fachkraeftemängel bekämpfen - wettbewerbsfähigkeit sichern
DESCRIPTION
Um den enormen Herausforderungen zur Sicherung der Fachkräftebasis, die mit der demografischen Entwicklung in den nächsten Jahren weiter wachsen, erfolgreich begegnen zu können, braucht Deutschland umgehend eine schlüssige Gesamtstrategie. Die BDA hat unter breiter Beteiligung der Mitgliedsverbände und ihrer Branchenerfahrungen und -einschätzungen ein entsprechendes Gesamtkonzept erarbeitet.TRANSCRIPT
FachkräFtemangel bekämpFen WettbeWerbsFähigkeit sichern
Handlungsempfehlungen zur Fachkräftesicherung in Deutschland
FachkräFtemangel bekämpFen WettbeWerbsFähigkeit sichern
Handlungsempfehlungen zur Fachkräftesicherung in Deutschland
inhaltsVerZeichnis
1 gesamtstrategie zur Fachkräftesicherung und Vorschläge für ein sofortprogramm .......................................................5
2 lageanalyse: aktuelle Fachkräfteengpässe und entwicklung der Fachkräftelücke .......................................................... 11
A Entwicklung der „MINT-Lücke“ und aktueller Fachkräftemangel im MINT-Bereich ....................................................................................................12B FachkräftemangelimPflegebereichundFachkräfteengpässe beiMetall-undElektroberufen ..............................................................................13C RückläufigeBewerberzahleninderberuflichenAusbildung .................................14D WelcheweiterenAuswirkungenhatdiedemografischeEntwicklung? ..................16E InwelchenSegmentenwirdderFachkräftemangelbesondersvirulent? ..............17
3 handlungsfelder zur sicherung der Fachkräftebasis ...................19
handlungsfeld 1: potenziale besser nutzen
A AktivierungArbeitsloserzurVermittlungbzw.Qualifizierungverbessern ..............20B Bildungszeitenoptimieren–früherenEintrittinsErwerbslebenermöglichen .......22C Lebensarbeitszeitverlängern–KompetenzenältererMitarbeiternutzen .............24D ArbeitsmarktpotenzialvonFrauenbesserausschöpfen .......................................26E Arbeitszeitvolumenund-verteilungoptimieren .....................................................29F IntegrationvonMenschenmitBehinderungenerleichtern ....................................30G AnerkennungimAuslanderworbenerAbschlüsseverbessern .............................32
handlungsfeld 2: potenziale konsequent entfalten
A Ausbildungsreifesicherstellen–Berufsorientierungstärken.................................35B Anzahl An- und Ungelernter reduzieren ................................................................37C Studienabsolventenzahlerhöhen–Studienabbrüchereduzieren– Beschäftigungsfähigkeit sicherstellen ...................................................................39D MINT-Absolventenzahlenerhöhen ........................................................................41E LebenslangesLernenstärken–Beschäftigungsfähigkeit imErwerbsverlauferhaltenundausbauen ............................................................44
handlungsfeld 3: Zusätzliche potenziale schaffen
A InnovationsspielräumeinderArbeitsorganisationausschöpfen ...........................46B ZuwanderungqualifizierterFachkräfteerleichtern ................................................47
UmdenenormenHerausforderungenzurSicherungderFachkräftebasis,diemitderdemografischenEntwicklungindennächstenJahrenweiterwachsen,erfolgreichbe-gegnenzukönnen,brauchtDeutschlandumgehendeineschlüssige Gesamtstrategie.
Gesamtstrategie heißt zum einen, die wesentlichenHandlungsfelder zu identifizieren und alle zentralen„Stellschrauben“ vorbehaltlos zu prüfen. Zum anderenmüssen alle relevanten Akteure Verantwortung über-nehmen –Arbeitgeber,Arbeitnehmer, der gesamte Bil-dungssektor von Kindergarten bis Hochschule, PolitikundGesellschaft.UmdieimmergrößerwerdendeFach-kräftelücke bei gleichzeitig hoher Arbeitslosigkeit wirk-sam zu bekämpfen, ist einBündel ausmehrerenMaß-nahmenerforderlich.AlseinHandlungsfeldmüssendiebestehendenPotenzialeamArbeitsmarktdeutlichbesseralsbislanggenutztwerden.Dafürgiltes,dieAktivierungArbeitsuchenderfürQualifizierungbzw.Vermittlungwei-terzuverbessern.WeiterhinistdieaktiveErwerbsphaseinsgesamt auszuweiten. Dafür müssen junge Menschen früherinsErwerbslebeneintretenkönnen.ZugleichisteseinwichtigesZiel,mehrältereArbeitnehmerinBeschäfti-gungzubringenunddortlängerzuhalten.DiesgiltauchfürdieAusschöpfungderErwerbspotenzialevonFrauen.DarüberhinausmüssendiePotenzialeinsbesonderevon
gesamtstrategie Zur FachkräFtesicherung und
Vorschläge Für ein soFortprogramm
MigrantenundMenschenmitBehinderungenbesseralsbishergenutztwerden.EinweitereszentralesHandlungs-feldliegtineinerbesserenEntfaltungallerTalentedurchQualitätsverbesserungen über das gesamte Bildungs-spektrumhinweg:vonderfrühkindlichenundschulischenBildungüberdieberuflicheAusbildungbzw.Hochschul-ausbildung bis hin zur gezieltenWeiterbildung in Formdes lebenslangenLernens.DabeimussvorallemauchdieDurchlässigkeitinnerhalbdesBildungssystemsdeut-licherhöhtwerden.
DochselbsteineoptimaleAusschöpfungderHandlungs-optionen zur besseren Nutzung und Erschließung be-stehender Fachkräftepotenziale wird nicht ausreichen.NichtnurwegenderdramatischendemografischenEnt-wicklung,sondernalleinumauchkurzfristigschonlängstbestehende Fachkräftelücken zu schließen, muss esüberdies gelingen, zusätzliche Fachkräftepotenziale zugenerieren.DeswegenmussderdeutscheArbeitsmarktauchstärker fürgezieltequalifizierteZuwanderungausdemAuslandgeöffnetundderStandortDeutschlandfürbeiunsbenötigteFachkräfteausallerWeltattraktiverge-macht werden.
1
„Nur wenn sich auf allen zentralen Handlungsfeldernzur Fachkräftesicherung zügig und gleichzeitig etwas bewegt,
können Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland dauerhaft gesichert werden.“
Prof. Dr. Dieter Hundt, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
5Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
handlungsFeld 1
potenziale besser nutzen
stellschrauben stellschrauben stellschrauben
AktivierungArbeitsloserzurVermittlungbzw.Qualifizierung
verbessern
Bildungszeitenoptimieren–früherenEintrittinsErwerbsleben
ermöglichen
Lebensarbeitszeitverlängern–KompetenzenältererMitarbeiter
nutzen
ArbeitsmarktpotenzialvonFrauenbesserausschöpfen
Arbeitszeitvolumenund-verteilungoptimieren
IntegrationvonMenschenmitBehinderungen erleichtern
AnerkennungimAuslanderwor-benerAbschlüsseverbessern
Ausbildungsreifesicherstellen–Berufsorientierungstärken
Anzahl An- und Ungelernter reduzieren
Studienabsolventenzahlerhöhen–Studienabbrüchereduzieren–
Beschäftigungsfähigkeit sicherstellen
MINT-Absolventenzahlerhöhen
LebenslangesLernenstärken–Beschäftigungsfähigkeit im Erwerbsverlauferhalten
undausbauen
InnovationsspielräumeinderArbeitsorganisationausschöpfen
ZuwanderungqualifizierterFachkräfte erleichtern
handlungsFeld 2
potenziale konsequent entfalten
handlungsFeld 3
Zusätzliche potenziale schaffen
a
b
c
d
e
F
g
a
b
c
d
e
a
b
gesamtstrategie Zur FachkräFtesicherung
= WettbeWerbsFähigkeit,
arbeitsplätZe und Wohlstand1
7Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
19-punkte-soFortprogramm Für die politik
VieledernotwendigenMaßnahmenzurSicherungderFachkräftebasissinderstmittel-bis langfristigwirksam.DiesgiltinsbesonderefürReformenimBildungsbereichunddieAnstrengungenderWirtschaftzurAus-undWeiterbildung.HiersinddieErfolgeofterstineinigenJahrensichtbar.Angesichtsbereitsjetztakuter,schonaufkurzeSichtdeutlichzunehmenderFachkräfteengpässeistesdahernötig,dassSpielräumefürkurzfristigumsetzbareundkurzfristigwirk-sameMaßnahmenzurÜberwindungvonFachkräfteengpässenausgeschöpftwerden.InsbesonderebeidergezieltenAktivierungundFörderungArbeitsloserundderbesserenNutzungderPotenzialevonÄlteren,Frauen,MigrantensowievonMenschenmitBehinderungengibteseineVielzahlvonMaßnahmen,dieschnellaufdenWeggebrachtwerdenkön-nen.DaalledieseMaßnahmenfüreinestärkereMobilisierungundNutzunginländischerArbeitsmarktpotenzialealleinabernichtreichenwerden,müssenüberdiesparallelschonjetztauchzielgenaueErleichterungenfürdieZuwanderungausländischerFachkräfteindenBlickgenommenwerden.
1arbeitsförderungsinstrumente reformieren und stärker auf schnelle,
passgenaue Vermittlung und aktivierung von arbeitslosen ausrichten.
2Frühverrentungsanreize im arbeitsförderungsrecht beseitigen, „rente mit 67“ konsequent umsetzen.
3gesetzliche Fehlanreize zur reduzierung der erwerbstätigkeit insbesondere
für Frauen im steuer- und sozialversicherungsrecht beseitigen.
4Flexible und qualitativ hochwertige kinderbetreuungsmöglichkeiten und
ganztagsschulangebote zügig ausbauen und verbessern.
5beschäftigungsbarrieren für menschen mit behinderungen durch entbüro-
kratisierung und mehr rechtssicherheit im schwerbehindertenrecht abbauen.
6anerkennung ausländischer bildungsabschlüsse verbessern.
7kurzfristige anwerbemöglichkeiten für ausländische Fachkräfte erleichtern durch: � Verzicht auf die bürokratische Vorrangprüfung in besonderen engpassberufen und
� Absenkung der Einkommensgrenze für die Niederlassungserlaubnis Hochqualifizierter.
8ausländischen absolventen deutscher hochschulen eine dauerhafte
perspektive am deutschen arbeitsmarkt bieten.
9internationalen personalaustausch innerhalb multinationaler unternehmen vereinfachen.
9Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
lageanalyse
Aktuelle Fachkräfteengpässe und Entwicklung der Fachkräftelücke
DieWettbewerbsfähigkeitderdeutschenWirtschaft–derIndustrie,desMittelstandsunddesHandwerks–undun-serWohlstandhängenentscheidendvongutausgebilde-tenArbeitnehmernab.Umsobedenklicherist,dassimmermehrUnternehmenProbleme haben, genügend qualifi-zierteFachkräftezubekommen.ZwarkonzentrierensichdieEngpässebislangaufbestimmteRegionen,Branchenund Berufe – dennoch mehren sich die Anzeichen füreinebreiteFachkräftelücke:Mitte2010hatten70%derUnternehmengenerell(20%)oderteilweise(50%)Pro-blemebeiderBesetzungoffenerStellen(DIHK-Umfrage,August2010).RückläufigeBewerberzahleninderdualenAusbildung,zugeringeAbsolventenzahlenandendeut-schen Hochschulen und alternde Belegschaften in denUnternehmenbelegenzudem:FachkräfteengpässesindinDeutschlandkeinkonjunkturellesPhänomen,sonderngrößtenteilseinstrukturellesProblem.
2MitdemvoranschreitendendemografischenWandelwirdsichdieLageweiterverschärfen.DieZahlderPersonenimAltervon20bis65JahrensinktlautStatistischemBun-desamt indennächsten20Jahrenvonca.50Mio.aufdann nur noch 42Mio.NachwissenschaftlichenSchät-zungendrohtdieFachkräftelückebis2030auf5,2Mio.Arbeitskräfte anzuwachsen – und dabei ist schon un-terstellt, dass jedes Jahr 150.000 mehr Zuwanderer inDeutschland einen Job suchen, als Personen abwan-dern(Prognos,2009).AngesichtsderTatsache,dass inden Jahren 2008(-56.000)und2009(-13.000)sogareinnegativerWanderungssaldozuverzeichnenwar,könntediehierprognostizierteFachkräftelückesogarnochgrö-ßer ausfallen.
11Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
12 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Entwicklung der „MINT-Lücke“ und aktueller Fachkräftemangel im MINT-Bereich
BesondersdeutlichsindstrukturelleFachkräfteengpässebereitsbeihochqualifiziertenMINT-Berufen(Mathematik,Informatik,Naturwissenschaften,Technik)erkennbar.Die„MINT-Lücke“ – die Differenz aus offenen MINT-StellenundArbeitslosenmitMINT-Berufen –erreichte imFrüh-jahr 2000 ihr bisherigesMaximumvon rd. 180.000Per-sonen. Dafür verantwortlich waren Sondereffekte desNew-Economy-Booms,indessenFolgeinsbesondereIT-Expertengesuchtwurden.ImZugedesdarauffolgendenwirtschaftlichenAbschwungs verringerte sich die „MINT-Lücke“aufzunächstrd.20.000imFrühsommer2004,er-reichtejedochschonimHerbst2008mitetwa145.000 Per-sonenwiedereinensehrhohenStand.Diesführte2008zuWertschöpfungsverlusten(z.B.weilAufträgenichtange-nommenwerden konnten) von29,5Mrd.€.Zwar verrin-gertesichdie„MINT-Lücke“2009wieder,allerdingsfehltenselbst in der größtenWirtschaftskrise in der GeschichtederBundesrepublikDeutschlandüber60.000 MINT-Fach-kräfte. Die damit verbundenen Wertschöpfungsverlustebetrugenimmerhinnoch14,4Mrd.€.
Dies spiegelt die strukturellen Probleme des deutschenMINT-Arbeitsmarkts wider: hoher demografiebedingterErsatzbedarf,niedrigeBeschäftigungsquotenvonFrauen,hoheAbbrecherquoten in denStudiengängen sowiene-gativeEntwicklungen bei denAbsolventenzahlen in den
90er Jahren und eine zu geringe Dynamik in den letz-tenJahren.DasgeringeAngebot zeigt sichauch inderArbeitslosigkeitindenMINT-BerufenfürHochqualifizierte,die deutlich gesunken ist. Da die meisten Unternehmen ihre MINT-Kernbelegschaften selbst während der Wirt-schafts- und Finanzkrise 2008/09 weiter in Beschäftigung hielten,wardieMINT-ArbeitslosigkeitzukeinemZeitpunktauchnurhalbsohochwieimvorherigenKonjunkturtief.
In den kommenden Jahrenwird der FachkräfteengpassimMINT-Bereichnochkritischer:AlleinderErsatzbedarffür altersbedingt ausscheidende Fachleute in den Un-ternehmen erfordert pro Jahr 50.000 bis 60.000 Nach-wuchskräfte.ZudembenötigendieUnternehmenjährlichca.50.000 MINT-Professionals, um expandieren undihre Marktchancen optimal nutzen zu können. Hierfürfehlt – wenn nicht wirksam gegengesteuert wird – derNachwuchsinderunmittelbarvorunsliegendenDekadebis 2020:Denn aktuell bilden die deutschenHochschu-lenjedesJahrnurca.88.000MINT-Absolventenaus,diedemdeutschenArbeitsmarkt zurVerfügungstehen.Ge-messenamBedarfdesArbeitsmarktssinddieszwischen12.000 und 22.000 Nachwuchskräfte zu wenig. Da sich dieser Fehlbedarf über die Jahre kumuliert, droht 2020eine„MINT-Lücke“vonmehrals230.000Fachkräften(IWKöln,2009).
MINT-Fachkräfte fehlen selbst in Krisenzeiten
EntwicklungderbundesweitenMINT-FachkräftelückevonAugust2000bisAugust2010
Quellen:IWKölnaufBasisvonBerechnungenderBundesagenturfürArbeit,2010;IW-Zukunftspanel2009
200.000
180.000
160.000
140.000
120.000
100.000
80.000
60.000
40.000
20.000
0
Ingenieure Techniker Naturwissenschaftler Datenverarbeitungsfachleute
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010
13Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Fachkräftemangel im Pflegebereich und Fachkräfteengpässe bei Metall- und Elektroberufen
Unverkennbar ist ein struktureller Fachkräftemangelbereits jetzt nebendenMINT-Berufen z.B. auch in derPflegebranche. Einerseits gibt es immer weniger jungeNachwuchskräfte,andererseitssteigtdieZahlderPflege-bedürftigenvonderzeitgut2Mio.um40%auf3,5Mio.im Jahr 2030 steil an. Schon Mitte 2010 fehlten nachErkenntnissen des Arbeitgeberverbands Pflege e.V.rd. 20.000 Fachkräfte. Allein in den nächsten zehn Jah-renwirdmit einem zusätzlichenBedarf von ca. 80.000Pflegefachkräftenundzusätzlichen200.000Betreuungs-kräften gerechnet, die sowohl als Pflegehilfskräfte imstationärenBereichalsauch inprivatenHaushaltenalsHaushaltshilfenundbeiambulantenDiensteneingesetztwerdenmüssen,umdemmassivwachsendenAnteilpfle-gebedürftiger Menschen die notwendige Betreuung zuermöglichen(RWI,PflegeheimRatingReport2009).
