschungsgebiete sind
derzeit Arzneimittel gegen Erkrankungen wie Krebs, AIDS und Alzheimer. 31 Bei der
Arzneimittelentwicklung arbeiten Arzneimittelhersteller und wissenschaftliche Einrichtungen eng
zusammen. Ein wesentlicher Teil der Arzneimittelentwicklung ist die klinische Forschung und ein
vergleichsweise großer Teil der internationalen Forschungs- und Entwicklungsarbeit wird von
den Industriestaaten wie den USA oder Großbritannien durchgeführt.
Die Entwicklung eines neuen Medikamentes dauert mehr als ein Jahrzehnt und kostet rund 800
Millionen Dollar, ist also zeit- und kapitalintensiv. Deshalb ist die Einschätzung der zu
erwartenden Erlöse wichtig und hängt wesentlich von den Ergebnissen in den einzelnen
klinischen Phasen ab. Eine Studie vom VFA32 zeigt: „Jeder Tag Verzögerung in den einzelnen
Entwicklungsetappen neuer Arzneimittel kann bei einem späteren Erfolg des Medikamentes
einen Umsatzverlust von über 3 Millionen Dollar pro Tag betragen“.33
31 Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (2004): Klinische Forschung in Deutschland, Ruksaldruck, S.3 32 Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. 33 Vgl. Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (2004): Klinische Forschung in Deutschland, Germany, Ruksaldruck, S.12.
52
Klinische Studien verlaufen in vier Phasen, deren Charakteristika in der Tabelle 3 aufgeführt
werden.
Tabelle 3: Phasen der klinischen Studien
Phase Personen Dauer Hauptziel
I ca. 60 bis
80
ca. 1-
2
Jahre
Erstmalige Anwendung am Menschen (gesunde Probanden).
Pharmakokinetik, Verträglichkeit und Sicherheit des Medikaments.
II ca. 100
bis 500
ca. 2-
3
Jahre
Erstmalige Anwendung am Patienten. Überprüfung des
Therapiekonzepts (Proof of Concept, Phase IIa), Findung der
geeigneten Therapiedosis (Dose Finding, Phase IIb), positive Effekte
der Therapie sollten zu beobachten sein.
III
In der
Regeln
bis zu
10.000
ca. 2-4
Jahre
Breite Anwendung am Patienten. Signifikanter Wirkungsnachweis
(Pivotal Study) und Marktzulassung der Therapie; nach
Marktzulassung werden laufende Studien dann zu IIIb Studien
IV
In der
Regeln
bis >
10.000
Klinische Studien nach Zulassung. Erfolgen mit bereits zugelassenen
Medikamenten und dienen der Gewährleistung der Sicherheit des
Arzneimittels, z. B. der Feststellung sehr seltener Nebenwirkungen
Quelle: In Anlehnung an: The Boston Consulting Group (2001), S.45.
Von den Entwicklungskosten entfallen mehr als die Hälfte der Kosten auf die klinischen
Prüfungen (Phase I bis IV).
Der Standort Deutschland im internationalen Vergleich
Deutschland ist weltweit einer der bedeutendsten Standorte für die pharmazeutische Industrie.
Mit einem Umsatzvolumen von 15,6 Mrd. Euro (27,90 Mrd. Euro im Jahr 2005) war
Deutschland im Jahr 2000 der drittgrößte Markt der pharmazeutischen Industrie hinter den USA
(105,5 Mrd. Euro) und Japan (55,7 Mrd. Euro) (siehe Abbildung 15) und beschäftigte rund
114.600 Mitarbeiter (2005).
Abbildung 15: Der Pharmastandort Deutschland
(1) Apothekenmarkt
(2) Nur VFA-Firmen berücksichtigt
Quelle: EFPIA; VFA; Federal Reserve Board
53
Deutschland produzierte 2005 Pharmazeutika im Wert von 27,9 Mrd.34 Euro und lag damit
weltweit an fünfter Position. Im Arzneimittelexport (siehe Abbildung 15) war Deutschland
Spitzenreiter (14,7 Mrd. Euro im Jahr 1999, 14,8 Mrd. Euro im Jahr 2005) vor den USA (11,9
Mrd. Euro) und der Schweiz (11,1 Mrd. Euro). Als Forschungs- und Entwicklungsstandort spielt
Deutschland eine eher geringe Rolle. Im Jahr 1999 waren etwa 14.300 Mitarbeiter (15.250 im Jahr
2005) der VFA-Mitgliedsunternehmen in den Bereichen Forschung und Entwicklung tätig (USA
(56.800), Japan (29.000), Großbritannien (21.000) und Frankreich (18.200 im Jahr 1998).
Der Anteil der in F&E tätigen Mitarbeiter an der Gesamtzahl der Beschäftigten in der
pharmazeutischen Industrie (19%) ist in der Abbildung 16 dargestellt (17.8% im Jahr 2005). Hier
liegt Deutschland an sechster Stelle und somit hinter Großbritannien (35%), Schweden (32%),
den Niederlanden (28%), den USA (27%) und Frankreich (20%). Deutschland ist vorrangig ein
Vertriebsstandort.
Abbildung 16: Anteil der F&E-Beschäftigten in Deutschland gering
(1) Daten von 1999 für Deutschland, Schweden, USA, Niederlande und Japan. 1998 für Großbritannien,
Frankreich und Italien
(2) Nur VFA-Firmen berücksichtigt
Quelle: : ABPI; LIF; SNIP; VFA; PhRMA; NeFarma; Farmindustria; JPMA; BCG-Interview und -Analysen
54
34 Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (2006): Die Arzneimittelindustrie in Deutschland – Zahlen und Fakten, S.1.
4.2.2 Klinische Forschung am Standort Deutschland
Allein in Deutschland haben die Mitgliedsunternehmen des Verbandes Forschender
Arzneimittelhersteller für Forschung und Entwicklung (F&E) im Jahr 2002 knapp 3,6 Milliarden
Euro (4,07 Mrd. Euro im Jahr 2005) ausgegeben, mehr als die Hälfte der Kosten entfallen auf die
klinischen Prüfungen (Phase I bis IV) an Universitätskliniken (Hochschulen) und anderen
Einrichtungen.35
Bei der klinischen Prüfung liegt Deutschland im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Die
Forschung und Entwicklung in der pharmazeutischen Industrie wird vorwiegend an Standorten
außerhalb Deutschlands durchgeführt. Abbildung 17 zeigt, dass 10 Forschungszentren in
Deutschland angesiedelt sind.36
Abbildung 17: Relativ wenige Forschungsstätten der pharmazeutischen Industrie liegen in Deutschland
(1) Top 30 pharmazeutische Unternehmen gemessen am Umsatz das Jahres 2000
Quelle: Firmeninformation; BCG-Analyse
35 Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (2004): Klinische Forschung in Deutschland, Germany, Ruksaldruck, S.4.
55
36 Im Einzelnen sind dies: Abbott (Ludwigshafen), Aventis (Frankfurt), Bayer (Wuppertal), Boehringer Ingelheim (Ingelheim, Biberach), Eli Lilly (Hamburg), Merk KgaA (Darmstadt), Pfizer (Freiburg), Roche (Pensberg) und Schering (Berlin).
56
Forschende Arzneimittelhersteller führen dies auf strukturelle Rahmenbedingungen zurück. Zu
diesen zählen:37
Geringe Akzeptanz klinischer Prüfungen bei den Ärzten
1. Bei wissenschaftlich tätigen Ärzten und Hochschullehrern genießen die klinischen Prüfungen
in Deutschland keine besondere Wertschätzung. Folge: unverzichtbare Kooperationen zwischen
forschenden Arzneimittelherstellern und Kliniken sind unnötig erschwert.
2. Klinische Prüfungen werden in großen Kliniken häufig aufgrund des Argumentes
„industriedominiert“ gering geschätzt. Die Unabhängigkeit ist schwerer zu gewährleisten,
weshalb sie als weniger „wertvoll“ gelten als Projekte „unabhängiger“ Forschung, die
beispielsweise durch die Länder, die DFG38 oder das BMBF39 finanziert sind.
3. Grundlagenforschung erreicht dagegen eine höhere wissenschaftliche Anerkennung.
Akzeptanz bei den Patienten
Die von vielen Wissenschaftlern geäußerte Meinung zum Stellenwert der klinischen Forschung
erschwert die Zustimmung der Bürger und Patienten. Patienten, die sich an klinischen Prüfungen
beteiligen, gelten in der Öffentlichkeit häufig als „Versuchskaninchen“, weil es bestimmte Risiken
bei klinischer Studien gibt. Nur wenige Patienten sind bereit, an klinischen Prüfungen
teilzunehmen. Die mangelnde Teilnahmebereitschaft wird zunehmend zum Problem.
Professionalität40
Im Gegensatz zu den USA existieren in Deutschland bisher kaum Forschungseinrichtungen, in
denen sich Wissenschaftler ausschließlich der patientenorientierten klinischen Prüfung widmen
können. Derartige Einrichtungen sind aber eine Voraussetzung für qualitativ hochwertige
klinische Prüfungen, unabhängig davon, ob sie wissenschaftsgetrieben sind oder ob es sich um
Studien im Rahmen von Zulassungsprogrammen handelt.
37 The Boston Consulting Group; BCG Deutschland (2001) 38 Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG). 39 Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). 40 Was heißt Professionalität der klinischen Prüfungen: Kompetenter Studienleiter Infrastruktur (u.a. räumliche und personelle Ausstattung) Good Clinical Practice (GCP) Compliance Biometrie und Datenmanagement Verfügbarkeit der Patienten Projektmanagement/Zeitpläne Transparenz der Finanzierung
57
Gesetzliche Rahmenbedingungen
In der 12. AMG Novelle wird die EU-GCP Richtlinie umgesetzt. Genehmigungsverfahren für
klinische Forschung sind ebenso aufwändig wie die Antragsverfahren bei den Ethik-
Kommissionen im Rahmen von multizentrischen Studien.
4.2.3 Forschungsstrukturen in Deutschland
Koordinierungszentren für klinische Studien (KKS) in Deutschland
Das BMBF fördert die Einrichtung der Koordinierungszentren für klinische Studien (KKS).
Durch diese Koordinierungszentren soll die Qualität klinischer Studien in Deutschland verbessert
werden. Die Fördermaßnahme des Bundesministeriums wurde im Mai 1997 im Rahmen eines
Wettbewerbs ausgeschrieben. In einer ersten Phase wurden acht Universitäten (Düsseldorf,
Freiburg, Heidelberg, Leipzig, Magdeburg, Mainz, Marburg und Tübingen) ausgewählt (zurzeit 12
KKS bundesweit, www.kks-info.de), an denen mittels einer Anschubfinanzierung des Bundes
Koordinierungszentren eingerichtet wurden. Das Fördervolumen der Maßnahme betrug
zwischen 1999 und 2005 knapp 13,4 Mio. Euro. Für fünf weitere Zentren begann2002 die
Förderung.
Aufgabe der KKS ist die Unterstützung vornehmlich multizentrischer klinischer Studien unter
Berücksichtigung von Good Clinical Practice (GCP) und wissenschaftlichen Kriterien. Die KKS
unterstützen demnach sowohl zulassungsrelevante Studien als auch ausschließlich
wissenschaftsgesteuerte Studien. Die KKS sind für alle Aspekte bei der Durchführung klinischer
Studien von der Vorbereitung und Finanzierung bis zur Durchführung, Auswertung und
schließlich dem entsprechenden Transfer der Ergebnisse verantwortlich. Darüber hinaus gehört
die Aus- und Weiterbildung von Studienpersonal sowie die Organisation und Durchführung von
Fortbildungsveranstaltungen zu den Aufgaben der KKS.
Trotz mancher Standortnachteile geben die forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland
folgende Beträge für F&E aus:
- 4,07 Milliarden Euro im Jahr 2005 (15% des Umsatzes der VFA-Mitgliedsunternehmen flossen
in F&E).
- 17,8% aller Mitarbeiter – 15.300 insgesamt – arbeiten 2005 im F&E-Bereich.
58
Als Standortvorteile werden eine sehr gute medizinische und technische Infrastruktur
betrachtet, die Entwicklung von regionalen „Centers of Excellence“, die ein hohes fachlich-
wissenschaftliches Know-How auf vielen Gebieten erreichen, die Beteiligung von Universitäten
und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, eine leistungsfähige Arzneimittelindustrie, eine
genügend hohe Bevölkerungszahl und die Kooperation zwischen Arzneimittelherstellern und
Kliniken.
