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  • 12 Jahre 12 SchicksaleFallbeispiele zur NS-Opfergruppe Jehovas Zeugen in Nordrhein-Westfalen

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    19331945

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    Fotos vordere UmschlagseiteOben: Familie Hamann, Dsseldorf, 1935 (siehe 1933/34Hamann).Mitte: Zeitungsartikel vom 22.5.1937 (siehe 1941Winkler).Unten: Erich Meyer, Ausrheydt, 1942, spter hingerichtet ( Hauptstaatsarchiv Dssel-dorf, siehe 1944Meyer/Pakull).

    Fotos hintere UmschlagseiteMitte: Erinnerung an Zeugen Jehovas beim Barackenbau, frhes KZ Buchenwald (Aqua-rell des KZ-berlebenden Johannes Steyer, 1970er Jahre; vgl. 1937Nobis).Unten: Verpflichtungserklrung, die Zeugen Jehovas (Bibelforscher) in der Haft vorge-legt wurde, gedrucktes Exemplar, 1943.

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    Kirsten John-Stucke, Michael Krenzer, Johannes Wrobel

    12 Jahre 12 Schicksale Fallbeispiele zur NS-Opfergruppe Jehovas Zeugen in Nordrhein-Westfalen 1933 - 1945

    Arbeitskreis der NS-Gedenksttten in NRW e.V. (Hg.)

    Mnster 2006

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    Gruwort des Ministerprsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen Liebe Mitbrgerinnen und Mitbrger, am 27. Januar 2003 wurde im Landtag Nordrhein-Westfalen anlsslich des Gedenktages fr die Opfer des Nationalsozi-alismus die Ausstellung Erinnern fr die Zukunft gezeigt. Sie informierte ber die unerbittliche Verfolgung tausender Zeugen Jehovas. Insbesondere dokumentierte diese Ausstel-lung das Schicksal von 2500 Brgern unseres Landes, die verfolgt wurden, weil sie sich weigerten, auf Menschen zu schieen und ihre christliche berzeugung gegen die natio-nalsozialistische Ideologie auszutauschen.

    Welches Erinnern ist wichtiger? An Menschen, die denk-wrdige, prgende und bemerkenswerte Ereignisse wahrnehmen und dann darauf aufmerksam machen? Oder doch eher an Menschen, die Anlsse schaffen, die des Erinnerns wert sind? Antwort gibt die vorliegende Publikation. Die darin enthaltenen didaktischen Anstze ermglichen es, sich kritisch mit immer wieder auftretenden ge-sellschaftlichen und politischen Strmungen auseinanderzusetzen und ein Bewusstsein fr eine umsichtige, rcksichtsvolle Gestaltung unseres Lebens und damit der Zukunft zu schaffen.

    Ich danke dem Arbeitskreis der NS-Gedenksttten in NRW e.V., der Landeszentrale fr politische Bildung unseres Landes sowie den Mitarbeitern des Geschichtsarchivs der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas fr diese Dokumentation. Mge die Au-thentizitt der hier geschilderten, beeindruckenden Schicksale aus zwlf Stdten Nord- rhein-Westfalens dazu beitragen, an den persnlichen und organisierten Widerstand aus christlicher berzeugung der NS-Opfergruppe der Zeugen Jehovas zu erinnern und die Opfer so vor dem Vergessen zu bewahren. Herzlich Ihr Jrgen Rttgers

    Gruwort

    Gruwort

    des Ministerprsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen

    Liebe Mitbrgerinnen und Mitbrger,

    am 27. Januar 2003 wurde im Landtag Nordrhein-Westfalen anlsslich des Gedenk-

    tages fr die Opfer des Nationalsozialismus die Ausstellung Erinnern fr die Zukunft

    erffnet. Sie informierte ber die unerbittliche Verfolgung tausender Zeugen Jehovas.

    Insbesondere dokumentierte diese Ausstellung das Schicksal von 2.500 Brgern

    unseres Landes, die verfolgt wurden, weil sie sich weigerten, auf Menschen zu

    schieen und ihre christliche berzeugung gegen die nationalsozialistische Ideologie

    auszutauschen.