EngpässebeiFachkräftenzeigensichzunehmendauchin einzelnen Facharbeiterberufen, vor allem in der Me-tall- und Elektroindustrie und bei Gesundheitsdienst-leistungen. So liegt z.B. bei Schweißern, Elektrikern,RohrinstallateurenoderKrankengymnastenundKranken-pflegern dasVerhältnis vonArbeitslosen zu gemeldetenoffenenStellen bei unter 2,3.Da nachUntersuchungendesInstitutsfürArbeitsmarkt-undBerufsforschung(IAB)imDurchschnittallerQualifikationennur44%deroffenenStellenamerstenArbeitsmarktdenArbeitsagenturenge-meldetwerden(beiHochqualifiziertenistdieQuotenochdeutlichniedriger),kanneinesolcheArbeitslosen-Stellen-RelationalsIndikatorfüreinenrechnerischinetwaaus-geglichenen Arbeitsmarkt angesehen werden. Da aberdieoffenenStellenregionalungleichverteiltundnichtalleArbeitslosenuneingeschränktmobilsind,gibtesinvielenRegionenbereitsmehroffeneStellenalsBewerber.
Quelle:BundesagenturfürArbeit,IWKöln,2010
Arbeitslose nach Zielberuf
JegemeldeteoffeneStelleimZielberuf(ausgewählteBerufe,jeweilsAugust)
Krankenpfleger
Rohrinstallateure
Krankengymnasten
Elektriker
Schweißer
Schlosser
Mechaniker
Altenpfleger
Dreher
50 10 15 20
3,4
3,3
3,2
1,5
1,2
1,0
0,7
3,9
3,0
6,6
9,6
2,04,6
3,0
1,7
1,5
0,8
19,7
2010 2009
14 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Rückläufige Bewerberzahlen in der beruflichen Ausbildung
Die seit Jahrzehnten niedrigen Geburtenraten inDeutschland wirken sich zunehmend auch auf dem Aus-bildungsmarkt aus. Das sinkende Nachwuchspotenzialfür die Betriebe aufgrund dauerhaft geburtenschwa-cher Jahrgänge zeigt sich zunächst bei der Zahl derSchulabgänger. In den neuen Bundesländern ist diesdurch den deutlichen Geburtenrückgang in der unmit-telbarenNachwendezeitbereitsjetztbesondersdeutlichspürbar.HierwirdsichdieZahlderSchulabgängerinnursechsJahrenbis2011gegenüber2005fasthalbiertha-ben. In den altenBundesländern setzte derRückgangspürbarimJahr2007einundwirddurchdoppelteAbitu-rientenjahrgänge in den Jahren 2011 und 2013 nur kurz-zeitigunterbrochen.
Dieser dramatische Rückgang der Schulabgängerzahlmacht sich zunehmend auch auf dem Ausbildungs-marktbemerkbar.Sohat sichdieZahlderbeidenAr-beitsagenturen gemeldeten Bewerber zwischen 2007
und2009umrd.27%verringert.VieleBetriebehabenes mittlerweile schwer, überhaupt geeignete Bewerberzu finden. 2008, 2009 und 2010 waren am Ende derAusbildungsvermittlung Angebotsüberschüsse zu ver-zeichnen–nachvielenJahrenmitumgekehrtenVorzei-chen.Dabeiüberstieg inWestdeutschlanddieZahlderunbesetztenAusbildungsstellendieZahlderunversorgtgebliebenen Bewerber deutlich. In Ostdeutschland istdasVerhältnis nahezuausgeglichen.Selbst imKrisen-jahr2009konntenlautDIHK-Ausbildungsumfrage21%der Betriebe Ausbildungsplätze nicht besetzen (West:19%;Ost:31%)–2006betrugdieserAnteilinsgesamterst12%.
Gleichzeitig münden viele junge Menschen in das so-genannte Übergangssystem, weil ihnen die Vorausset-zungen für die Aufnahme einer Ausbildung fehlen. Sobegannen 2008 rd. 255.000 jungeMenschen verschie-dene Berufsvorbereitungsmaßnahmen (berufsvorberei-
Quelle:Kultusministerkonferenz(KMK),Mai2007
Absolventen und Abgänger allgemein bildender Schulen (1992–2020)
Messzahlen(2005=100)
1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020
120
110
100
90
80
70
60
50
40
Alte LänderNeue Länder Deutschland
15Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Quelle:BundesagenturfürArbeit,BDA,2010
Stellen-Bewerber-Relation in der betrieblichen Ausbildung
2009 2010
20.000
15.000
10.000
5.000
0
unversorgteBewerberunbesetzteAusbildungsplätze
Hinweis:
DieStatistikderBAbildetnichtdenkomplettenAusbildungsmarktab:NichtalleUnternehmenmeldenihreAusbildungsplätzederBA,andereUnternehmennureinenTeil.
ÜberdiesmeldensichnichtalleAusbildungssuchendenalsBewerber,daherwerdennichtalleBewerberdurchdieBAodermitderenKenntnisvermittelt.
tende Bildungsmaßnahmen, Einstiegsqualifizierungen,Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr). Ei-nemTeil gelingt es, anschließend eineAusbildung auf-zunehmen,anderengelingtdiestrotzÜbergangssystemnicht. Hier gibt es ein Potenzial, das unbedingt bessererschlossenwerdenmuss.
VoralleminOstdeutschlandsinddieVeränderungenaufdemAusbildungsmarktgravierend.2009bewarbensichin den neuen Bundesländern etwas mehr als 102.000 Ju-gendlichefüreinenAusbildungsplatz,gut50.000wenigeralsnoch1996.DieserTrendsetztsichfort:2010melde-tensichca.95.000BewerberfürAusbildungsstellen.Einbesonders dramatisches Beispiel ist Mecklenburg-Vor-pommern:2010stehendenrd.10.000Ausbildungsplät-zen 10.500 Schulabgänger gegenüber. 1996 waren esnochrd.29.600Schulabgänger–alsodreimalsoviele–gewesen.
16 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Welche weiteren Auswirkungen hat die demografische Entwicklung?
In den kommenden Jahren werden strukturelle Fach-kräfteengpässealleinaufgrundderdemografischenEnt-wicklungweiterzunehmen:Bis2030gehen22Mio.Per-sonenvomErwerbs-insRentenalterüber.Ihnenstehenaberinsgesamtnur14Mio.gegenüber,dieals„Ersatz“neuindenArbeitsmarkteintretenkönnten.Diesenach-folgendenGenerationenkönneninsbesonderedasAus-scheidendergeburtenstarkenJahrgängeder50erund60erJahrenichtansatzweisekompensieren.
DieAltersgruppederheute60-bis64-Jährigenbestehtaus ca.4,3Mio.Personen, die innerhalb der nächstenfünfJahreinsRentenaltereintretenundsomitausdemErwerbslebenausscheidenwerden.Dafürwirdsukzes-sive dieAltersgruppe der gegenwärtig 10- bis 14-Jäh-rigenamArbeitsmarktnachrücken.Allerdings ist diese
nachrückendeAltersgruppederheute10-bis14-Jähri-genbereitsumrd.500.000PersonenschwächerbesetztalsdieausscheidendeGruppeder60-bis64-Jährigen.DieLückezwischendenGenerationenwirdsichbeidenfolgendenAltersgruppen sogar weiter vergrößern: Dieheute50-bis54-JährigenwerdendurcheineAltersgrup-pe „ersetzt“, die bereits um 2,6Mio.Personen kleinerausfällt. Am stärksten wird das Arbeitskräftepotenzialschrumpfen,wenndieheute40-bis44-JährigenindasRentenalter eintreten. Die sie ersetzenden Jahrgänge sindheutenochnichtgeboren.AberdieseGruppedürftezahlenmäßigbestenfallshalbsostarkbesetztseinwiediedannausdemErwerbslebenausscheidende.InderFolgeergäbesichalleinfürdieseAltersgruppeeineLü-ckevonüber3,5Mio.Personen.
Quelle:StatistischesBundesamt,IWKöln,2010
Bevölkerung nach Altersgruppen 2009 (in 1.000)
8.000
7.000
6.000
5.000
4.000
3.000
2.000
1.000
0nächste geborene
Altersgruppe(Prognose)
0–4 5–9 10–14 15–19 20–24 25–29 30–34 35–39 40–44 45–49 50–54 55–59 60–64
Erwerbspersonenpotenzial
tatsächlicheBevölkerungszahlLücke
17Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
In welchen Segmenten wird der Fachkräftemangel besonders virulent?
Der Arbeitskräftemangel wird in den nächsten JahrennahezualleQualifikations-undTätigkeitsbereicheerfas-sen.BesondersgroßwirdnacheinerUntersuchungimAuftragderVereinigungderBayerischenWirtschaft(Pro-gnos, 2009) derAngebotsmangel bei Hochschulabsol-ventenausfallen,wo imJahr2030bundesweitvoraus-sichtlich 9,1Mio. Stellen nur ein Arbeitskräfteangebotvon 6,8Mio. Absolventen gegenübersteht. Das hieße,dass jede vierte Stelle für Hochschulabsolventen un-besetztbleibenwürde.BeidenStellenmitberuflichemAbschluss werden es 6% sein.Allein 450.000 Lehrerwerdenin20Jahrenfehlen,beidenIngenieurenwächstdie Lücke sogar auf 580.000 an. ImSegment der be-ruflichenBildungwird es vor allem zuwenigPersonalimBereichderGesundheitspflegegeben.IndreiTätig-keitsbereichenwirdderMangelbesondersgroßsein:Es
werden840.000Arbeitskräftefehlen,diegesundheitlichund/odersozialhelfen,670.000ArbeitskräfteimBereichForschenundEntwerfenund590.000Arbeitskräfte fürSchreib-,Rechen-undDatenverarbeitungsarbeiten.Zu-sammenmachen diese drei Tätigkeitsfelder fast 40%dergesamtenprognostiziertenLückeaus.
Prognostizierter Arbeitskräftemangel 2030 nach Branchen (in 1.000 Personen)
AbweichungenzurGesamtsummedurchRundungen.Quelle:Prognos,2009
Land- und Forstwirtschaft
Produzierendes Gewerbe (ohne Bau)
Baugewerbe
Handel, Gastgewerbe, Verkehr
Finanzierung, Unter-nehmensdienstleister
Öffentliche und private Dienstleister
Insgesamt
110
760
180
1.310
2.120
690
10
1140
780
190
40
240
Arbeitskräftemangelinsgesamt
darunter mit Hochschulabschluss
5.170 2.390
3handlungsFelder Zur sicherung
der FachkräFtebasis
handlungsFeld 1
potenziale besser nutzen
19Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
20 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Aktivierung Arbeitsloser zur Vermittlung bzw. Qualifizierung verbessern
Obgleich viele Unternehmen zunehmend Probleme ha-ben, geeignete Fachkräfte zu finden, sind noch immerrd. 3Mio.Menschen als arbeitslos registriert. Einewe-sentlicheUrsachehierfür ist,dassdiezügigeundpass-genaueVermittlungundAktivierungvonArbeitsuchendendurchdieArbeitsagenturen,JobcenterundOptionskom-munenunddamitauchdieBesetzungoffenerStellenindenUnternehmennachwievoroftnichtoptimalfunktio-niert.DerAnteilderArbeitslosen,dielängeralszwölfMo-nateohneJobsind,istinDeutschlandtrotzzuletzterziel-terFortschrittenachwievordeutlichhöheralsinanderenwestlichen Industriestaaten.
Ziel
stellenbesetzungszeiten und dauer der arbeitslosig-keit durch schnelleres und besseres „matching“ verkürzen, anteil langzeitarbeitsloser deutlich redu-zieren.
Was tut die Wirtschaft?
Die Unternehmen in Deutschland bieten ArbeitslosenvielfältigeneueBeschäftigungsperspektiven.Gerade fürgeringQualifizierte und Langzeitarbeitslose können da-bei nachweislich flexible Beschäftigungsformen wie dieZeitarbeit,Minijobs,Teilzeitbeschäftigungoderbefristete
ArbeitsverhältnissedenEinstieg indenArbeitsmarkter-leichtern:VondenPersonenohneabgeschlosseneBe-rufsausbildungwaren2009über40%ineinemflexiblenBeschäftigungsverhältnis tätig. Insbesondere über dieZeitarbeit schaffen viele gering Qualifizierte und Lang-zeitarbeitslose den (Wieder-)Einstieg in Beschäftigung:ImerstenHalbjahr2009waren62%derneueingestell-ten Zeitarbeiter vorher arbeitslos oder sogar noch niebeschäftigt gewesen. Jeder Zwölfte hatte zuvor sogar
Anteil Langzeitarbeitsloser 2009 im internationalen Vergleich
Quelle:OECD-Beschäftigungsausblick2010
45,5
34,7
30,1
24,8 24,6 23,5
Deutschland Frankreich Spanien Niederlande Großbritannien OECD
20,3
Österreich
45
40
35
30
25
20
15
10
5
0
„Ich begleite die Entwicklung schon über einige Jahrzehnte. Vieles hat sich verändert und entwickelt, doch eines
ist geblieben: Zeitarbeit war immer eine gute Möglichkeit für Arbeitsuchende,
auch Langzeitarbeitslose oder weniger qualifizierte Menschen, in Beschäftigung
zu kommen. Besonders Menschen mit unregel-mäßigen Lebensläufen können hier ihre
Leistungsbereitschaft unter Beweis stellen. Sie haben die Chance auf Übernahme oder
können sich aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis heraus bewerben.“
IngridHofmann,geschäftsführendeGesellschafterinderI.K.HofmannGmbHundPräsidiumsmitgliedderBDA
21Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
menmitdenvondenArbeitsagenturenvorgeschlagenenBewerbernoftnicht zufrieden,weil derenQualifikations-profilemitdemAnforderungsprofilderfreienStellennichthinreichend übereinstimmen. Um dieses sog. Matchingvon Kurzzeitarbeitslosen zu verbessern, muss für einebewerberorientierteFörderungundschnelleIntegrationindenArbeitsmarktdasProfilingdurchdieArbeitsagenturenaufeineStärkenanalysefokussiertundmüssenspezielletätigkeitsbezogeneKompetenzenauchaußerhalbformel-lerBildungsabschlüsseindenBlickgenommenwerden.
DieweitausgrößereAufgabeliegtimBereichdervondenJobcenternundOptionskommunenbetreutenEmpfängervonArbeitslosengeldII.DiesestellenfastzweiDrittelal-lerArbeitslosen,sindoftschon längeralseinJahrohneBeschäftigungundweisenimSchnitteinedeutlichgröße-reArbeitsmarktferneaufalsdieEmpfänger vonArbeits-losengeld I. Deshalbmüssen gerade hier mehrAktivie-rung, eine bessere Förderung und eine funktionierendeArbeitsvermittlunggeleistetwerden.DabeimüssenauchdieKompetenzenvonprivatenArbeitsmarktdienstleisternundZeitarbeitsunternehmendurcheineengeZusammen-arbeitbestmöglichgenutztwerden.
Da sich Fachkräfteengpässe auf einzelne Berufe kon-zentrierenundunterschiedlicheRegionenverteilen,wirdesimmerwichtiger,diefachlicheundräumlicheMobilitätvonArbeitsuchendenzuerhöhen.DamitdieArbeitsagen-turen, Jobcenter und Optionskommunen auf die indivi-duellenStärkenundBedürfnisseabgestimmteAngeboteunterbreiten können, brauchen die Arbeitsvermittler vorOrtmehrHandlungsspielraum.Geradeauchdazumüs-sendieFörderinstrumentesinnvollzusammengefasstundaufnachweislichwirksameAnsätzekonzentriertwerden.Zudemmüssen die in derArbeitslosenversicherung ge-schaffeneTransparenzunderfolgreicheSteuerungnachWirkung und Wirtschaftlichkeit konsequent weiterentwi-ckeltundauchbeiderFörderungvonArbeitslosengeld-II-Beziehernetabliertwerden.
DieBAmussüberdiesendlichindieLageversetztwerden,beiarbeitslosenMenschenmitMigrationshintergrund,dieeiner intensivierten Unterstützung bedürfen, diese auchgezieltanzubieten.Esistüberhauptnichtnachvollziehbar,dass bis heute der zur Erfassung der relevantenDatenzum Migrationshintergrund nachAuffassung der Daten-schützer notwendigeGesetzentwurf, der bereits vor derletzten Bundestagswahl fertig gestellt war, immer nochnichtaufdenWeggebrachtist.
längeralseinJahrkeinenJob(BA,2010).Es istdaherkontraproduktivfürmehrBeschäftigungschancen,geradeauch für Langzeitarbeitslose solche flexiblen Beschäfti-gungsformen zu verteufeln. Entscheidend ist der richti-ge Beschäftigungsmix. Zudem wird sich insbesonderedieZeitarbeit inZukunftnochstärkeralsmodernesundzukunftsweisendes Beschäftigungsmodell weiterentwi-ckeln.ZeitarbeitbietetschonjetztnichtnurChancenfürArbeitsloseundgeringQualifizierte,sondern istvielfachaucheineechteAlternativefürqualifizierteundhochqua-lifizierteArbeitnehmer. Mittlerweile haben sich einzelnePersonaldienstleistersogaraufFach-undFührungskräftespezialisiert.
handlungsbedarf
SeitBeginndesReformprozessesderBA imJahr2004wurde die Organisation der Arbeitsverwaltung bereitsdeutlichverbessert.VoralleminderArbeitslosenversiche-rung hat ein konsequenterMitteleinsatz bei derArbeits-förderungnachWirkungundWirtschaftlichkeit zueinemdeutlicheffektiverenundeffizienterenEinsatzfinanziellerMittel geführt. Bei gleichzeitig besserer Vermittlung undgezielter Förderung ist es so gelungen, den Beitrags-satzzurArbeitslosenversicherungspürbarzusenken.Imengeren Feld der Arbeitsvermittlung stehen aber nochwichtige Verbesserungen aus: So sind viele Unterneh-
16,314,7
12,8
9,17,8
USA Australien Schweden Dänemark Kanada
22 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
JungeMenscheninDeutschlandsteigenrelativspätinsErwerbsleben ein. So waren Ausbildungsanfänger inDeutschland2008imSchnittbereits19,7Jahrealt,1993waren es noch 18,5 Jahre.Würden die ErwerbstätigennureinJahrfrüherstarten(imAltervon19statt20Jah-ren),sostünde2030einzusätzlichesArbeitsangebotvonrd.510.000PersonenzurVerfügung.Dabeigehtesnichtum„Bildunglight“,sondernumdieVermeidungunnötigerSchleifen sowie nachträglicher Reparaturmaßnahmen.Wiewichtigdasist,zeigenfolgendeZahlen:
� LautPISA-2003-Untersuchunghabenrd.23%aller15-JährigenimVerlaufihrerbisherigenSchullaufbahnmindestenseinmaleineKlassewiederholt.