Kooperationen zwischen Kliniken und Arzneimittelherstellern
Kooperationen zwischen Kliniken und Arzneimittelherstellern bieten folgende Vorteile für den
Arzneimittelhersteller: In Universitätskliniken und Krankenhäusern der Maximalversorgung
(Bettenzahl>1.000) finden sich Patienten mit schweren, ggf. seltenen Erkrankungen. An solchen
Krankenhäusern ist eine anspruchsvolle Ausstattung mit Geräten und Personal vorhanden.
Vorteile für Kliniken
Gemeinsame Projekte schaffen die Möglichkeit, die Forschungsintensität im eigenen Haus
quantitativ und qualitativ zu verbessern. Mit der Teilnahme an interessanten klinischen
Prüfungen bietet sich zudem die Chance, aktiv an der Gestaltung des therapeutischen Fortschritts
mitzuwirken und die Kliniken können auf diese Weise zusätzlich Mittel für die Forschung aus der
Industrie einwerben.
Vorteile für Patienten
Patienten erhalten modernste Therapien, werden im Rahmen der klinischen Studien intensiver
betreut als Patienten außerhalb von Studien, und die Akzeptanz bei Patienten ist höher.
Für die Zukunft der klinischen Forschung und die Verbesserung des Studienstandorts
Deutschland hat die BCG (Boston Consulting Group) folgende Empfehlungen gegeben:
Die rechtlichen Rahmenbedingungen, z.B. der Ethikkommissionsverfahren bei multizentrischen
klinischen Prüfungen sollten verbessert werden. Spezifische Ausbildungsprogramme für
Studienpersonal zur sachgerechten Durchführung klinischer Forschung sollen initiiert werden
und die Patienten sollen immer über aktuell laufende klinische Prüfungen informiert werden. Der
Fortbestand der KKS sowie deren intensive Nutzung muss gesichert werden, spezifische
Forschungseinrichtungen für patientenorientierte klinische Prüfungen sollten aufgebaut werden.
59
4.3 Outsourcing der klinischen Forschung
Zurzeit wird der Markt der Auftragsforschung von drei Geschäftstypen dominiert: AMCs
(Academic Medical Centers), CROs (Contract Research Organisations) und SMOs (Site
Management Organisations).
In den letzten Jahren hat der Kostendruck in der pharmazeutischen Industrie zu einer schnellen
Expansion des Outsourcing-Marktes geführt. Bereiche wie Forschung & Entwicklung,
Herstellung und Vertrieb werden immer häufiger von externen Auftragnehmern übernommen.
Auftragsforschungsorganisationen sind für Arzneimittelhersteller interessant, weil sie besonders
für den Bereich der klinischen Forschung und das Arzneimittel-Marketing spezialisiert sind. Der
Markt der Auftragsforschung wächst ständig und erfordert zunehmend strategische
Partnerschaften zwischen Arzneimittelherstellern und Auftragsforschungsorganisationen.
4.3.1 Definition von AMCs, CROs und SMOs
AMCs (Academic Medical Centers)
In den USA sind die AMCs der Universitätskliniken sowohl private als auch öffentliche
medizinische Zentren. Meistens sind diese Nonprofit-Organisationen schwerpunktmäßig in den
Bereichen der medizinischen Bildung und Wissensentwicklung, der Entwicklung neuer Therapien
und der Gewährleistung des medizinischen Service für die „arme“ Bevölkerung beschäftigt. An
solchen medizinischen Zentren ist die Ausstattung mit Geräten und Personal oft besonders gut.
Sind die Zentren Maximalversorger, so können auch Patienten mit seltenen Erkrankungen
beforscht werden. Ähnliche Einrichtungen sind die Universitätskliniken in Deutschland, an
denen auch der größte Teil der klinischen Forschung durchgeführt wird.
CROs (Contract Research Organisations)
Eine Contract Research Organisation (CRO) ist ein meist privates Auftragsforschungsinstitut zur
Planung und Durchführung klinischer Prüfungen. Es handelt sich hierbei um
Dienstleistungsunternehmen für die pharmazeutische und Medizinprodukte produzierende
Industrie, welche die Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln (Studien von Phase I bis
IV) bzw. Medizinprodukten organisieren. Neben dem Projektteam einschließlich Projektmanager
kann eine CRO ggf. auch auf eigene Prüfärzte und Prüfzentren zurückgreifen. Eine Full-Service-
60
CRO hat folgende Funktionen: Full-Service von der Studienplanung bis zur Markteinführung der
Prüfmedikamente, Möglichkeit elektronischer Datenerfassung, Monitoring, Datenmanagement
und –analyse und Schulungen und Seminare für Prüfärzte und Prüfteams. Es gibt weltweit über
1200 verschiedene CROs. Der Marktführer Quintiles GmbH hat 17.000 Mitarbeiter in 50
Ländern. Alleine in Deutschland existierten 2005 bis zu 100 Auftragsforschungsinstitute.41
SMOs (Site Management Organisations)
Während CROs komplette Dienstleistungen für klinische Prüfung anbieten, gewährleisten
typische SMOs nur Dokumentenlogistik und Vertragsabwicklung, jedoch keine Studienplanung,
Datenmanagement, Datenanalyse oder Monitoring. Üblicherweise übernimmt eine SMO den von
der Pharmaindustrie vergebenen Auftrag zur Durchführung einer klinischen Studie und evaluiert
geeignete Prüfärzte aus ihrem Netzwerk (unterschiedliche Betriebsformen von SMOs werden im
Kapitel 4.3.2 erläutert). Sie prüft den Inhalt des Vertrags aus juristischer Sicht, besonders die
Übereinstimmung zwischen den drei Vertragsparteien – Sponsor, SMO und Prüfarzt. Globale
„Full-Service CROs“ sind sicherlich die beste Wahl für weltweite multizentrische „Mega“-
Studien. Für vorwiegend lokale Studien, z.B. unter 2.000 Patienten, sind diese CROs häufig zu
groß, so dass hier die Möglichkeit zur Gründung von SMOs besteht.
Zusammengefasst findet man folgende Unterschiede zwischen SMOs und CROs:
- Die personelle und finanzielle Kapazität von SMOs ist relativ gering im Vergleich zu CROs
- SMOs haben entweder keine oder wenige eigene Studienzentren
- viele SMOs sind auf bestimmte medizinische Indikationen spezialisiert
- SMOs konzentrieren sich vorrangig auf ein Netzwerk von niedergelassenen Ärzten
(Kooperation mit niedergelassenen Praxen)
- SMOs führen üblicherweise mehr klinische Prüfungen in weniger bedeutsamen Indikationen
durch (z.B. epidemiologische Studien, Studien zu Bewegungsapparatschmerzen).
4.3.2 Aktuelle Situation der Branche „Pharmazeutisches Outsourcing“
Durch den wachsenden Marktdruck führen immer mehr Arzneimittelhersteller Outsourcing
durch, um den Gewinn durch eine effizientere Arzneimittelentwicklung zu vergrößern. Die
Pharmaunternehmen strukturieren die Arzneimittelentwicklung auf Grundlage des Outsourcing
41 Unternehmensinformation vom „Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie“
61
ihrer F&E-Bereiche an biotechnologische Unternehmen neu und reduzieren damit
innerbetriebliche Kapazitäten einschließlich Personal.42
Das heutige Spektrum der Auftragsforschungsindustrie umfasst den kompletten Service zur
Entwicklung von Arzneimitteln. Das reicht von der eigentlichen Entwicklung, der präklinischen
Toxikologie, der Studienplanung, dem Studienmanagement, der Datenerfassung und -analyse bis
hin zum Management der gesetzlich vorgeschriebenen Zulassungsprozesse. Die Pharmaindustrie
profitiert durch die Vermehrung der Kenntnisse. Schätzungen zeigen, dass der Anteil der durch
Outsourcing abgedeckten Entwicklungsaufgaben zwischen 1990 und 2004 von 4% auf 42%
angewachsen ist.43 Zurzeit gibt es mehr als 1.200 Organisationen - SMOs, AMCs, CROs und
private Forschungsinstitute, einschließlich der innerbetrieblichen Organisationen der
Pharmaindustrie, die in dem Bereich tätig sind.
4.3.3 CROs in den USA
Allein im Jahr 2001 erhielten die CROs ungefähr 60% aller Aufträge, die von der
Pharmaindustrie im Rahmen der klinischen Forschungen vergeben wurden (in 2003 ca. 70%).
Der CRO-Markt wuchs zwischen 1992 und 2002 von 1 Milliarde US-Dollar auf mehr als 8
Milliarden US-Dollar. Die Pharmaindustrie hat jährlich ca. 40 Milliarden US-Dollar für den F&E
Bereich Arzneimittelentwicklung ausgegeben. Große multinationale CROs sind Quintiles,
Convance, PPD, MDS und Parexel. Im Jahr 2003 besetzten CROs fast drei Viertel des
wachsenden Outsourcing-Marktes (Abbildung 18) weltweit. Die 10 größten CROs der Welt
halten schon fast 50% dieses Marktes, allein Quintiles als größte CRO hält ungefähr 28%.
42 Scope e-knowledge center Ltd., Market Research Report July 2004. 43 Scope e-knowledge center Ltd, Market Research Report July 2004.
Abbildung 18: Marktverteilung der Auftragsforschungsorganisationen
Quelle: Columbia Business School – May 20th 2004
Die Fusionen großer Arzneimittelhersteller haben in den letzten Jahren auch zur Neuorientierung
von CROs geführt. Zum jetzigen Zeitpunkt ebbt der Fusionstrend ab, so dass die
Pharmaindustrie wieder vermehrt in F&E investiert. Gemäß einer Studie von UBS Warburg
(2001) ist „aufgrund des wachsenden F&E-Outsourcings zum einen eine höhere Biotech-
Nachfrage und zum anderen ein erhöhtes Wachstum des CRO-Marktes von 10% bis 12% zu
erwarten“.44
Treiber für Outsourcing
Outsourcing im operativen Bereich bedeutet, die Fixkosten zur Unterhaltung des notwendigen
Personals, der Infrastruktur und der Experten in variable Kosten umzuwandeln. Im Laufe der
letzten Jahre hat die Pharmaindustrie eine „downsizing“-Strategie angewendet und mehr
Ressourcen auf den Kerngeschäftsbereich konzentriert. Mit zunehmendem Druck und
sinkendem Gewinn der Pharmaindustrie wird „Outsourcing“ interessant. So werden zunehmend
die Bereiche Entwicklung, Herstellung oder Marketing von externen Anbietern übernommen.
Die Inanspruchnahme von CROs wird durch hohen Zeitdruck der klinischen Forschung
begünstigt.
Jeder Tag Verzögerung beim Markteintritt eines neuen erfolgreichen Arzneimittels bedeutet
erhebliche Umsatzverluste. Die immer strengere gesetzliche Umgebung treibt den Outsourcing-
62
44 UBS Warburg LLC (2003): Pharmaceutical Outsourcing, Contract Research Organisations.
63
Markt voran. Die Zulassungsdauer für New Molecular Entities (NMEs) erhöhte sich von 11,6
Monaten im Jahre 1999 auf 16,6 Monate im Jahre 2002. 45 Die wachsende Komplexität sowie die
zur Zulassung eines neuen Medikamentes notwendigen Unterlagen (FDA) führen dazu, dass sich
die Pharmaindustrie immer häufiger der Serviceleistungen erfahrener CROs bedient.
Widerstand gegen CROs
Kurzfristig verursacht die Einschaltung von CROs höhere Kosten, einen Verlust der Kontrolle
über die Prozesse und über innerbetriebliches Fachwissen.46 Bisher kann noch nicht festgestellt
werden, ob diese Nachteile das Wachstum des CRO-Marktes beeinträchtigen werden. Es gibt
auch Argumente, dass kleinere CROs (oder SMOs) effizienter als „Mega“-CROs sind. Firmen
erlebten auf verschiedenen Ebenen Enttäuschungen mit „Mega“-CROs, die sich alle auf das
Problem der Größe dieser CROs zurückführen ließen.47
Mittelgroße CROs haben den Vorteil flexibler als Mega-CROs, besonders wenn sie über ein
ausgebautes regionales Netz, eine große „therapeutische Breite“ und mehrjährige Erfahrungen im
Umgang mit komplizierten Studien verfügen.