    Welches Erinnern ist wichtiger? An Menschen, die denkwrdige, prgende und be-

    merkenswerte Ereignisse wahrnehmen und dann darauf aufmerksam machen? Oder

    doch eher an Menschen, die Anlsse schaffen, die des Erinnerns wert sind? Antwort

    gibt die vorliegende Publikation. Die darin enthaltenen didaktischen Anstze ermg-

    lichen es, sich kritisch mit immer wieder auftretenden gesellschaftlichen und politi-

    schen Strmungen auseinanderzusetzen und ein Bewusstsein fr eine umsichtige,

    rcksichtsvolle Gestaltung unseres Lebens und damit der Zukunft zu schaffen.

    Ich danke dem Arbeitskreis der NS-Gedenksttten in NRW e.V., der Landeszentrale

    fr politische Bildung unseres Landes sowie den Mitarbeitern des Geschichtsarchivs

    der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas fr diese Dokumentation. Mge die

    Authentizitt der hier geschilderten, beeindruckenden Schicksale aus zwlf Stdten

    Nordrhein-Westfalens dazu beitragen, an den persnlichen und organisierten Wider-

    stand aus christlicher berzeugung der NS-Opfergruppe der Zeugen Jehovas zuerinnern und die Opfer so vor dem Vergessen zu bewahren.

    Herzlich

    Ihr

    Jrgen Rttgers

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    Inhalt

    Seite Kopiervorlagen

    Gruwort 4 Inhalt 5 Einfhrung 6 ... ein Dsseldorfer protestiert 1933/1934 8 (1933/34Hamann) ... entlassen in Oberhausen 1935 10 (1935Wickenkamp) ... Flugbltter in Wuppertal verteilt 1936 12 (1936Frst) ... ein Duisburger im KZ Buchenwald 1937 14 (1937Nobis) ... in Moers den Eltern entzogen 1938 16 (1938Thoenes) ... eine Klnerin lehnt Kriegsarbeit ab 1939 18 (1939Fey) ... hingerichtet in Mnster 1940 20 (1940Kusserow) ... ein Bonner in Amsterdam verhaftet 1941 22 (1941Winkler) ... ein Invalide aus Herne vergast 1942 24 (1942Schurstein) ... eine Krefelderin unterschreibt im KZ 1943 26 (1943Windolph) ... Rheydter zum Tode verurteilt 1944 28 (1944Meyer/Pakull) ... in Wewelsburg befreit 1945 30 (1945Struthoff)

    Anhang

    Didaktische Hinweise 32Schulmaterialien 34DVD, Hrbuch und Video 34Literatur 35Internet 35Statistik (Auswahl) 36Spuren der Erinnerung 36Impressum 37

    Landtagsprsident Ulrich Schmidt erffnet

    die Ausstellung zur NS-Opfergruppe

    Jehovas Zeugen im Landtag Dsseldorf,

    22.1.2003.

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    Den Ansto fr die Publikation 12 Jahre 12 Schicksale gab eine Ausstellung zur NS-Opfergruppe der Zeugen Jehovas, die im Landtag Dsseldorf zum Gedenk-tag fr die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2003 zu sehen war. Land-tagsprsident Ulrich Schmidt wrdigte bei der Erffnung am 22. Januar 2003 die Zivilcourage der Zeugen Jehovas und ihr standhaftes Festhalten an ihrer religisen berzeugung.1