� 2008 mündeten rd. 255.000 Jugendliche nach der SchuleinverschiedeneBerufsvorbereitungsmaß-nahmen(berufsvorbereitendeBildungsmaßnahmen,Einstiegsqualifizierungen,Berufsvorbereitungsjahr,Berufsgrundbildungsjahr).
DerAltersdurchschnitt aller Erstabsolventen von Hoch-schulen(Bachelor,Diplom,MagisterundStaatsexamen)lag2008bei27,5Jahren.InanderenLändernsindHoch-schulabsolventen im Schnitt deutlich jünger. Das liegtz.T. daran, dass viele Studenten in Deutschland zuvoreinedualeBerufsausbildungabsolvieren.ZudemwarendieinstitutionellvorgegebenenBildungszeitenindentra-ditionellen Diplom- und Magisterstudiengängen bisherbesonderslang.DiesmachtderinternationaleVergleichdesAlters deutlich, in dem Nachwuchsakademiker ge-mäß der vorgesehenen Semesterzahl in der Regel ihrDiplom- oderMasterstudium abschließen:Während dieAbsolventeninDeutschlandjenachStudiengangbereitszwischen 25 und 27 Jahre alt sind, können sie z.B. inSpanien,GroßbritannienoderFrankreichihrenAbschlussbereitsz.T.mit22Jahrenschaffen.
Ziel
Jungen menschen durch Qualitätsverbesserungen im bildungssystem einen früheren eintritt ins er-werbsleben ermöglichen.
Was tut die Wirtschaft?
DieWirtschaftsetztsichmitvielfältigenAktivitätenfüreininsgesamt besseres Bildungssystem ein. Sie entwickeltKonzeptezuroptimalenGestaltungdesBildungssystemsundunterstütztdiepraktischeArbeitmitProjekten,Hand-lungshilfenundInitiativen(vgl.dazuauchdieAbschnittezumHandlungsfeld2).
Regelalter von Absolventen eines Diplom-/Masterstudiums
Quelle:OECD;Stand:2008
in Jahren 21 22 23 24 25 26 27 28
Spanien
Australien
Vereinigtes Königreich
Frankreich
Irland
Japan
USA
Belgien
Kanada
Portugal
Österreich
Italien
Schweden
Deutschland
Griechenland
Schweiz
Dänemark
Finnland
Bildungszeiten optimieren – früheren Eintritt ins Erwerbsleben ermöglichen
DieWirtschaftbringtkonkreteVorschlägezurQualitäts-verbesserunginderSchuleein:SohatsieKonzeptezumeffektivenEinsatzvonRessourceninderselbstständigenSchule und Handreichungen zu Personalentwicklungund Qualitätsmanagement in Schulen entwickelt. DieBildungswerke der Wirtschaft in den Ländern und Regi-onenbietenFortbildungen fürSchulleitungenundLehr-kräftean,diesie in ihrerAufgabealsFührungskräfte inSchuleundUnterrichtunterstützen.DurchdieintensivenKooperationenvonSchulenundBetrieben imNetzwerkSCHULE WIRTSCHAFT wird praktisches Know-how inOrganisations-undPersonalmanagementvermitteltunddie Umsetzung nachhaltig begleitet. Das Netzwerk för-dert zudem maßgeblich die frühzeitige praxisnahe Be-
23Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
rufsorientierung.FürschwächereSchülersindPraxiser-fahrungenimBetriebeinLern-undMotivationsschubzumehr Leistung. ImWettbewerb „StarkeSchule“werdenBest-practice-Modellegezeigt,SchulenvernetztundFort-bildungen ermöglicht. Mit Materialien und Schulungenunterstützen die Verbände der Wirtschaft zunehmendebensodenAusbauderfrühkindlichenBildung.
UmHochschulabsolventeneinenfrüherenEintrittinsEr-werbslebenzuermöglichen,hatdieWirtschaft vonAn-fangandiekonsequenteUmsetzungdesBologna-Pro-zesses und die Etablierung des Bachelor-Abschlussesals ersten berufsbefähigenden Hochschulabschlussesunterstützt.MitihrerInitiative„BachelorWelcome“habenführendeUnternehmenbereitsseit2004undzuletzt2010Bachelor-AbsolventenzueinemdirektenBerufseinstiegmotiviert. Die Unternehmen haben ihre Personalpolitikan den neuenHochschulabschlüssen ausgerichtet underöffnenauchwesentlichjüngerenBerufseinsteigernmitBachelor-Abschluss vielfältige Aufstiegs- und Karriere-chancen. Aktuelle Absolventenstudien belegen, dassBachelor-AbsolventenreibungslosderÜbergangindenArbeitsmarkt gelingt und sie in den Unternehmen an-spruchsvolle Tätigkeiten wahrnehmen: So sind bereitsnach18Monaten85%vonihneninVollzeitbeschäftigt,57% davon unbefristet. In gleichemMaßewie andereHochschulabsolventenschätzensieihrenBerufalsaus-bildungsadäquat ein und sindmit ihrerTätigkeit zufrie-den(INCHER,2010).
DualeStudiengängeverbindeneinepraxisnahebetrieb-licheAusbildungmit einemHochschulstudium und sinddaher eine besonders effiziente Form des Studiums.DasEngagementderWirtschaft beiderGestaltungdu-aler Studiengänge wächst beständig. 2009 beteiligtensich über 26.000 Unternehmen an derAusbildung vonfast49.000dualStudierenden–fast20%mehralsnochdreiJahrezuvor.
handlungsbedarf
In den vergangenen Jahren sind einige Schritte unter-nommenworden,um jungenMenschendenEinstieg indas Erwerbsleben früher zu ermöglichen. Hierzu gehö-rendieflexibleSchuleingangsphase ineinigenBundes-ländern,dieVerkürzungderSchulzeitbiszumAbituraufzwölfJahre(G8)invielenBundesländernsowiedieUm-stellungderStudienstrukturenaufBachelor-undMaster-abschlüsse.LetztereshatbereitsWirkunggezeigt:Betrug1999 das durchschnittliche Hochschulabsolventenalternoch 28,3 Jahre, verließen Bachelor-Absolventen 2008dieHochschulemit25,8Jahren.
DurchweitereQualitätsverbesserungenindeneinzelnenBildungsbereichen müssen unnötige Zeitverluste redu-ziertwerden.SomüssenbereitsdurchdenAusbaudesKindergartenszurerstenStufedesBildungssystemsalleKinder die Möglichkeit erhalten, dem Unterricht in derSchulevonBeginnangut zu folgen.AuchkönnenKin-der,diefrühzeitigeineguteVorbereitungerhalten,frühereingeschultwerden.Dazu trägtaucheine intensiveKo-operation zwischen Kindergarten und Grundschule bei.Durch Qualitätssteigerungen in der Schulbildung, einegezieltere Diagnostik, kontinuierlichere Betreuung undintensivere individuelle Förderung lassen sich Klassen-wiederholungenundzeitintensiveReparaturmaßnahmennachderSchule (z.B.NachholeneinesSchulabschlus-ses, berufsvorbereitende Qualifizierungsmaßnahmen)reduzieren. Zudem trägt eine fundierte Berufs- und Stu-dienorientierungdazubei,dieZahlderAusbildungs-oderStudienabbrüchezuverringernbzw.einenWechseldesAusbildungsberufsoderStudienfachszuvermeiden.
WichtigfüreineeffizienteNutzungvonBildungszeitsindauchbessereMöglichkeitenzurAnrechnungvonbereitsvorhandenenKompetenzen.Somüssenz.B.imRahmeneinerberuflichenAus-oderFortbildungerworbeneKom-petenzen auf ein Hochschulstudium anrechenbar sein.UmgekehrtmüssenStudienabbrecherihreanderHoch-schule erworbenen Kompetenzen auf eine Aus- oderFortbildunganrechnenlassenkönnen.
„Gute Bildung ist ein zentraler Standortfaktor. Das wissen die Arbeitgeber. Wir engagieren
uns daher nicht nur auf politischer Ebene für nachhaltige Verbesserungen im Bildungs-
system, sondern auch ganz konkret vor Ort durch gemeinsame Projekte mit Kindergärten,
Schulen und Hochschulen.“
Dr.GerhardF.Braun,VizepräsidentderBDA,VorsitzenderdesBDA/BDI-FachausschussesBildung,BeruflicheBildung
24 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Lebensarbeitszeit verlängern – Kompetenzen älterer Mitarbeiter nutzen
MitdemdemografischenWandelsinktnichtnurdieZahlpotenzieller Fachkräfte insgesamt, sondern steigt auchderen Durchschnittsalter. Bereits im Jahr 2008 waren 31% aller Erwerbspersonen älter als 50 Jahre. Schonbis2020wirdsichdieserAnteilauf40%erhöhen(Statis-tischesBundesamt,2009).DieUnternehmensinddaherkünftignochstärkerdaraufangewiesen,dieKompeten-zenundPotenzialeältererArbeitnehmerkonsequentzunutzenunddiesesolangewiemöglichinBeschäftigungzu halten.
Ziel
Verlängerung der lebensarbeitszeit parallel zur an-hebung der regelaltersgrenze auf 67 Jahre und wei-tere erhöhung der beschäftigungsquote älterer.
Was tut die Wirtschaft?
Die BDA hat frühzeitig den notwendigen Paradigmen-wechsel–wegvonderFrühverrentung,hinzumehrBe-schäftigungÄlterer–maßgeblichmitangestoßen.VieleUnternehmenhabenInitiativengestartet,ummehrÄlterezubeschäftigenundsielängerimBetriebzuhalten.Von
BetriebenmitüberzehnArbeitnehmern,diefürmehrals80% der Gesamtbeschäftigung stehen, haben bereitsmindestens 90% Mitarbeiter aus der Altersgruppe „50plus“ (IAB-Betriebspanel 2008). Entsprechend hat sichauchdieArbeitsmarktsituationältererArbeitnehmer ins-gesamtspürbarverbessert:Bereits2007hatteDeutsch-landdasfür2010gesetzteZielderEuropäischenUnioneinerBeschäftigungsquote55-bis64-Jährigervon50%erreicht.Von2000bis2009 istderAnteilÄlterer inBe-schäftigung von 37,6% auf 56,2% gestiegen (Euro-stat,2010).Dabeigelingteszunehmend,auchMenschenimoberenAltersspektruminArbeitzubringen:2009wa-ren rd. 40%derPersonen zwischen60und64 Jahrenerwerbstätig–fastdoppeltsovielewiezehnJahrezuvor.
EinwesentlicherAnsatzpunkt fürdenerfolgreichenUm-gang mit alternden Belegschaften in den Unternehmen isteinedemografiefesteundandenverschiedenenLe-bensphasenorientiertePersonalpolitik,diedieBereicheGesundheit,QualifizierungundMotivationumfasst.ZweivondreiIndustriebetriebenbietenbereitsspezielleperso-nalpolitischeMaßnahmenfürüber50-jährigeMitarbeiteran(IWKöln,2009).Auchgibtesz.B.inderStahlindus-trie oder der chemischen IndustrieVereinbarungen, die
Entwicklung der Beschäftigungsquote Älterer im Vergleich zur Beschäftigung insgesamt
Quelle:Eurostat,2010
80
75
70
65
60
55
50
45
40
35
30
in%
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
Beschäftigungsquoteder55-bis64-JährigenBeschäftigungsquoteder25-bis64-Jährigen
25Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
ZudemmüssenweitereAnreizezurFrühverrentungab-gebautwerden,damitDeutschlandbeiderBeschäftigungÄlterernachdemHeraufrücken insobereDrittel indenletztenJahrenendlichauchdenAnschlussandieeuro-päische Spitze schaffen kann. In Schweden sind z. B. bereitsheute70%der55-bis64-JährigeninBeschäfti-gung.DennnichtnurinderRentenversicherung,sondernauch im Arbeitsförderungsrecht bestehen Regelungenfort,diegeradenichteinerzügigenRückkehrinBeschäf-tigungdienen.Diesgiltinsbesonderefürdie2008inKraftgetreteneVerlängerungderBezugsdauerdesArbeitslo-sengeldsfürÄltereaufbiszu24Monate.InternationaleVergleichezeigen:JehöherdasArbeitslosengeldausfälltundjelängerundleichteresbezogenwerdenkann,des-tolängerdauertArbeitslosigkeitan,weilAnreizezurfrüh-zeitigenBeschäftigungssuche verringertwerden.Dahersollte dasArbeitslosengeldwieder auf einheitlichmaxi-mal zwölfMonate festgesetztwerden,wie es bis 1985der Fall war.
spezifische Regelungen zum demografischen WandelundälterenArbeitnehmernbeinhalten.SolcheRegelun-genkönnenhieraber immernureinenRahmenbilden,entscheidendsinddieMaßnahmenimBetrieb,derenEr-folgauchEigenverantwortungundEigeninitiativederein-zelnenMitarbeitervoraussetzt.DiesgiltnichtnurfürdieGesundheitsförderung,sondernauchfürWeiterbildungs-maßnahmen.Noch stärker in denFokusderUnterneh-menundTarifpartnerrückenmussderAbbauvonalleinaufgrund des Alters gewährten Vergünstigungen (sog.Senioritätsprivilegien),diedieBeschäftigungÄltererver-teuern.DiesesindbisherinjedemdrittenIndustriebetriebüblich(IWKöln,2010).
handlungsbedarf
Grundlegende Voraussetzung für eine Fortsetzung desTrendszueinerhöherenErwerbsbeteiligungÄltereristdieFortsetzungdesindenletztenJahreneingeleitetenrich-tigenReformkurses.Vorallemdiemitsehr langerÜber-gangszeitbeschlossene„Rentemit67“musskonsequentumgesetztwerdenunddarfnichtdurchletztlichkontrapro-duktive und sogar ungerechteAusnahmeregelungen für„besonderslangjährigVersicherte“durchlöchertwerden.
„Der demografische Wandel stellt die Unternehmen in Deutschland vor neue
Herausforderungen. So werden die Beleg-schaften in den nächsten Jahren im Schnitt
immer älter, zugleich gehen viele ältere Mitarbeiter in Pension. Die Unternehmen stehen vor der Herausforderung das Erfahrungs- und
spezifische Fachwissen der Älteren bestmöglich zu nutzen und möglichst verlustfrei rechtzeitig
auf die jüngeren Mitarbeiter zu übertragen. Wie bei ThyssenKrupp werden vielfach
spezifische Lösungen erarbeitet, z. B. um einen systematischen und moderierten
Wissenstransfer zwischen „Alt und Jung“ zu organisieren oder um das Gesundheits-verhalten älterer und jüngerer Mitarbeiter
gleichermaßen zu fördern.“
DieterKroll,MitglieddesVorstandsderThyssenKruppSteelEuropeAG,Arbeitsdirektor
Quelle:IW-Zukunftspanel2010
So viel Prozent der Industriebetriebe und ihrer Zulieferer ...
zahlen keine Senioritätslöhne haben Senioritätslöhne planen, sie einzuführen
60,4 31,2 8,4
26 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Arbeitsmarktpotenzial von Frauen besser ausschöpfen
Frauen sind inzwischen im Durchschnitt sogar besserqualifiziertalsMänner:SiestellendieMehrheitderAbi-turienten(56%)undHochschulabsolventen(51%).Aller-dings istesbislangnichtausreichendgelungen,diesesgroßePotenzialanFähigkeitenangemessenfürdenAr-beitsmarktzunutzen.
Mit 66,2% (2009) sind insgesamt noch immer deutlichwenigerFrauenalsMänner (75,6%)erwerbstätig (Euro-stat,2010).Hinzukommt,dasssichdieErwerbsbiografi-envonFrauennachwievorvondenenderMännerun-terscheiden: Frauen unterbrechen ihre Erwerbsphasenaus familiären Gründen länger als Männer und ihr Be-rufswahlspektrum ist deutlich schmaler. Fast die Hälfte dererwerbstätigenFrauenarbeitetaußerdemlediglich inTeilzeit.DerFrauenanteilanallenTeilzeitbeschäftigtenbe-trägtüber81%(IAB,2009,vgl.auchHandlungsfeld1E).WenigerBerufsjahre und damit geringeres berufsspezifi-schesErfahrungswissensowielangeberuflicheAuszeitenerschwerenaucheinenberuflichenAufstieg.EinebessereNutzungderPotenzialevonFrauen istdeshalbnichtnuraufgrunddesdemografischenWandelsundzunehmenderFachkräfteengpässegeboten,sondernaucheinwesentli-cherAnsatzpunkt,damitFrauenstärkerinhöhereFunkti-onsebenenunddamitGehaltsregionenvordringenkönnen.
Ziel
beschäftigungsquote von Frauen bis spätestens 2030 auf 72 % anheben, mehr Frauen die aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung ermöglichen.
Was tut die Wirtschaft?
