erfinder der «kuh liselotte» zu besuch bei der ... · schnellen scharfsinn ausstrah-len, sind...

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«D Chue chunnt nit abe!», ruft ein Kind aus der ersten Reihe ganz aufgeregt, denn die Kuh Liselotte hat sich auf einem Baum versteckt, um den Pöstler zu erschrecken. Fragend schaut der in Ostwestfalen geborene Kinderbuchillustrator Alexan- der Steffensmeier zur Spiel- gruppenleiterin Judith Pfefferli, die prompt übersetzt: «Die Kuh kommt nicht runter.» 45 Augenpaare schauen ge- spannt auf die Bilder auf der Grossleinwand, denn an diesem letzten Spielgruppennachmit- tag vor den grossen Sommerfe- rien liest der geistige Vater und Erfinder der Kuh Liselotte per- sönlich aus seinem Werk vor. Die Kuh Liselotte treibt wieder allerlei Schabernack und tut Dinge, die eine normale Kuh ei- gentlich nicht tut. Sympathieträger Kuh «Kühe mögen vielleicht nicht unbedingt Wagemut und schnellen Scharfsinn ausstrah- len, sind dafür aber grundsym- pathisch und strömen wider- käuende Ruhe und Wohlwollen aus. Und vielleicht auch eine et- was dickköpfige Neugierde», begründet der studierte Grafi- ker die Wahl seiner Heroine. Si- cher habe aber auch die Tatsa- che eine Rolle gespielt, dass er in einem kleinen Dorf aufge- wachsen sei und viel Zeit auf dem Bauernhof seines Onkels mit über hundert Milchkühen verbracht habe. Liselotte die Kuh begleitet die Kinder das ganze Spielgruppen- jahr hindurch. Es ist jedoch nicht nur der fantasievolle Witz und die detaillierten bunten Il- lustrationen der Geschichten, welche von der Bäuerin und Spielgruppenleiterin Judith Pfefferli geschätzt werden. «Das Bauernhofleben beinhaltet eine WANGEN BEI OLTEN SO: Erfinder der «Kuh Liselotte» zu Besuch bei der Bauernhofspielgruppe Die Kinderbücher von Alexander Steffensmeier sind ein wahrer Renner. Im Rahmen einer kleinen Schweizer Tour machte der Kinderbuchillustrator einen Besuch bei der Bau- ernhofspielgruppe der Fa- milie Pfefferli. SUSANNE KÜNSCH enorme Themenvielfalt, welche auch in den Liselotte-Kinderbü- chern zu finden ist. Wenn wir ein Thema oder ein Tier behan- deln, findet sich immer eine Ge- schichte oder ein Bild dazu», sagt die gelernte und aktive Werklehrerin der 1. bis 4. Klasse in Wangen bei Olten. Seit bald zehn Jahren betreibt die innova- tive Bäuerin ihr Projekt «Lern- ort Bauernhof» für Kinder im Spielgruppenalter zwischen drei und fünf Jahren, und das mit grossem Erfolg. «Ich kann inzwischen nicht mehr alle An- meldungen berücksichtigen. Während des letzten Schuljah- res kamen Kinder aus 27 ver- schiedenen Gemeinden aus ei- nem Umkreis von dreissig Kilo- metern.» Mit 51 Kindern, unter- teilt in drei Gruppen, sei sie aus- gelastet. Kurse für Kinder Nach der Spielgruppe kön- nen die Kinder die Jahreszeiten- und Gartenkurse besuchen. Mit diesen inhaltlich abgestimmten Kursen erleben Kinder Land- wirtschaft hautnah, und das über einen Zeitraum von bis zu acht Jahren», so die 53-jährige Bäuerin. Zudem bietet sie auch Lehrerfortbildungskurse und Fachtagungen auf dem Famili- enbetrieb an. Lernen mit Stroh spielen Die Sache ist nochmals gut ausgegangen. Liselotte hat sich doch noch mit dem Pöstler ver- söhnt. Nun zeichnet Alexander Steffensmeier zwei Kreise auf die Flipchart. Was könnte das wohl sein? Eifrig raten die Kin- der mit und strecken ihre Finger in die Luft. Die Kuh Liselotte, die Räder des Traktors oder gar die Augen des Pöstlers? Nach ein paar geübten Strichen des Illustrators entsteht tatsächlich – der Pöstler. «Hier auf dem Bauernhof müssen einige Kinder zuerst wieder lernen, mit einfachen Dingen wie zum Beispiel mit Stroh spielen», erklärt Judith Pfefferli, «sie lernen, dass die Milch nicht aus dem Tetrapack kommt und die Kartoffeln nicht von McDonald’s.» Gute Geschäftsidee Judith und Franz Pfefferli ha- ben sich mit dem Zusammen- spiel von Bauernhof und päd- agogischem Angebot ein zwei- tes Standbein geschaffen, wel- ches massgeblich zum Famili- eneinkommen beiträgt. Die quirlige Unternehmerin konnte für ihr zukunftsweisendes Kon- zept zahlreiche Auszeichnun- gen und Nominierungen im In- und Ausland entgegennehmen. Und wann ist Erholung für die engagierte Bäuerin ange- sagt? «Bei mir ist das nicht so genau abgegrenzt, ich schlafe einfach schneller», lacht Judith Pfefferli. 45 Kinder springen hinaus auf den Hof, schlecken genüss- lich ihr Eis und «helfen» Bauer Franz Pfefferli im Stall bei sei- nen 70 Kühen, schaufeln, rup- fen, sändelen und fühlen sich sichtlich wohl. Derweil macht sich Alexan- der Steffensmeier auf den Weg zu seinem nächsten Ziel, der Einweihung des Liselotte-The- menwegs am Männlichen bei Grindelwald. An dieser Stelle seien alle Pöstler im Umkreis gewarnt: Achtung, Liselotte kommt. 08.07.2015 Spielend lernen auf dem Bauernhof Gespannt lauschen die Kinder, was Liselotte wieder anstellt. Alexander Steffensmeier. Erlebnis Bauernhof: Kreativität und Fantasie fördern. Judith Pfefferli umringt von Kindern, denn hier darf gestreichelt werden. (Bilder: suk)