CRO-Marktgröße und Wachstum:
45 M.Matheiu & Parexel (2002): Pharmaceutical R&D statistical source book 46 UBS Warburg LLC (2003): Pharmaceutical Outsourcing, Contract Research Organisations. 47 DZKF ¾ 2005
64
Tabelle 4: CRO-Marktgröße und Wachstum
Marktvolumen:
3,8 Milliarden Dollar im Jahr 1997; 4,2 Milliarden Dollar im Jahr
1998; 10 Milliarden Dollar im Jahr 2001; danach etwa 11 Prozent
Wachstum jährlich, bis 2007 – 12,8 Milliarden Dollar48
Marktverteilung (1998): Quintiles 28% (etwa 1 Milliarde Dollar), Convance 17%, Parexel 7%,
PPDI 6%
F&E-Ausgaben der
Pharmaindustrie :
38 Milliarden Dollar im Jahr 2002, davon 20-25% für Outsourcing.
Wachstum etwa 2% jährlich von 2005 bis 200749
Potentieller
durchschnittlicher
Umsatz für eine CRO:
75 Millionen im Jahr 2005, 300 Millionen für das Jahr 2010
Quelle: Eigene Darstellung
4.3.4 SMOs in Europa
Professionelle Studienzentren existieren in Europa und besonders in Großbritannien seit den
späten 80er Jahren. Zwei Typen von SMOs haben sich etabliert, die sich von ihrer Struktur her
auch in Deutschland finden. SYNEXUS betreibt 12 Studienzentren in Mittelengland
(www.synexus.uk.com) und rekrutiert Patienten vorwiegend durch Werbung in den Printmedien,
im Fernsehen sowie mit Serienbriefsendungen von kooperierenden Hausärzten. PROFIAD
(www.profiad.com) und MINERVA (www.minervamedical.com) dagegen haben jeweils ein
Netzwerk von mehreren 100 Zentren üblicherweise mit den Hausärzten aufgebaut. Diese
vergleichsweise kleinen Studienzentren werden bei der GCP-konformen Studiendurchführung
personell durch Studienassistenten unterstützt. Sowohl SYNEXUS wie PROFIAD sind zu einem
hohen Anteil durch Wagniskapital (Venture Capital: VC) finanziert und damit mit erheblichen
Schulden behaftet. MINERVA hingegen wurde von der weltgrößten CRO Quintiles
übernommen.
48 PhRMA und ING Barings LLC. 49 UBS Warburg LLC (2003): Pharmaceutical Outsourcing Contract Research Organisation.
65
Das Geschäftsfeld der SMOs birgt erhebliche wirtschaftliche Risiken, z.B. musste eine britische
SMO namens INTERCERN im Jahre 2003 ihren Geschäftsbetrieb einstellen. Ähnlich erging es
auch verschiedenen Firmen wie GCP in Holland sowie ProTest und CICI in Frankreich. ProTest
beispielsweise wurde durch den Kauf einer Immobilie als Studienzentrum unwirtschaftlich.
Derzeit sind ALLEVON in Holland mit sechs Studienzentren (www.allevon.nl) und
MGRecherches (www.mgrecherches.fr) in Frankreich aktiv am Markt. MGRecherches ist ähnlich
strukturiert wie MINERVA und gehört ebenfalls zu einem Teil Quintiles. In anderen Teilen
Europas einschließlich Osteuropas gibt es bis zum jetzigen Zeitpunkt keine SMOs mit mehr als
fünf Studienzentren.
SMOs in Deutschland - Struktur der professionellen Studienzentren in Deutschland
Personal und Mitarbeiter
Die zwei zentralen Stellen in einer Studienambulanz (Prüfzentrum) sind der Prüfarzt
(Investigator) und die Studienassistenz (Study Nurse). Der Prüfarzt ist für spezifische
medizinische Aufgaben wie das Aufklärungsgespräch, die Anamneseerhebung und die
körperliche Untersuchung verantwortlich. Die Study Nurse beschäftigt sich mit Blutentnahmen,
den apparativen Untersuchungen, der telefonischen Randomisierung, der Ausgabe und
Dokumentation der Studienmedikation. Im Studienalltag nimmt die Study Nurse eine
Schlüsselposition ein, da sie intensiv mit dem Patienten beschäftigt ist und somit entscheidend
zur Patientenzufriedenheit beiträgt. Ein Studienzentrum sieht ähnlich wie das in der Abbildung
19 dargestellten Schaubild aus.
Abbildung 19: Schaubild eines Studienzentrums
Quelle: Hammersmith Medicines Research50
Unternehmensstruktur
Überwiegend haben die Studienzentren die Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (z. B. GmbH)
oder Personengesellschaft (GmbH & Co. KG). Mit Ausnahme der ClinPharm GmbH
(www.clinpharm.de) haben alle Studienambulanz-Unternehmen ein bis drei Zentren in
Deutschland. ClinPharm besitzt neun deutsche Zentren und betreibt als erstesr auch
Studienzentren im europäischen Ausland (Österreich, Polen). Alle ClinPharm-Zentren arbeiten
nach den gleichen Standard Operating Procedures (SOPs), um eine einheitliche Qualität der
klinischen Studien zu sichern.
Alle deutschen Studienzentren nutzen ein ähnliches Geschäftsmodell wie SYNEXUS in
Großbritannien. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass keines der deutschen Studienambulanz-
Unternehmen Fremdkapital oder gar Wagniskapital aufnehmen musste. Dies könnte ein
entscheidender internationaler Vorteil bezüglich Stabilität und Zuverlässigkeit für Patienten,
Ärzte und Sponsoren werden. Es gibt nur ein deutsches Unternehmen CONVENTIS
(www.conventis.de), das sich an das PROFIAD/MINERVA-Geschäftsmodell aus
Großbritannien anlehnt. Allerdings bietet CONVENTIS auch Studienplanung und -auswertung
sowie Monitoring und Datenmanagement an. Dies ist untypisch für Studienambulanz-
Unternehmen und verwischt die Grenzen zu den Funktionen einer CRO.
66
50 URL: http://www.hmrlondon.com/services.htm
Einige professionelle Studienzentren sind aus Praxen niedergelassener Ärzte hervorgegangen,
wobei sich die Auftragsforschung aus der ärztlichen Tätigkeit entwickelt hat. Ungefähr ein halbes
Dutzend Studienzentren mit unterschiedlicher Rechtsform haben sich in einem Verein „Verband
deutscher Studienzentren e.V.“ zusammengeschlossen. Zweck soll die Entwicklung von SOPs
für Studienzentren und die gegenseitige Unterstützung bei der Akquise sein.
Aus der klinischen Perspektive kann man die Studienambulanz-Unternehmen in zwei Kategorien
gruppieren. Es gibt Unternehmen, die Studien zu allen epidemiologisch wichtigen
Indikationen bearbeiten, die im Bereich des ambulanten Sektors angesiedelt sind. Auf der
anderen Seite gibt es auch Unternehmen, die sich auf bestimmte Indikationsgebiete
spezialisiert haben. Tabelle 5 zeigt die Verteilung.
Tabelle 5: SMOs in Deutschland auf verschiedene Indikationsgebiete verteilt
Quelle: DZKF ¾ 2005
Allerdings ist bei der spezialisierten Unternehmensgruppe ein klarer Trend festzustellen, auch
Studien aus anderen Indikationsgebieten anzunehmen, wenn die GCP-konforme Struktur 67
aufgebaut ist. Wiederholt zu erwähnen sind die Koordinierungszentren für klinische Studien
(KKS; www.kks-info.de), die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung an 12
deutschen Universitäten eingerichtet wurden, um die klinische Forschung zu fördern. Diese
Einrichtungen erbringen Serviceleistungen innerhalb der betreffenden Universitätskliniken, die
außerhalb der Universität üblicherweise von CROs erbracht werden. In Abbildung 20 ist die
geographische Verteilung der SMOs in Deutschland dargestellt.
Abbildung 20: Professionelle Studienzentren (SMOs) in Deutschland
Quelle: DZKF ¾ 2005
Arbeitsweise
Die zügige Rekrutierung von geeigneten Patienten ist für alle Studienzentren die größte
Herausforderung. Diese ist für professionelle Studienzentren umso größer, da sie im Allgemeinen
keine klinische Versorgungsleistung im Sinne der GKV leisten dürfen und damit aus der
klinischen Routinebetreuung heraus in der Regel keinen Patientenstamm haben. Je höher der
Leidensdruck der Patienten (z.B. Schmerzen bei Rheuma und Arthrose), desto erfolgreicher wird
die Rekrutierung durch eine Studienambulanz verlaufen. Aber auch sogenannte „Lifestyle“-
Studien wie zur erektilen Dysfunktion oder etwa Adipositas können von Studienzentren sehr
erfolgreich durchgeführt werden.
Die Werbung und Kommunikation in den Printmedien, die das Bewusstsein für das Angebot
klinischer Studien in der Bevölkerung hebt und das Verantwortungsgefühl der Betroffenen
68
69
steigert, kann von größter Bedeutung sein. Text und Format der Inserate müssen zuvor von der
zuständigen Ethikkommission genehmigt werden. Die Werbung im Radio und im Internet hat
noch eine geringe Bedeutung. Die ClinPharm GmbH & Co. KG hat kürzlich als erstes
Unternehmen das positive Votum der Ethikkommission für Fernsehwerbung im Rahmen einer
internationalen Osteoporose-Studie erhalten. Die Bedeutung der Fernsehwerbung für die
Rekrutierung bleibt abzuwarten. Die Erhebung und Nutzung entsprechender Daten, die im
Gesundheitsbereich als besonders schutzwürdig beurteilt werden, erfordern nach dem
Bundesdatenschutzgesetz beispielsweise die schriftliche Einwilligung jedes Patienten.
Vornehmlich die Ablage in elektronischen Datenbanken verpflichtet zur Einhaltung besonderer
Rechtsvorschriften und Sicherheitsstandards.
Die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten und deren Rekrutierungsunterstützung ist für
die Sicherheit der Studienteilnehmer, die Quelldatenverifizierung (Source Data Verification) und
die Patientenretention (niedrige Drop-out-Rate durch Motivation der Patienten) von großer
Bedeutung. Zusätzlich kann eine Studienambulanz den „Pool“ von potenziellen Studienpatienten
in den verschiedenen Indikationen erheblich vergrößern. Weiterhin eröffnet die Zusammenarbeit
mit niedergelassenen Fachärzten die Möglichkeit, den Auftraggebern studienspezifische
Spezialuntersuchungen (Endoskopien, spezielles Röntgen, MRT, Schlaflabor etc.) anbieten zu
können. Dies erspart den professionellen Studienzentren kostspielige Investitionen für
aufwendige Apparaturen.
Perspektiven:
Die Etablierung von professionellen Studienzentren (SMOs) in Deutschland hat zu einer
erheblichen Stärkung des Studienstandortes Deutschland geführt. Im Rahmen internationaler
Phase-III-Studien werden in Deutschland hohe Patientenzahlen rekrutiert. Da die
Behördeninspektionen durch die EMEA und FDA zwingend vorgeschrieben sind, bieten sich
hier auch große Chancen, stärker den internationalen Wettbewerb mitzubestimmen.
Nach Dokumentation des behördlichen Qualitätsnachweises bedeutet dies für den
Studienstandort Deutschland eine weitere Stärkung. Zukünftig erfolgt auch unter den
professionellen Studienzentren der Wettbewerb in Deutschland nicht mehr nur über die
Schnelligkeit und die Patientenzahlen, sondern besonders über die Qualität der klinischen
Studienarbeit. Die konsequente Umsetzung von SOPs, dokumentiert anhand der spezifischen
Studie jedes einzelnen Sponsors, ist Voraussetzung .
70
Der Wettbewerb zwischen den niedergelassenen Spezialpraxen, die GCP-geschultes Personal
vorhalten, akademischen Lehrkrankenhäusern und Ambulanzen der Universitätsklinika wird
stärker. Hinzu kommt, dass die für die Pharmaindustrie notwenigen Rekrutierungszahlen von
Patienten einer bestimmten Indikation in Deutschland nicht immer erreicht werden können.
Hohe Patientenzahlen werden in Zukunft vermehrt in den „neuen“ Ländern Europas rekrutiert
werden können.
Weiterhin gibt es häufig zeitliche Verzögerungen beim Studienstart, da manche Sponsoren sich
noch an die veränderten Umstände des neuen Regelwerks der 12. und 14. AMG-Novelle
anpassen müssen. Diese Entwicklung wird auch eine wirtschaftliche Herausforderung für die
professionellen Studienzentren in Deutschland bedeuten. Welches von den professionellen
Studienzentren in Deutschland die gegenwärtige Situation in der internationalen Pharmaindustrie
meistert, hat beste Voraussetzungen, sich im nationalen wie internationalen Wettbewerb zu
behaupten.
