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    FachwerkFachwerkEntwicklung, Instandsetzung, Neubau

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    Manfred Gerner

    chwerkFachwerkEntwicklung, Instandsetzung,Neubau

    Deutsche Verlags-AnstaltMnchen

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    Bibliograsche Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliograe; detaillierte bibliograsche Datensind im Internet ber http://dnb.ddb.de abrufbar.

    Diese Ausgabe wurde auf chlor- und surefrei gebleichtem,alterungsbestndigem Papier gedruckt.

    1. Auage

    Copyright 2007 Deutsche Verlags-Anstalt, Mnchen,in der Verlagsgruppe Random House GmbHAlle Rechte vorbehaltenSatz und Layout: Andrea Mogwitz und Rainald Schwarz, MnchenGesetzt aus der FrutigerLithographie: ReproLine Genceller, MnchenDruck und Bindung: Printer TrentoPrinted in ItalyISBN: 978-3-421-03575-2

    www.dva.de

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    Zur Einfhrung

    Seit dem ersten Band Fachwerk, geschrieben zu einer Zeit, in derman sich Fachwerk hug nicht als Bauweise fr die Zukunft vor-stellen konnte, hat sich kaum das historische Fachwerk wohl aberdie Fachwerkwelt verndert. Die Bauweise ist wieder gesell-schaftsfhig geworden, zu Lasten des Baugefges sogar zur

    Mode. Gesetzliche Regelungen der europischen Normen, aberauch zum Beispiel der Energieeinsparverordnung fordern Anpas-sungen. Die Forschung zum Baugefge hat seit den groen Sch-ben in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in denletzten Jahrzehnten nur kleine Schritte gemacht, whrend die Ent-wicklungen und Normen zum Baustoff Holz, zu Holzqualitten undHolzschutz, auch in Verbindung mit industriellen Entwicklungen,mit Riesenschritten voranschreiten. Diesen Schritten ist im Einzel-nen nur schwer zu folgen. Architekt, Ingenieur, Zimmermeister,Malermeister und Denkmalpeger mssen den Rahmen wie dieEckpunkte, aber auch die geschichtlichen Hintergrnde fr die Ent-scheidungen im Tagesgeschft kennen.

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    Auf Grundlage der Kenntnis historischer Konstruktionen das rich-tige bauliche, rechtliche und wirtschaftliche Ma zu nden, um demFachwerkbau eine Zukunft zu bieten das ist das Ziel des Buchsmit seiner thematischen Bandbreite von den Anforderungen an dasHolzskelett ber Ausfachungen, Putz und Farben bis zu den Fragen

    der Wrmedmmung oder der Freilegungswrdigkeit. Dies in einemeinzigen Band zusammenzufassen ist nur durch Konzentration aufdas Wesentliche mglich. So dient die Baugeschichte des Fach-werks nicht der Darstellung des Forschungsstandes, sondern alleinals Grundlage fr den Sanierungsplaner gleich aus welchemFachbereich , als magebliche Basis fr das Sanierungskonzept.Die quantitative und qualitative Auswertung von Gewhrleistungs-fllen, bis hin zu Streitverfahren vor Gericht, zeigt die Unvollkom-menheit im Umgang mit dem historischen Baugefge Fachwerk,die Schwierigkeiten, aus dem Ist-Zustand das geeignete, nachhal-tige und damit auch zukunftstrchtige Sanierungskonzept zu ent-wickeln. Zahlreichen erfolgreichen Sanierungen mit geeignetenNutzungen und hohen Wohn- und Lebensqualitten stehen zu viele

    Manahmen gegenber, die den doch so leicht zu erringenden Er-folg vermissen lassen.Der vorliegende Band macht daher Probleme nicht nur sichtbar,sondern zeigt auch eine ganze Reihe von Lsungen auf, es ist damitein Sanierungsleitfaden fr die Praxis. Um diesem Anspruch gerechtzu werden, sind die Fakten etwa der Reihenfolge der Arbeitenentsprechend auf der Basis von Erfahrungen, Forschungsstand,Stand der Technik und rechtlichen Ansprchen aufgearbeitet. Diewichtigsten Kriterien fr die einzelnen Arbeiten und Gewerke sind jeweils zusammenfassend in Kurzform in den Anforderungenherausgestellt. Der wissenschaftliche Apparat ist mit Rcksicht auf

    die Verwendbarkeit in der Praxis klein gehalten. Anmerkungen er-setzt jeweils der Hinweis auf die direkt benutzte sowie weiterfh-rende Literatur.Fachwerk, wnschte ich, wre nie erfunden, meint Vitruv amEnde des zweiten Buches seiner Zehn Bcher ber Architektur,

    etwa 30 vor Christus. Vitruv schreibt dies unter dem Eindruck derschon im Niedergang begriffenen und von vielen Brnden heimge-suchten Stadt Rom. Folgt man dem Text weiter, so wird erkennbar,dass bereits im Rom vor Christi Geburt den Steinbau als diereichere Bauweise galt, aber vor allem, dass auch schon in Romden Anforderungen an Holzkonstruktionen, zum Beispiel der Hheder Schwellen, nicht die notwendige Mindestbeachtung geschenktwurde. Die grundlegenden Anforderungen und Bedingungen, vomMaterial Holz bis zur Bauphysik mit dem schwierigen EinzelthemaFeuchte, haben sich nicht gendert. Wir verfgen heute aber bereine ausgereifte Technik und ausgereifte Materialien, mehr nochber ausgereifte Untersuchungs- und Sanierungsmethoden, die eserlauben, Fachwerkbauten ber viele Jahrhunderte zu erhalten und

    zu nutzen. Es gibt keinen Grund mehr, in Vitruvs Sthnen einzu-fallen.Fachwerk will zu erfolgreichen Sanierungen beitragen, und derAutor wnscht allen, die an Fachwerksanierungen beteiligt sind,dass sie dabei das notwendige Fachwissen einsetzen, vor allemaber, dass sie mit erfolgreichen Sanierungen dem Fachwerk eineZukunft sichern.

    Fulda, im Mrz 2007Manfred Gerner

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    FachwerkgefgeFachwerkbauten, auch Bindwerk, Riegelwerk oder Stnderwerkgenannt, sind Skelettkonstruktionen, bei denen die gesamten Las-ten und Krfte von tragenden Hlzern bernommen werden, wh-rend raumabschlieende, aber nicht tragende Wandteile denWandabschluss bilden.

    Zum Verstndnis der Entwicklung der Fachwerkgefge und desFachwerkbaus gehrt das Wissen um die grundstzlichen Wand-konstruktionen mit Holz. Unter Beachtung aller Vorstufen gibt es imHolzbau weltweit nur drei verschiedene Arten des Wandaufbaus:Blockbau, Stabbau, Fachwerk.Alle Abwandlungen und Kombinationen dieser grundstzlichenWandgefge, vom Stnderbohlenbau bis zum modernen Holzrah-menbau, grnden jeweils auf einer der drei Basiskonstruktionen.

    BlockbauIn vorgeschichtlicher Zeit entwickelte sich insbesondere dort, woausreichend langfaserige Weichhlzer vorkamen, der Blockbau.Eine frhe Form gut verzimmerten Blockbaus ist in Gestalt von

    Brunnenschchten aus starken Eichenbohlen durch Ausgrabungensdlich von Leipzig aus der Zeit um 5200 vor Christus und bei Er-kelenz aus der Zeit um 5090 vor Christus nachgewiesen. [Gerner2000]Mit groer Wahrscheinlichkeit wurden Blockkonstruktionen um3000 vor Christus auch bereits fr den Hausbau verwendet. Fr dieBronzezeit sind Blockbauten im keltischen Siedlungsraum unteranderem in der Wasserburg Buchau am Federseemoor in Ober-schwaben belegt. Die lteste Siedlung Buchau wird um 1100 vorChristus gebaut und weist berwiegend einrumige Blockhuser,aber auch Flechtwandbauten auf. Die Blockwnde bestehen aus

    Kiefernstmmen. An den sich berschneidenden Ecken mit Vorholzsind die Stmme sauber ineinander gekerbt. Der Komfort der Ge-bude hat bereits eine bedeutende Entwicklungsstufe erreicht. Sohaben die Huser eine Bretterdecke ber dem Erdgeschoss undkleine Fensterffnungen mit Holzschiebelden. Die Eingnge ben-

    den sich in den Giebelseiten.In geschichtlicher Zeit ist die Entwicklung des Blockbaus in Regi-onen mit berwiegend langfaserigem Weichholz von zum BeispielLrchen und Fichten mit ihren langen, geraden, nur von wenigensten gestrten Stmmen deutlich nachzuweisen: in Skandinavien,Finnland, Polen, Russland, Schlesien, in den Karpaten und Alpen-lndern, also in Nord- und Osteuropa.Die Wnde von Blockbauten bestehen aus runden, halbrundenoder vierkantigen horizontal bereinander gelegten Blockhlzern,wobei die entscheidenden Entwicklungsschritte mit der Ausbildungsteifer Ecken durch berkreuzung der Blockhlzer und/oder raf-nierter Holzverbindungen, der Einbindung der Zwischenwnde undder Fugenausbildung zwischen den Blockhlzern zusammenhn-

    gen. In Nord- und Osteuropa wie in ganz Russland wurde dasBauen ber Jahrtausende und teilweise bis heute vom Blockbaubestimmt. [Phleps 1967]