    Erst spt hat sich die Forschung fr die Opfergruppe interessiert. Dazu mag auch ein Mangel an gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz der Zeugen Jehovas (Name seit 1931; damals auch als Ernste bzw. Internationale Bibelforscher bekannt) beigetragen haben. Die chiliastische Glaubensgemeinschaft, die sich als Fortsetzung der Urkir-che Christi versteht, zeichnet groer Missionseifer aus, sie lebt streng nach der Bibel und in der Naherwartung des darin verheienen Reiches Gottes, das Jesus auf der Erde errichten wird. Zeugen Jehovas ordnen sich weltlichen Regierungen insofern unter, als deren Anforderungen Gottes Gesetzen in der Bibel nicht widersprechen Kriege zu untersttzen lehnen sie ab. Zu den ersten Bibelforschern gehrte Charles T. Russell, der 1881 in Pittsburgh (USA) die Watch Tower Bible and Tract Society (Wachtturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft) grndete, die ab 1897 eine Vertretung in Berlin (spter in Bremen) unterhielt. Spter kam die Internationale Bibelforscher-Vereinigung (IBV) als Krperschaft hinzu. Ein deutsches Zweigbro besteht seit 1903 zuerst in Elberfeld, dann bis 1923 in Barmen (Wuppertal), heute in Selters/Taunus.

    Mit ihrem ffentlichen Auftreten nach dem Ersten Weltkrieg viele Bibelforscher hatten den Dienst mit der Waffe verweigert mehrten sich in der Weimarer Repub-lik Angriffe und Aktionen von kirchlicher und staatlicher Seite gegen sie, die in die erbitterte Verfolgung durch die Nationalsozialisten mndeten. Sie wurden 1933 als erste Glaubensgemeinschaft im Dritten Reich verboten. Die Polizei in Magdeburg schloss ihre deutsche Zentrale und Druckerei. Die Glubigen gingen in den Unter-grund und trafen sich zu illegalen Bibelstunden, setzten ihre Missionsttigkeiten bald wieder fort und versuchten ihr Netzwerk trotz des Verbots aufrecht zu halten. Die Nationalsozialisten reagierten mit Hausdurchsuchungen, Misshandlungen, ber-wachungen, Verhaftungen, Haftstrafen und Schutzhaft in Konzentrationslagern. Die Weigerung der Zeugen Jehovas, sich der deutschen Volksgemeinschaft ein-zufgen, wurde auch mit Kndigungen und Rentenstreichungen sowie Sorgerechts- entzug bestraft.

    Die Zeugen Jehovas lieen in der Schweiz ab 1934 Verfolgungsberichte und ein Buch darber drucken (Franz Zrcher: Kreuzzug gegen das Christentum, 1938) und protestierten ffentlich gegen ihre Verfolgung, z. B. mit Briefen und Flugblttern, die 1934, 1936 und 1937 in ganz Deutschland versandt bzw. verteilt wurden. Die Nationalsozialisten reagierten darauf mit Verhaftungsaktionen. Ein Groteil der Zeu-

    Einfhrung

    1 Pressemitteilung Landtag NRW vom 22.1.2003 zur Ausstellung Erinnern fr die Zukunft: Die NS-Op-fergruppe der Zeugen Jehovas in Nordrhein-Westfalen (22.1.7.2.2003). Siehe http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/P/Presse/Oeffentlichkeitsarbeit/Information/2003/01/Rede_Jehova.jsp.

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    gen Jehovas wurde nach dem Strafvollzug nicht entlassen, sondern in Konzentrations-lager eingewiesen. Ihre Kinder wurden hufig in Erziehungsheimen oder in Familien von getreuen Nationalsozialisten untergebracht. In den Jahren des Krieges verschrf-ten sich die Strafen und Haftbedingungen. Nicht selten wurden Todesstrafen wegen Zersetzung der Wehrkraft und Verweigerung des Wehrdienstes verhngt.

    Die ausgewhlten Biografien aus Stdten in Nordrhein-Westfalen sind den 12 Jah-ren der NS-Herrschaft zugeordnet. Sie sollen die Eskalation von Gewalt und Ver-folgung durch die Nationalsozialisten verdeutlichen und ein breites Spektrum der illegalen Ttigkeit zeigen: verbotenes Missionieren und ffentliche Protestaktionen (1933/1934Hamann und 1936Frst), Verhaftung, Arbeitsplatzverlust (1935Wi-ckenkamp), Sorgerechtsentzug und NS-Erziehungsheim (1938Thoenes), Gefng-nisstrafen, Ei