71
5 Fallstudie (Case Study) zur HELIOS Research
Center (HRC) GmbH
In diesen Kapitel wird die strategische Ausrichtung des HRC auf der Basis einer Fallstudie
entwickelt. Nach einem kurzen geschichtlichen Rückblick wird die aktuelle Situation des HRC
dargestellt und auf der Grundlage einer Analyse der Marktbedingungen die Balanced Scorecard
für das HRC formuliert.
5.1 Geschichte, Struktur und Vision des HRC
Die Geschichte des HRC
Die HELIOS Kliniken GmbH ist eines der größten und medizinisch führenden
Klinikunternehmen in Deutschland. Zur HELIOS Gruppe gehören 51 eigene Kliniken mit
insgesamt 15.200 Betten, darunter vier Krankenhäuser der Maximalversorgung in Erfurt, Berlin-
Buch, Wuppertal und Schwerin. Die 24.800 Mitarbeiter des Unternehmens behandeln jährlich
420.000 stationäre Fälle und erwirtschaften einen Umsatz von EUR 1,55 Mrd.51
Durch die Akquise von Krankenhäusern der Maximalversorgung wurde das Potential für
klinische Forschung im HELIOS Konzern deutlich erhöht (großer Patientenstamm,
epidemiologisch seltene Krankheiten). Um den Nutzen für die HELIOS Patienten zu erhöhen
und gleichzeitig das Drittmittelvolumen und die Attraktivität von HELIOS für wissenschaftliche
Spitzenkräfte zu steigern, stellt die klinische Forschung eine strategische Säule für die künftige
Entwicklung des Unternehmens dar.
51 Stand: 30.09.2005.
Abbildung 21: Die HELIOS-Strategiematrix
Quelle: HELIOS Wissensbericht 2005, S.10
Es hat sich jedoch gezeigt, dass ein Konzern dieser Größe eine zentrale Anlaufstelle für die
organisatorische Betreuung und Koordination von Forschungsvorhaben benötigt. Das führte
2002 zur Gründung der HELIOS Research Center (HRC) GmbH, welche zu 76% von der
HELIOS Kliniken GmbH und zu 24% vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin
(MDC) getragen wird. 52
Vision des HRC
Das HRC versteht sich als Schnittstelle zwischen den HELIOS-Kliniken und externen
Auftraggebern vor allem aus der Pharma- und Medizinprodukteindustrie. Abbildung 22 zeigt,
dass das HRC nach außen als eine Site Management Organisation (SMO) im Sinne eines
kompetenten Ansprechpartners für klinische Forschung auftritt. Das HRC kann den externen
Auftraggeber bei der optimalen Auswahl der Prüfzentren im HELIOS Konzern beraten. Nach
innen ist das HRC der Ansprechpartner für vertragsbezogene und organisatorische Fragen der
Prüfärzte aus den HELIOS Kliniken.
72
52 Quelle: HELIOS Wissensbericht 2005.
Abbildung 22: HRC als Schnittstelle
Quelle: Unternehmenspräsentation des HRC
Bisher lagen die Geschäftsschwerpunkte des HRC in der Akquise und der Vertragsgestaltung
Industrie-gesponsorter klinischer Studien (Sponsor Initiated Trials - SIT) sowie in der
Unterstützung der Prüfarzt-initiierten Forschungsprojekte (Investigator Initiated Trials – IIT).
Um zukünftig die HELIOS Kliniken GmbH als Wissenskonzern weiterzuentwickeln und den
Patienten eine noch bessere und effizientere Medizin anbieten zu können, wird die strategische
Ausrichtung des HRC um das Geschäftsfeld „Erweiternde Fokussierung“ vergrößert. Es ist
geplant, die Qualität der medizinischen Versorgung über dieses Geschäftsfeld weiter zu erhöhen.
Die Versorgungsforschung ist ein grundlagen- und anwendungsorientiertes fachübergreifendes
Forschungsgebiet. Es dient zur Evaluierung von Versorgungsstrukturen und -prozessen von
Krankenhäusern, Arztpraxen und Gesundheitstechnologien unter Alltagsbedingungen und
langfristig zur Verbesserung der Patientenversorgung.
Generelles Ziel ist es, die Zusammenhänge der Krankheitsursachen soweit wie möglich kausal zu
klären, um so zur Entwicklung bzw. Verbesserung vorhandener Versorgungskonzepte beitragen,
und die Umsetzung dieser Konzepte begleiten zu können. Die erweiternde Fokussierung soll
vermehrt die konzerninterne epidemiologische und versorgungsorientierte Forschung fachlich
73
74
und organisatorisch begleiten. Die zu analysierenden Daten sind bereits weitgehend im Konzern
vorhanden. Es gilt diese auf Grundlage der Hauptzielparameter statistisch zu analysieren. Dies
unterstützt zum einen die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den erhobenen Daten und
generiert zum anderen relevante Erkenntnisse zur Steigerung des Patientennutzens.53
Die Struktur des HRC
Die nachstehende Abbildung 23 stellt die personelle Struktur des HRC dar. Drei Geschäftsführer
leiten ein Team von acht Mitarbeitern. In den Zuständigkeitsbereich von zwei Projektmanagern
fallen die Industrie-beauftragte und die Prüfarzt-initiierten klinischen Studien. Alle in diesem
Zusammenhang auftretenden vertraglichen Fragen werden von dem Justitiar bearbeitet. Für die
konzerninternen, prüfarztinitiierten Versorgungsforschungsprojekte sind zwei weitere
Projektmanager verantwortlich.
Finanzielle Struktur
Das HRC stützt sich auf drei Finanzquellen:
- Konzern-externe Auftraggeber
- Konzern-interne Auftraggeber
- Konzernzuschuss
Die Einnahmen aus dem Externen Bereich gliedern sich in drei Anteile:
- 10% HRC-Marge des gesamten von den externen Auftraggebern gezahlten Studienhonorars
für Prüfärzte.
- Die Vergütung für Projektmanagementaufträge. Dies ist derzeit finanziell besonders attraktiv.
- Finanzmittel aus Projekten, die von der öffentlichen Hand gefördert werden (ca. 70.000 €
jährlich).
Konzernintern steht das HRC den HELIOS-Prüfärzten mit professioneller Beratung bei der
Konzeption, Kalkulation und Durchführung von klinischen Studien zur Seite. Für die
Unterstützung von Spitzenforschung bekommt das HRC einen Zuschuss von 600.000€ pro Jahr,
mit dem die wissenschaftlichen Leistungen von Konzernmitarbeitern über das HRC honoriert
werden. Das HRC bekommt davon einen 5%igen Bearbeitungsanteil.
53 HELIOS Wissensbericht 2005, S. 58.
75
5.2 Analyse der bisherigen Ausrichtung des HRC
5.2.1 Ergebnisse der SWOT – Analyse
Auf Basis der theoretischen Grundlagen, der Analyse der Marktsituation bezogen auf die
Pharma- und Outsourcingindustrie sowie der bisherigen Entwicklung des HRC, wurden die
internen Stärken und Schwächen (Inweltanalyse) sowie die externen Chancen und Risiken
(Umweltanalyse) des HRC vom Autor der Arbeit evaluiert (Tabelle 6).
Die interne Analyse zeigt, welche Grundlagen vom HRC in Zusammenarbeit mit der HELIOS
Kliniken GmbH bisher geschaffen wurden. In der Finanz-, Internen- und Mitarbeiterperspektive
verfügt das HRC über eine Reihe von Vorteilen gegenüber seinen Konkurrenten wie z.B.
finanzielle Stabilität, mehr als 116 Prüfärzte sowie 4 Kliniken der Maximalversorgung. Die
Schwächen stellen für das HRC zukünftige Herausforderungen dar (Tabelle 6). Bei der
Standortanalyse sollte man nicht vergessen, dass die Kunden dem HRC vor allem aufgrund seiner
Stärken einen Auftrag erteilen. Mit Blick auf die Konkurrenz heißt das jedoch auch die
Schwächen kontinuierlich abzubauen.
Aus der Branchenanalyse in Bezug auf die klinische Forschung sowie das klinische Outsourcing
ergeben sich Chancen und Risiken (Gefahren) für das HRC. Auf diese externen Faktoren hat das
HRC keinen direkten Einfluss, sollte aber beurteilen, inwieweit und auf welche Weise es mit
seinen Ressourcen in der Lage ist, auf externe Veränderungen zu reagieren. Die SWOT-Analyse
liefert wesentliche Ansatzpunkte für die Gestaltung der Unternehmensstrategie.
76
Tabelle 6: Das Ergebnis der SWOT-Analyse vom HRC
Stärken Schwächen
Finanzen:
Finanzielle Stabilität (kein Fremdkapital)
Interne Prozesse:
Zusammenarbeit mit HELIOS-Kliniken (51
Kliniken, darunter 4 Maximalversorger), sichere
Patientenrekrutierung
Kooperation mit Uni.-Kliniken
Spezialisiert auf patientenorientierte klinische
Forschung (keine Grundlagenforschung)
Vorwiegend Onkologische Studien
Funktion des HRC zwischen SMO und CRO
gemischt
Mitarbeiter:
Ausbildungsprogramme für med. Kräfte
konzernintern
Bisher 117 erfahrene Prüfärzte
Monetäre und nicht-monetäre Anreizsysteme
für die Prüfärzte (z.B. Honorierung wiss.
Leistungen, HRC-Marge nur 10%)
Unternehmensvision:
Die Unternehmensvision in Bezug auf die
strategische Zielsetzung bedarf noch der
Abstimmung mit den Mitarbeitern
Finanzen:
Angestrebtes Ergebnis: schwarze Null,
konservatives finanzielles Management. Keine
aktive Akquise von klinischen Studien.
Interne Prozesse:
Der Mangel an Freistellungsmöglichkeit für
Prüfärzte von Routineaufgaben im Rahmen der
normalen Krankenversorgung erschwert die
Durchführung klinischer Forschung.
Mitarbeiter des HRC:
hohe Arbeitsbelastung.
Chancen Gefahren
77
1. Chancen in Bezug auf Vergabe von
Aufträgen durch die Pharmaindustrie
(Standortvorteile für Deutschland):
Sehr gute medizinische und technische
Infrastruktur
Gutes fachlich-wissenschaftliches Know-How
Hohe Facharztdichte in Deutschland
Große Anzahl von Universitäten und
außeruniversitäre Forschungseinrichtungen
Eine hohe Bevölkerungszahl
Gute ökonomische Einbindung in den
europäischen Wirtschaftsraum
Deutschland ist das am stärksten rekrutierende
Land bezogen auf internationale Phase-III
Studien.
Hohe Patientenzahl in den Indikationen:
Bewegungsapparatmedizin, Urologie und
Neurologie
Universitäten arbeiten ungern mit
Pharmaindustrie zusammen – daher hat
HELIOS eine gute Chance.
Studien, die eine höhere Komplexität bzw.
Logistik beinhalten, werden zukünftig
bevorzugt nach Deutschland vergeben.
Kosten für Arzneimittelentwicklung steigen
ständig.
2. Chancen bezogen auf den Outsourcing-
Bereich
HELIOS hat 51 Kliniken (4 Maxi.-Versorger).
Die Kapazität für klinische Forschung ist
enorm.
Der Markt der Auftragsforschung wächst
ständig. Daher werden mehr und mehr
Gefahren in Bezug auf Auftragsvergabe durch
die Pharmaindustrie
Das unflexible Arbeitsrecht
Die hohen Lohnnebenkosten
Fehlender gesellschaftlicher Rückhalt in Bezug
auf die Pharmaforschung
Oftmals geringere Wertschätzung der klinischen
Forschung bei wissenschaftlich tätigen Ärzten
und Hochschullehrern im Vergleich zu DFG
bzw. BMBF finanzierten Projekten
Nur wenige Patienten sind daher bereit, an
klinischen Prüfungen teilzunehmen
(zunehmendes Problem).
Umsetzung der EU-GCP Richtlinie in der 12.
AMG Novelle
Genehmigungsverfahren für klinische
Forschung sind deutlich aufwendiger geworden.
Daher könnten Sponsoren einfache Studien z.B.