    StabbauDer Stabbau wurde aus nebeneinander in die Erde geschlagenenHlzern zu Rahmenkonstruktionen mit eingestellten senkrechtenHlzern entwickelt. Das Steinzeitdorf Riedschachen im oberschw-bischen Federseemoor besteht aus 70 bis 80 Quadratmeter groen,rechteckigen Husern mit mehreren hintereinanderliegenden Ru-men. Den Bodenbelag dieser Huser bilden 10 bis 15 Zentimeter

    Fachwerkgefge undFachwerkgefge undFachwerkentwicklungFachwerkentwicklungin eutschlandin Deutschland

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    dicke gespaltene Jungstmme. Die Wnde setzen sich zusammenaus senkrecht gestellten Spaltbohlen von 3 bis 4 Zentimetern Dickeund einer Hhe von etwa 2 Metern, darber liegen Deckenbalkenmit etwa 60 Zentimetern Abstand und mit Schilf eingedeckte Spar-rendcher. Die Bden sind mit einer etwa 10 Zentimeter dickenLehmschicht versehen, die Spaltbohlenwnde mit Lehm beworfen.Stabbauten gab es besonders im Norden Europas und, wie er-whnt, auch in Deutschland. Von den ursprnglich mehr als tau-send Stabkirchen Norwegens sind heute noch etwa 30 originalerhalten. Die Stabkirche in Hahnenklee bei Goslar ist ein grnder-zeitlicher Bau.

    FachwerkFachwerkbauten sind holzsparende Skelettkonstruktionen. DasSystem entwickelte sich von den ersten Zeltbauten ber Pfahl- undPfostenbauten bis zu den ausgereiften Fachwerkkonstruktionendes Mittelalters. Die eingeschlagenen Pfhle oder eingegrabenen

    Pfosten hatten durch die Einspannung im Boden den Vorteil,

    ohne Horizontalaussteifungen auszukommen, aber den schwerwie-genden Nachteil, dass sie sptestens nach einer Generation, nachetwa dreiig Jahren, abgefault waren und die Huser neu errichtetwerden mussten. Deshalb hob man den ganzen Bau ber den Bo-den. Aus Pfhlen und Pfosten wurden Stnder, die auf Sockelstei-nen standen oder bereits auf durchgehenden Schwellen, zumindestaber zur Fixierung mit Schwellriegeln ausgestattet waren. [Binding,Mainzer, Wiedenau 1975] [Gerner 1998]Ein Vorlufer des Fachwerks waren die Bohlenstnderbauten, auchBohlenstnderwerk oder Blockstnderwerk genannt, die insbeson-dere zwischen Neckar und Bodensee beheimatet waren. Bei diesenBauten wird das Wandgefge aus eingenuteten Stndern mit darineingesetzten waagerechten Bohlen gebildet.Die ltesten noch original erhaltenen Fachwerkbauten stammenaus der zweiten Hlfte des 13. Jahrhunderts (Esslingen 1262, 1267,Bad Wimpfen 1266, Gttingen 1276, Limburg 1289/1290, Amor-bach 1290, Frankfurt-Sachsenhausen 1291/1292, und Eichsttt

    1292). Im mittleren Deutschland wurden die frhen Fachwerkkons-truktionen durchweg als Geschossbauten errichtet, das heit dieBund- und Eckstnder wurden durch alle Geschosse hindurchge-fhrt. Diese Geschossbauweise hat eine Reihe von Nachteilen. Mankann die Bauten auf der Traufseite nicht auskragen lassen, manbraucht insbesondere bei drei oder vier Geschossen sehr lange, ge-rade Stmme, wie sie nicht ausreichend zur Verfgung standen, und

    Fachwerk. Die holzspa-rende Skelettkonstruk-tion geht auf Holzkons-truktionen der mittle-

    ren Steinzeit zurckund hat sich in Mittel-europa gegenberBlock- und Stabbaudurchgesetzt.

    Bohlenstnderwandmit krftigen ca. 30mal 30 cm starkenStndern und ca.15 cm dicken Bohlen

    Gefge eines mittel-deutschen Fachwerk-baus mit zweiSchotten in denEbenen der First-sulen, dreizonigmit Erschlieungvon der Traufseite

    Gefge eines nieder-deutschen Zwei-stnderhallenhauses,dreischifg mit derErschlieung vomGiebel

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    12 || 13 Fachwerkgefge und Fachwerkentwicklung in Deutschland

    Die Gabel, in die derFirstbaum oder einePfette oder eingelegtwurde, gehrt zu denfrhesten Holzverbin-dungen.

    das Verzimmern und Aufrichten von mehrgeschossigen Geschoss-bauten erfordert eine groe Anzahl von Zimmerleuten.Schon im 14. Jahrhundert setzten die Zimmermeister eine neueKonstruktionsweise ein, die Stockwerksbauweise; ber ein Stock-werk wird eine Balkenlage, meist auskragend, gelegt und dann dasnchste Stockwerk errichtet, konstruktiv vllig unabhngig vomStockwerk darunter. Ein frhes Beispiel dafr ist das Haus Kirch-platz 1 in Kobern an der Mosel aus dem Jahr 1320/1321. Mit dieserBauweise haben sich zwei grundstzlich unterschiedliche konstruk-tive Gefge entwickelt.In Niederdeutschland entstand das Hallenhaus mit einem innerenTraggerst aus Gebinden, die mit je zwei Stndern und einem Bal-ken darber in einem Abstand von 2 bis 3 Metern hintereinanderaufgestellt werden. Durch die angefgten Abseiten wird der Haus-grundriss dreischifg, senkrecht zur Strae, die Erschlieung erfolgtber den Straengiebel. In der Weiterentwicklung des Zweistnder-gerstes entstand der Vierstnderbau, indem die Dielenbalken bisauf die Auenwnde durchgefhrt wurden. Der dreischifge Grund-riss blieb dabei unverndert.In Mittel- und Oberdeutschland wurden Fachwerkkonstruktionenentwickelt, die aus tragenden Auenwnden mit aussteifendenund ebenfalls tragenden Querwnden (meist zwei) bestehen. Sindes zwei Querwnde, entsteht ein dreizoniger Grundriss, dessen Er-schlieung von der mittleren Zone der Traufseite erfolgt.Zeigt die Grundrissanordnung nur zwischen Nord- und Sddeutsch-land grundstzliche Unterschiede, lassen die Wandgefge immernoch grob vereinfacht zunchst drei gut voneinander zu unter-scheidende Formen erkennen. Zum leichteren Verstndnis des Bau-gefges seien hier zunchst die Einzelelemente begrifich deniertund im Anschluss die Gefgeentwicklung detaillierter dargestellt.

    BegriffeDie Begriffe fr den Bereich der Fachwerkgefge gehen nahezu alleauf Begriffe des allgemeinen Gebrauchs zurck, etwa auf die ur-

    sprngliche Lage, die Anordnung und die Funktion der Bauele-mente und Hlzer. Fachwerkbauen stand ber Jahrhunderte ganzallgemein fr Bauen; so sind viele Begriffe fr den Bereich des Bau-ens aus der Sprache des Fachwerkbaus entlehnt. Hierfr werdenzunchst einige Beispiele angefhrt, dann folgt, mit dem BegriffSchwelle beginnend, die Erluterung der wichtigsten Teile desFachwerkgefges.

    Gabel/GiebelAus der Gabel, die den Firstbaum trug, wurde der Begriff Gie-bel.

    Winden/Wand

    Das Auswinden der Stakung in den Fachwerkgefachen fhrteber das Wort Winden zu dem Begriff Wand.

    Durchgeschossen | GeschossDie Balken von Geschossbauten wurden in die Stnder ein-oder in Form des Zapfenschlosses durchgezapft = durch-geschossen: der Ursprung des Begriffs Geschoss.

    Zementieren | KlaibenDer Beruf des Zementierers, des Lehmbauers oder Klaibers,stammt aus dem Fachwerkbau.

    Schwelle | GrundschwelleDer Begriff Schwelle kommt vom mittelhochdeutschenswelle fr den Grundbalken des Hauses, der auch unter der Trff-nung durchlief. [Duden, Etymologie 1963] Fr die Erd-geschossschwelle wird einheitlich der Begriff Schwelle ver-wendet, gelegentlich auch Grundschwelle.