DieUnternehmenunterstützenFrauenbereits in vieler-lei Hinsicht darin, ihre Beschäftigungspotenziale nochbesser zu erkennen und erfolgreicher einzusetzen. Mitjeweils 80%zählenMaßnahmenzurArbeitszeitflexibili-sierungsowiezurElternförderungwährendderElternzeitzudenhäufigstenAngeboten(UnternehmensmonitorFa-milienfreundlichkeit 2010). Die Elternförderung zielt vorallemaufeinenschnellenberuflichenWiedereinstiegunddie Reduzierung auszeitbedingter Qualifikationsverlusteab.InzwischensehenauchimmermehrUnternehmeninihren Personalentwicklungsplänen eine Steigerung desFrauenanteils in Führungspositionen vor. Seit Juli 2010verlangtderCorporateGovernanceKodex,dassUnter-nehmeneineangemesseneBerücksichtigungvonFraueninFührungspositionenundAufsichtsrätenanstrebensol-len.DiebisherigenErfahrungenmitdemKodexzeigen,dassseineEmpfehlungenweitgehend–undnichtnurvon
Entwicklung der Beschäftigungsquote von Frauen im Vergleich zu der von Männern seit dem Jahr 2000
Quelle:Eurostat,2010
in %
80
75
70
65
60
55
FrauenMänner
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009
27Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Motive der Betriebe für die Einführung von familienfreundlichen Maßnahmen
AnteilderUnternehmen,diedasjeweiligeMotivangaben
Mehrfachnennungen,Quelle:IWKöln,2009
Qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten oder gewinnen
Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erhöhen
Höhere Produktivität
Aus der Elternzeit zurückkehrende Mitarbei-terinnen und Mitarbeiter schnell integrieren
Einhaltung gesetzlicher/tariflicher Vorgaben
Geringere Fluktuation und niedriger Krankenstand
Den Beschäftigten mehr Zeitsouveränität verschaffen
Reduzierung von Überstunden
Maßnahmen sind zentraler Bestandteil der Personalentwicklung
Erfüllung ausdrücklicher Wünsche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Abwesenheit von Eltern oder Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern mit
pflegebedürftigen Angehörigen verkürzen
0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100in%
75,3
62,9
58,4
46,8
93,283,4
74,8
93,181,1
75,8
80,170,3
58,0
77,453,3
28,0
72,178,4
64,3
66,470,3
56,0
45,244,2
28,6
2003 2006 2009
28 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
des Elterngelds falsche Anreize für eine späte Rückkehr andenArbeitsplatz.DiebestehendeVerlängerungsopti-on auf bis zu 24Monate sollte deshalb gestrichen undElterngeld grundsätzlich auf einen Zeitraum von zwölfMonatenbegrenztwerden.DarüberhinauswerdennachwievorAnreizezurReduzierungderErwerbstätigkeitge-setztunddieAlleinverdiener-Ehegefördert–etwadurchsteuerliche Regelungen, die Hinterbliebenenversorgungim Rentensystem oder auch die beitragsfreie Mitversi-cherungvonEhegattenindergesetzlichenKranken-undPflegeversicherung.
börsennotiertenUnternehmen–befolgtwerden.Gesetzli-cheVorgabenzumAnteilvonFraueninFührungspositio-nensinddagegenwedernotwendignochsinnvoll:DiesesetzenandenSymptomendesProblemsan,nichtaberan dessen Ursachen.
handlungsbedarf
Die deutsche Familienpolitik muss stärker auf die Er-werbsintegration ausgerichtet werden. Fehlanreize, dieEltern und vor allem Frauen davon abhalten, zeitnahnachderGeburtihresKindeswiederandenArbeitsplatzzurückzukehren,müssenabgestelltwerden.DiegrößtenFehlsteuerungen:InDeutschlandbestehteinerheblicherMangelanflexiblen,qualitativhochwertigenKinderbetreu-ungsmöglichkeitenundGanztagsschulen. ImJahr2009gabesnurfürjedesfünfteKindunterdreiJahreneinenPlatz ineinerTageseinrichtungodereinTagespflegean-gebot (Statistisches Bundesamt, 2010). DerMangel anKinderbetreuungsplätzen verlängert die Dauer der Er-werbsunterbrechungnachderGeburt.2008warlediglicheinDrittelderFrauenmiteinemKindunterdrei Jahrenerwerbstätig (IWKöln,2010).Dieswiederumhatnega-tive Folgen für die Beschäftigungs- undAufstiegschan-cenvonFrauen.EbensosetztdieheutigeAusgestaltung
„Um Familie und Beruf verbinden zu können, sind die Rahmenbedingungen entscheidend.“
BarbaraKux,MitglieddesVorstandsderSiemensAG
ESF-Sozialpartnerprogramm zur Förderung der Chancengleichheit
InderaktuellenFörderperiodedesEuropäischenSozialfonds(ESF)von2007bis2013steheninsgesamt110Mio.€fürdasSozialpartnerprogramm„GleichstellungvonFraueninderWirtschaft“zurVerfügung.DieBDA,dasBundesmi-nisteriumfürArbeitundSoziales(BMAS)undderDGBhabengemeinsamdieFörderschwerpunktedesseiteinemJahrlaufendenProgrammsausgewählt.Ziel istes,dasBeschäftigungspotenzial vonFrauenbesserauszuschöpfenunddieBeschäftigungssituation vonFrauenmitBlickauf eineeigenständigeExistenzsicherung, gleicheAufstiegs- undKarrierechancen,bessereBeteiligunganbetrieblicherWeiterbildung,eineVerringerungderEinkommensunterschiedesowieeineausgewogene„Work-Life-Balance“zuverbessern.DieBDAmöchtemitdemProgrammvorallembetrieb-licheProjektefördernunddasumfangreicheEngagementderUnternehmenbeimThema„Chancengleichheit“gezieltunterstützen.
Weitere informationen unter www.gleichstellen.de
29Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Arbeitszeitvolumen und -verteilung optimieren
Mit 1.651 Stunden hatten vollzeitbeschäftigte deutscheArbeitnehmerimJahr2008mitdiekürzestenArbeitszei-ten in ganz Europa (European Industrial Relations Ob-servatory,2009). InLändernwiePolen (1.840Stunden)oderÖsterreich(1.738Stunden)istdieJahresarbeitszeitteilweisedeutlichlänger.DieskorrespondiertmiteineriminternationalenVergleichrelativniedrigentariflichenVoll-zeit-Wochenarbeitszeitvonnur37,6Stunden.InderSpit-zengruppe liegen deutscheArbeitnehmer dafür bei denUrlaubs-undFeiertagen:40,5 freieTagebedeutenachtTagemehralsinGroßbritannienundgarneunTagemehralsindenNiederlanden.EuropaweitwirdDeutschlandda-mitnurvonSchweden(42Tage)übertroffen.
EineindenvergangenenJahrenkontinuierlichgestiege-neZahlvonBeschäftigtenarbeitet inTeilzeit.EinGroß-teil von ihnen sucht gezielt keine Vollzeitbeschäftigung,weil eine Teilzeittätigkeit ihrenWünschen nach flexiblerArbeitszeitverteilungundderVereinbarkeitvonBerufundPrivatleben entgegenkommt. Teilzeittätigkeiten habendadurch in den vergangenen Jahren vielenErwerbstäti-gendenWeg(zurück)inBeschäftigunggeebnet,dieeineVollzeitstellenichtantretenkonntenoderwollten.Fürdievon 29% im Jahr 2002 auf fast 35%2009 gestiegeneTeilzeitquote (IAB, 2010) ist neben einer erhöhten Er-
werbsneigung insbesondere von Frauen aber auch derwirtschaftliche Strukturwandel verantwortlich: Durch ihngingenArbeitsplätzeinderehervollzeitorientiertenIndust-rieverloren,währendsieimDienstleistungssektor,indemTeilzeitarbeiteinegrößereRollespielt,neuentstanden.InderFolgeistdiedurchschnittlicheWochenarbeitszeitallerBeschäftigten gesunken.
Ziel
arbeitszeitvolumen von teilzeitbeschäftigten erhö-hen, übergänge von teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung erleichtern und dadurch die durchschnittliche Jahres-arbeitszeit steigern.
Was tut die Wirtschaft?
Fast80%derUnternehmeninDeutschlandbietenihrenMitarbeiternbereitsflexibleArbeitszeitmodelle(z.B.Ver-trauensarbeitszeit, Telearbeit, Teilzeit, Arbeitszeitkontenusw.)an.VielfachkommensiedamitdenWünschenderArbeitnehmer nach eigenverantwortlicher Zeiteinteilungentgegen. Maßnahmen zur Förderung des beruflichenWiedereinstiegsnachderElternzeitoderdieEinrichtungvon Betriebskindergärten oder -tagesstätten erleichternzudem die Rückkehr junger Eltern in eine Vollzeitstelle.DieWirtschaftwirddiebetrieblichenRegelungenzurFle-xibilisierungderArbeitszeitweiterausbauenundweitereinnovativeAnsätzezurbesserenVereinbarkeitvonBerufund Familie entwickeln.
handlungsbedarf
EineimZugedesdemografischenWandelsschrumpfendeGesellschaftbrauchteingrößeresundflexibleresArbeits-zeitvolumen je Beschäftigten. Die in den letzten JahrenkontinuierlichgesunkenedurchschnittlicheJahresarbeits-zeitsowieeineiminternationalenVergleichniedrigeVoll-zeit-Wochenarbeitszeit tragenerheblichzudemsichbe-reitsdeutlichabzeichnendenFachkräftemangelbei.DurcheinestärkereHeranführungvonTeilzeitarbeitsverhältnis-senanVollzeitstellenunddiemittelfristigeRückkehrzur40-Stunden-Woche bei Vollzeitbeschäftigten kann derRückgangdesArbeitszeitvolumenszumindestabgefedertwerden.Dader allergrößteTeil derTeilzeitbeschäftigtenweiblichist,giltesvorallem,mehrFrauendieAufnahmeeinerVollzeitbeschäftigungzuermöglichen.DaheristeinmassiverqualitativerundquantitativerAusbauderganz-tägigenKinderbetreuungunabdingbar–amZiel,bis2013für35%derunterDreijährigeneinenBetreuungsplatzan-zubieten,istunbedingtfestzuhalten.
Hauptgrund zur Ausübung einer Teilzeitbeschäftigung
Bezugsjahr2008,Quelle:StatistischesBundesamt,2009
in% 302520151050
23,2Vollzeittätigkeit nicht zu finden
19,8Vollzeittätigkeit aus anderen
Gründen nicht gewünscht
1,5Schulausbildung oder sons-
tige Aus- und Fortbildung
3,4Krankheit,
Unfallfolgen
25,0Sonstige persönliche oder
familiäre Verpflichtungen
26,6Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Personen
30 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Verzahnte Ausbildung mit Berufsbildungswerken
DienachhaltigeIntegrationbehinderterJugendlicherindenerstenArbeitsmarktistdasZielvonzweiTeilprojektenzurverzahntenAusbildung.DieMETROGrouphatimerstenTeilprojektVAMB(Ver-zahnte ausbildungmETROGroupmitberufsbildungswerken)ihreTorefürdieBerufsbildungswer-ke(BBW)geöffnet.InderverzahntenAusbildungfindetdiepraktischeAusbildungüberwiegendimUnternehmenstatt, inengerAbstimmungzwischendenbetrieblichenAusbildern,denBBW-Aus-bildern und denMitarbeitern der BBW-Fachdienste.Das Folgeprojekt VAmB (Verzahnte ausbil-dung mit berufsbildungswerken) erweitert dieKooperation auf neueUnternehmen, neueBerufeundweitereBBW,umdieverzahnteAusbildungalsRegelangebotinderberuflichenRehabilitationzuetablieren.Seitdem1.April2009habenessichdieBBWunddieBundesarbeitsgemeinschaftderBerufsbildungswerke(BAGBBW)zurAufgabegemacht,dieverzahnteAusbildungals festesAngebotderBBWzuverankern.
informationen unter www.vamb-projekt.de
Integration von Menschen mit Behinderungen erleichtern
Es ist nicht nur ein sozialesAnliegen, behinderteMen-schen besser insErwerbsleben zu integrieren, sonderngerade angesichts wachsender Fachkräfteengpässe auch ein wirtschaftliches Gebot. Behinderung bedeutetnämlich nicht automatisch auch Leistungsminderung.DieshabenbereitsvieleUnternehmenerkannt:DieZahlder schwerbehindertenBeschäftigten ist seit 2003 kon-tinuierlich gestiegen, inzwischen sind in Deutschlandrd. 1 Mio. Menschen mit Behinderungen in Beschäfti-gung(BA,letztverfügbareDatenfür2008).
Ziel
stärken von menschen mit behinderungen in den Fokus rücken und ihre arbeitsmarktintegration ver-bessern.
Was tut die Wirtschaft?
DieBDAwirbtseitJahrenmitderBotschaft:„BehinderteMenschen sind am richtigen Platz in der richtigen Wei-se eingesetzt wertvolle Mitarbeiter, die ihre Arbeit oftnochmotivierterundengagierteralsandereverrichten.“Gemeinsamgiltes,bestehendeVorurteilenichtnurbeiArbeitgebern,sondernauchbeiArbeitnehmernundderGesellschaft insgesamt abzubauen. Die BDA begrüßtundunterstütztdaherKampagnen,diedieStärkenvonbehindertenMenschenunddiepositivenEffekteeinerer-
folgreichenIntegrationbetonen.SobeteiligtsichdieBDAaktivanderInitiative„job–JobsohneBarrieren“.SolcheInitiativen zeigen Wege für den erfolgreichen EinstiegbehinderterMenscheninAusbildungundBeschäftigungauf.
Dass vieleArbeitgeber das große Potenzial vonMen-schenmitBehinderungenerkannthaben,zeigeninsbe-sonderedieüber140.000behindertenBeschäftigteninBetrieben, die gesetzlich gerade nicht zur Einstellungvon Menschen mit Behinderungen verpflichtet sind.Diese Arbeitgeber engagieren sich oftmals weit über-durchschnittlichfürihrebehindertenMitarbeiter:Siewis-sen, dass dieWirtschaft in Zeiten wachsender Perso-nalknappheitauchaufdiesewertvollenMitarbeiternichtverzichtenkann.
Überdies spielt dasThema „Prävention undWiederein-gliederung“–z.B.nachUnfällenoderschwerenErkran-kungen – für viele Unternehmen eine wichtige Rolle.Im Jahr 2009 haben die Berufsgenossenschaften über822Mio.€fürMaßnahmenderPräventionausgegeben.DiessindreineArbeitgeberleistungen,weildieBerufsge-nossenschaften allein von Arbeitgebern finanziert wer-den. Die Präventionsausgaben der Betriebe insgesamtsindsogarnochumeinVielfacheshöher,dadieeigentli-chenKostenz.B.fürkonkreteArbeitsschutzmaßnahmenindenUnternehmenselbstanfallen.
31Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
handlungsbedarf
Um noch mehr Menschen mit Behinderungen eineChance zu geben und den Einstieg in Beschäftigungzu erleichtern, müssen Beschäftigungsbarrieren ab-gebautwerden.Bereits in derSchule sollte nach demGrundsatz„Sonormalwiemöglich,sospeziellwienö-tig“ gemeinsames Lernen möglich sein, um frühzeitigeventuelle Vorurteile abzubauen. Inklusion ist wichtig,aber kein Selbstzweck. Wo dem speziellen Förderbe-darfbehinderterKinderimnormalenSchulsystemnichthinreichendRechnunggetragenwerden kann, ist einepauschale Integration von behinderten Kindern in dasRegelschulsystemnichtsinnvoll.
Jugendlichen sollte eine ihren Möglichkeiten entspre-chendeAusbildungeröffnetwerden.Dabeiist–wennesdieVoraussetzungenzulassen–grundsätzlicheinebe-trieblicheAusbildunganzustreben.IndiesemZusammen-hangsolltenBausteineeineAusbildungSchrittfürSchrittentsprechend den individuellenMöglichkeiten erlauben.MittelsdieserBausteinesolltenauchverwertbareTeilleis-tungen dokumentiert werden können, wenn ein Berufs-abschlussnochnichtmöglichist.DaserlaubtMenschenErfolgserlebnisse,was ihrLeistungspotenzial inderRe-gel weiter steigert.
Zudem müssen Rehabilitationsmaßnahmen stärker anberuflichenAnforderungenunddenBedürfnissendesAr-beitsmarktsausgerichtetwerden.GeradeimBereichderRehabilitationmitmehrerenTrägernundvielenSchnitt-stellenkommtesdaraufan,trägerübergreifendTranspa-renzüberFördermaßnahmen, ihreWirkungenundKos-ten herzustellen und die vorhandenen Mittel effektiverund effizienter einzusetzen. Die steigende Zahl ältererRehabilitandensowieVeränderungenbeiderArtderBe-hinderungen und Gesundheitseinschränkungen sind zu berücksichtigen. Vor allem kleine und mittlere BetriebebedürfendabeioftprofessionellerUnterstützungundziel-gerichteterFörderung.
Entscheidend ist weiterhin ein gezielter Abbau gut ge-meinter, imErgebnisaberoftkontraproduktiverSonder-regelungen zur Beschäftigung Schwerbehinderter. UmschwerbehinderteMenschennichtvomArbeitsmarktaus-zugrenzen,bedarfeseinerEntbürokratisierungundmehrRechtssicherheitimSchwerbehindertenrecht.
32 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Anerkennung im Ausland erworbener Abschlüsse verbessern
Die Hälfte aller beruflich qualifizierten Zuwanderer hatihrenAbschlussimAuslanderworben.EineVerwendungdieserAbschlüsse auf demdeutschenArbeitsmarkt ge-lingtvielfachnicht,weilnichtbekanntist,washinterdenQualifikationensteckt.ZwargibtesVerfahrenzurAner-kennungausländischerAbschlüsse.Diesesindaber in-transparent, bürokratischund stark regionalisiert.Dabei
stehtundfälltmitderformalenAnerkennungdesimAus-landerworbenenAbschlusses in vielenFällenauchdieChanceaufeineschnelleIntegrationinsArbeitsleben.SoistdieWahrscheinlichkeit,eineBeschäftigungzufinden,fürZugewanderte, diederzeitArbeitslosengeld II bezie-hen,mit einem anerkanntenAbschluss 50% höher alsohneanerkanntenAbschluss(BMWi,2010).