Bewegungsapparatschmerzen zukünftig nach
Osteuropa oder in Entwicklungsländer
vergeben.
2. Gefahren bezogen auf den Outsourcing-
Markt
Die international angelegten Multicenterstudien
benötigen üblicherweise die globalen „Full-
Service CROs“.
Fusionsangebot von anderen großen CROs
Wettbewerb: Es gibt eine Vielzahl von SMOs in
Deutschland.
78
strategische Partnerschaften zwischen
Arzneimittelherstellern und
Auftragsforschungsorganisationen geschlossen
F&E-Ausgaben der Pharmaindustrie : 38
Milliarden Dollar im Jahr 2002, davon 20-25%
für Oursourcing. Wachstum etwa 2% jährlich
von 2005 bis 2007 (vgl. S. 56)
Potenzieller durchschnittlicher Umsatz für eine
CRO: 75 Millionen im Jahr 2005, 300 Millionen
im Jahr 2010 (vgl. S. 56)
Immer mehr Arzneimittelhersteller wenden sich
an mittelgroße CROs (bzw. SMOs), die flexibel
sind. Diese kleinen CROs (SMOs) haben
zumeist gute regionale Verbindungen, eine
große therapeutische Breite und mehrjährige
Erfahrungen bei der Durchführung von Studien
mit einem anspruchsvollen Design.
Quelle: Eigene Darstellung
5.2.2 Ergebnisse der Fünf Kräfte und Value Net Analysen
Fünf Kräfte Modell (Five Forces Model)
Im Folgenden werden die Beziehungen zwischen Konkurrenten, Zulieferern und Kunden
vorgestellt. Auf dem pharmakologischen Outsourcingmarkt gibt es zurzeit geringe Risiken durch
Konkurrenzanbieter. Es existieren innerbetriebliche Studienzentrum der Pharmaindustrie, die
jedoch in der Regel nicht in der Lage sind, die Funktionen von Auftragsforschungsorganisationen
wie CROs und SMOs komplett zu übernehmen. Der pharmakologische Outsourcingmarkt stellt
für potentielle Mitbewerber eine enorme Eintrittsbarriere dar, da die Investitionskosten sehr hoch
sind. Man geht davon aus, dass die Fünf-Kräfte-Analyse nur die Beziehungen zwischen
Konkurrenten, Zulieferern und Kunden analysieren kann (siehe 2.1.3.).
Abbildung 23: Fünf-Kräfte-Modell (Five Forces Model)
Quelle: Eigene Darstellung
The Value Net vom HRC
Im Folgenden werden die vier Hauptgruppen, die die Rendite eines Unternehmens beeinflussen,
für das HRC vorgestellt. Dieses Netz aus Kunden, Ergänzungen, Zulieferern und Konkurrenten
stellt die Grundlage der Wertschöpfungskette dar. Aufgabe des HRC ist darüber hinaus auch die
ständige Förderung von Wissenschaft und Forschung des medizinischen Personals aller
HELIOS-Kliniken. Es wird deutlich, dass man nicht nur die Perspektive von Wettbewerb und
Gewinn als alleinige Zielgröße betrachten kann.
Aus Sicht vom Value Net ist das HRC seinen Konkurrenten deutlich voraus. Im Vergleich zu
anderen SMOs kann das HRC auf 51 Kliniken, mehr als 100 erfahrene Prüfärzte und jährlich
nahezu 420.000 stationäre Patientenbehandlungen zugreifen. Um diese Wirtschaftsleistung
erbringen zu können, ist geeignetes Personal eine der Grundvoraussetzungen für die
Durchführung klinischer Forschung. Es setzt sich aus Prüfarzt, Study Nurse sowie weiterem
79
80
medizinischen Personal zusammen. Neben dem Personal werden auch Patienten durch die
Teilnahme an Studien zu Lieferanten und damit Leistungserbringern des HRC und der
Arzneimittelhersteller (als externe Kunden). Zur Durchführung einer qualitativ hochwertigen
medizinischen Forschung ist eine ständige Weiterbildung für das Studienpersonal auf der Basis
der GCP/ICH Guidelines unerlässlich.
Den Prüfärzten kommt darüber hinaus eine besondere Rolle zu. Für die externen Auftraggeber
sind die Prüfärzte Leistungserbringer, jedoch im Bereich der internen Forschungsförderung sind
die Prüfärzte die vom HRC zu bedienenden Kunden.
Als vierter Baustein komplettieren die Ergänzungen, wie z.B. Zentrallabore, niedergelassene
Ärzte etc. das HRC-Netzwerk. Durch die Kooperation mit niedergelassenen Ärzten kann die
Patientenrekrutierung häufig beschleunigt und die Patientennachverfolgung gewährleistet werden.
Die Ergänzungen profitieren aufgrund hochwertiger Diagnostik und Therapie im Rahmen der
klinischen Forschung durch größere Patiententreue. Es kommt zu einer „win-win situation“.
Das HRC hat externe und interne Kunden. Je mehr Akteure in den Kundenkreis einbezogen
sind, desto umfangreicherer Service kann durch das HRC angeboten werden (siehe Abbildung
22). So kann ein Prüfarzt Drittmittel einwerben, die ihm die Durchführung interner Projekte
gestatten. Mit einer zukünftigen Erweiterung des „Customer-Relationship-Management (CRM)“,
könnte daher mittelfristig enormer Profit generiert werden.54
54 Peppers, Don, Martha Rogers und Bob Dorf (1999).
Abbildung 234: The Value Net vom HRC
Quelle: Eigene Darstellung
5.3 Balanced Scorecard des HRC
Zur Entwicklung der HRC-BSC hat der Autor den HRC-Mitarbeitern die theoretischen
Grundlagen und die Anwendungsmöglichkeiten der BSC ausführlich erläutert. Nach
umfangreicher Analyse und intensiven Diskussionen mit den Mitarbeitern des HRC ergeben sich
die nachfolgenden vier BSC-Perspektiven.
5.3.1 Finanzperspektive
Das finanzielle Ziel des HRC lautet „schwarze Null – keinen Verlust und keinen Gewinn“. Für interne
Kunden (Wissenschaftler und Prüfärzte im Konzern) stellt das HRC eine „Non-Profit-
Organisation“ dar. Zur Durchführung dieser Projekte erhält das HRC einen jährlichen Zuschuss
vom Konzern als Forschungsförderung. Da das HRC erst seit vier Jahren am Outsourcingmarkt
vertreten ist, liegt sein derzeitiges Hauptziel bis zum Erreichen des „Break-Even-Points“ nicht im
„Wachstum“, sondern im „Überleben“.
81
82
Mit den drei externen Finanzquellen
1. 10% HRC-Marge,
2. Vergütung für Projektmanagementaufträge und
3. Finanzmittel der öffentlichen Hand
könnte das HRC bei den derzeitigen Einnahmen frühestens nach 5 Jahren seine finanzielle
Unabhängigkeit vom Konzernzuschuss erreicht haben. Damit wären autonomere
Entscheidungsräume für das HRC in Bezug auf die strategische Geschäftsentwicklung möglich.
Unter der aktuellen Arbeitsbelastung der HRC-Mitarbeiter sollte man das Projektvolumen bei der
Projektakquise berücksichtigen. Es sollte versucht werden, mit einem optimalen Arbeitsaufwand
das höchstmögliche Projektvolumen zu erwirtschaften. Um die verschiedenen Anforderungen an
die Profit-Projekte (z.B. SIT) und die Non-profit-Projekte (z.B. NK-TOP, AWB)55 effizienter
erfüllen zu können, sollten die Bearbeitungen der zwei Bereiche getrennt werden. Dadurch
können die Kunden individueller besser betreut werden, was sich im Finanzergebnis
widerspiegeln sollte.
Zur Veranschaulichung sind die Inhalte der Finanzperspektive wie folgt zusammengefasst:
55 NK-TOP; Nicht-kommerzielle Therapieoptimierungsstudie. AWB; Anwendungsbeobachtungsstudie.
83
Tabelle 7: Die Finanzperspektive des HRC
Finanzperspektive
Strategische Ziele Kennzahlen Konkrete Maßnahmen Kernerfolgsfaktoren
Kontinuier-liche
Umsatz-
steigerung
Break-Even
1. Projektvolumen von
mindestens 5.000 €
Das HRC sollte fachlich anspruchsvolle und
hochwertige Forschungsaufträge akquirieren.
Um die Ressourcen für klinische Forschung
effizient verwenden zu können, sollte das HRC
nur Studien mit einem Finanzvolumen von
mindestens 5000 € annehmen.
Bei Vertragsabwicklung spielt die
Geschwindigkeit eine wichtige Rolle. Je schneller
ein Vertrag abgeschlossen werden kann, desto
mehr Aufträge kann das HRC bearbeiten.
Weiterhin sollte eine vereinheitlichte
Verhandlungsstrategie in Bezug auf den
Abschluss von Verträgen mit großen
Auftraggebern der Pharmaindustrie etabliert
werden.
Um die Kundenbindung zu verstärken und ein
Getrennte Bearbeitung der Bereiche NK-
TOP, AWB durch geeigneten Mitarbeiter
2. Steigende Studienzahl: 10-15%
(genau=12,9%)
Abstimmung zwischen Konzernzentrale und
HRC in Bezug auf die „Ablehnung von
finanziell unattraktiven Studien“
3.Projektmanagement/
Sponsor bzw. öffentliche Hand: 1
pro Jahr
Fachliche und zeitliche Freiräume für die
Projektmanager
4. Feasibility-Check:1.000 € Effektive Verknüpfung von fachlichen und
finanziellen Entscheidungen
Effektive Verknüpfung der
Mitarbeitervergütung, „Performance und
Serviceangebot“
Verbesserte Kundenakquisition
84
erweitertes Leistungsspektrum anbieten zu
können, sollte das HRC von Sponsoren eine
Vorabzahlung für die Studienkalkulation
anfordern, die als Bearbeitungsgebühr auf einen
späteren Vertragsabschluss anrechenbar ist. Quelle: Eigene Darstellung
85
5.3.2 Kundenperspektive
Die Kundenperspektive wird für den externen „Profit-Bereich“ und den „internen Non-profit-
Bereich“ getrennt diskutiert.
Profit-Bereich
Im „Profit-Bereich“ sind die Arzneimittelhersteller Kunden des HRC. In der modernen Theorie
vom Customer-Relationship-Management (CRM) stellt die Kundenzufriedenheit eine der
Voraussetzungen für die Wiederkaufsbereitschaft der Kunden dar, und ermöglicht somit die
Erfüllung des finanziellen Ziels. So kann man sagen, dass die Kundenzufriedenheit die oberste
Priorität in der Kundenperspektive besitzt. 56
Die wissenschaftliche Analyse zeigt, dass die Kundenzufriedenheit von drei Faktoren beeinflusst
ist. Kotler und Davids 57 haben daraufhingewiesen, dass die Kundenzufriedenheit und
Wiederkaufbereitschaft von der Kundenbeziehung stark beeinflusst werden. Nach Rust &
Oliver und Conlon58 hängt die Kundenzufriedenheit von der Servicequalität der gelieferten
Dienstleistung ab. Rao & Monroe59 haben in ihrer Arbeit gefunden, dass die Zufriedenheit sogar
durch das Marken-Image positiv beeinflusst wird. Die Einflussfaktoren zur
Kundenzufriedenheit sind in Abbildung 25 zusammengefasst.
56 Anderson & Sullivan (1993), und Woodside, Frey und Daly (1989) 57 Kotler (1997), Davids (1999) 58 Rust & Oliver (1994), und Conlon, Devaraj & Matta (1997) 59 Rao & Monroe (1989)
Abbildung 25: Einflussfaktoren zur Kundenzufriedenheit
+ bezeichnet positiven Einfluss
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Kotler, Davids (1999), Rust & Oliver (1994), Conlon (1997) und Rao &
Monroe (1989)
Eine Möglichkeit zur Verbesserung der Beziehung mit externen Auftraggebern könnte die
Einführung folgender CRM-Prozesse durch das HRC sein:
1. Identifizierung: Das HRC sollte zuerst alle Kunden und den Markt identifizieren und alle
Kundeninformationen so ausführlich wie möglich erheben.
2. Differenzierung: Hier sollte das HRC die Kunden und deren unterschiedliche Kundenwerte
differenzieren.
3. Interaktion: eine bessere und effizientere Interaktion mit Kunden.
4. „Customize“: Für jede klinische Studie sollte eine Kombination individuell abgestimmter
Dienstleistungen angeboten werden.