    Stockschwelle | Balkenschwelle | Saumschwelle |Setzschwelle | Vorschwelle

    Fr die Schwellen des 1. Obergeschosses oder der Ober-geschosse wurden und werden heute noch vereinzelt unter-schiedliche Wortzusammensetzungen verwendet, wie Stock-schwelle, Balkenschwelle, Saumschwelle, Setzschwelle undVorschwelle.

    SchwellriegelIst die Schwelle nicht durchgehend als Schwellenkranz ausge-bildet, sondern in Teilen, in Form von Furiegeln zwischen dieStnder und Bundstnder gezapft, bezeichnet man die Schwel-le als Schwellriegel.

    StnderDer Begriff Stnder gehrt zu den Wrtern Stand oder Stehen.Im Mittelhochdeutschen verwendete man den Begriff Standfr den Ort des Stehens, abgeleitet von stehen oder stellen.[Duden, Etymologie 1963] Im Gegensatz zu den angespitztenund eingeschlagenen Pfhlen von Pfahlbauten oder den untenrechtwinklig abgeschnittenen und eingegrabenen Pfosten vonPfostenbauten verweist der Begriff Stnder auf den freien und/oder festen Stand ber dem Boden zwischen Schwellriegelnoder auf Schwellen.Stnder werden gegliedert in Eckstnder, Feldstnder oderWandstnder innerhalb einer Wand oder Stnder mit Sonder-funktionen, z. B. eine Tre begrenzend als Trstnder oder einFenster begrenzend als Fensterstnder. Fensterstnder wer-den, wenn sie nur zwischen Brstungsriegel und Rhm rei-

    chen, auch als Beistnder oder Fensterstiele bezeichnet. Bund-stnder sind die Stnder in den Auenwnden, auf denenUnterzge auiegen, mehr noch Stnder, an die tragende In-nenwnde (Bundwnde) anschlieen.Frher wurden, regional sehr unterschiedlich (und begrifichfalsch), Stnder auch als Pfosten, Stiele oder Sulen bezeich-net.

    KlebestielEine Ausnahme unter den sonst leicht nachvollziehbaren Be-griffen macht der Klebestiel. Wollte man an eine Auenfach-werkwand nachtrglich eine Innenwand anfgen, konnte manden Eckstnder dieser Innenwand nicht in das Auenwandge-

    fge einbinden, sondern musste ihn innen vor die Auenwandsetzen, d. h. vor die Wand kleben. Daraus entstand der Be-griff fr diesen eigentlichen Stnder.

    SuleAls Sulen werden quadratische, abgefaste, sechseckige, acht-eckige oder runde freistehende Hlzer, z. B. zur Untersttzungvon Unterzgen, bezeichnet. Deshalb sollten auch die freiste-henden Stnder des Dachstuhls unter die Sulen oder Stuhl-sulen eingeordnet werden. Halbsulen sind einer Wand vor-gesetzt oder aus einem Stnder herausgearbeitet.

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    Rhm | Rhmholz | Wandrhm | RahmenDas als oberer Abschluss, quasi als Vervollstndigung des Rah-mens auf die Stnder aufgebrachte, meist aufgezapfte, waage-rechte Holz.

    RiegelZur waagerechten Untergliederung in Gefache werden dieFelder zwischen den Stndern ausgeriegelt. Das Wort ausrie-geln wurde im Sinne von verriegeln, zuriegeln, zusperren, ver-sperren verwendet. Daraus entstand dann der Begriff Riegelfr das entsprechende sperrende Holz.Bis etwa zum Ende des 15. Jahrhunderts wurden die Brstungs-riegel noch durchgehend auen aufgeblattet, spter dann teilweise auch schon frher zwischen die Stnder gezapft.

    Brstungsriegel | Brustriegel | Fenstersturzriegel | Tr-sturzriegel | Wandriegel | Fachriegel | Halsriegel |Kopfriegel

    Neben riegellosem Fachwerk kommen Wandkonstruktionenmit einem bis fnf Riegeln bereinander vor. Der Riegel unter-halb der Fensterbrstung wird als Brstungsriegel bezeichnet,die Riegel ber Fenstern und Tren als Fenster- oder Trsturz-riegel. Bei zwei Riegelketten heit der obere Riegel Wand- oderFachriegel, bei drei Riegelketten der darberliegende RiegelHalsriegel. Bei vier Riegelketten schlielich unterscheidet manzwischen Brstungs-, Fach-, Wand-, Hals- und Kopfriegeln.

    Horizontalaussteifung | Verschwertung | SchwertungMit dem Herausheben aus der Erde, d. h. dem Wechsel vonPfahl- und Pfostenbauten zu Bauten auf Schwellen oderSchwellriegeln entel die einspannende Wirkung von Pfos-ten oder Pfhlen, und die Fachwerkhuser mussten zur Auf-nahme der horizontalen Lasten, insbesondere der Windkrfte,ausgesteift werden. Obwohl auch bei den frhesten noch ste-henden Bauten bereits Kopf- und Fubnder sowie Strebenvorkommen, muss als lteste und einfachste Aussteifungs-

    methode die Schwertung in Form von ber ein Geschoss, meh-rere oder alle Geschosse auen aufgeblatteten oder aufgena-gelten bohlenartigen Hlzern den Schwertern angesehenwerden. Schwertungen sind heute noch an einigen Fachwerkendes 13. bis 15. Jahrhunderts insbesondere im mittlerenDeutschland zu nden.

    StrebeDas Verb streben geht wie das Wort starr wahrscheinlich aufeine indogermanische Wurzel zurck und bedeutete steif sein,aber auch sich bewegen, kmpfen. Daraus entwickelte sich derBegriff Strebe fr schrge Sttze oder verstreben fr mit Stre-ben versteifen. [Duden, Etymologie 1989]

    Langstrebe | VollstrebeAls Langstreben, gelegentlich auch Vollstreben, werden alleStreben bezeichnet, die von der Schwelle bis zum Rhmholzreichen. Im Normfall zeigen die Streben in Eckbereichen mitihrem oberen Ende immer nach auen.

    KurzstrebeKurzstreben sind im Unterschied zu den Langstreben alle Kopf-und Fustreben, die von der Schwelle oder dem oberen Rhm-holz, zum Beispiel halbgeschosshoch, in die Stnder eingezapft

    Fachwerkwandgefgemit den gebruchlichenBegriffen der einzelnen

    Hlzer

    oder angeblattet sind. Zu ihnen gehren Kopfbnder und Fu-bnder sowie Andreaskreuze in Brstungshhe wie auch An-dreaskreuze, die vom Brstungsriegel zu den Rhmhlzernreichen.

    FustrebeFustreben sind alle Streben, die gerade oder auch viertel-kreisfrmig, z. B. in Form von Fubndern, zwischen Schwelleund Stnder angeordnet sind. Zu den Fustreben gehrenauch die meist dreiviertelgeschosshohen Streben, die sozusa-gen die Beine eines Mannes (vgl. S.14) bilden. Viertelkreis-frmige Fustreben werden regional auch als Radstreben be-zeichnet.

    KopfstrebeAlle Streben zwischen Stnder und Rhmhlzern werden als

    Kopfstreben bezeichnet. Dazu gehren die Streben, die alsGegenstreben die Arme eines Mannes bilden, aber auch dieKopfbnder.

    ber drei Geschossereichende Schwertereines sptmittelalter-lichen Fachwerkhausesin Alsfeld

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    14 || 15 Fachwerkgefge und Fachwerkentwicklung in Deutschland

    Fachwerkverstrebung inForm eines Mannes

    Klammerbug | WandbugDer Klammerbug ist die seltener vorkommende Form einerwandhohen, geraden oder geschweiften Strebe, die zur Hori-zontalaussteifung ber einen Stnder geblattet ist, so dass deruntere Teil wie eine Fustrebe zum Stnder reicht, whrendder obere Teil wie eine Kopfstrebe fungiert. Klammerbge wur-den hauptschlich im 18. und 19. Jahrhundert im nrdlichenWrttemberg verzimmert.

    Strebenkreuze | KreuzstrebenZu den Strebenkreuzen gehren alle brstungshohen, halbge-schosshohen und geschosshohen Andreaskreuze, aber auchein groer Teil der Bundverstrebungen aus der bergangszeit.Als bergangszeit bezeichnet Walbe fr das mittlere Deutsch-land die Zeit von ca. 1470 bis 1550, den bergang vom mit-telalterlichen zu neuzeitlichen Fachwerk.

    EinzelverstrebungenBis etwa 1470 wurden die Stnder einzeln, d. h. mittels Fu-und Kopfbndern verstrebt. Dann gaben die Zimmermeisterdie Einzelverstrebung zugunsten der Bundverstrebung allmh-lich auf.BundverstrebungenDie Bundverstrebung besteht aus Strebenkreuzen an Eck- undBundstndern, jeweils aus zwei geschosshohen, dreiviertel-geschosshohen oder Kombinationen von dreiviertelgeschoss-hohen und halbgeschosshohen Streben und Gegenstreben-paaren.