Zuwanderer: Meist technisches Know-how
Vonden10,6Mio.inDeutschlandlebendenMigrantenimerwerbsfähigenAltervon15bis64JahrenhattenimJahr2007sovieleeineninihremHeimatlandbzw.imAuslanderworbenenBerufsabschluss
Quelle:IWKöln,2010;Ursprungsdaten:StatistischesBundesamt
Abschlüsse insgesamt, in 1.000
insgesamt
Darunter: Berufliche
Erstausbildung
Darunter: Meister-/Techniker-/Fachschulabschlüsse
Darunter: Hochschulabschluss
Davon entfielen so viel Prozent auf das Fachgebiet
Ingenieurwesen und Technik
Recht und Wirtschaft
Agrar-, Forst- und Ernährungsberufe
Sprachen, Kulturwissen-schaften und Sport
Humanmedizin, Veterinärmedizin
Kunst, Kunstwissenschaft
Mathematik, Naturwissenschaften
Sonstige/ohne Angaben
2.853 1.828 201 817
8 2 6 21
19 20 10 20
4 1 2 12
7 6 17 8
10 13 6 2
46 53 50 27
4 2 4 7
3 3 3 1
33Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Ziel
Im Ausland erworbene Qualifikationen zügig für den deutschen arbeitsmarkt nutzbar machen.
Gelingt eine bessere Anerkennung, wird sich das Ar-beitsangebot imJahr2030um rd.300.000bis460.000Personen erhöhen. Vor allem diejenigen Bereiche, indenentechnischeKenntnissegefragtsind,könntenvomKnow-how der Zuwanderer viel stärker als bisher profi-tieren.Dennvonden imAuslanderworbenenBerufsab-schlüssen sind fast die Hälfte dem Fachgebiet Ingeni-eurwesen und Technik zuzuordnen.Auch im ärztlichenBereich gibt es ein Angebot unter den Migranten, dasbisher–trotzÄrztemangelvorallemaufdemLandundinKliniken–nichtgenutztwird.
Was tut die Wirtschaft?
UnternehmensetzenzunehmendgezieltaufdieKompe-tenzenvonMenschenmitMigrationshintergrund:Bereitsfast 900 Unternehmen und Institutionen mit insgesamt5Mio.Beschäftigtenhabendie „ChartaderVielfalt“un-terzeichnetundsichdamitzuVielfaltindenBelegschaf-ten, Fairness und Toleranz bekannt. Damit gehört dieEnde 2006 und auf Initiative der Wirtschaft gestarteteCharta, derenVerbreitungdieBDAaktiv unterstützt, zudengrößtenNetzwerkendieserArt inDeutschland. Im-mermehrUnternehmenerkennen,dasssiewirtschaftlichdavonprofitieren–etwadurcheinebessereKundenan-sprache–,wennsieTalenteunabhängigvonMerkmalenwieAlter,GeschlechtoderHerkunftfördern.Dementspre-chendgewinntDiversityManagementfürdiebetrieblichePersonalpolitikimmermehranBedeutung.Geradeange-sichtsdervoranschreitendenGlobalisierungundderstar-ken außenwirtschaftlichen Orientierung der deutschenWirtschaft fördertdieBDAdenTrend, indenUnterneh-men stärker diePotenziale vonPersonenmit ausländi-schenAbschlüssenindenBlickzunehmen.
„Wer unternehmerischen Erfolg will, kann sich Vorurteile nicht leisten.
Die deutsche Wirtschaft nutzt die Chancen der Vielfalt und
geht mit gutem Beispiel voran.“
Prof.Dr.DieterHundt,PräsidentBundesvereinigungderDeutschenArbeitgeberverbände(BDA)
handlungsbedarf
UmgehendbenötigtwirdeinVerfahren,das imAuslanderworbeneQualifikationenqualitätsgesicherttransparentund verständlichmacht. Vorrangigmüssen die Kompe-tenzen,diemiteinerbestimmtenQualifikationverbundensind,vorallemfürpotenzielleArbeitgeberaussagekräftigund zugleich so unbürokratisch und zügig wie möglicherkennbarwerden.DazumussdasAnerkennungsverfah-rennebeneinemVergleich,obeineausländischeeinerdeutschenQualifikationentspricht,auchdieMöglichkeitbieten, Kompetenzen unabhängig von einer formalenGleichwertigkeitsprüfung zu dokumentieren – ggf. auchalsGrundlage für spätereNachqualifizierungen. Hierfürist ein individuelles Kompetenzfeststellungsverfahrendurchzuführen.
FüreinzukünftigesAnerkennungsverfahrenmüssenein-heitliche Kriterien für die Bewertung und Entscheidunggelten.Entscheidungenbzw.Gutachtenmüssenbundes-weitanerkanntwerden.ZudemsolltedieInformationüberdie jeweils zuständigen Stellen und deren Vernetzungdeutlich verbessertwerden.ÜberErgänzungs- undAn-passungsqualifizierungen ist individuell zu entscheiden,daaucheineQualifikation,dienur teilweiseeinerdeut-schenentspricht, auf demArbeitsmarkt verwertbar seinkann.EindeutscherPrüfungsabschlusssollweiterhinnurüberdasAblegenvoninländischenPrüfungen(Externen-prüfung)erworbenwerdenkönnen.
handlungsFeld 2
potenziale konsequent entfalten
34 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
35Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Ausbildungsreife sicherstellen – Berufsorientierung stärken
Zu viele junge Menschen verfügen am Ende ihrerSchullaufbahn nicht über die Kompetenzen, die für dieAufnahme einer Ausbildung erforderlich sind. So ver-ließen 2009 6,5% der Schulabgänger (d.h. rd. 58.000jungeMenschen)dieSchuleohneAbschluss.DerPISA-Studiezufolgesindsogar20%der15-JährigenSchülernichtausbildungsreif(d.h.rd.170.000).JungeMigrantenbzw.AusländerzählenüberproportionalhäufigzudiesenProblemgruppen:LautPISAsindbiszu40%derSchülermit Migrationshintergrund nicht ausbildungsreif.Auslän-discheJugendlicheverlassendieSchulezu15%ohneSchulabschluss (Statistisches Bundesamt, 2009). Dassein Schulabschluss wichtig für den weiteren Bildungs-undErwerbsverlauf ist, zeigteinBlickaufdieArbeitslo-senstatistik. Personen ohne Schulabschluss sind über-proportionalhäufigarbeitslos.
Ziel
Junge menschen in der schule ausreichend auf den start in ausbildung und beruf vorbereiten und umfas-sende ausbildungsreife vermitteln; Quote der schul-abbrecher bis 2015 auf 4 % und anteil nicht ausbil-dungsreifer schüler auf 10 % senken.
DiePartnerim„NationalenPaktfürAusbildungundFach-kräftenachwuchs“ haben gemeinsam mit der BA 2006den „KriterienkatalogAusbildungsreife“ erarbeitet.Dem-nachwirddieAusbildungsreifebestimmtdurch:
� schulischeBasiskenntnissewieSchreiben,Lesen,mathematischeGrundkenntnisse,wirtschaftlicheGrundkenntnisse
� psychologischeLeistungsmerkmalewieSprach-beherrschung,logischesDenken,räumlichesVorstellungsvermögen
� MerkmaledesArbeits-undSozialverhaltenswieKommunikationsfähigkeit,Leistungsbereitschaft,Umgangsformen,Zuverlässigkeit
� physischeMerkmale(altersgerechterEntwicklungs-stand,gesundheitlicheVoraussetzungen)
� Berufswahlreife(Selbsteinschätzungskompetenz,Informationskompetenz)
WiewichtigesfürdieSicherungdesFachkräftebedarfsist,denAnteilnichtausbildungsreiferSchulabgängerdeutlichzusenken,zeigtfolgendeRechnung:DieZahlderausbil-dungsreifen Schulabgänger, die für eine anschließendeBerufsausbildung oder ein Studium zur Verfügung ste-hen,wirdaufgrundderdemografischenEntwicklungzwi-schen2006(HöchststandanSchulabgängern)und2015selbstdannsinken,wennesindiesemZeitraumgelingt,
den Anteil nicht ausbildungsreifer Schulabgänger von20%auf10%zuhalbieren.
Was tut die Wirtschaft?
Unternehmen und Verbände unterstützen die Stärkungder frühkindlichen Bildung und der Schulqualität. Sie kooperierenmitKindergärtenz.B. inFormvonspeziel-len Angeboten zur Leseförderung, von MINT-Projektenund Experimenten und engagieren sich im Rahmenvon Projekten zur engeren Verknüpfung von Kinder-garten und Grundschule sowie zur Qualifizierung vonErzieher(inne)n.DieWirtschaftfördertüberdiesdieAus-bildungsreife und Berufsorientierung von Schülern, ins-besonderedurchAktivitäten imRahmendesNetzwerksSCHULEWIRTSCHAFT(sieheKastennächsteSeite).
Ausbildungsreife Schulabsolventen
Ursprungsdaten:NationalerBildungsbericht2010
Jahrgangsstärke der 16-bis19-Jährigen
AusbildungsreifeSchulabgänger,wenn 20 % den Kriteriennichtgenügen(Statusquo)
AusbildungsreifeSchulabgänger,wenn 10 % den Kriteriennichtgenügen(Zielgröße)
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
970.363
935.096
897.315
850.333
822.000
801.333
796.000
806.000
810.000
801.333
776.290
748.077
717.852
680.267
657.600
641.067
636.800
644.800
648.000
641.067
721.200
716.400
725.400
729.000
721.200
36 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
netzwerk SCHULEWirtschaFt
DasNetzwerkunterstütztundfördertdieKooperationundden Austausch zwischen Schulen und Wirtschaft. Ziele sind die Verbesserung der ökonomischen Bildung, desÜbergangs jungerMenschenindenBerufunddieStär-kungderPersönlichkeitsbildung.DasNetzwerkumfasst450regionaleArbeitskreise,indenen22.000Ehrenamtli-cheausSchulenundUnternehmenaktivsind.Aktivitätensindz.B.Lehrer-undSchülerpraktika,Betriebserkundun-gen,EinsätzevonBetriebspraktikernimUnterricht,Schü-lerfirmen,Bewerbungstrainings,Mentoring/CoachingundgemeinsameElternarbeit.
informationen unter www.schulewirtschaft.de
„Berufsbefähigung und eine praxisnahe Berufsorientierung sind Grundlagen
für Schule und Wirtschaft. Um miteinander in Kontakt zu kommen und gemeinsam
Maßnahmen zu entwickeln, ist das Netzwerk SCHULEWirtschaFt alternativlos.“ErnstBaumann,VorsitzenderBundesarbeitsgemeinschaft
SCHULEWIRTSCHAFT
KünftigwirdesfürUnternehmennochwichtiger,frühzei-tigdenKontaktzupotenziellemArbeitskräftenachwuchszusuchen.DieKooperationmitSchulen,aberauchdieAnsprachevonElternvereinenoderMigrantenorganisati-onenbietenhierfürguteMöglichkeiten.
handlungsbedarf
Die Wirtschaft kann nicht alles aufholen, was das Bil-dungssystemanFörderungversäumthat.Zubegrüßenist, dass u.a. beim Bildungsgipfel 2008 wichtige ZielevereinbartundReformenaufdenWeggebrachtwurden.EsmüssenweiterkonkreteZiele inallenBereichenderBildungspolitik klardefiniert,mitZahlenundJahrenun-terlegtundkontinuierlichüberprüftwerden.DerBildungs-bericht von Bund und Ländern muss erkennbare Kon-sequenzennachsichziehen.BislangdominierenzuoftLippenbekenntnisse,wieetwabeimThemaselbstständi-geSchule,odersogarRückentwicklungen,z.B.dieteil-weiseWiedereinführungdesAbitursnach13stattnachzwölfSchuljahren.
Zielmussessein,durchindividuelleFörderungmöglichstallePotenzialejungerMenschenzuentfalten.Dafürmüs-sen bereits Kindergärten systematisch zur ersten Stufedes Bildungssystems ausgebaut werden. Den frühenSprachstandsfeststellungen in mittlerweile allen Ländern müssen auch gezielte Sprachfördermaßnahmen folgen,sodassalleKinderbeiderEinschulungaktivamUnter-richt teilnehmen können. Dies verbessert insbesondereauchdieBildungschancenvonKindernmitMigrationshin-tergrund.
LeitendeZielevonQualitätsverbesserungenimSchulsys-temmüssendieEntfaltungallerPotenzialeundStärkender Jugendlichen und die Sicherung der Ausbildungs-reife allerSchulabgänger sein.Dafür ist eine intensive-re individuelle Förderung jedes Kindes entscheidend.Ausgangspunkte dafür sind gezielteKompetenzfeststel-lungen und darauf aufbauende individuelle Förderplänefür jedenSchüler. Schulen brauchen einenAusbau derGanztagsangebote,ummehrZeitundMöglichkeitenzurFörderungzuhaben.SiebrauchenmehrSelbstständig-keit,umflexibelaufdiebesonderenBedürfnisseundSi-tuationenihrerSchülervorOrteingehenundhiergezieltausgleichen zu können. Die Aus- und Fortbildung derLehrkräfte muss sich konsequenter an der Praxis desBerufsbildsorientieren.Einesystematischeundnachhal-tigeBerufsorientierunganallenSchulen inKooperationmitderWirtschaftbereitetdenÜberganginsBerufslebenoptimalvor.
37Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Anzahl An- und Ungelernter reduzieren
Obgleich der Bedarf an gut qualifizierten Arbeitskräf-ten kontinuierlich wächst, verharrt die Zahl derAn- undUngelerntenaufhohemNiveau.DabeiisteineguteQua-lifikation der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit: DieArbeitslosenquote von Personen ohne Berufsabschlussist fastdreimalhöherals jenevonPersonenmitBerufs-abschluss.Insgesamthabenüber40%derrd.3Mio.Ar-beitslosenkeinenBerufsabschluss,beidenArbeitslosen-geld-II-EmpfängernistessogarmehralsjederZweite.
Problematischistinsbesondere,dassnachwievorzuvielejungeMenschen schon ohne ausreichendeQualifikationinsErwerbsleben starten: 15%der 20- bis 29-Jährigen,d.h. rd.1,45Mio. junge Menschen, haben keine abge-schlosseneBerufsausbildung.Dabeiistzubeachten,dassvieledieserjungenMenschennichtvölligohneQualifika-tion sind. Denn ein erheblicher Teil hat eineAusbildungodereinStudiumbegonnen,allerdingsnichtabgeschlos-sen. Einigen Jugendlichen mangelt es z. B. auch aufgrund fehlenderUnterstützungimElternhausanderMotivation,eineAusbildungaufzunehmenbzw.abzuschließen.
DassJugendlichekeineAusbildungaufnehmenbzw.er-folgreichabschließen,hängtvorallemauchdamitzusam-men,dasszuvieleJugendlichenichtausbildungsreifsindund viele die Schule ohneAbschluss verlassen (sieheHandlungsfeld2A).
Ziel
Passgenaue Qualifizierung Arbeitsloser und Beschäf-tigter voranbringen, anteil der ungelernten 20- bis 29-Jährigen bis 2015 auf 8 % reduzieren.
Was tut die Wirtschaft?
DieUnternehmenbildenrd.1,6Mio.jungeMenschenausundinvestierenjährlichweitüber50Mrd.€indiebetrieb-licheAus-undWeiterbildung.FastvierFünftelderausbil-dungsberechtigtenBetriebebildenkontinuierlichodermitkleineren Unterbrechungen aus.Angesichts wachsenderFachkräfteengpässeerweiterndieUnternehmendabeizu-nehmendihrenFokus.DamitwachsenauchfürschlechterqualifizierteSchulabsolventenundBewerberdieChancen.
VieleUnternehmen stecken schon jetzt erhebliches zu-sätzliches Engagement in die Ausbildung schwächererJugendlicher. So bieten knapp zwei Drittel der ausbil-dendenUnternehmenNachhilfe undStützunterricht an,umQualifikationsdefizitevonAuszubildendenauszuglei-chen.AußerdemengagierensichvieleUnternehmenmitspeziellenAngebotenzurBerufsvorbereitung,mitdenen
Nationaler Pakt für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs
Am26.Oktober2010habenBundesregierungundWirtschaftden„NationalenPaktfürAusbil-dungundFachkräftesicherunginDeutschland“,der2004geschlossenund2007erneuertwor-denwar,bis2014verlängert undgemeinsammit den neuen Paktpartnern Kultusminister-konferenz (KMK) und Integrationsbeauftrag-ter der Bundesregierung weiterentwickelt. Der AusbildungspaktwurdeangesichtsrückläufigerBewerberzahlen stärker auf die Fachkräfte-sicherung und Ausbildungsreife ausgerichtet.DiePotenzialeaufdemAusbildungsmarkt(beileistungsschwächeren und leistungsstärke-ren Jugendlichen) sollen besser erschlossenwerden.DiePaktpartner haben insgesamt zufolgendenHandlungsfeldern Ziele und eigeneBeiträge vereinbart: Ausbildungsreife sicher-stellen,Berufsorientierungausbauenundwei-terentwickeln,JugendlicheundBetriebebesserzusammenbringen, alle Potenziale erschlie-ßen, neue Ausbildungsplätze und neue Aus-bildungsbetriebegewinnen,Übergangssystemneustrukturierenundeffizientergestalten,Da-tenlageverbessern.
MitderVerlängerungknüpfendiePaktpartnerandiesehrerfolgreicheUmsetzungdesbishe-rigen Pakts an. Die Zusagen wurden erfüllt. Je-demausbildungswilligenund-fähigenJugendli-chenkonnteeinAngebotgemachtwerden.DieUnternehmen haben neue AusbildungsplätzeundPlätze fürEinstiegsqualifizierungensowie(ab2007)neueAusbildungsbetriebez.T.nichtunerheblich über das zugesagte Ziel hinausangeboten.DurchdasEngagementderPakt-partner wurde eine Trendwende auf dem Aus-bildungsmarktgeschafft.DieZahlderneuab-geschlossenenAusbildungsverträge lag 2009trotzschwierigsterwirtschaftlicherRahmenbe-dingungenunddeutlichenBewerberrückgangsüberdemNiveauvon2003.MitdenEinstiegs-qualifizierungen wurde ein erfolgreiches Inst-rumentalsBrücke inAusbildungetabliert.Biszu75%derTeilnehmerkonntenanschließendeineAusbildungbeginnen.