Der zweite Förderungsfaktor für Kundenzufriedenheit ist die Servicequalität. Um die
Servicequalität zu steigern, ist eine weitere Optimierung der HRC-internen Prozesse
einschließlich gezielter Mitarbeiterschulungen notwendig.
Schließlich wird die Kundenzufriedenheit noch durch das Marken-Image des Unternehmens
gefördert. Das Marken-Image (engl. Brand Image) bezeichnet die Wahrnehmung der Kunden in
Bezug auf die Gebäude und deren Ausstattung, der Qualifikation der Mitarbeiter, dem Know-
How und dem Auftreten der Marken. Mit der Akzeptanz der Marken des Unternehmens durch
86
87
den Kunden wird das Marketing erheblich einfacher. Marken-Image ist eine Kundenperspektive,
ein koordiniertes Erinnerungsnetz und ein Kernelement für die Kaufentscheidung. Die CRM-
Theorie besagt, dass die Kosten für die Kundenakquisition höher als die für den Kundenerhalt
sind. CROSS 60 wies sogar darauf hin, dass eine Reihe von Kunden weiter mit einem
Unternehmen handeln, obwohl sie mit dem Service nicht zufrieden gewesen sind. Er nennt dafür
drei Gründe: 1. Die Kunden sind daran gewöhnt, mit dem Unternehmen zu handeln. 2. Der
Service von anderen Anbietern ist ebenso schlecht. 3. Die Kosten für einen Anbieterwechsel
sind zu hoch.
Mit gutem Marken-Image schafft man folgende Vorteile: Mit der Markentreue sind die Kunden
bereit, höhere Preise z.B. für neue Produkte zu zahlen und diese weiterzuempfehlen. Weiterhin
kann ein Unternehmen mit gutem Marken-Image den Preiskampf vermeiden. Um die
Kundenzufriedenheit zu steigern, sollte das HRC seinen Schwerpunkt in Bezug auf die
Kundenperspektive in der Kundenbeziehung und dem Marken-Image sehen. Die Servicequalität
lässt sich durch die internen Prozesse weiterentwickeln.
Im ursprünglichen Forschungsdesign der Arbeit war eine Kundenbefragung zur Zufriedenheit
geplant. Nach der Diskussion mit den HRC-Mitarbeitern und einem Experten eines
Pharmaunternehmens wurde der Plan aufgegeben. Die Zufriedenheitsbefragung sollte am besten
von einem unabhängigen Dritten (z.B. Beratungsunternehmen) durchgeführt werden, da das von
der wissens- und kapitalintensiven Pharmaindustrie als professionell angesehen wird und eine
entsprechend hohe Rücklaufquote zu erwarten ist.
Man kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Kundenzufriedenheit anhand der
Vertragsanzahl messen, da die Kundenzufriedenheit nach der CRM-Theorie zur Bereitschaft des
Wiederkaufs führt.
Die Kundenperspektive lässt sich wie folgt formulieren:
60 Cross (1999)
88
Tabelle 8: Die Kundenperspektive (Profit-Bereich) des HRC
Kundenperspektive (Profit-Bereich)
Strategische Ziele Kennzahlen Konkrete Maßnahmen Kernerfolgsfaktoren
Steigerung der
Kundenzufriedenheit
Kundenzufriedenheit steigt um 10% Die Theorie besagt, dass das Marken-Image
des HRC ein wichtiger Bestandteil der
Kundenzufriedenheit ist. Es gibt jedoch noch
eine Reihe von potenziellen Kunden, die
bisher von der Existenz des HRC und seiner
Funktion keine Kenntnis haben. Das HRC
muss sich über verschiedene Medien bekannt
machen, oder einem Verband (wie z.B. BPI
oder BVMA) als Mitglied beitreten.
Aktive PR-Arbeit um das Marken-
Image zu steigern
Steigerung der
Kundentreue
Kundentreue: durchschnittliche
Vertragsanzahl eines großen
Auftraggebers pro Jahr. Anzahl von
Vertragsabschlüssen im Jahr 2006: 85
(Extrapolation aus der
Regressionsanalyse, 2002=31,
2003=52, 2004=73, 2005=64)
Die bestehenden Kundenbeziehungen
müssen durch das HRC besonders gepflegt
werden. Das Customer-Relationship-
Management (CRM) sollte ins HRC
eingeführt werden, um die
Kundenzufriedenheit und die Bereitschaft
zum Wiederkauf deutlich zu erhöhen. Durch
Kommunikative Kompetenz der
HRC-Mitarbeiter
89
Verbesserung der
Kundenbeziehung
eine regelmäßige und aktive
Kundenbefragung erreicht das HRC nicht nur
die Erhebung der Kundenzufriedenheit und
die Kundenmeinung, sondern auch ein gutes
Image.
CRM, bessere Kundenakquisition
Quelle: Eigene Darstellung
90
Non-profit-Bereich
Mit diesem Bereich fördert das HRC konzerninterne Forschung und Wissenschaft. Insbesondere
für die Prüfarzt-initiierte klinische Forschung (IIT 61 ) steht das HRC den HELIOS-
Prüfärzten mit professioneller Beratung bei allen auftretenden Fragen zur Seite. Zu diesem
Zweck wird vom HELIOS-Konzern jährlich ein Wissenschaftsbudget zur Verfügung gestellt.
Weiterhin trägt das im HRC konzentrierte Know-How dazu bei, die Prüfärzte gegen eventuelle
Risiken (wie z.B. Konflikten mit Antikorruptionsvorschriften) bei klinischen Prüfungen
abzusichern.
In der bereits im Jahr 2005 abgeschlossenen Diplomarbeit beim HRC (Uecke) wurde das
Interesse der Prüfärzte in Bezug auf klinische Forschung ermittelt. Befragt wurden 26 Prüfärzte
die insgesamt 63 onkologische Studien betreuten. Die Ergebnisse der Analyse weisen deutlich
darauf hin, dass die Prüfärzte drei wichtige Ziele bei der Durchführung klinischer Studien
verfolgen:
1. Steigerung des Patientennutzens
2. Erfüllung des wissenschaftlichen Interesses und
3. Erhöhung der Reputation der HELIOS-Kliniken (Ausbau von HELIOS zum
Wissenskonzern)
Man geht davon aus, dass durch das Erreichen dieser Ziele die Zufriedenheit der Prüfärzte in
Bezug auf die klinische Forschung erhöht wird. Das HRC bemüht sich um einen ständigen
Dialog mit den Prüfärzten im Konzern und versucht u.a., deren Bedürfnissen durch
Weiterbildungsangebote gerecht zu werden. In diesem Rahmen werden jährlich mehrfach
Schulungen und Seminare für Prüfärzte und Interessierte veranstaltet. Zukünftig werden die
HELIOS-Prüfärzte bei der Planung von wissenschaftlichen Projekten, deren Projektmanagement
und Auswertung noch stärker unterstützt. Forschungsprojekte speziell im Rahmen des
Qualitätsmanagements werden durch die Prüfärzte in Zusammenarbeit mit den Fachgruppen
abgestimmt.
Um die Zufriedenheit der internen Kunden zu steigern, wird das HRC eine genaue Definition der
internen Prozesse vornehmen. Anders als für externe Kunden ist die Zufriedenheitsbefragung
konzernintern machbar. Eine aktuelle Erhebung der Zufriedenheit ist zum jetzigen Zeitpunkt
noch nicht vorhanden, sollte aber künftig durchgeführt werden.
61 Investigstor Initiated Trials
91
Tabelle 9: Die Kundenperspektive (Non-profit-Bereich) des HRC
Kundenperspektive (Nonprofit-Bereich)
Strategische Ziele Kennzahlen Konkrete Maßnahmen Kernerfolgsfaktoren
Steigerung der
Zufriedenheit der
Prüfärzte
Steigerung der
Zufriedenheit der
Prüfärzte um 20%
Durchschnittliche
tudienanzahl pro
Prüfarzt im Jahr 2006 =
13,5
S
(Extrapolation aus der
Regressionsanalyse,
2002=7, 2003=5,
2005=11) 2004=12,
Das HRC wird die fachliche Beratung (inkl. Statistik) für
Prüfärzte in Bezug auf die Konzeption und Durchführung ihrer
Forschungsprojekte gewährleisten. Zu diesem Zweck wurden
zwei Master of Public Health (MPH) beim HRC eingestellt.
1. Motivation der Prüfärzte
2. Zügige Kommunikation
zwischen Prüfärzten und
HRC
3. Fachkompetente HRC-
Mitarbeiter
Steigerung der Anzahl
qualitativ hochwertiger
Anträge im Rahmen der
Forschungsförderung
Neben der fachlichen Unterstützung durch das HRC könnten
die Prüfärzte vor Ort durch Study Nurses, Study Physicians
Dokumentare und ggf. Zivildienstleistende unterstützt werden.
Aktive Mitarbeit in den
gesetzgebenden Gremien
Regelmäßige Weiterbildungsveranstaltungen zur KliFo
(Prüfarzt-Seminare, Personalschulung)
Steigerung des
Bekanntheitsgrades des
HRC über den gezielten
Einsatz der Medien
Prüfärzte betrachteten im zurückliegenden Zeitraum (Uecke;
2005) Probleme in der Zusammenarbeit mit dem HRC als eine
der Schwierigkeiten bei der Durchführung von klinischen
Studien. Künftig sollten die Probleme zwischen Prüfärzten und
dem HRC gründlich analysiert und wenn möglich ausgeräumt
werden.
92
Eine jährliche Zufriedenheitsbefragung der Prüfärzte sollte
systematisch vom HRC durchgeführt werden. Quelle: Eigene Darstellung
93
5.3.3 Die Perspektive der Internen Prozesse
In dieser Perspektive handelt es sich um Geschäftsprozesse, die das HRC kundenbezogen, d.h.
nach Kundenwünschen verändern sollte, um neben den Kundenzielen auch die finanziellen
Ziele des HRC erreichen zu können. Hier sind Optimierungen bestehender Betriebsprozesse
geplant. Die BSC-Methode richtet das Augenmerk auf das Management der vollständigen
Wertschöpfungskette und umfasst den Innovationsprozess, den Betriebsprozess und den
Serviceprozess (siehe Abbildung 9).
Um die internen HRC-Prozesse optimieren zu können, muss man die aktuellen und zukünftigen
Kundenwünsche identifizieren und neue Lösungen für die Erfüllung der Wünsche entwickeln.
Nach den Studienergebnissen von Jan Malek62, UBS Warburg LLC63 und der Präsentation des
Unternehmens Quintiles 64 , wurden Kundenwünsche und Anforderungen an eine
Auftragsforschungsorganisation wie folgt zusammengefasst:
Anforderungen von Extern (Pharmaindustrie):
Finanzielle Stabilität: Ist das Geschäft finanziell lebensfähig und nachhaltig? Es ist für die
Auftraggeber wesentlich zu wissen, ob die CRO noch weitere fünf bis sechs Jahre am Markt sein
wird, besonders auch im Hinblick auf die Überprüfung durch die Behörden.
Compliance: Wie ist das Know-how der CRO in Bezug auf die gesetzlichen
Rahmenbedingungen?
Kapazität: Hat die CRO die Kapazität (Personal und Ausstattung), den Auftrag durchzuführen?
Erfahrung: Hat die CRO genügend Erfahrung und Anerkennung im Bereich klinischer
Forschung?
Qualität: Ist ein Qualitätssicherungssystem CRO-intern etabliert und existieren Prozesse zur
ständigen Qualitätsverbesserung?
Weiterbildungsprogramm: Besitzt das Unternehmen Weiterbildungsangebote für Prüfärzte
und Mitarbeiter?
Geschwindigkeit: Wie schnell kann eine CRO einen Vertrag abwickeln und eine Studie
durchführen?