    Mann | Wilder Mann | Hessenmann | Dambedei |

    Schwbisches Mnnle | Schwbisches Weible |Schwbisches KindleDie Begriffe Mann, Wilder Mann, Hessenmann, SchwbischesMnnle, Schwbisches Weible, Schwbisches Kindle werdenregional sehr unterschiedlich, auch fr unterschiedliche Ver-strebungsformen verwendet. Im Allgemeinen werden die Stre-benkreuze der bergangszeit als Wilde Mnner bezeichnet,whrend die weiterentwickelte Verstrebung aus dreiviertelge-schosshohen Fustreben und Kopfwinkelhlzern, im bestenFall auch mit Gegenstreben (Armen), Mann oder Hessenmanngenannt wird. Mannformen kommen in Wrttemberg erstmals

    um 1540 z. B. an Schloss und ehemaliger Groer Herbergein Kirchheim unter Teck vor. In Hessen sind die frhesten Mn-ner am Reichelsheimer Rathaus, 1554, und am MelsungerRathaus, 1556, zu nden. Hans Hermann Reck geht davon aus,dass auch die direkten Vorlufer der Mnner in Wrttembergzu nden sind: Der Manngur sehr hnliche Formen, bei de-nen lediglich im Unterschied zur neuzeitlichen Ausprgung dieStreben aufgeblattet sind, nden sich hingegen im kernwrt-tembergischen Gebiet, so am Klsterle bei Bad Cannstatt(Stuttgart) von 1463 bzw. 1475. [Reck 2002]

    Fu- und KopfbandFu- und Kopfbnder sind die insbesondere in der handwerk-lichen Tradition gebrauchten Begriffe fr die viertel- bis drittel-geschosshohen Streben zwischen Schwelle und Stnder (Fu-bnder) oder Stnder und Rhm (Kopfbnder).Fu- und Kopfbnder wurden bis in das 16. Jahrhundert, inEinzelfllen bis in das 18. Jahrhundert, angeblattet, wobei dieBltter mit einem Prol oder mit Haken bzw. Schwalben-schwnzen ausgerstet waren und damit Zugkrfte aufneh-men (binden) konnten. Die Kopf- und Fubnder wurden abder Mitte des 16. Jahrhunderts dann zunehmend eingezapft.Mit den Zapfen knnen nur Druckkrfte aufgenommen wer-den, es kann nicht mehr gebunden werden und deshalb ist derBegriff Band eigentlich nicht mehr passend, er hat sich abererhalten.

    Fu- und KopfwinkelholzStatt Fu- und Kopfbnder einzusetzen wurden in die Eckenzwischen Schwellen und Stndern oder Stndern und Rah-menhlzern, die Ecken ganz ausfllend, hug dreieckfrmigeHlzer zur Aussteifung eingebaut, die als Fu- und Kopfwin-kelhlzer bezeichnet werden. Im Norden Deutschlands wurdeder Knotenpunkt Schwelle, Stnder und je zwei Fuwinkelhl-zer fr das charakteristische Motiv der geschnitzten Rosettengenutzt. In Westfalen bildete man die Fuwinkelhlzer als

    Viertelkreise aus, um auf diese Weise diese Rosetten nochdeutlicher darstellen zu knnen. Im Sden Deutschlands ver-vollstndigen Kopfwinkelhlzer das Bild des Mannes.

    Bge | KnaggeAls Bge oder Knagge wird das konsolartige Holz zur Unter-sttzung auskragender Deckenbalken bezeichnet. Es handeltsich um eine Sonderform des Kopfwinkelholzes mit Breiten biszu ca. 50 cm und Lngen bis ber 1,50 m. Genauer deniertfllen Knaggen das Dreieck zwischen Stnder und Balken vollaus, whrend Bgen hnlich einem Kopfband ausgebildetsind.

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    Vom Zelt zum FachwerkhausZelte in Kegelform aus einem Holzstangengerst, abgedeckt mitReisig oder Tierfellen, dienten den nomadisierenden Jgern Mittel-europas wahrscheinlich schon 12000 vor Christus als Witterungs-schutz. Die Zeltstangen als tragendes Skelett, mit der raum-abschlieenden Zelthaut sind als Ursprung des konstruktivenSystems Fachwerk zu sehen. Neben Zelten, Reisightten, Wohngru-ben und Wohnhhlen ist unter den Urformen menschlicher Behau-sungen das Firstpfostenhaus, die einfachste Art der Holzkonstruk-tion fr ein Haus, zu nden. Die Konstruktion aus natrlichen Ma-terialien erfordert auer dem Steinbeil und Messer keine Werkzeugeund nur eine geringe Bearbeitung des Holzes. An den Schmalseiteneines rechteckigen Grundrisses auf ebener Erde oder in Form einerWohngrube werden mittig Pfosten eingegraben. Die beiden End-pfosten, und eventuell zustzliche Pfosten dazwischen, halten innatrlichen Gabeln ein Rundholz als Firstpfette, an das sich auf derErde schrg aufgestellte Hlzer (Rofen) lehnen, die wiederum dieDachhaut aus Fellen, Reet, Stroh oder Reisig tragen.Der Wandel vom einfachen Httenbau zum konstruktiven Hausbau

    mit dem Merkmal der Trennung von Wand und Dachelementengeht einher mit der Entwicklung der Sammler und Jger zu sess-haften Bauern, die nach dauerhaften Behausungen strebten; er flltin Mitteleuropa in den Beginn der Jungsteinzeit, etwa 4000 vorChristus. Die ersten Pfostenbauten Mittelpfosten und Wandpfos-ten mit Pfetten, die das Dach tragen, und zwischen die Pfostengestellte, nicht tragende Auenwnde aus Reisig mit oder ohneLehmbewurf zeigen, wie die erwhnten Zelte, bereits das Grund-prinzip des Fachwerks: eine tragende Holzkonstruktion und raum-abschlieende nicht tragende Ausfachungen. Als Material fr dieKonstruktion dienen zunchst Eichen, Eschen, Weiden oder Bir-ken.Zahlreiche Bodenfunde, besonders in Moorbden, welche die Holz-

    siedlungsreste konservieren so um den Bodensee, in der Schweizund in Norddeutschland , geben exakte Aufschlsse ber Sied-lungs- und Hausformen bis hin zu den Verzimmerungsdetails.Spektakulrstes Grabungsergebnis ist derzeit ein jungsteinzeit-liches Haus in der Siedlung Hornstadt Hrnli am Bodensee, das um3800 vor Christus errichtet wurde. Seine Reste wie die daraus ab-geleitete Rekonstruktion weisen voll ausgeprgte Gabeln (Halsver-bindung) und Durchsteckzapfen in Form von Pfahlschuhen auf.Konstruktiv arbeitete man bei diesem Haus noch in zwei Ebenen, ineiner fr Boden und Wnde, getrennt davon in einer weiteren frdas Dach. [Schlichherrle 1997]

    Die von H. Reinerth in Unteruhldingen am Bodensee rekonstruier-ten Teile eines Pfahldorfes aus der Zeit um 2200 vor Christus zeigenstattliche, mehrrumige, rechteckige Pfostenhuser, wegen derUfernhe auf Pfahlrosten, mit Grundmaen von 6 x 10 Metern,senkrechten Wnden aus Flechtwerk mit Lehmverstrich und schilf-bedeckten Satteldchern. [Reinerth 1977]In der Bronzezeit werden bereits differenzierte Hausformen entwi-ckelt. Von der Nordseekste sind Pfostenbauten bekannt, die stattder Firstpfostenreihe je eine Pfostenreihe etwa unter dem oberenDrittelpunkt der Sparren aufweisen. Diese Konstruktion hat denVorteil geringerer Belastung der Sparren und besserer Erschlie-ungsmglichkeiten von der Giebelseite, da der mittige Pfostenfehlt. Ob diese Huser in Form einer dreischifgen Halle bereitsdirekte Vorlufer des niederdeutschen Fachhallenhauses sind, istnicht geklrt. Die Erschlieung von der Giebelseite und die Nutzungals Einhaus fr Menschen, Vieh und Vorrte sprechen allerdings freine solche These.An den Pfostenbauten mit Flechtwerk und Lehmbewurf fllt auf,dass der Firstpfosten nicht mehr immer bis auf den Boden gefhrt,sondern teilweise mit Balken ber dem Erdgeschoss abgefangen

    wird; so sind auch bei den Pfostenbauten mit Mittelpfosten besse-

    Rekonstruktion einesfrhen jungsteinzeit-

    lichen Hauses aus derSiedlung Hornstaad-Hrnle am Bodensee.Die Gabeln und Durch-steckzapfen sind vollausgeprgt. Konstruk-tiv arbeitet man nochin zwei Ebenen, eineKonstruktion fr Bodenund Wnde, getrenntdavon eine weitere frdas Dach.

    Zeltstangengerste, wiesie ab 12000 v. Chr.errichtet werden, bergenbereits die Idee desFachwerks: ein tra-gendes Gerst mitraumabschlieendenFllungen.