38 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
schwache Jugendliche erfolgreich undmit hohenÜber-gangsquoten durch eine gezielte Förderung fit für eineAusbildungoderBeschäftigunggemachtwerden.Darü-berhinausbietenrd.dreiViertelderausbildungsaktivenBetriebePraktikumsplätzean,umJugendlicheninschu-lischer oder außerbetrieblicherAusbildung sowie inBe-rufsvorbereitungdenPraxiskontaktzuermöglichen.
AuchdurchdasKonzeptderVerbundausbildungkönnenschwächere bzw. unqualifizierte Jugendliche leichter inden Arbeitsmarkt übernommen werden. In bestimmtenBranchen wie z.B. der Zeitarbeit werden bereits jetztpassgenaue und arbeitsmarktorientierte Ausbildungs-undQualifizierungsmöglichkeitenangeboten.Diesgelingtdort durch eine partnerschaftliche Berufsausbildung inKooperation mit Einsatzbetrieben und Partnerunterneh-men. Unterstützung bei der Qualifizierung schwächererJugendlichererhaltenBetriebeetwadurchausbildungs-begleitendeHilfen(abH),diedieArbeitsagenturenanbie-tenunddiesowohlflankierendzurAusbildungalsauchbeiEinstiegsqualifizierungenzumEinsatzkommenkön-nen. Darüber hinaus nehmen immer mehr Betriebe imRahmen ihrer Weiterbildungsaktivitäten verstärkt auchan- und ungelernte Beschäftigte in den Blick.
handlungsbedarf
FüreineReduzierungderUngelerntenquotemussbereitsim Bildungssystem angesetzt und mehr für die Ausbil-dungsreife junger Menschen getan werden. Wichtig sind gerade bei schwächeren Jugendlichen systematischeÜbergängevonderSchule inAusbildungundeine indi-viduelle, bedarfsgerechte Begleitung z.B. durchMento-ren oder Paten.DifferenzierteAusbildungsangebotewiezweijährigeAusbildungsberufe(mitAnrechnungsmöglich-keitenaufdreijährigeBerufe)unddieNutzungvonAus-bildungsbausteinen (auch um erst teilweise erworbeneQualifikationen sichtbar zumachen) könnenunterWah-rung desBerufsprinzips zu einer verstärkten Integrationschwächerer Jugendlicher beitragen.Angebotewie abHkönnensicherstellen,dasseinebegonneneAusbildungzueinemerfolgreichenAbschlussgeführtwird.
Darüber hinaus müssen auch die Anstrengungen in-tensiviert werden, um mehr Arbeitslose ohne Berufsab-schluss (wieder) in Beschäftigung zu bringen und sieentsprechend ihren Fähigkeiten sowie den BedürfnissendesArbeitsmarkts gezielt zu qualifizieren. Oft kann diesnur über einfache Tätigkeiten und ein „training on thejob“gelingen.Sinnvoll sindüberdiesgeradebeiAn-undUngelernten passgenaue modulare Weiterbildungsange-bote, die schrittweise zu einemAbschluss führen.Diese
Angebote sind betriebsnah zu gestalten. Das Erreichenvon Etappenzielen im Rahmen derAngebote soll doku-mentiert werden, auchwenn sich der KompetenzerwerbimRahmeneinerBeschäftigungoderAusbildungvollzieht.BeidergezieltenQualifizierungvonMenschenohneBe-rufsabschluss leisten auch die Arbeitsagenturen einenwichtigen Beitrag.
Beispiel Deutsche Bahn
„Gemeinsam die Berufsorientierung von Jugendli-chenstärken“–unterdiesemMottoengagiertsichdieDeutscheBahn(DB)nachhaltigimBereichdesÜbergangsmanagementsvonderSchuleindenBe-ruf mit zwei ineinandergreifenden Schwerpunkten:
1) Frühzeitiges engagement in den schulen durch schulkooperationen IhrenKooperationsschulenbietetdieDBnebenallgemeinenInformationenzurBerufsausbildungund Exkursionen auch Schülerpraktika an, beidenendieSchülersicheindetailliertesBildvoneinerbestimmtenBerufsausbildungundderda-ran anschließenden Tätigkeit machen können.Darüber hinaus werden Bewerbungstrainingsangeboten.AlsbesonderesEventfürdieSchülerinderOberstufederKooperationsschulen führtdie DB zusammen mit dem Massachusetts Ins-titute ofTechnology eine „DBSummerSchool“durch.MittlerweilebestehenbundesweitKoope-rationenmitüber330Schulen.
2) Förderung der ausbildungsreife mit dem programm „chance plus“Speziell für Jugendliche der Haupt- und Real-schulen,dienochnichtdienötigeAusbildungsrei-feerreichthaben,istdasbiszuelfmonatigeaus-bildungsvorbereitende Praktikantenprogramm„Chance plus“ konzipiert. Es bietet einen Mixaus praktischer und theoretischer Qualifizie-rung. Die theoretischen Schwerpunkte liegendabeiinderVermittlungvonallgemeinbildendenGrundlagen,derFörderungderMethoden-undSozialkompetenzundder fachlichenBerufsori-entierung. Bundesweit bietet dieDB seit 2004jährlich rd. 450 Plätze in unterschiedlichen fach-lichenSchwerpunktenan.DerErfolgsprichtfürsich:Rund75%derAbsolventenbeginnendi-rekt imAnschluss eineAusbildung oder einendirektenJobeinstieg.
39Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Studienabsolventenzahl erhöhen – Studienabbrüche reduzieren – Beschäftigungsfähigkeit sicherstellen
DerBedarfanHochqualifiziertenmitHochschulabschlussoder vergleichbaren Kompetenzen steigt. Zugleich ste-hen aufgrund der demografischen Entwicklung in denkommendenJahrenwenigerNachwuchskräftezurVerfü-gung,wennnichtgegengesteuertwird.AktuellbeträgtdieStudienanfängerquote rd.46%.Rund27%derStudie-rendenbrechenihrStudiumvorzeitigab.DieStudienab-solventenquote(d.h.derAnteilallerHochschulabsolven-ten an der altersspezifischen Bevölkerung) liegt derzeitbei nur rd. 26%.Hinzu kommt, dass nachwie vor nurca.13.000beruflichQualifizierteproJahrdenSprungandieHochschulenschaffen–dassindlediglich0,6%derStudienanfänger.
Ziel
studienanfängerquote dauerhaft über 45 % halten, abbrecherquote auf 10 % absenken und anteil beruf-lich Qualifizierter an den Studienanfängern auf 5 % erhöhen.
Was tut die Wirtschaft?
UnternehmensvertreterengagierensichinHochschulgre-mienwieHochschulräten,Programmbeiräten,Kuratorienetc.sowieinderLehre,z.B.alsLehrbeauftragte.Ebenso
begleitenUnternehmensvertreteraktivdieQualitätssiche-rung der Studiengänge. Ein wesentlicher Schwerpunkt liegtdabeiaufderSicherstellungderBeschäftigungsfä-higkeitderHochschulabsolventen.DieWirtschaft richtetdarüberhinausdenberufspraktischenTeildualerStudien-gängeaus,stelltPraktikumsplätzefürStudierendebereitund arbeitet im Rahmen von unternehmensorientiertenAbschlussarbeitenmitdenHochschulenzusammen.Fi-nanziell engagiert sich dieWirtschaft in der Begabten-förderung und durch die Vergabe von Stipendien (z.B.StiftungderDeutschenWirtschaftbzw.StifterverbandfürdieDeutscheWissenschaft),siefinanziertStiftungslehr-stühle und sponsert Hochschulen. Eine aktuelle StudiedesStifterverbandsunddesIWKölnhatdieHöhedieserAusgabenermittelt.Demnach investierendieUnterneh-
stiftung der deutschen Wirtschaft
DieStiftungderDeutschenWirtschaft(sdw)fördertinih-renBildungsprogrammenüber4.000jungeMenschen–Schülerinnen und Schüler, Auszubildende, StudierendeundPromovierende.SiewendetsichsowohlandieLeis-tungsstarkenalsauchandiejenigen,diezumAusschöp-fenihrerPotenzialebesondereUnterstützungbenötigen.ZudenKernkompetenzenderStiftungzähltdieintensiveBegleitung des Nachwuchses beim Übergang von derSchuleindieAusbildungbzw.ineinStudium.FürihreAr-beitschmiedetdiesdwstrategischeAllianzenmitUnter-nehmen,StiftungenundstaatlichenEinrichtungen.
mehr informationen unter www.sdw.org
stifterverband für die deutsche Wissenschaft
Im Stifterverband haben sich rd. 3.000 Unternehmen,Unternehmensverbände, Stiftungen und Privatpersonenzusammengeschlossen, um Wissenschaft, Forschungund Bildung voranzubringen. Die vielfältigen Initiativendes Stifterverbands leisten einenwichtigen Beitrag, dieRahmenbedingungenfürdieWissenschaftenzuverbes-sernundExzellenzinderLehrezufördern.Zielistdabeiauch eine Stärkung des Austauschs zwischen Wirtschaft undWissenschaft.DasjährlicheFördervolumendesStif-terverbandsbeträgtüber120Mio.€.
mehr informationen unter www.stifterverband.de
„Wir müssen neue Zielgruppen wie beruflich Qualifizierte, Kinder aus
bildungsfernen Elternhäusern und Schulabgänger mit Migrationshintergrund zur Aufnahme eines Studiums bewegen.“
ThomasSattelberger,VorstandPersonalDeutscheTelekomAG,VorsitzenderdesBDA/BDI/HRK-ArbeitskreisesHochschule/Wirtschaft.
40 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
meninDeutschlandinsgesamt2,2Mrd.€proJahrinaka-demischeBildung,davonfließen640Mio.€indieHoch-schulausstattungundweitere1,54Mrd.€anStudierende.Hinzu kommenAusgaben von Unternehmensstiftungenund Verbänden, die ebenfalls bedeutende Beträge indas Hochschulsystem investieren. Schließlich bildenunternehmerische Drittmittel eine wesentliche Basis der universitären Forschungsfinanzierung. Etwa 1,1 Mrd.€fließensodenHochschulenzu(WissenschaftsstatistikimStifterverband).
handlungsbedarf
IndenvergangenenJahrensindmitdemBologna-Pro-zess, dem Hochschulpakt, Neuregelungen des Hoch-schulzugangs, der Reform des BAföG sowie der Ein-führung eines nationalen Stipendiensystems wichtigeSchritteunternommenworden,umdieAbsolventenquotezu steigern und die Beschäftigungsfähigkeit derAbsol-venten sicherzustellen. Fehlentwicklungen müssen nunkorrigiertwerden:Studienabbruchquotenunddiez.T.zuhohe Prüfungsdichte müssen reduziert sowie unnötigeÜberregulierungen abgebaut werden. Zudem muss dieHochschulausbildung noch stärker auf die Bedürfnissedes Arbeitsmarkts ausgerichtet und die Qualitätssiche-runganHochschulenverbessertwerden.
BeiPersonalrekrutierung,Investitionsentscheidungen,Fi-nanzverantwortungundManagementmüssendieHoch-schulenautonomhandelnkönnen,umihrProfilzustär-kenundimWettbewerbmithochwertigenAngebotenzupunkten.IndenHochschulgesetzenmüssendieentspre-chenden Voraussetzungen hierfür geschaffen werden.DieStudienfinanzierungmusssichamInvestitionsbedarfderHochschulenausrichten.Dazusollteeinbundeswei-terFinanzierungspool eingerichtetwerden,der vondenLändern mitgetragen wird und der Aufwand und Ertrag verknüpft. Bestandteil der Studienfinanzierung solltenauchStudiengebührensein.ZudemmussderÜbergangins Studium weiter erleichtert werden. Hierzu sind inten-siveKooperationenzwischenSchulenundHochschulen,transparenteInformationenundzielgerichteteBeratungs-angebotefürStudieninteressierte,aberauchverbesserteStudienmöglichkeiten für beruflich Qualifizierte und Be-rufstätigenotwendig.
BeruflichQualifiziertemüssenbundesweitZugangzudenAuswahlverfahren der Hochschulen erhalten und durchbesondere Beratungs- und Unterstützungsangebote füreinStudiumgewonnenwerden.DerÜbergangvomStu-diuminBeschäftigunggelingtambestendurchintensiveKooperationen zwischen Hochschulen und Wirtschaft,
die Einbindung von Vertretern der Berufspraxis in dieEntwicklungvonStudienangebotenunddieStärkungvonPraxisbezügenimStudium.
StudienabbrüchesindnichtseltenFolgeeiner„Abwärts-spirale“, die sich durch Misserfolge und schwindendeMotivation selbst verstärkt. Zur Vermeidung von Studi-enabbrüchenmuss in denHochschulen eineArt „Früh-warnsystem“ installiert werden, so dass potenzielleStudienabbrecherfrühzeitigidentifiziertunddernegativeKreislauf mit konstruktiven und fördernden Angebotendurchbrochenwerdenkann.AuchhierergebensichAn-satzpunkte fürgemeinsameInitiativenvonHochschulenundUnternehmen.FallseinStudienabbruchdennochun-vermeidbarist,solltendieimStudiumbereitserworbenenKompetenzen nachMöglichkeit für eine entsprechendeduale Berufsausbildung in einemUnternehmen genutztund auf diese angerechnet werden.
41Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Tatsächliche bzw. zu erwartende Zahl von Absolven-ten von MINT-Studiengängen, die dem deutschen Ar-beitsmarkt zur Verfügung stehen, bei einemAnteil derStudienabbrechervon...
33%(aktuell) 20%(Zielgröße) SovieleneueMINT-Fachkräftewerden inderWirtschaftbenötigt
MINT-Absolventenzahlen erhöhen
Fachkräfteengpässe treten aktuell besonders in MINT-Berufenaufundwerdenkünftig–ohnewirksameGegen-maßnahmen–bedrohlich zunehmen (vgl.Kapitel 2 zurLageanalyse).DennderAnteilanMINT-AbsolventenanallenHochschulabsolventeninDeutschlandbeträgtaktu-ell nur rd. 33%,während zurmittelfristigenSchließungderMINT-FachkräftelückeeinAnteilvon40%notwendigwäre. Zudem ist dieAbbrecher- und Wechslerquote inMINT-Studienfächernmitrd.33%sehrhoch.Dassdiesnichtsoseinmuss,zeigtderinternationaleVergleich:Ja-pan weist eineAbbrecherquote von lediglich 10% auf,DänemarkundGroßbritannienvonetwa20%.Darüberhinaus sind Frauen unterproportional in MINT-Fächernvertreten: Nur rd. 32% der MINT-Studienabsolventensind weiblich (der Frauenanteil an allen Hochschulab-solventenliegtknappüber50%).InKanada,PolenundGriechenlandliegtderFrauenanteilandenMINT-Absol-ventenhingegenbeiodersogarüber40%.
Ziel
anteil der mint-absolventen an allen hochschulab-solventen bis 2015 auf 40 % steigern, dazu vor allem abbrecher- und Wechslerquote in mint-studienfä-chern auf 20 % senken und den Frauenanteil an mint-hochschulabsolventen auf 40 % erhöhen.
Würde allein das Ziel erreicht, dieAbbrecherquote auf20% zu senken, so dürften im Jahr 2015 rd. 120.000MINT-AkademikerdieHochschulenalserfolgreicheAb-solventen verlassen. Von diesen kommen etwa 10%aus dem Ausland. Diese sog. Bildungsausländer keh-rengegenwärtighäufig–auch,weil ihnenaufgrundderrestriktivengesetzlichenRegelungenamdeutschenAr-beitsmarkt keine hinreichend attraktiven Perspektivengeboten werden – nach dem Studienabschluss in ihreHeimatländerzurückundstehendemdeutschenArbeits-marktnichtzurVerfügung.VondenPersonenmitMINT-Abschluss bieten wiederum 95% ihre Arbeitskraft an.BeideEffektezusammenführendazu,dassselbstbeiei-nemRückgangderAbbrecherquoteauf20%dasAnge-botanneuenMINT-Kräftenlediglichbeird.103.000liegt.Der jährlicheGesamtbedarf,dersichausdenzuerset-zenden, ausscheidenden MINT-Akademikern und demdurch Wachstumsprozesse entstehenden Expansions-bedarfzusammensetzt,kannselbst indiesemFallalsonichtvollgedecktwerden.DaderdemografischeWandeldienachrückendenJahrgängeweiterschrumpfen lässt,sind langfristig zusätzliche Potenziale zu erschließen,um ein weiteres Anwachsen der MINT-Fachkräftelücke zuvermeiden.
Was tut die Wirtschaft?
Unternehmen und Verbände engagieren sich in vielfäl-tigen Initiativen zurSicherung desMINT-Nachwuchses.DasgemeinsameZielistes,dasnaturwissenschaftlicheundtechnischeInteressevonKindern,JugendlichenundStudierenden durch Praxisprojekte, Schnupperpraktika,Technik-Camps und Mentoring etc. zu wecken und zustärken.GebündeltwerdendieAktivitäteninderInitiative„MINT Zukunft schaffen“.