62 Jan Malek, Ernst & Young (2004) 63 UBS Warburg LLC (2003): Pharmaceutical Outsourcing, Contract Research Organisations 64 Quintile (2006): Fortbildungskurz Arzt in Klinischen Prüfungen
94
Die SWOT- und Value Net-Analyse hat gezeigt, dass das HRC nach Anforderungen externer
Auftraggeber an die Compliance, die Kapazität, die Erfahrung, die Qualität sowie die
Weiterbildung positiv abschneidet. Daher sollte das HRC versuchen, die internen Prozesse im
Hinblick auf die Vertragsabwicklung zu optimieren. Auf der Grundlage einer internen
Arbeitsanweisung ist der Arbeitsprozess beginnend von der Studienanfrage externer
Auftraggeber bis zur Studiendurchführung durch den Prüfarzt „step by step“ festgelegt. Wenn
man den Prozess differenziert betrachtet wird deutlich, dass bestimmte Schritte außerhalb des
HRC bearbeitet werden und somit nicht vom HRC beeinflussbar sind. Um die
Vertragsabwicklung zu beschleunigen, sind den internen Schritten verantwortliche Mitarbeiter
zugeordnet. Wöchentlich wird der Bearbeitungsstand im Team besprochen und die nächsten
Schritte festgelegt. Damit können jederzeit sowohl die Mitarbeiter als auch die Geschäftsführung
die Prozessabläufe überprüfen.
Anforderungen von Intern (Prüfärzte):65
In der vorangegangenen Diplomarbeit am HRC wurde sowohl das Interesse der Prüfärzte in
Bezug auf die klinische Forschung als auch der Änderungsbedarf aus ihrer Sicht ermittelt. Um
klinische Forschung qualitäts- und zeitgerecht durchführen zu können, sehen die Ärzte die
„Verbesserung der personelle Unterstützung durch Study Nurses “ als dringendste Aufgabe.
Um die externen sowie die internen Anforderungen zu erfüllen, wird die Perspektive interner
Prozesse wie folgt formuliert:
65 Uecke. O. (2005)
95
Tabelle 10: Die Perspektive interner Prozesse des HRC
Perspektive interner Prozesse
Strategische Ziele Kennzahlen Konkrete Maßnahmen Kernerfolgsfaktoren
effizienterer
Kommunikations-ablauf
für interne und externe
Kunden
Zuordnung der internen
und externen Kunden
zu definierte Personen
im HRC
Effektive und umfassende Informationssysteme (externe
und interne Kommunikation). Mit Sponsoren und
Prüfärzten sollte das HRC eine zügige
Kommunikationsschiene aufbauen, so dass das HRC auf
die externen und internen Anforderungen schneller
reagieren kann. Durch eine ständige Kommunikation
kann auch ein besseres Verständnis zwischen dem HRC
und den Kunden geschafft werden. Dieses Verständnis
führt zu einer non-verbalen Übereinstimmung (tacit
consensus), so dass die Vertragsabschlüsse beschleunigt
werden können.
Vorschläge (Feedback) von
Prüfärzten und von HRC-
Mitarbeitern
Entwicklung einer SOP im HRC
hochqualifizierte Mitarbeiter
regelmäßige Kommunikation mit
den Prüfärzten und Sponsoren
effektive Zusammenarbeit und
Partnerschaft mit Behörden und
Anbietern
Umfassendere
Information aller HRC
Mitarbeiter
Vorstellung der
geplanten Entwicklung
des HRC durch das
Management: 2 mal pro
Jahr
Das HRC muss internen Reibungsverlust bei der
Studienbearbeitung durch ein adäquates Zeitmanagement
vermeiden. Die Meetings sollen in zwei Bereiche (Profit
und Non-Profit) geteilt werden.
96
schnellere
Vertragsabwicklung
Die Dauer der
Vertragsabwick-lung
(konnte in der Arbeit
aus Zeitgründen nicht
ermittelt werden)
Die IST-Situation zur Dauer der Vertragsabwicklung
muss zuerst analysiert werden. Das relevante Datum in
Bezug auf die Vertragsabwicklung muss richtig
dokumentiert werden. Für jeden Schritt des
Arbeitsprozesses soll nach der Diskussion mit allen
Mitarbeitern eine Bearbeitungszeit festgelegt werden. Quelle: Eigene Darstellung
97
5.3.4 Lernen und Entwicklung (Mitarbeiterperspektive)
Ziele und Kennzahlen der Lern- und Entwicklungsperspektive sind die Förderung einer
lernenden und wachsenden Organisation. Auch diese Perspektive ist auf die Zukunft
ausgerichtet; jedoch stärker als die anderen BSC-Perspektiven, da diese eine Infrastruktur zum
Erreichen der anderen Ziele schaffen soll. Wie im Kapitel 5.3.2.1 beschrieben ist die
Kundenzufriedenheit eine Voraussetzung für den finanziellen Gewinn. Hier spielt auch die
Zufriedenheit der HRC-Mitarbeiter eine entscheidende Rolle. Diese ist ein wesentlicher Faktor
für die Steigerung der Arbeitsproduktivität, der Treue zum Unternehmen und die Grundlage für
die Erfüllung der ersten drei Scorecard-Perspektiven. Die Mitarbeiterzufriedenheit wird von drei
Faktoren gefördert: Mitarbeiterpotenziale, technologische Infrastruktur und die
Arbeitsbedingungen.
Mitarbeiterpotenziale:
Das Informationszeitalter bedeutet das Ende des Taylorismus66 . Ideen zur Verbesserung von
Prozessen und Leistungen für die Sponsoren und Prüfärzte müssen von den beteiligten
66 Der Taylorismus oder das Scientific Management (dt. wissenschaftliche Betriebsführung oder W. Geschäftsführung) geht auf den US-Amerikaner Frederick Winslow Taylor zurück. Taylor glaubte, Management, Arbeit und Unternehmen mit einer rein wissenschaftlichen Herangehensweise (Scientific Management) optimieren und damit soziale Probleme lösen und "Wohlstand für Alle" erreichen zu können. Analyse der Ausgangssituation durch Taylor Zum Ausgangspunkt seiner Analyse nahm Taylor das sogenannte loafing (Leistungszurückhaltung) der Arbeiter. Die Frage war, wie man die Arbeiter (bei gleichem Lohn) zu mehr Arbeit bewegen könnte. Er kam zu dem Schluss, dass Firmenabläufe als ein Machtkampf zwischen Arbeitern und Management aufgefasst werden könnten und dass dieser Kampf von den Arbeitern gewonnen würde, so lange nur sie die Arbeit kennen und beherrschen. Um diese Machtverteilung zu gunsten des Managements zu ändern und somit die Arbeiter zu mehr Leistung zu bewegen, schlug Taylor drei wesentliche Prinzipien vor: Drei Grundprinzipien des Taylorismus 1. Arbeit sollte auf präzisen Anleitungen basieren, die das Management vorgibt. Diesem Prinzip liegt die Annahme zu Grunde, dass es einen besten Weg gibt, eine Arbeit zu bewältigen ("one-best-way"-Prinzip). 2. Das erste Prinzip kann nur durch eine hohe Arbeitsteilung realisiert werden, denn nur sehr kleine Arbeitsvorgänge können im Detail präzise vorgeschrieben oder überhaupt vom Management analysiert werden. Darüber hinaus versagt ab einer gewissen Komplexität der Arbeit das "one-best-way"-Prinzip, da es dann mehrere ähnlich gute Wege zu einer Bewältigung der Arbeit geben kann.
98
Mitarbeitern (Vertragsmanagement, Justitiar sowie den drei Projektmanagern) an der Basis
kommen, die direkt mit den Prozessen und Kunden beschäftigt sind. Um kreative Fähigkeiten
zur Erreichung der Unternehmensziele generieren zu können, sind umfangreiche
Weiterbildungsprozesse für oben genannte HRC-Mitarbeiter erforderlich. Die Projektmanager
für den Profit-Bereich sollten mit den zuständigen Mitarbeitern der Pharmaunternehmen guten
Kontakt haben, umfassende Kenntnisse im Bereich der Arzneimittelentwicklung mitbringen und
mit dem klinischen Alltag im Rahmen der klinischen Forschung vertraut sein.
Für die Projektmanager des Bereiches der Versorgungsforschung sind umfassende Kenntnisse
bei der Evaluierung von internen Forschungsanträgen (IIT) einschließlich der Anwendung
geeigneter statistischer Verfahren notwendig. Der Justitiar ist für den sachgerechten und
reibungsfreien Ablauf der Vertragsgestaltung und Abwicklung sowie allen damit in Verbindung
stehenden Haftungsfragen zuständig.
Technologische Infrastruktur:
Mitarbeitermotivation und -fähigkeiten sind notwendige, aber nicht hinreichende
Voraussetzungen für den Erfolg. Darüber hinaus müssen den Mitarbeitern umfassende
Informationen über die Kunden, die internen Prozesse und die finanzielle Konsequenzen ihres
Handelns schnell und verlässlich zur Verfügung stehen.
Arbeitsbedingungen:
Hier geht es um die Motivation, das Empowerment und die Zielausrichtung. Mitarbeiter müssen
ihre Kompetenzen kennen, um für bestimme Bereiche Entscheidungen eigenständig treffen zu
können.
Die Lern- und Entwicklungsperspektive wird wie folgt formuliert:
3. Geld wird als Motivationsfaktor eingesetzt, d.h. die Bezahlung wird von der erbrachten Leistung abhängig gemacht. Dies führte etwa zu Akkordarbeit, Prämienlöhnen (die in ihrer Höhe natürlich nicht die volle Produktivitätssteigerung widerspiegelten), genereller "Verdichtung" und besserer "Nutzung" der Arbeit bzw. der Arbeiter usw. Darüber hinaus vertrat Taylor eine mechanistische Sicht vom einzelnen Arbeiter. "Arbeiter gehorchen ähnlichen Gesetzen wie Teile einer Maschine" (Taylor). Von dieser mechanistischen Sichtweise ausgehend, versuchte er die Betriebsabläufe aufgrund rein rationaler Überlegungen neu zu strukturieren und zu "verwissenschaftlichen".
99
Tabelle 11: Die Mitarbeiterperspektive des HRC
Mitarbeiterperspektive
Strategische Ziele Kennzahlen Konkrete Maßnahmen Kernerfolgsfaktoren
Auswahl geeigneter
Mitarbeiter und
Verringerung der
Fluktuation
Mitarbeitertreue Die personelle Fluktuation muss reduziert werden. Eine zu
hohe Fluktuationsquote führt zum Verlust personeller
Ressourcen. Die sich ständig wiederholende Einarbeitung
neuer Mitarbeiter ist Verschwendung von personellen und
zeitlichen Resourcen.
Effizientere Kommunikation
zwischen allen Akteuren (PM,
PA, VWL)
Verbesserung des
Anreizsystems für PAs und
HRC-Mitarbeiter
Kontinuierliche
Weiterbildungsmöglichkeiten
Funktionsverbesserung des IT-
Systems
Verbesserung der
räumlichen und
technischen
Ausstattung der
Arbeitsplätze des HRC
Studienanzahl per PM
(Produktivität)
Um die Wünsche der Mitarbeiter ermitteln zu können, muss
ein offenes und konstruktives Kommunikationsklima
zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeitern
geschaffen werden.
Steigerung der
Mitarbeiterzu-
friedenheit und deren
Kreativität
Mitarbeiterzufriedenheit Um die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern, sollten drei
Faktoren berücksichtigt werden: Personalkompetenzen,
technologische Infrastruktur und Arbeitsklima. In Bezug auf
die Personalkompetenzen sollte das HRC seinen
Mitarbeitern geeignete Weiterbildungsprogramme anbieten
oder die Kosten für die Teilnahme an ausgewählten
100
Bildungsprogrammen übernehmen. In Bezug auf die
technologische Infrastruktur sollte das HRC seinen
Mitarbeitern adäquate „Hardware“ zur Verfügung stellen, die
die Arbeit angenehm macht und die Produktivität steigert.
Der dritte Faktor ist das Arbeitsklima. Die Arbeitsbelastung
der Mitarbeiter muss überprüft werden. Quelle: Eigene Darstellung
101
5.4 Strategy Map des HRC
Nach der Entwicklung der einzelnen BSC-Perspektiven des HRC wird hier die Verknüpfung aller
Perspektiven dargestellt. Alle Ziele und Kennzahlen werden in einer „Strategy Map“ integriert.
Die Strategy Map zeigt die kausalen Beziehungen zwischen Zielen (und Kennzahlen) aus
verschiedenen Perspektiven.
Die Existenz des HRC ist für die HELIOS Kliniken GmbH ein wesentlicher Baustein. Klinische
Forschung dient der HELIOS Kliniken GmbH als ein Element für den Ausbau von HELIOS
zum Wissenskonzern sowie die Steigerung des Patientennutzens und der Qualitätsführerschaft
(siehe Abbildung 26). Um dieses Ziel erreichen zu können, sind die Überlebensfähigkeit des HRC
(Finanzergebnis) und die Kundenperspektive des HRC die zwei Säulen der Unternehmensvision.