    Entwicklung vom Pfos-tenhaus zum mehrge-schossigen Haus mitAnkerbalken: 1. Wand-und Firstpfosten einge-graben, ab ca. 3000 v.Chr.; 2. bergang vomPfosten- zum Stnder-bau, bereits mit Anker-balken; 3. Geschossbau,Balken mit durchge-steckten Zapfen;4. Dreigeschossiges

    Gebude, ber demErdgeschoss durchge-steckte Zapfen, berdem 1. ObergeschossEinsteckzapfen.

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    16 || 17 Fachwerkgefge und Fachwerkentwicklung in Deutschland

    re Erschlieungsmglichkeiten ber die Giebelseite gegeben. DieDcher der Block- wie der Pfostenbauten sind steile, schilfgedeckteSatteldcher.In Mitteleuropa und in angelschsischen Lndern, wo kurzfaserigesLaubholz, im Wesentlichen Eichenholz, vorherrscht, entsteht dasFachwerk aus dem Pfostenbau mit ausgeprgten Zwischenstufenwie dem Stnderbohlenbau.Diese grobe Skizze der Entwicklung fut auf Ergebnissen der ar-chologischen Untersuchungen sowie auf den Untersuchungen dernoch stehenden ltesten Huser. Sie steht in einem gewissen Wi-derspruch zu einzelnen Aussagen von H. Phleps und zu der vonC. Schfer vertretenen These, dass das Haus der Germanen sich inerster Linie aus einem dreischifgen Hallenhaus entwickelte, paral-lel dazu bei den Kelten der Blockbau entstand und einzelne Ele-mente sowie Details des Blockbaus im alemannischen Fachwerk-

    bau aufgenommen wurden.Der Pfostenbau hat den groen Vorteil der Horizontalaussteifungdurch die in den Boden eingeschlagenen oder eingegrabenen,eingespannten Sttzen. Auf einer schon fortgeschrittenen Ent-wicklungsstufe des Pfostenbaus werden in Hhe des HausbodensSchwellriegel zwischen die Pfosten eingeschoben und die Wndeauf diese Riegel aufgesetzt. Im Hinblick auf das Gefge ist derPfostenbau bereits ein Fachwerk. Der Terminus Fachwerk hatsich jedoch ausschlielich fr Konstruktionen in Rhm- oder Stn-dertechnik mit Gefachfllungen aus Flechtwerk oder Steinen ein-gebrgert und soll deshalb hier so verwendet werden.Im Eingraben der Pfosten in die Erde liegt der grte Nachteil derPfostenkonstruktionen. Whrend trockenes Eichenholz fast unbe-

    grenzt haltbar ist und im Wasser immerhin eine Haltbarkeit von 700Jahren hat, bersteht es den Wechsel von Nsse und Austrocknungnur kurze Zeit. Im Bereich der Erdoberkante verfaulen die eingegra-benen Pfosten je nach Stammstrke deshalb innerhalb von 20 bis30 Jahren. Diesem Nachteil begegnet man schon in prhistorischerZeit dadurch, dass die Pfosten nicht mehr eingegraben, sondern aufUnterlagen meist ache Steine oder Halbhlzer gestellt wer-den. Damit ist eine weiter entwickelte Konstruktion, der Stnder-bau, gefunden, der durch steife Wnde oder schrg gestellte Hlzergegen Umkippen gesichert werden muss. Der Stnderbau mitSchwellriegeln hat jedoch noch immer Nachteile. So ist es schwer,

    die Stnder am Fupunkt zu xieren, auerdem kann Feuchtigkeitin das Hirnholz der Stnder leicht von unten her eindringen und einFaulen bewirken. Die Weiterentwicklung ist der Stnderbau aufdurchgehenden Schwellen, der sich aber erst im 15. Jahrhundertweitgehend durchsetzt. Der gesamte Bau, einschlielich aller Stn-der, wird auf einem unteren Schwellenkranz aufgesetzt, der seiner-seits durch ein Fundament aus der feuchten Zone herausgehobenist.Nicht nur die Wnde, auch die Innengefge sind mit den Entwick-lungen sptestens in der Bronzezeit vorgegeben. Im sdlichen undmittleren Deutschland bleiben neben weiteren Konstruktionen mitQuerschotten bis ins 14. Jahrhundert Firststnderbauten mit be-stimmend, auch wenn die Firststnder nicht mehr bis zum Erdge-schoss reichen, sondern von Balken der obersten Geschossbalken-lage abgefangen werden. Dieser Umstand fhrt dazu, dass dieGebude meist von der Traufseite erschlossen werden und die In-nenaufteilung auf Querwnden aufbaut. Die Querteilung ist Vor-aussetzung fr das Bundsystem, eines der wichtigsten konstrukti-ven Merkmale oberdeutschen und mitteldeutschen Fachwerks.Im Norden Deutschlands dagegen baut die Entwicklung auf demPfostenbau mit zwei inneren Pfostenreihen derart auf, dass die bei-den Pfosten weiter auseinander gerckt und durch einen Spannrie-gel ausgesteift, spter mit Ankerbalken verbunden werden. Soentstehen ein breiteres Mittelschiff und zwei schmale, niedrigereSeitenschiffe. In einer spteren Entwicklung werden an einschifgeHallenhuser mit Sparrendchern (also ohne Firstpfosten und First-pfette) beidseitig kleinere Seitenteile angebaut, deren Dcher sichan das Hauptdach anlehnen; auch hier ergibt sich also ein breitesMittelschiff mit zwei kleineren, in der Frhphase auch niedrigerenSeitenschiffen. Beide Konstruktionsarten mssen als Vorstufen desZwei- und spter des Vierstnderhauses, des klassischen nieder-deutschen Fachhallenhauses, angesehen werden. Aus der Art die-ser Hausgefge, ohne den strenden Firstpfosten im Giebel, erge-ben sich zwangslug die Erschlieung ber die Giebelseite unddie Lngsaufteilung der Gebude.

    HolzverbindungenAn den Holzverbindungen, die die eigentliche Verzimmerungstech-nik ausmachen, werden der hohe Grad des Knnens und die bereitshohe Entwicklungsstufe der vorgeschichtlichen Hausbauer sichtbar.Diese haben sich noch nicht in Berufe spezialisiert, sondern bauenihre Huser in der Familie oder in der Sippe.Die frheste bekannte Holzverbindung ist die Verschrnkung anden erwhnten Brunnen bei Leipzig und Erkelenz. Um 5000 vorChristus wurden demnach bereits vollendete Verschrnkungen ver-zimmert.Man muss davon ausgehen, dass zur gleichen Zeit, sptestens aber,

    mit dem Befund in Hornstaad-Hrnle, um 3800 vor Christus dienatrliche Gabel als Holzverbindung bekannt ist. [Gerner 1998]Gesichert werden diese Verbindungen durch das Verknoten mitSeilen. In Abwandlung der natrlichen Gabel entstehen Pfosten-scheren, wobei der Firstbaum in zwei nebeneinander eingegrabene,sich kreuzende, kurz unter ihrem oberen Ende zusammengebunde-ne Pfosten gelegt wird. Daneben kennt man Pfostenzangen, beidenen am oberen Stirnholz Kerben eingeschlagen sind oder, wei-tergehend, der Pfosten in Form einer Einhalsung tief ausgenommenist, wohinein die Firstpfette eingelegt wird. [Zippelius 1954] DasVerbindungselement der Firstgabel ist so bedeutend, dass das Wort

    Unteruhldingen: Pfos-ten- und Pfahlbautenmit Schwellriegeln undvon der tragendenKonstruktion unabhn-gigen Flechtwerk-wnden, mit Lehmvestrichen

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    Gabel in einer Abwandlung einem gesamten Gebudeteil spterseinen Namen gibt, dem Giebel.Die Sparren jungsteinzeitlicher Bauten ruhen in Kerben, also ist dieKlaue bereits bekannt. Auffallend ist, dass die Steinzeitmenschenverschiedene Arten von Verzapfungen als Verbindungskonstruk-tionen kennen. Sowohl einfache Steckzapfen als auch durchge-steckte Verzapfungen, ja sogar Zapfenschlsser werden angewen-det, wie die Rekonstruktionen in Unteruhldingen oder Hornstaad-Hrnle eigen. Die Zapfenbreite liegt bei 5 Zentimetern, die Zapfen-lngen sind sehr unterschiedlich, bis ber 30 Zentimeter. Zapfenund Zapfenlcher sind sauber ausgearbeitet, was in Anbetrachtder noch primitiven Werkzeuge Steinbeil und Steinmeiel aufgroes handwerkliches Knnen hinweist. Aufgrund verschiedenerUntersuchungen kann man annehmen, dass sowohl Verzapfungenals auch Verkmmungen, Verschrnkungen und Anblattungen je-weils zunchst beim Bau von Mobiliar und Behltern verwendetund dann in der Zimmerungstechnik der Gebude in grere Di-mensionen umgesetzt werden. [Gerner 2000] Der Zapfen ndetschnell vielfltige Verwendung, so werden Spannriegel seitlich inPfosten eingezapft, und die Pfosten selbst erhalten am oberen Endelange Zapfen zur Aufnahme der Pfetten. Bei den Pfahl- und Pfos-tenbauten sind die Pfhle oder Pfosten in Pfahl- beziehungsweisePfostenschuhe, bei den frhen Stnderbauten die Stnder in dieUnterlagshlzer (Fundamentkltze) oder in die Schwellen ein-gezapft.Mit dem Beginn der Bronzezeit stehen neue, vor allem weit besse-re Werkzeuge wie Bronzebeile und Bronzemeiel in verschiedenenAusfhrungen zur Verfgung, und die Zimmerungstechnik wirdweiter verbessert und verfeinert. Die Technik der Verzapfung ist in-zwischen ber den gesamten mitteleuropischen Raum verbreitet.Besonders wichtige Fundsttten fr Zapfenverbindungen sind diefrhhallstttische Siedlung Buchau und die mittelhallstttischeSiedlung Biskupin in Polen, wo Bohlenwnde rekonstruiert werdenkonnten, deren Pfosten mindestens teilweise in Schwellen ein-gezapft sind und deren Pfetten auf den oberen Zapfen der Pfostenruhen.