DieMINT-InitiativehatsichehrgeizigeZielegesetzt:Je-der zukünftigeStudienberechtigte soll abKlasse10dieMöglichkeithaben,eineMINT-Orientierung(z.B.inFormeines Praktikums) durch ein Unternehmen zu erhalten.HierfürwerdenUnternehmen undVerbände ihreMINT-Orientierungsangebote für Schüler und ihre Unterstüt-zung für außerschulisches Lernen (z. B. durch Besuche inForschungslaboren)sowiefürdieMINT-Weiterbildung
Potenzielle MINT-Absolventen im Jahr 2015
Quelle:IWKölnaufBasisStatistischesBundesamtundErdmannetal.,2009
86.534
102.750111.200
42 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
vonLehrkräftenundErzieherinnenausbauen.Darüberhi-nauswirddieWirtschaftmithelfen,dieZahldualerMINT-Studiengänge um 50% zu steigern. Auch wird sie mitdafür sorgen, dass dieMINT-Studiengänge praxis- undanwendungsbezogener werden (z.B. durch Lehrbeauf-tragte aus Unternehmen, Vergabe vonAbschlussarbei-ten),undsiewirdIngenieurinnenundNaturwissenschaft-lerinnen im Rahmen von Mentoring-Programmen fürjungeFrauenvermitteln.
handlungsbedarf
Künftig muss die Bildung in Kindergarten, Schule undHochschuleeinenSchwerpunktaufMINTsetzen.BereitsimKindergartensolltenaltersgerechteExperimentedasInteresseannaturwissenschaftlichenPhänomenensowieanTechnikweckenundersteKenntnissevermitteln.DieErzieherinnensindhierfürzuqualifizieren.Bis2015soll-te in jedemKindergartenmindestens eine Fachkraft soaus-oderweiterqualifiziertsein,dasssiedenKindernna-turwissenschaftliche Phänomene anschaulich und kind-gerechterklärenkann.EinevorbildlicheInitiative istdas„HausderkleinenForscher“,dasspielerischdieNeugierderKinderwecktundfördert.
In derSchulemusseinePflicht zurBelegungvon zweinaturwissenschaftlich-technischen Fächern bis zumSchulabschluss eingeführt werden. Der entsprechendeUnterrichtsollteanschaulichergestaltetwerdenundstär-ker außerschulische Lernorte (z.B. Forschungseinrich-
ImMai2008habenBDAundBDImitderDeutschenTelekomundweiterenPartnernausdemUnternehmens-undVer-bandsbereichdieInitiativederWirtschaft„MINTZukunftschaffen“gestartet.SchirmherrinderInitiativeistBundeskanzlerinDr.AngelaMerkel.Zielist,mehrjungeMenschenfürMINT-Ausbildungs-undStudiengängezugewinnen,dieAbbruch-quotenindenMINT-StudiengängensignifikantzusenkenundsodenFachkräftenachwuchsindiesenBerufenzusichern.EinbesondererFokusrichtetsichdabeiaufMädchenundjungeFrauen,derenAnteilanallenMINT-Absolventenvonaktuell32%auf40%gesteigertwerdensollte.DieInitiativebündeltdiederzeitrd.900ProjektederUnternehmenundVerbändesowieweitererPartnerausGesellschaftundWissenschaftundbildetsoeinNetzwerkausrd. 64.500 Unter-nehmen,SchulenundHochschulen,das3,5Mio.Jugendliche,Studierende,LehrendeundElternerreicht.ZurInitiativegehörenu.a.eineProgrammatik,indereindeutigeMINT-ZielefürWirtschaft,BildungssystemundPolitikdefiniertwer-den,einMINT-Meter,daskontinuierlichdenFortschrittderMINT-Zieleüberprüft,sowieeinMINT-Portal,aufdemsichSchüler,Eltern,LehrerundStudierendeüberdieverschiedenenProjekteinformierenkönnen.DarüberhinausgibteseinBotschafter-Netzwerk,dasaktuellrd.3.500Botschafterumfasst,dieSchülerüberdieattraktivenKarrierewegeinMINT-BerufenunddieentsprechendenAusbildungswegeinformierenundalsMentorenfürStudierendezurVerfügungstehen.
Weitere informationen unter www.mintzukunftschaffen.de
tungen,Unternehmen)einbeziehen.AndenHochschulenmüssenzusätzlicheMINT-Studienplätzegeschaffen,dieStudiengängepraxisbezogenergestaltetunddieBetreu-ung und fachliche Unterstützung der Studierenden gera-deinderStudieneingangsphaseausgebautwerden.
MINT-StudienabbrechernmüssenverstärktMöglichkeitengebotenwerden, ihrebereitserworbenenKompetenzenimRahmeneinerberuflichenWeiterqualifizierungzunut-zen. Hierzu muss z.B. die Zulassung zu Fortbildungs-prüfungen erleichtert werden, indem die erforderlichenPraxisphasenbeieinerentsprechendenVorqualifizierungverkürztwerden.AlternativmussdieMöglichkeitgeprüftwerden, ganzePrüfungsteile, die durch die imStudiumerworbenen Kompetenzen abgedeckt sind, anzuerken-nen,sodasssichderPrüfungsaufwandfürdieStudien-abbrecherreduziert.
Auch gesamtgesellschaftlich muss sich etwas tun: Statt der verbreiteten Technikfeindlichkeit brauchen wir einstärkeresVertraueninTechnik.SiemussgeradeauchalsInnovations- und Wachstumsmotor sowie Problemlösergesehen werden.
43Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
UmmehrMädchenundjungeFrauenfürnaturwissenschaftlicheundtechnischeBerufezubegeistern,findetjedesJahrimAprilderGirls’Daystatt.Er isteineGemeinschaftsaktionvonBundesregierung,BDA,BDI,DIHK,ZDH,DGBundBAsowiederInitiativeD21.Unternehmen,Betriebe,Behörden,HochschulenundForschungszentreninformierendieMädchenüberdasbreiteSpektrumvonAusbildungsberufenundStudiengängen imMINT-Bereich. Insgesamthabenseit2001über1Mio.Mädchenanüber60.000Veranstaltungenteilgenommen.
Weitere informationen unter www.girls-day.de
www.mint-nrw.deEntlangderBildungskettefördertdieLandesvereinigungderUnternehmensverbändeNordrhein-WestfalenseitJahrendieMINT-Bildungdurch:(a)„MINT-Früherziehung“inKindertagesstättenmiteinfachenExperi-menten,(b)„MINIPHÄNOMENTA“inGrundschulenmitExperimentierstationen,(c)dasNetzwerkderMINT-HAUPTschulen,(d)dasNetzwerkderMINT-REALschulenund(e)dieNRW-GymnasienimMINT-EC,dembundesweitenVereinmathematisch-naturwissenschaftlicherExcellence-CenteranGymnasien,dermaßgeb-lichvonGESAMTMETALLgetragenwird.SchulenmitMINT-Profilensindeingeladen,sichandiesenInitia-tivenzubeteiligen.
projekt „Wege zu mehr mint-absolventen“ von vbw – Vereinigung der bayerischen Wirtschaft e. V. und den bayerischen metall- und elektro-arbeitgebern bayme vbmImRahmendesProjekts„WegezumehrMINT-Absolventen“unterstützendievbw–VereinigungderBaye-rischenWirtschafte.V.unddiebayerischenMetall-undElektro-ArbeitgeberbaymevbminnovativeProjekteanzehnbayerischenHochschulen.DieseHochschulenerprobenimRahmendesProjektsseitFrühjahr2008neueWege,umdieZahlderStudienabbrecherindenMINT-Fächernnachhaltigzusenken.ImFebruar2011wirdzumAbschlussdesProjektseinBest-Practice-Handbucherscheinen,dasdiewesentlichenErgebnis-seundLerneffektezusammenfasst.DasbayerischeWissenschaftsministeriumhatbereitsangekündigt,diedaringeschildertenErfahrungenaufzugreifenunddaraufgemeinsammitdenbayerischenHochschulenauf-zubauen–eingroßerErfolgfürdasProjekt„WegezumehrMINT-Absolventen“undfürdasEngagementderWirtschaft zur Sicherung des Fachkräftenachwuchses insgesamt.
Weitere informationen unter www.bildunginbayern.de
Förderprogramm „nachhaltige hochschulstrategien für mehr mint-absolventen“ der heinz nixdorf stiftung und des stifterverbands für die deutsche WissenschaftDasFörderprogrammdesStifterverbandsundderNixdorfStiftungunterstütztdieHochschulenbeiderEnt-wicklungvonStrategienfürmehrMINT-Absolventen.IneinemWettbewerbwurdensechsHochschulenfürihreStrategieausgezeichnet.DieeingereichtenKonzepteorientierensichandenHandlungsfeldern„MehrStudienanfänger“und„MehrStudienerfolg–geringereAbbruchquoten“.DiegefördertenProjektereichenvonMentoring-undLernprogrammenundPraxiseinbindungimStudiumüberbessereKooperationenzwischenSchule,HochschuleundWirtschaftunddiebesondereAnsprachevonJugendlichenmitMigrationshinter-grundbiszuMINT-KonzeptenfürFernsehserien.FürdieUmsetzungundBegleitungderbestenKonzeptefürmehrMINT-AbsolventenstelltdasFörderprogramm2Mio.€bereit.DieFörderungerfolgtindenJahren2010und 2011.
Weitere informationen unter www.mint-nachwuchs.de
44 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
KompetenzenundWissenmüssenmitsichveränderndenAnforderungenSchritthalten.NeueTechnologienundbe-schleunigte Produktentwicklungsprozesse, neueDienst-leistungsangebote,WeiterentwicklungeninderArbeitsor-ganisation sowie die zunehmende Internationalisierungmachen Weiterbildung immer bedeutsamer. Sie trägtdazubei, dieBeschäftigungsfähigkeit überdiegesamteErwerbsphase zu erhalten und so das Ziel einer höhe-renBeschäftigungsbeteiligung geradeauch vonÄlterenzuerreichen.WeiterbildungistheuteindenUnternehmenetabliert, sieerfolgtallerdingsnicht immersystematischund strategisch.
Ziel
Berufliche Weiterbildung als Investition in die Zukunft und strategische aufgabe von unternehmen und je-dem einzelnen verstehen.
Was tut die Wirtschaft?
Rund 84% der Unternehmen bieten Weiterbildung fürihre Beschäftigten an und investieren in dieseAktivitä-tenjedesJahrrd.27Mrd.€.DieVerbändeunterstützendieBetriebeinihrenBemühungen.Siesensibilisierenfürdiese wichtigeAufgabe, entwickeln systematische Kar-rierewegezurProfessionalisierungderMitarbeiter (z.B.entwickeltdasHandwerkeinBerufslaufbahnkonzeptzurindividuellenFörderungvomAnfängerimBerufüberdenhandwerklichenExpertenbishinzumUnternehmer),stel-lenkonkreteInstrumentezurVerfügung(z.B.fürBedarfs-ermittlungen, Altersstruktur-/Kompetenzanalysen) undberaten hinsichtlich geeigneterWeiterbildungsstrategienund -instrumente.
Künftig wird es für die Unternehmen bei ihremWeiter-bildungsengagement noch stärker darum gehen, bisherunterproportional beteiligte Beschäftigungsgruppen wiegeringQualifizierte undÄltere in denBlick zu nehmen,Weiterbildung strategisch mit den Unternehmenszielenzuverknüpfenundprozessorientiert(LernenimProzessderArbeit) zugestalten.DieVerbändewerden ihreBe-ratungsangeboteausbauen,umdieBetriebebeidiesemEngagement zu unterstützen.
handlungsbedarf
BeruflicheWeiterbildungträgtzurInnovations-undWett-bewerbsfähigkeit der Unternehmen bei und stärkt dieBeschäftigungsfähigkeit des Einzelnen. Individuum undUnternehmen sind daher auch die primär fürWeiterbil-dungVerantwortlichen.Dabei sollten sichArbeitnehmer
auchdurchdieEinbringungvonFreizeitstärkeramAuf-wandfürdieberuflicheWeiterbildungbeteiligen,dasieinderRegeldavonebenfallsprofitieren.AktuellfindendreiViertel derbetrieblich veranlasstenWeiterbildung inderArbeitszeitstatt.DieMehrheitderUnternehmenistbereit,noch stärker inWeiterbildung zu investieren, wenn dieMitarbeitermehrFreizeiteinbringen.
Damit Betriebe und jeder Einzelne ihrer Verantwortunggerecht werden können, ist ein bedarfsgerechtes unddifferenziertesWeiterbildungsangebotentscheidend.DieWeiterbildungsdienstleisterstehenvorderAufgabe,indi-viduellWeiterbildungsberatungund-begleitunganzubie-tensowiedasprozessorientierteLernenamArbeitsplatzzuunterstützen.Hochschulensindgefordert,ihrAngebotanwissenschaftlicherundinsbesondereberufsbegleiten-derWeiterbildung auszubauen und konsequent an denAnforderungenderUnternehmenundArbeitnehmeraus-zurichten.
Wichtig sind zudemmessbareQualitätsverbesserungenim Bildungssystem. Frühkindliche Bildung und SchulemüssenLernfähigkeitund-motivationstärkenunddamitdieBasisfürdaslebenslangeLernenlegen.Zudemmussdie Durchlässigkeit im Bildungssystem, vor allem zwi-schen beruflicher und hochschulischer Bildung, verbes-sertwerden,damitimVerlaufdeslebenslangenLernensaufAbschlüsse neueAnschlüsse folgen.Derzeit habennur0,6%derStudierendenüber ihreberuflicheQualifi-kationdenWegandieHochschulegefunden.UmdiesenAnteil signifikant zu steigern, müssen die Hochschulendeutlich mehr berufsbegleitende Studienangebote vor-halten, als dies aktuell der Fall ist. Derzeit werden nur5%allerBachelor-Studiengängeund17%allerMaster-Studiengängesoangeboten,dasssieauchnebeneinerBerufstätigkeit absolviert werden können. Zudem müs-sendieHochschulenvermehrtpropädeutischeAngeboteschaffen,umberuflichQualifizierteneinenbesserenEin-stieginsStudiumzuermöglichen.
DerberuflichenWeiterbildungundhierinsbesonderedenAufstiegsfortbildungen(z.B.zumMeisterundTechniker)musseinehöherebildungspolitischeundpositiv konno-tierteAufmerksamkeitzukommen.DiesträgtzueinerAt-traktivitätssteigerung für potenzielle Bildungsteilnehmerbei.DasspezifischeProfilderberuflichenWeiterbildungalszurHochschulekomplementärenQualifizierungssys-temsstellteinewesentlicheStärkeunseresBildungssys-tems dar und trägt damit zur Leistungsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandortsbei.
Lebenslanges Lernen stärken – Beschäftigungsfähigkeit im Erwerbsverlauf erhalten und ausbauen
handlungsFeld 3
Zusätzliche potenziale schaffen
45Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
46 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
DieEntwicklungneuerDienstleistungenundProdukteso-wieneuerArbeitsprozesseundFertigungsverfahrensetztvoraus,dassdieMitarbeiterüberdienötigenQualifikati-onenundKompetenzenverfügenundbereitsowieinderLagesind,dieseeinzusetzen.Wenn inZukunftwenigerFachkräftealsgegenwärtigzurVerfügungstehen,müs-sendievorhandenenInnovationspotenzialenochbesserausgeschöpftwerden.GleichzeitigalterndieBelegschaf-tenimZugedesdemografischenWandelsdeutlich.HiersehenvieleUnternehmeneinRisiko:Knapp jedes vier-te befürchtet eineVerringerung der Flexibilität, Kreativi-tät und Innovationsfähigkeit (Institut für Mittelstandsfor-schungBonn,2008).DieUnternehmenkönnenallerdingsselbstvieldafür tun,durchgeeignetepersonalpolitischeundarbeitsorganisatorischeMaßnahmenihrInnovations-potenzialzusichernodersogarzuvergrößern.
Ziel
Flexible modelle der arbeitsorganisation zur best-möglichen nutzung der kompetenzen und des Fach-wissens unterschiedlicher mitarbeitergruppen aus-bauen.
Was tut die Wirtschaft?
VieleUnternehmenhabenerkannt,dasssiedasInnovati-onspotenzialderMitarbeiteraufunterschiedlicheArtundWeisehebenkönnen.Dabei ruhendieWurzeln innova-tiver Produkte und Verfahren gerade bei kleineren undmittlerenUnternehmenhäufigweniger inderArbeitvonForschungs-undEntwicklungsabteilungenalsvielmehrinFormenderArbeitsorganisation,indenenMitarbeiterihreKompetenzenundihrFachwisseneinbringenundmitein-andervernetzenkönnen.Inrd.achtvonzehnUnterneh-menderIndustrieundihrerVerbundbranchenwerdenz.B.BeispielVerantwortungundEntscheidungskompetenzenandieeinzelnenMitarbeiterübertragen,knappeinFünftelvertrautaufdiepositivenEffekte(teil-)autonomerArbeits-gruppen und ein Fünftel stärkt die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität seiner Mitarbeiter durch systematischesWechselnderTätigkeiten(IW-Zukunftspanel2007).
Mehr als die Hälfte der Industrieunternehmen und deren Verbundbranchen, die ältere Mitarbeiter beschäftigen,setzenüberdiesgezieltaufaltersgemischteTeams (IW-Zukunftspanel 2009). Diese erleichtern den Wissens-transfer zwischen Jung undAlt und bieten dieChance,die Stärken von erfahrenen und neuen Mitarbeitern zuverbinden. Vielerorts haben sich zudem ganzheitlichepersonalpolitischeKonzepteetabliert,diedenBedürfnis-sen der Mitarbeiter in unterschiedlichen Lebensphasen
Innovationsspielräume in der Arbeitsorganisation ausschöpfen
gerechtwerden,dieMotivationundLeistungsbereitschaftderBeschäftigtenstärkenhelfenundmitdenendasKrea-tivitäts-undInnovationspotenzialderBelegschaftausge-schöpftwerdenkann.
handlungsbedarf
DieUnternehmensindweiterfürdieChancenzusensibili-sieren,diesichauseinervielfältigerenBelegschaftsstruk-turundinsbesondereeinerzunehmendenBeschäftigungvonÄlteren,FrauenundPersonenmitMigrationshinter-grundfürdieInnovationsfähigkeitergebenkönnen.Poli-tikundArbeitgeberverbändekönnenhierbeiHilfestellungleisten,solltenallerdings lediglichRahmenangebotezurVerfügung stellen und Anreize schaffen. Denn die Be-triebe benötigen Spielraum, um optimale spezifischeLösungenzuentwickelnundumzusetzen.Dabei ist dieEigenverantwortungderBeschäftigtenfürdenErhaltdereigenen Leistungsfähigkeit imAuge zu behalten.Wich-tigist,dassdieMitarbeiterihrekreativenundinnovativenIdeen imUnternehmenbestmöglicheinbringen können.NursokönnendiebetriebswirtschaftlichenZieledesUn-ternehmensmitdenpersönlichenBedürfnissenderMitar-beiterinEinklanggebrachtwerden.
47Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte erleichtern
DiemeistenPrognosenzurEntwicklungdesFachkräfte-potenzials unterstellen, dass jedes Jahr per saldo zwi-schen 100.000 und 200.000 Zuwanderer nach Deutsch-landkommen.ZuletztwaraberdasGegenteilderFall:Inden Jahren 2008 und 2009 wanderten mehr Menschen ausDeutschlandaus,alsneuhinzuzogen (56.000bzw.13.000; Statistisches Bundesamt, 2010); im Jahr 2009wurde geradeeinmal142neueingereistenHochqualifi-zierteneineNiederlassungserlaubnisunddamiteinunbe-schränkter Aufenthalt in Deutschland gewährt. Bereits ein BlickaufdiedemografischeEntwicklungmachtdeutlich,dass alle zweifellos notwendigenMaßnahmen zur bes-serenNutzungundEntfaltunginländischerArbeitskräfte-potenzialealleinnichtausreichenwerden,umeineaus-reichendeFachkräftebasisauchindennächstenJahrensicherzustellen:Dennselbstwennesgelingt,dieZahlderZuwandererpersaldobis2014wiederauf100.000anzu-heben,wirdes2030über8Mio.wenigerMenschen imerwerbsfähigenAltergebenalsheute(sieheGrafik).
GeradefürqualifizierteFachkräfteausdemAusland istDeutschlandbisherabernichtausreichendattraktiv:DasQualifikationsniveau der ausländischen Bevölkerung inDeutschland ist im internationalen Vergleich sehr ge-ring.Während z.B. nach letztenZahlen derOECD fürdas Jahr 2004 in Kanada 46,1% oder z.B. in Irland45,4%der ausländischenBevölkerung als hochqualifi-ziertgelten,sowareneszudiesemZeitpunktinDeutsch-landlediglich18,9%.DiesistnichtnurvordemHinter-grund des demografischenWandels und zunehmenderFachkräfteengpässeproblematisch, sondern führt auchzu Wachstumseinbußen: Denn qualifizierte Zuwande-rung ermöglicht eine höhere gesamtwirtschaftliche Dy-namikunddamitauchmehrArbeitsplätzeundWohlstandfürInländer(IAB,2007).
Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15- bis unter 65-Jährige) bei alternativen Zuwanderungs-szenarien (in Mio. Personen)
DieBerechnungengehendavonaus,dassesgelingt,dieNettozuwanderungbis2014zumindestwiederauf100.000bzw.ineinemweiterenSzenariosogarauf200.000proJahrab2020anzuheben.
Quelle:StatistischesBundesamt,2009
Erwerbsbevölkerung 2009 = 53,9 Mio. Menschen
–2,5
–5,0
–7,5
–10,0
–12,5
–15,0
–17,5
–20,0
–22,5
Erwerbsbevölkerungsrückgangbis2030 Erwerbsbevölkerungsrückgangbis2050
ohne
Zuwanderung
–10,1
–19,0
mit 100.000
Zuwanderung(ab2014)
–8,3
–15,3
mit 200.000
Zuwanderung(ab2020)
–7,0
–12,1
48 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Ziel
Willkommensmentalität für qualifizierte Zuwanderer und schlüssiges gesamtsystem für stärker an den bedürfnissen des arbeitsmarkts orientierte Zuwan-derung entwickeln.
Was tut die Wirtschaft?
ImJahr2009waren fast6,6Mio.MenschenmitMigra-tionshintergrund in Deutschland erwerbstätig (Statisti-schesBundesamt,2010).DieUnternehmenwerdenihreAnstrengungen gerade auch in der dualen Ausbildungverstärkt darauf richten, die Potenziale von Menschenmit Migrationshintergrund deutlich besser als bisher zunutzen. Die BDA hat intensiv an der Erarbeitung desNationalen Integrationsplans mitgewirkt und sich darinverpflichtet, die Verbreitung der „Charta der Vielfalt“ zuunterstützen.DieUnternehmen,diedieseChartaunter-zeichnen, integrieren einen Migrationshintergrund alsVielfaltsmerkmal wertschätzend in die Unternehmens-kultur (vgl.auchHandlungsfeld1G).Auch in Initiativenwie dem Netzwerk SCHULEWIRTSCHAFT, dem Aus-bildungspakt oder der Steuerungsgruppe zum bundes-weitenIntegrationsprogrammwirkendieArbeitgeberauf
Qualifikationsstruktur der ausländischen Bevölkerung
Quelle:IWKöln,ZahlenderOECDfürdasJahr2004
Kanada Irland Norwegen Australien Großbritannien Deutschland Österreich
in %
60
50
40
30
20
10
0
hochqualifiziert geringqualifiziert
46,1
22,1
45,4
36,4 35,7 34,3
18,9 18,523,9
16,9
24,122,1
37,4 36,7
eine bessere Integration von Migranten hin. So wurdeimweiterentwickeltenundbis2014verlängerten„Natio-nalenPakt fürAusbildungundFachkräftenachwuchs“ inDeutschland die Beauftragte der Bundesregierung für Mi-grationsfragenalsneuePaktpartnerinaufgenommen.DerAusbildungspaktsetztsichu.a.dasZiel,diePotenzialejungerMigrantenbesserzuentfalten.
Zur Unterstützung einer gezielten und passgenauen Ar-beitsvermittlung und -förderung von Migranten setzensichdieArbeitgeberdafürein,dassdieoftspezifischenKompetenzenvonMigrantenindenErfassungssystemenderArbeitsagenturenbesser abgebildetwerden können(vgl.auchHandlungsfeld1A).
handlungsbedarf
Trotz erster richtiger Weichenstellungen im Zuwande-rungsrecht steht Deutschland im internationalen Wett-bewerb um die besten Köpfe schlecht da, weil büro-kratischeHürdendieArbeitsaufnahmeerschwerenundFachkräfteabschrecken.GrundsätzlichwirdimmernochinderPraxistrotzanderslautenderLippenbekenntnisseaneinerAbschottungspolitik festgehaltenundselbst fürAkademiker–bisaufwenigeAusnahmen–dieDurch-
49Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
führungeinersog.Vorrangprüfunggefordert.DabeihatdieBAaufwändigzuprüfen,ob fürdasvomAusländerangestrebte Beschäftigungsverhältnis in Deutschlandoder ggf. sogar inEuropa bevorrechtigteArbeitnehmer(Deutsche, EU-Bürger, Schweizer) zur Verfügung ste-hen.ImRahmenderVorrangprüfungwirdnichtnurnachArbeitnehmerngesucht,dieaufgrund ihrerQualifikationdenArbeitsplatzunmittelbarbesetzenkönnten,sondernauchnachsolchen,dieerstnocheineAnpassungsquali-fizierungerhaltenmüssten.DieskannimZweifelmehre-remisslungeneBesetzungsversucheumfassen.
Für das gesamte Verfahren (Antragstellung bei derAuslandsvertretung, Weiterleitung über das Bundes-verwaltungsamt an die zuständige Ausländerbehörde,Einschaltung der zuständigen Arbeitsagentur und viceversa), heißt es auf der Homepage des AuswärtigenAmts,„mussmiteinermehrmonatigenBearbeitungszeitgerechnet werden“. In dieser Zeit hat jeder gut qualifi-zierte ausländische Bewerber längst in einem anderenLandeinen interessantenArbeitsplatzgefundenund istfürDeutschlandverloren.DasVerfahrenderVorrangprü-fung ist nicht nur langwierig und bürokratisch, sondernsetzt auch kein glaubwürdiges Willkommenssignal andieZuwanderungsinteressenten–seiensienochsogutausgebildet. Die Zweifel am Kosten-Nutzen-VerhältnisderVorrangprüfungverstärkensichvordemHintergrund,dassimJahr2009von67.848AnfragenaufZustimmungder BA lediglich 2.066 allein aufgrund der Vorrangprü-fungabgelehntwordensind.
„Entscheidende Kriterien für Zuwanderung sollten Sprachkenntnisse, Qualifikationen und
Bedürfnisse unseres Arbeitsmarkts sein.“StaatsministerinProf.Dr.MariaBöhmer
Das kanadische „Skilled Worker Program“
Daskanadische „SkilledWorkerProgram“ist ein Element im stark auf qualifizierteZuwanderung ausgerichteten kanadischen Zuwanderungssystem,überdasFachkräfteeine unbefristeteArbeits- undAufenthalts-genehmigungerlangenkönnen.
Esgiltzumeinen fürFachkräfte,diezwarkein konkretes Jobangebot, mindestensaber ein Jahr Arbeitserfahrung (Vollzeit,bei Teilzeit zweieinhalb Jahre) in einemBerufhaben, indemderFachkräftebedarfaktuell besonders hoch ist. Zum anderengreift das Programm bei ausländischenFachkräften,dieeinJobangeboteineska-nadischenArbeitgebersvorweisenkönnen.Einwanderungsinteressierte, diedieseKri-terienerfüllen,werdenanhandeinesPunk-tesystems beurteilt, das sechs Kriterienmit unterschiedlicher Gewichtung umfasst. Punkte gibt es für dieArt derSchul- bzw.Universitätsausbildung (max.25), Sprach-kenntnisse (max. 24), Berufserfahrung ineinemgesuchtenBeruf(max.21)unddasAlterdesAntragstellers(max.10).
Zusätzlich gibt es Punkte, wenn z.B. diebetreffenden Personen bereits in Kanadagelebt bzw. studiert haben, Verwandte inKanada leben oder bereits eine konkreteStellenzusagevorliegt(max.5–10Punkte).ZusätzlichmussderAntragstellerbelegen,dass er über ein Mindestmaß an finanzi-ellen Reserven verfügt (Alleinstehender:ca.7.500€; Familie mit zwei Kindern:ca.13.500€). Erreicht der Antragstellermindestens67von100Punkten,erhältereine unbefristeteArbeits- undAufenthalts-genehmigung. Nach drei Jahren Aufenthalt kannerdiekanadischeStaatsbürgerschaftbeantragen.
50 Fachkräftemangelbekämpfen–Wettbewerbsfähigkeitsichern
Angesichts wachsender Fachkräfteengpässe und des zunehmendeninternationalenWettbewerbsumdiebes-tenKöpfemussesgelingen,mehrausländischeFach-kräftenachDeutschlandzulocken.
DafürmusseinemodernearbeitsmarktorientierteZuwan-derungssteuerung, die gerade nicht wie in den letztenJahrzehnten eine ungesteuerte Zuwanderung mitunter auchindiesozialenSystemebeinhaltet,diebessereAus-schöpfung aller inländischenArbeitskräftepotenziale er-gänzen.FachkräfteausallerWeltsollenwissen,dasssieinDeutschlandgebrauchtwerdenundwillkommensind.EinzentralerAnsatzpunkthierbeiistdieEinführungeinesbedarfs- und qualifikationsorientierten Punktesystems,dastransparentmacht,nachwelchenKriterienFachkräf-tezuwandernkönnen,unddasdieBarrieren fürqualifi-zierteEinwanderungswilligeabsenkt.MiteinemsolchenPunktesystem können Engpässe bei gefragten Qualifi-kationenverringertundverstärktZuwanderergewonnenwerden, die aufgrund ihrer persönlichenQualifikationengute Voraussetzungen für eine zügige, nachhaltige In-tegration inBeschäftigung undGesellschaftmitbringen.Andere Länder wie Kanada oder Australien haben mitPunktesystemenguteErfahrungengemacht underfolg-reichFachkräfteausallerWeltangelockt.
Unabhängig von der Einführung eines Punktesystemsals langfristig positiv wirkende Potenzialzuwanderung(MenschenmitbesseremPotenzialalsderDurchschnittderheimischenBevölkerung)sindspezifischeReformenimZuwanderungsrechterforderlich.Vorallemsindauchkurzfristige Anwerbemöglichkeiten nötig, weil konkreteArbeitsplätze für hochqualifizierte Spitzenkräfte schonjetztoftnichtbesetztwerdenkönnen.Dafürsindschnellumsetzbare Änderungen am Zuwanderungsrecht erfor-derlich.
kurzfristig dringend notwendige reformenim Zuwanderungsrecht
� Abschaffung der bürokratischen Einzelfall-Vorrangprü-fung,dazuineinemerstenSchritt:NutzungderbereitsbestehendengesetzlichenMöglichkeit,denVorrangfüreinzelneBerufsgruppen(insbesondere IngenieureundIT-Fachkräfte) und Wirtschaftszweige pauschal undnicht in jedem Einzelfall zu prüfen.
� Absenkung der Einkommensgrenze für dieNiederlas-sungserlaubnisHochqualifizierter(Spezialistenundlei-tendeAngestelltemitbesondererBerufserfahrung)von66.000€auf40.000€;zumVergleich:EinJuniorprofes-sorinBerlinerhälteinGrundgehaltvon41.000€.
� Einführung einer „Blanket Petition“ zur ErleichterungdesinternationalenPersonalaustauschsinnerhalbmul-tinationaler Unternehmen. Dabei strafft die Erteilungeiner Vorabgenehmigung für die Beschäftigung aus-ländischer Arbeitnehmer das Verfahren erheblich. ImGegenzugmussdasUnternehmenversichern,dassesnotfalls für Lebensunterhalt und Krankenversicherungwährend der Dauer des Aufenthalts der ausländischen Arbeitnehmer und für eventuell anfallende Rückfüh-rungskostenaufkommt.
� Dauerhafte Aufenthaltsperspektive für ausländischeAbsolventendeutscherHochschulen,dieinnerhalbei-nesJahreseinenJobgefundenhaben(bisherzunächstnurdreiJahreAufenthaltserlaubnis).
„Hinter jeder unbesetzten Ingenieurstelle steht eine Sekretärin, ein technischer Zeichner,
ein Pförtner, die dadurch keine Arbeit haben. In Mangelberufen brauchen wir zusätzlich qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland. Allerdings nur die, die zu uns passen, die
das Land voranbringen und die Arbeit schaffen.“
Dr.UrsulavonderLeyen,BundesministerinfürArbeitundSoziales
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An der Publikation mitgewirkt haben:
institut der deutschen Wirtschaft (iW köln)
arbeitgeberverbände und bildungswerke der Wirtschaft
ArbeitgeberverbandderDeutschenKautschuk- industriee.V. ArbeitgeberverbandderVersicherungs-
unternehmen in Deutschland ArbeitgeberverbandPflegee.V. ArbeitgeberverbandRegionBraunschweige.V. BildungswerkderBaden-Württembergischen Wirtschafte.V. BildungswerkderNordrhein-Westfälischen Wirtschafte.V. BildungswerkderThüringerWirtschafte.V. BundesarbeitgeberverbandChemiee.V. BundesarbeitgeberverbandGlasundSolare.V. BundesverbandderSystemgastronomiee.V. BundesverbandDruckundMediene.V. BundesverbandGarten-,Landschafts-und Sportplatzbaue.V.HausderLandschaft BundesverbandGroßhandel,Außenhandel, Dienstleistungene.V. DeutscherBauernverbande.V. DeutscherHotel-undGaststättenverbande.V. DieUnternehmensverbändeimLandeBremene.V. DRVDeutscherReiseVerbande.V. EuropäischesBildungswerkfürBeruf undGesellschafte.V. GESAMTMETALLGesamtverbandderArbeitgeber- verbändederMetall-undElektro-Industriee.V. GesellschaftfürArbeitsmarkt-undStrukturpolitik– InstitutderSchleswig-Holsteinischen Unternehmensverbändee.V. HandelsverbandDeutschland Handwerkskammer Berlin HauptverbandderDeutschenBauindustriee.V. LandesvereinigungUnternehmerverbände
Rheinland-Pfalz METALLNRWVerbandderMetall-undElektro- IndustrieNordrhein-Westfalene.V. StifterverbandfürdieDeutscheWissenschafte.V. StiftungderDeutschenWirtschafte.V. UnternehmerverbändeNiedersachsene.V. VerbandderPapier,PappeundKunststoffe verarbeitendenUnternehmeninBerlin,Brandenburg undMecklenburg-Vorpommerne.V. VerbandDeutscherMaschinen-undAnlagenbaue.V. VerbanddeutscherUnternehmerinnene.V. VerbanddiakonischerDienstgeberinDeutschlande.V. VereinderZuckerindustrie,BüroBerlin
VereinigungderArbeitgeberverbändederDeutschen Papierindustriee.V. VereinigungderBayerischenWirtschafte.V. VereinigungderhessischenUnternehmerverbändee.V. VereinigungderSaarländischenUnternehmens- verbändee.V. VereinigungderSächsischenWirtschafte.V. VereinigungderUnternehmensverbändefür Mecklenburg-Vorpommerne.V. VereinigungderUnternehmensverbändeinBerlin undBrandenburge.V. WuppertalerKreise.V.–Bundesverband betrieblicheWeiterbildung ZentralverbanddesDeutschenHandwerks ZentralverbandGartenbau
unternehmen
AirbusOperationsGmbH BASF SE CurrentaGmbH&Co.OHG Deutsche Bahn AG DIS AG E.ONServiceGmbH EADSDeutschlandGmbH FlughafenMünchenGmbH ISHBildungs-undBeratungs-GesellschaftmbH K+SAktiengesellschaft Lufthansa Technik AG ManpowerGmbH&Co.KGPersonaldienstleistungen Nestlé Deutschland AG NordzuckerAG PHOENIXCONTACTGmbH&Co.KG STARTZeitarbeitNRWGmbH ThyssenKruppSteelAG ThyssenKruppSteelEuropeAG UnileverDeutschlandHoldingGmbH
bda |BundesvereinigungderDeutschenArbeitgeberverbände
MitgliedvonBUSINESSEUROPE
hausadresse:Haus der Deutschen WirtschaftBreiteStraße29,10178Berlin
briefadresse:11054 Berlin
t+49302033-1400F+49302033-1405
Stand:Dezember2010
ISBN 978-3-938349-58-8
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