Das Finanzergebnis hängt von der Erreichung der Zufriedenheit der externen Kunden ab, und
das Merkmal „Wissenskonzern“ muss mit der Unterstützung der PÄ und Sponsoren realisiert
werden. Nur mit optimierten Arbeitsprozessen kann das HRC die internen und externen
Kundenwünsche befriedigen. Um hervorragende Dienstleistungen für die PÄ und die
Pharmaindustrie anbieten zu können, sind gut ausgebildete Mitarbeiter sowie adäquate
Arbeitsbedingungen und -ausstattungen unabdingbar.
Abbildung 245: Strategy Map des HRC
Mission und Vision Ausbau HELIOS zum Wissenskonzern
sowie Steigerung Patientennutzen und
Qualitätsführerschaft
Finanzen „Schwarze Null“
(kein Verlust)
Kunden Interne Kunden (Prüfärzte):
Zufriedenheit der PAs
Studienanzahl
Externe Kunden (Sponsoren):
Kundenzufriedenheit Kundentreue:
Vertragsanzahl
Interne Prozesse Dauer der Vertragsabwicklung
Personelle Unterstützung für PAs
Lernen und Entwicklung Mitarbeiterzufriedenheit
Mitarbeitertreue
Studienanzahl per PM
Quelle: Eigene Darstellung
102
103
6 Schwierigkeiten bei der Entwicklung der BSC fürs
HRC
Unternehmensstruktur
Die Struktur und die Aufgaben des HRC sind komplizierter als in anderen Unternehmen, da das
HRC gleichzeitig Profit- als auch Non-profit-Ziele zu erreichen hat. Solche Konstruktionen
wurden im ursprünglichen Design der BSC nicht berücksichtigt und erschweren die Entwicklung
der BSC für das HRC.
Management und Durchsetzungsfähigkeit:
Bei der Entwicklung der BSC wurden verschiedene Problemfelder des HRC offenbart.
Die Analyse der Arbeit hat gezeigt, dass die HELIOS Kliniken GmbH einen großen Teil des
pharmazeutischen Outsourcing-Marktes Deutschlands beherrscht. Dieser Wettbewerbsvorteil
wurde bisher von der Führungsebene des Konzerns nicht genügend berücksichtigt. Die BSC
muss von der obersten Managementebene initiiert werden und in einem zweiten Schritt die damit
klar definierte Unternehmensvision und strategische Ausrichtung an die Mitarbeiter weiterleiten.
Dies ist die Voraussetzung dafür, dass alle Mitarbeiter nicht nur „Do the things right“ (richtig
arbeiten) sondern auch „Do the right things” (in die richtige Richtung gehen) können (Do the
right things right).
Eine andere Schwierigkeit bei der Durchführung der klinischen Forschung in der HELIOS
Kliniken GmbH ist das Anreizsystem für Prüfärzte. Um die Prüfärzte zu motivieren, scheint der
monetäre Anreiz nicht ausreichend. Es fehlt eine Chef-Untergebenen Beziehung (Principal-
Agent-Theorie; Uecke 2005) zwischen den HELIOS-Prüfärzten und dem HRC. Für die
Durchführung der SITs erhalten die Prüfärzte 90% des Projektvolumens. Das HRC hat jedoch
keine Kontrolle über die vom Prüfarzt nicht zeit- bzw. qualitätsgerechte Erfüllung der Leistung,
die sich aber in einer verminderten Vergütung durch den Sponsor niederschlägt (wie z.B.
rechtzeitige Dokumentation der Studienabläufe).
Neben der Verknüpfung von Leistungen und Belohnungen benötigen die Mitarbeiter (HRC-
Mitarbeiter und HELIOS-Prüfärzte) noch andere Zufriedenheitsquellen, wie z.B. eine klare
Übersicht über die Probleme und Ziele des Unternehmens, die finanzielle Stabilität des
104
Unternehmens, das positive Image des Unternehmens, eine optimale interne Kommunikation
und Teamarbeit, die Gelegenheit zur Weiterentwicklung und die Motivation durch die
Geschäftsführung.
Auswahl der Kennzahlen und der Zielwerte:
Zwei Gründe erschweren die Entwicklung der BSC-Kennzahlen fürs HRC:
1. Die bisher international geringen Erfahrungen bei der Einführung der BSC im medizinischen
Bereich.
2. Für wissensintensive Dienstleistungen ist es schwer, konkrete Zielwerte vorzugeben und den
Service zu quantifizieren.
105
7 Schlussfolgerung
Die Einführung der Balanced Scorecard wurde im Helios Research Center nicht nur als ein
Projekt für die Leistungsmessung, sondern ein „change project“ angesehen, mit der Chance,
einen Verbesserungskreislauf für die Organisation in Gang zu setzen. Ob der Wandel erfolgreich
sein wird, hängt überwiegend von der Durchsetzungsfähigkeit des HRC ab. Um den zukünftigen
Herausforderungen der Kliniken intern und dem pharmazeutischen Outsourcing-Markt extern
gewachsen sein zu können, ist eine Veränderung der Organisationskultur durch die
Geschäftsleitung und aller Mitarbeiter unabdingbar.
Mittels der in der Literatur 67 empfohlenen Einführungsprozesse der BSC hat der Autor der
Diplomarbeit versucht, ein Modell zur Einführung der BSC ins HRC zu entwickeln. Durch die
Industrie- und Unternehmensanalyse wurden die Marktsituation und die „versteckten“ Probleme
des HRC diagnostiziert. Dadurch ist die Richtung für die notwendigen Veränderungen durch die
Führungsebene deutlich geworden (Teilnahmebereitschaft am Verbesserungsprogramm,
Ambition der Führungsebene). Durch die SWOT-Analyse, die Fünf-Kräfte-Analyse, das Value
Net, die Branchenanalyse, die Analyse der Betriebsstrategie sowie die Analyse der BSC-
Rahmenbedingungen, wurden nicht nur die Unternehmensmission und –vision, sondern auch die
vier BSC-Perspektiven fürs HRC entwickelt. Diese sind die: Finanz- und Kundenperspektive, die
Perspektive der internen Prozesse sowie die Lern- und Entwicklungsperspektive. Alle vier
Perspektiven wurden in eine „Strategy-Map“ integriert.
Obwohl in einigen HRC-Perspektiven keine konkreten Zielwerte vorgegeben werden konnten, ist
die Einführung der BSC in das HRC nach wie vor zu empfehlen, da der Nutzen der BSC aus
unterschiedlichen Elementen gespeist wird. Ziel der Balanced Scorecard ist es, die wesentlichen
Elemente des Geschäftserfolgs zu beschreiben.68
In großen Organisationen wird der Nutzen der BSC hauptsächlich aus den
Kommunikationselementen und der relevanten Informationen "what is going on" in der
Organisation69 generiert.
67 Vgl. Olve N.G. (1999), et. Al. 68 Olve (1999): Performance Drivers. 69 2GC Limited (2003), Olve N.G. (1999)
106
In kleineren Unternehmen wie dem HRC sollte der Nutzen der BSC vorwiegend aus folgenden
Elementen kommen: (1) Die Beschreibung der strategischen Vision und den gemeinsamen
strategischen Zielen; und (2) der gegebene Impuls für die Entwicklung und Anwendung von
wirksameren strategischen Managementprozessen. Infolgedessen zielt das Design der BSC für
kleinere Organisationen auf eine geringere Betonung der Messbarkeits-Definition und
Datenerfassung, sondern mehr auf das Management der Team-Interaktionen. Bei der
Entwicklung der HRC-BSC hat der Autor genau die zwei Elemente analysiert. (1) Die
Unternehmensvision war nicht eindeutig definiert und nicht alle Mitarbeiter darüber informiert,
so dass kein Konsens zwischen allen Mitarbeitern zur Unternehmensstrategie des HRC bestand.
Die Vorstellung des Konzeptes der BSC in der Anfangsphase der Entwicklung löste
Diskussionen zwischen den Mitarbeitern aus. Die strategische Vision und die strategischen Ziele
(Profit und Non-profit) wurden dadurch klar formuliert und kommuniziert. (2) Bei Betrachtung
der vier HRC-Perspektiven sieht man, dass noch eine Reihe von konkreten Zielvorgaben und
deren Kennzahlen fehlen. Diese Aufgabe kann im Rahmen dieser Arbeit nicht abgeschlossen
werden. Es ist jedoch eine Diskussion unter den Mitarbeitern zur Etablierung von wirksameren
Managementprozessen in Gang gekommen. Die HRC-Mitarbeiter richten ihr Augenmerk
vermehrt auf Team-Interaktionen und haben eine gesteigerte Sensibilität für die Verbesserung der
internen Prozessen entwickelt.
7.1 Vorschläge und Ausblick
In dieser Diplomarbeit handelt es sich um den Versuch, ein Model für die Einführung der
Balanced Scorecard ins HRC zu entwickeln. Die Entscheidung, ob das Modell wirklich ins HRC
eingeführt wird, liegt nicht in der Hand des Autors. Durch die Bearbeitung des Modells wurden
zahlreiche Probleme durch die Mitarbeiter angesprochen und Lösungswege vorgeschlagen.
Künftig werden diese Erfahrungen dem Geschäftsführer des HRC bei der Entscheidungsfindung
in Rahmen der strategischen Ausrichtung behilflich sein.
In der Lern- und Entwicklungsperspektive muss die Mitarbeiterzufriedenheit besonders
betrachtet werden. Im heutigen Informationszeitalter sind die Mitarbeiter sowohl das wichtigste
Vermögen als auch das Erfolgsfundament eines Unternehmens. Die Mitarbeiter sollen vom
Unternehmen nicht nur geschult sondern auch gehört werden. Besonders wichtig sind die
Meinungen von Mitarbeitern, die den direkten Kontakt mit den Kunden pflegen. Erfahren die
107
Meinungen der Mitarbeiter vom Unternehmen eine Wertschätzung, kann sich ein
Zugehörigkeitsgefühl (Beteiligungsgefühl) zum Unternehmen entwickeln, infolgedessen die
Mitarbeiter nicht nur mit den Händen (maschinelle Bewegung), sondern auch mit dem Kopf
(strategisches Denken) arbeiten. Ziel des Unternehmens sollte es sein die Intelligenz der
Mitarbeiter als echte Ressource zu nutzen.
In der internen Perspektive sollte das gesamte Team immer darüber nachdenken, wie man die
Qualität der klinischen Forschung und die Servicequalität des HRC gegenüber den Prüfärzten
und Sponsoren verbessern kann, wie die Geschäftsbeziehung zwischen dem HRC und den
Prüfärzten entwickelt werden sollte, um klinische Forschung effizienter durchführen zu können
und welche Einflussmöglichkeiten das HRC gegenüber den Prüfärzten verstärkt nutzen sollte. Zu
klären ist die Frage, ob das HRC in der jetzigen Konstellation bestehen bleiben oder sich zu einer
kompletten CRO entwickeln sollte, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Damit verbunden
wäre auch die Notwendigkeit, ein „Call Center“ im HRC für alle Studienpatienten zu etablieren.
Eine solche Einrichtung kann die Rekrutierungsarbeit effizienter machen und zur Zufriedenheit
des Patienten und dessen Verbleib in der Studie beitragen. Eine weitere Empfehlung ist die
Etablierung eines „Center of Study Nurse“ in den studien-intensiven klinischen Bereichen der
Maximalversorger. Das HRC könnte ausgebildete Study Nurses in solchen Zentren rekrutieren
und Weiterbildungsprogramme für sie anbieten. Mit einem solchen durch das HRC zentral
geleiteten Projekt könnten die Prüfärzte bei der Durchführung der klinischen Forschung aktiv
unterstützt werden.
In der Kundenperspektive sollte die interne sowie die externe Kundenzufriedenheit weiterhin
gleichzeitig berücksichtigt werden. Mit einer regelmäßigen Ermittlung der Kundenzufriedenheit
kann das HRC schnell auf die Veränderung der Kundenzufriedenheit reagieren und
Gegenmaßnahmen ergreifen.
Die finanzielle Lage eines Unternehmens spiegelt den Geschäftserfolg wieder. Man sollte das
Augenmerk immer auf das finanzielle Gleichgewicht richten. Eine Bedrohung der Existenz des
HRC ist auch eine Gefahr für die etablierten Strukturen der internen Wissenschaftsförderung und
das erklärte Unternehmensziel von HELIOS zu einem Wissenskonzern zu werden.
108
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