    Hier sei eingeschoben, dass die Rmer in ihrem Stammland, demheutigen Italien, in den Jahrhunderten vor Christus in hohem MaFachwerkkonstruktionen errichteten; Rom soll um 300 vor Christusnoch weitgehend aus Fachwerkbauten bestanden haben. [Vitru-vius, ca. 30 vor Christus]In der rmischen Kaiserzeit sind Zapfenverbindungen dann hugnachzuweisen, sowohl im rmisch besetzten Gebiet als auch imfreien Germanien. Im Rmerkastell Saalburg im Taunus wurde einhlzernes Kapitell mit einem Zapfen zur Aufnahme der Pfetten ge-funden. Dieser Fund ist insofern von Bedeutung, als die Holzverbin-dungen wie Zapfen und Scherbltter hug in massive Steinkons-truktionen bernommen werden.Wichtig fr die Fachwerkentwicklung in dieser Zeit ist ein Fund aus

    Stickenbttel, der bereits auf Schwellriegel aufgesetzte Bohlenwn-de zeigt. Die vier Schwellriegel sind mit durchgesteckten Zapfen indie Pfosten eingezapft und werden mit Holzkeilen (Splinten) xiert:Zapfenschlsser, die bis zum 14. Jahrhundert ein wesentliches Ver-bindungsmittel der Zimmerleute in Europa bleiben. Dass es sich beiden Zapfenschlssern der Schwellriegel nicht um einen Einzelfallhandelt, zeigt ein weiterer Fund in Stickenbttel: An einem mit Boh-len eingefassten Brunnen wird der obere Rahmen von Zapfen-schlssern zusammengehalten. Besonders an Mbeln, zum BeispielBettgestellen, werden Zapfenschlsser schon im frhen Mittelalterhug verwendet. Wie die Verbreitung dieser ausgereiften Verbin-

    dung beim Hausbau voranschreitet, lsst sich schwer nachweisen,

    da es zwar aus den frhgeschichtlichen Siedlungen, die in Moorenuntergingen und dadurch konserviert wurden, Zeugnisse vomHausbau gibt, aus den letzten Jahrhunderten vor Christus und demersten Jahrtausend nach Christus jedoch kaum Befunde vorhandensind. Die Gebude sind aus der Erde herausgehoben, auf Funda-menten und Sockeln erbaut, und gehen, da sie nicht von konservie-renden Schichten bedeckt werden, vllig verloren.Als weitere Holzverbindungen sind Holzngel und Dbel, aus demPfosten- und Stnderbau entwickelt, bereits frh bekannt, ebenso

    Durchsteckzapfen alsZapfenschloss, Rekons-truktion in Unteruhl-

    dingen am Bodensee

    Erst die Strichzeich-nung zeigt deutlich diegut verzimmertenVerschrnkungen desKckhovener Brunnens.Zeichnung: MauroFuggiaschi, Titelbild derZeitschrift Archeolo-gia dell`italia Settentri-onale 7, Como 1998

    Das Zusammenbindengehrt zu den ursprng-lichen Holzverbindungen.

    Der von H. Reinhardtnachgeknpfte Stein-zeitknoten von Dullen-ried im Federseemoor

    Im Mittelalter stehtden Zimmermeisternbereits das ganzeSpektrum an Holz-verbindungen zurVerfgung. Beispiel istder heute unblicheScherzapfen in Schwel-lenverbindungen mitbis zu 60 cm Lnge.

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    nur mit Spaltbohlen ausgefhrt. Diese Flechtwerkwnde bleiben ineinzelnen Fllen ohne Lehmbewurf, in weitaus grerer Anzahl sindsie ein- oder zweiseitig mit angeteigtem Lehm beworfen. Die Artdes Flechtwerks aus Spaltbohlen (Stakhlzern) mit beidseitigemBewurf aus einer Mischung von Lehm und gehckseltem Stroh zurArmierung wird bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts verwendet;seltener sind Materialien wie Ziegel, Naturstein und Holz als Mate-rial fr die Ausfachung zwischen den Fachwerkhlzern. Die Flechtwerk-Lehm-Gefachkonstruktion bietet eine Reihe von Vorteilen, dieteilweise bis heute Gltigkeit haben: Sie ist elastisch genug, diegeringen Bewegungen der Fachwerkhlzer ohne Spannungen odergrere Risse aufzufangen, die Materialkombination ist gut wr-medmmend und -speichernd. Im brigen sind diese Wnde ausnahezu berall vorhandenem Material ohne groen Aufwand her-zustellen.

    Fachwerk vom Mittelalter biszum 20. JahrhundertDas Fachwerk des frhen Mittelalters ist nur sprlich durch Fundebelegt. Interessant sind die Ausgrabungen von Bauten der Zeit vom7. bis 10. Jahrhundert, etwa in Gladbach, Warendorf, Kirchheim beiMnchen und Oberparbing-Kreuzhof bei Regensburg. Aus denPfostenspuren wurden unter anderem konstruktiv relativ nah ver-wandte, zweischifge Firstsulenhuser rekonstruiert. In Elten amNiederrhein sind fr die Zeit um 900 nebeneinander Pfostenbautenmit Schwellriegeln und Flechtwerk sowie mit durchgehendenSchwellen belegt. Da den Rmern die Schwelle zur Zeit Vitruvs be-kannt war, kann ein rmischer Einuss bei der Ausbildung derdurchgehenden Grundschwellen nicht ausgeschlossen werden. Frdie Entwicklung interessant ist auch ein Lbecker Bodenfund: dasHaus B im Bereich der Alfstrae 36 bis 38, aus der Zeit um odernach 1195. Der verbohlte Fachwerkbau hat schon durchgehendeSchwellen und war fortschrittlich verzimmert. [Glser 1986]

    Die ltesten erhalten gebliebenen Fachwerke entstammen derGotik, huger der Sptgotik. Die konstruktive Entwicklung derFachwerke verluft nicht parallel zur klassischen Folge der Kunst-epochen. Heinrich Walbe hat deshalb die Fachwerkentwicklung inEntwicklungsstufen zusammengefasst, die unabhngig von denKunstepochen nur die Fortschritte in den Fachwerkkonstruktionenbercksichtigen: Mittelalter, bergangszeit und Beharrungszeitoder Neuzeit. [Walbe 1954] Neuere Forschungen zeigen, dass auchWalbes Einteilung zu starr ist. [Bedal 1990, 2] Da die EinteilungWalbes in der Literatur etabliert ist und als Gliederung eine Reihevon Vorteilen hat, ist sie hier als grobes Raster beibehalten.

    Mittelalter und bergangszeitMittelalterliches Fachwerk wird bis etwa 1450 gebaut. Die Roma-nik und der grere Teil der Gotik fallen in diese Periode. Whrendnoch vor 50 Jahren nur wenige Fachwerke vom Ende des Mittel-alters bekannt waren, wei man heute von einigen Tausend Fach-werkbauten in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen,Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Bayern und Baden-Wrttembergbis 1500; sie sind nicht nur bekannt und belegt, sondern zum gro-en Teil auch untersucht. Selbst aus der Zeit vor 1300 wurde inzwi-schen eine grere Anzahl von Husern intensiv erforscht. Sehrverschiedenartige Konstruktionen, das Experimentieren mit Verbin-

    Sauber gearbeiteteFlechtwerkwand ohneLehmverstrich

    Von den Flechtwerk-wnden ist es nur einkleiner Schritt zurStandardausfachungfr Fachwerkbauten:der Lehmstakung;Beispiel aus dem Jahre1291.