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Page 1: Erfinder der «Kuh Liselotte» zu Besuch bei der ... · schnellen Scharfsinn ausstrah-len, sind dafür aber grundsym-pathisch und strömen wider-käuende Ruhe und Wohlwollen aus

«D Chue chunnt nit abe!», ruftein Kind aus der ersten Reiheganz aufgeregt, denn die KuhLiselotte hat sich auf einemBaum versteckt, um den Pöstlerzu erschrecken. Fragend schautder in Ostwestfalen geboreneKinderbuchillustrator Alexan-der Steffensmeier zur Spiel-gruppenleiterin Judith Pfefferli,die prompt übersetzt: «Die Kuhkommt nicht runter.»

45 Augenpaare schauen ge-spannt auf die Bilder auf derGrossleinwand, denn an diesemletzten Spielgruppennachmit-tag vor den grossen Sommerfe-rien liest der geistige Vater undErfinder der Kuh Liselotte per-sönlich aus seinem Werk vor.Die Kuh Liselotte treibt wiederallerlei Schabernack und tutDinge, die eine normale Kuh ei-gentlich nicht tut.

Sympathieträger Kuh«Kühe mögen vielleicht nicht

unbedingt Wagemut undschnellen Scharfsinn ausstrah-len, sind dafür aber grundsym-pathisch und strömen wider-käuende Ruhe und Wohlwollenaus. Und vielleicht auch eine et-was dickköpfige Neugierde»,begründet der studierte Grafi-ker die Wahl seiner Heroine. Si-cher habe aber auch die Tatsa-che eine Rolle gespielt, dass erin einem kleinen Dorf aufge-wachsen sei und viel Zeit aufdem Bauernhof seines Onkelsmit über hundert Milchkühenverbracht habe.

Liselotte die Kuh begleitet dieKinder das ganze Spielgruppen-jahr hindurch. Es ist jedochnicht nur der fantasievolle Witzund die detaillierten bunten Il-lustrationen der Geschichten,welche von der Bäuerin undSpielgruppenleiterin JudithPfefferli geschätzt werden. «DasBauernhofleben beinhaltet eine

WANGEN BEI OLTEN SO: Erfinder der «Kuh Liselotte» zu Besuch bei der Bauernhofspielgruppe

Die Kinderbücher vonAlexander Steffensmeiersind ein wahrer Renner.Im Rahmen einer kleinenSchweizer Tour machteder Kinderbuchillustratoreinen Besuch bei der Bau-ernhofspielgruppe der Fa-milie Pfefferli.