    Um Bienenkrbewerden Flechtwerk-wnde angelegt;

    Holzschnitt aus demJahre 1502.

    die Nut- und Federverbindung, besonders im Zusammenhang mitder dichten Verbindung der Bohlen- und Stabwnde. Ein einzigesBeispiel, ein Brunnen aus der Bronzezeit, weist eine Schwalben-schwanzspundung auf.Mit der Entwicklung des Blockbaus werden auch Holzverbindungenentwickelt, die spter im Fachwerkbau bernommen werden soll-ten. An den Brunnenksten aus Blockverbnden ist um 5000 vorChristus die einfache Verschrnkung, spter dann auch die ein-fache Verblattung nachgewiesen; um die Zeitenwende sind Ver-blattung und Scherzapfen gerade bei Brunnenbauten weit verbrei-tet. Insgesamt ist damit belegt, dass lngst vor der Zeitenwende diewichtigsten konstruktiven Holzverbindungen, die bis heute ver-wendet werden, bekannt sind und ausgefhrt werden. Eine statt-liche Reihe weiterer Blatt- und Zapfenverbindungen wird im Laufeder ersten tausend Jahre nach Christus aus den Urformen weiter-entwickelt.

    FlechtwerkwndeZeigen sich bei den Hausgefgen und den Holzverbindungen Be-harrlichkeit und behutsame kontinuierliche Fortentwicklung, so istder Aufbau raumabschlieender Wnde von der Vorgeschichte bisber die Bltezeit des Fachwerks gleich geblieben. Aus dem Win-den der Flechtwerkwnde entwickelt sich der Begriff Wand.Schon die Htten der lteren Steinzeit haben mit Lehm verstricheneReisigwnde, die ersten Pfostenbauten der Jungsteinzeit saubergearbeitete Flechtwerkwnde. Das Flechtwerk ist zwischen denPfosten verspannt, bei kleineren Pfostenabstnden ohne zustz-liche Verstrkung, bei greren Abstnden durch die Einarbeitungsenkrechter Spaltbohlen verstrkt beziehungsweise in Kombination

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    dungsdetails und Verstrebungsarten und bereits vollendete Verzim-merungstechniken kennzeichnen diese Periode des Fachwerks.Gute Beispiele fr Experimentierfreude und Entwicklungsschbesind zum Beispiel die zunchst asymmetrisch verwendeten Kopf-und/oder Fustreben oder die sternfrmig verlegte Balkendeckedes Schoberhauses in Pfullendorf aus dem Jahre 1358.Zwischen 1450 und 1550, der Zeit der Sptgotik und der begin-nenden Renaissance, wird das Fachwerk in einer strmischen Pha-se konstruktiv fortentwickelt; mit dem Ende dieser Entwicklungspe-riode ist es konstruktiv vollendet.Im 15. und 16. Jahrhundert kennt man im sdlichen Teil desdeutschsprachigen Raums noch den sptestens ab dem Anfang des15. Jahrhunderts nach und nach vom echten Fachwerk abgels-

    ten Stnderbohlenbau. Bei dieser Bauweise tragen Schwellriegeloder Grundschwellen Wnde aus waagerecht angeordneten Boh-

    len von einer Dicke bis etwa 15 Zentimeter. Die Bohlen sind zwi-schen Eckstndern und unregelmig an den Anschlussstellen vonInnenwnden angeordneten Zwischenstndern eingespannt, meistin Nutungen. Die Stnder sind in einen oberen Rahmen, das Rhm-holz, eingezapft. Die Horizontalaussteifung wird durch bohlendickeVerschwertungen sowie Kopf- und Fubnder, die mit schwalben-schwanzfrmigen Blttern auf Schwelle, Rhm und Stnder aufge-blattet sind, erreicht.Die oft archaisch anmutenden Fachwerkkonstruktionen der Gotiksind durch krftige Stnder bestimmt, die aus den Pfostenbautenweiterentwickelt werden. Zunchst stehen sie oft noch direkt aufdem Sockel, Streifenfundament oder Kellermauerwerk, spter aufeinem durchgehenden Schwellenkranz. Die horizontalen Konstruk-tionsteile setzen sich zusammen aus Schwellen oder Schwellriegelnzwischen den Stndern und Rhmhlzern als oberem Abschluss.Riegel spielen bis 1320 nur eine untergeordnete Rolle, danach un-tergliedern sie die Fachwerke horizontal zunehmend weiter. DieFachwerkgefgebilder mit gleichmigen Wandgliederungen, wiewir sie aus den spteren Epochen gewohnt sind, entstehen teilwei-se erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts. Ab 1400 werden fastausschlielich durchgehende Schwellenkrnze verwendet; in Ulmzum Beispiel gebietet eine Bauordnung 1427 die Anordnung vondurchgehenden Schwellen. In einzelnen Landschaften jedoch wirddie Schwellriegelkonstruktion bis ins 18.Jahrhundert beibehalten.Die Horizontalaussteifung wird durch schrge Hlzer wie SchwerterBnder oder Streben sowie durch Knaggen erreicht. Alle zur Ver-steifung schrg angeordneten Hlzer, zum Teil auch die Riegel, sindin gotischer Zeit noch verblattet oder angeblattet, whrend fr dieVerbindung zwischen Schwellen, Stndern und Rhmhlzern schonfrh Verzapfungen verwendet werden. Bis zum Anfang des 16. Jahr-hunderts setzen sich als Verbindungen fr die Schrghlzer eben-falls oft Zapfen durch. Die Grundschwellen ber dem Sockel unddie Stock- oder Saumschwellen der oberen Geschosse sind an denEcken durch Zapfen oder verschiedene Verblattungsarten (Eckblatt,Hackeneckblatt) verbunden. Mssen sie in der Lnge angeschuhtwerden, ordnet man ebenfalls Bltter, in Einzelfllen auch lange

    Scherzapfen an.Im Oberdeutschen Fachwerkbau setzt sich, in einer reichen Tradi-tion der Geschossbauweise vom 13. bis 15. Jahrhundert stehend,schon frh die Stockwerksrhmkonstruktion durch. Der Rahmenaus Schwelle, Stndern und Rhmbalken ist nur ein Stockwerkhoch, darauf ruht die Balkenlage, meist aufgekmmt, mit der Fu-bodendielung. Im Stockwerksbau spielen die Balkenlagen einebedeutende Rolle fr die gesamte Hausgestaltung. Meist werdendie Balken quer zur Lngsachse des Hauses gelegt, der seitlicheberstand, der berhang, dient als Auager fr das nchste Stock-werk. Zum Giebel kragen Stichbalken aus, die in den letzten Balkenhinter der Giebelwand eingezapft (eingestochen) sind. ber denEcken werden Gratstichbalken angeordnet. Bei einfachen Husern

    bildet der uere Bundbalken oft gleichzeitig das Rhm des un-teren Geschosses und die Stockschwelle des Obergeschosses. DieFolge von Rhm, Balkenkpfen, oft mit eingeschobenen Fllbret-tern, und Schwelle oder Rhm, Bundbalken und Schwelle, dasQuergeblk, mit insgesamt starker Holzflle, wird bereits frh frSchmuckformen, gemalt oder geschnitzt, genutzt.Im mittel- und niederdeutschen Gebiet berwiegt in der Gotik nochder Geschossbau mit im Frhstadium meist ber mehrere Ge-schosse reichenden, bis zu etwa 10 und mehr Meter hohen Stn-dern. Das tragende Gerst des Hauses in Geschossbauweise be-steht aus Stnderreihen, in welche die Geschossgeblke als Anker-

    Der Stnderbau inQuedlinburg, Word-gasse 3, 1. Hlfte15. Jahrhundert, ist eintypischer Geschossbaumit 2 Geschossen undHochrhmverzimme-rung.

    Typische Stockwerks-rahmenverzimmerungdes 15. Jahrhundertsan einem Wohnhausin Geislingen an derSteige mit Einzel-verstrebungen undVerdoppelung desRhmholzes

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    balken oder mit Steckzapfen eingezapft sind. An den Ankerbalkensind die Zapfen als Zapfenschlsser ausgebildet, dadurch knnenauch geringe Zugkrfte aufgenommen werden. Damit die Balkennicht nur auf den Zapfen ruhen, sind an das Vollholz der Stnderoft konsolartige Auager angearbeitet.Bei den Hallenhusern Niedersachsens sowie bei Scheunen wird

    der Geschossbau ber zwei Geschosse bis in unsere Zeit angewen-det; erst die darberliegenden Stockwerke werden stockwerkswei-se abgebunden. Im mitteldeutschen Fachwerk setzt sich der Stock-werksbau in naher Verwandtschaft zum oberdeutschen Fachwerkab etwa 1500 durch. Das frheste bekannte Beispiel ist ein Haus inKobern an der Mosel von 1321. Die Stockwerke lsst man land-schaftlich und je nach Zuschnitt der Baugrundstcke in den Stdtenunterschiedlich berkragen. Die Auskragung bewirkt in erster Linieeine Vergrerung der Geschosschen in engen und in Mauerneingezwngten Stdten auch schon in der Gotik eine Forderungvon Bedeutung. Auch knnen die Balken durch das Kragmomentbesser genutzt werden. Zudem dient die Auskragung zur Ausstei-fung, zur Verriegelung der Geschosse, indem in den Stndern ein-

    gezapfte Knaggen unter die auskragenden Balken fassen. In derSptgotik erreichen diese Knaggen mehr als eine halbe Geschoss-hhe, sie werden innerhalb weniger Jahrzehnte dann wieder krzer.Um 1500 sind sie berwiegend schmckendes Element; die Verrie-gelung wird inzwischen ausschlielich durch auf die Rhmhlzeraufgedbelte, meist aufgekmmte Balken und innere Kopfbndererreicht. Die Stockwerksvorsprnge verringern sich im Lauf der Jahr-hunderte, besonders durch Einschrnkungen in den Baubestim-mungen wegen Brandgefahr; nach 1800 verschwinden sie ganz.Die Horizontalaussteifung im oberdeutschen, mitteldeutschen undniederdeutschen Fachwerk erfolgt zunchst, wie im Stnderbohlen-

    bau, durch aufgeblattete Bohlen in Form von Schwertern oder Kopf-und Fubndern. Die Bltter sind als Schwalbenschwanzbltterausgebildet, hug zu Schmuckelementen geformt und zustzlichdurch Holzngel gesichert. Durch die Ausfhrung mit Schwalben-schwnzen knnen neben Druckkrften in geringerem Ma auchZugkrfte aufgenommen werden. Da die Scherkraft des Holzes in

    Faserrichtung nicht sehr stark ist und Holzngel mit ihrem kleinenQuerschnitt ebenfalls nur geringe Krfte auffangen knnen, ist die

    bergang von der Ver-

    blattung zur Verzapfung,Beispiel Krschnerhausin Nrdlingen.

    rechts der Querschnitt

    eines sptgotischenStockwerkbaues ausder Frankfurter Altstadt

    Die ltere Bauweise ist

    der Geschossbau, linksdas QuedlinburgerHaus Word 3 im Quer-schnitt

    Typisches Merkmal end-mittelalterlicher Fach-werkkonstruktionen sindEinzelverstrebungenaller Stnder, Beispielmit Radstreben in Als-feld.

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    mgliche Zugbeanspruchung nicht zu hoch anzusetzen. Um 1500wandelt sich die Horizontalaussteifung grundlegend. StattSchwertern, vor allem statt Kopf- oder Fubndern werden Strebenangeordnet. Die Streben werden in der vollen Holzdicke ausgefhrt,zuerst ber Dreiviertel der Wandhhe, teilweise sich berkreuzend,in der weiteren Entwicklung dann dreiviertelwandhoch mit Kopf-winkelhlzern, schlielich wandhoch als Voll- oder Langstreben vonSchwelle bis zum Rhm reichend. Gleichzeitig verndern sich die

    bis etwa 1480 blichen, durchgehend auen aufgeblattetenBrstungsriegel. Zunchst werden diese Riegel abwechselnd ver-zapft und berblattet und dann durchgngig zwischen Stnder undStreben oder nur zwischen den Stndern verzapft. Mit den Zapfen,auch mit Holzngeln, knnen weder von den Streben noch von denRiegeln Zugkrfte aufgenommen werden; in diesen Konstruktionenkann nur noch Druck weitergeleitet werden. Mit der Wandlung derVerstrebungsformen prgt sich besonders im mitteldeutschenFachwerk noch mehr das Bundsystem aus. Stnder und Strebenwerden als Fachwerkguren, zum Beispiel wie Wilde Mnneroder Mnner, ausgebildet. Dazu kommen in der RenaissanceFachwerkbilder in den Brstungsfeldern, basierend auf den Ele-menten des Andreaskreuzes, des Fnferkreuzes, der Raute und derFuwinkelbnder, die im mitteldeutschen und oberdeutschen Fach-werk zu reichen Schmuckformen ausgebildet werden. Im nieder-deutschen Fachwerk werden aus den Fuwinkelbndern volle Fu-winkelhlzer, die paarweise in Verbindung mit den StndernSchmuck erhalten, besonders in Form geschnitzter Fcherrosetten.Eine Weiterentwicklung ist die geschlossene, mit Schnitzwerk ver-sehene Brstungsplatte in Bohlendicke, Zierde der Brgerhuser inden Stdten.

    Beharrungszeit, NeuzeitVon 1550 bis 1750 ist das Fachwerk in Deutschland noch die do-minierende Bauweise. Erst danach lst der Steinbau das Fachwerkmehr und mehr ab. Der grere Teil der Renaissance, der Barockund der Beginn des Klassizismus entsprechen der Beharrungszeitdes Fachwerks. Wenn sich auch die Konstruktion nicht mehr ndert,so verweisen doch die Schmuckformen mehr als in der lterenLiteratur dargestellt sehr deutlich auf die zeitlich parallelen Kunst-epochen.Die gesamte konstruktive Entwicklung des Fachwerks ist um 1600abgeschlossen. In Norddeutschland und Westfalen lsen zwarnoch, insbesondere nach 1750, Vierstnderbauten zunehmend dieursprnglichen Zweistnderbauten ab. Doch ist dieser Schritt keine

    auergewhnliche Entwicklungsstufe mehr, insbesondere auchweil Zwei- und Vierstnderbauten zeitlich nebeneinander gebautwerden. Im Sden Deutschlands sind oberdeutscher und mittel-deutscher Fachwerkstil zu dieser Zeit weitgehend miteinander ver-schmolzen, Quergefge, Bundsysteme und reiches Schmuckwerksind bestimmende Merkmale.Im Barock beginnt man, um die Steinbauten der Kirche und desAdels nachzuahmen und der nie bewiesenen Brandunsicherheitunverputzter Fachwerke zu begegnen, zunchst in den Stdten unddanach auch auf dem Land alle Fachwerke zu verputzen, auch diein frherer Zeit erstellten und auf Sicht konzipierten. Dabei wer-den die Fachwerke stark strapaziert, Schnitzereien und Prole wer-den hug abgebeilt, die glatten Fachwerkstbe mit dem Putzer-

    beil zur besseren Haftung des Putzes eingekerbt.

    HistorismusEine kurze Blte erlebt das Fachwerk noch im Historismus, teilwei-se mit ganzen Fachwerkbauten, mehr jedoch mit Fachwerkober-geschossen oder -giebeln. Die Fachwerkgebude und -giebel desHistorismus wiederholen die Formensprache der frheren Stile mitschwcheren Hlzern, gehobelt und meist stark abgefast. Daran,dass die Formen spielerisch leicht variiert werden, ist erkennbar,dass die Fachwerke eher dekorativ als konstruktiv aufgefasst wer-

    bergangszeit: Rat-haus Michelstadt imOdenwald, 1484,verzimmert. Die Stn-der sind nicht mehreinzeln verstrebt,sondern die Wndedurch geschosshoheVerstrebungen an denBund- und Eckstndernausgesteift.

    Beharrungszeit oderNeuzeit: Idstein imTaunus, Haus Killinger.Die konstruktive Ent-wicklung des Fach-werks ist abgeschlos-sen, die Schmuckele-mente sind ausgereift.

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    DreiviertelwandhoheStreben und ber diehalbe Wandhhe rei-chende Gegenstrebeneines Fachwerks derbergangszeit in derRhn

    Das reich mit Fenster-

    erkern und Schnitz-werk ausgestatteteBaumann`sche Haus inEppingen, 1583, ist eingutes Beispiel fr dasZusammengehen derStilelemente ober- undmitteldeutschen Fach-werks.

    GrnderzeitlichesFachwerk, Kirchhain;die Schmuckformenbauen auf den Fach-werkelementen fr-herer Jahrhunderte auf.

    In der zweiten Hlftedes 16. Jahrhundertswird der Zapfen zumalleinigen Verbindungs-prinzip fr Fachwerk-wnde, hier an einerWand des MelsungerRathauses.

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    Erscheinungstermin: Mai 2007

    Fachwerk heute Das Buch vermittelt profunde Kenntnisse des Fachwerkbaus und dient als Basis fr erfolgreicheFachwerksanierungen. Es beruht auf den neuesten Forschungserkenntnissen, die besonders bei

    einer Sanierung von Bedeutung sind, und fhrt in den Neubau von Fachwerken ein. Der Lesererfhrt alles Wissenswerte zu dieser mehrere Jahrhunderte alten Konstruktionsweise, auchzum allgemein weniger bekannten farbigen Fachwerk: Bestandsaufnahme und Instandsetzung,Freilegung und Wrmedmmung, Farbtechniken und vieles mehr. Ein lexikalisch aufgebauterAnhang macht das Buch darber hinaus zu einem fundierten Nachschlagewerk. Unverzichtbares Standardwerk fr Planer und Ausfhrende Umfangreich bebildert, mit lexikalischem Anhang Kompetent und fachkundig

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