SUSANNE KÜNSCH

enorme Themenvielfalt, welcheauch in den Liselotte-Kinderbü-chern zu finden ist. Wenn wirein Thema oder ein Tier behan-deln, findet sich immer eine Ge-

schichte oder ein Bild dazu»,sagt die gelernte und aktiveWerklehrerin der 1. bis 4. Klassein Wangen bei Olten. Seit baldzehn Jahren betreibt die innova-

tive Bäuerin ihr Projekt «Lern-ort Bauernhof» für Kinder imSpielgruppenalter zwischendrei und fünf Jahren, und dasmit grossem Erfolg. «Ich kanninzwischen nicht mehr alle An-meldungen berücksichtigen.Während des letzten Schuljah-res kamen Kinder aus 27 ver-schiedenen Gemeinden aus ei-nem Umkreis von dreissig Kilo-metern.» Mit 51 Kindern, unter-teilt in drei Gruppen, sei sie aus-gelastet.

Kurse für KinderNach der Spielgruppe kön-

nen die Kinder die Jahreszeiten-und Gartenkurse besuchen. Mitdiesen inhaltlich abgestimmtenKursen erleben Kinder Land-wirtschaft hautnah, und dasüber einen Zeitraum von bis zu

acht Jahren», so die 53-jährigeBäuerin. Zudem bietet sie auchLehrerfortbildungskurse undFachtagungen auf dem Famili-enbetrieb an.

Lernen mit Stroh spielenDie Sache ist nochmals gut

ausgegangen. Liselotte hat sichdoch noch mit dem Pöstler ver-söhnt. Nun zeichnet AlexanderSteffensmeier zwei Kreise aufdie Flipchart. Was könnte daswohl sein? Eifrig raten die Kin-der mit und strecken ihre Fingerin die Luft. Die Kuh Liselotte,die Räder des Traktors oder gardie Augen des Pöstlers? Nachein paar geübten Strichen desIllustrators entsteht tatsächlich– der Pöstler.

«Hier auf dem Bauernhofmüssen einige Kinder zuerstwieder lernen, mit einfachenDingen wie zum Beispiel mitStroh spielen», erklärt JudithPfefferli, «sie lernen, dass dieMilch nicht aus dem Tetrapackkommt und die Kartoffeln nichtvon McDonald’s.»

Gute GeschäftsideeJudith und Franz Pfefferli ha-

ben sich mit dem Zusammen-spiel von Bauernhof und päd-agogischem Angebot ein zwei-tes Standbein geschaffen, wel-ches massgeblich zum Famili-eneinkommen beiträgt. Diequirlige Unternehmerin konntefür ihr zukunftsweisendes Kon-zept zahlreiche Auszeichnun-gen und Nominierungen im In-und Ausland entgegennehmen.

Und wann ist Erholung fürdie engagierte Bäuerin ange-sagt? «Bei mir ist das nicht sogenau abgegrenzt, ich schlafeeinfach schneller», lacht JudithPfefferli.

45 Kinder springen hinausauf den Hof, schlecken genüss-lich ihr Eis und «helfen» BauerFranz Pfefferli im Stall bei sei-nen 70 Kühen, schaufeln, rup-fen, sändelen und fühlen sichsichtlich wohl.

Derweil macht sich Alexan-der Steffensmeier auf den Wegzu seinem nächsten Ziel, derEinweihung des Liselotte-The-menwegs am Männlichen beiGrindelwald. An dieser Stelleseien alle Pöstler im Umkreisgewarnt: Achtung, Liselottekommt.

08.07.2015

Spielend lernen auf dem Bauernhof

Gespannt lauschen die Kinder, was Liselotte wieder anstellt.Alexander Steffensmeier.

Erlebnis Bauernhof: Kreativität und Fantasie fördern.

Judith Pfefferli umringt von Kindern, denn hier darf gestreichelt werden. (Bilder: suk)