filmrezension - der untergang - nikola barjaktarovic

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„Der Untergang” – Filmrezension Nikola Barjaktarovic Oliver Hirschbiegels kontroverses Meisterwerk zeigt uns die letzten Tage Hitlers und des Nationalsozialismus, die zusammen im Führerbunker starben. Die Ehre (wenn das überhaupt eine Ehre sein kann) in der Haut Führers zu stecken, hatte der ausgezeichnete Bruno Ganz, der die letzten 12 Tage Hitlers durch eine fast unglaubliche Darstellung auch am eigenen Leib spüren konnte. Hirschbiegel ist es gelungen, auf der einen Seite wegen der Quellen für die Geschichte (das Tagebuch von Hitlers Sekretärin Traudl Junge, ihre persönliche Erfahrungen und das Werk des Historikers Joachim Fest) und auf der anderen Seite wegen der kunstvollen Darstellung von Bruno Ganz und Alexandra Maria Lara (Traudl Junge) die Geschichte in einem naturalistischen „Sekundenstil“ zu beschreiben, wobei dem Leser (in diesem Fall dem Zuschauer) jede Sekunde ausführlich dargestellt wird. Doch, Frank Schirrmacher von der FAZ behauptet, manche Rollen seien schwach besetzt, wobei wir bemerken können, dass er völlig Recht hat. Trotzdem verliert der Film kaum an Wert. Weitere Aspekte, die den Film als künstlerisches Meisterwerk bezeichnen, sind zahlreich: die tadellose Szenografie, Kostüme und Make-up, symbolische Darstellungen (Frau Goebbels, die Kindermord begeht, was man als Tod des Nationalsozialismus verstehen kann, denn auch die jüngsten Nazi-Sozialisten sterben)

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Page 1: Filmrezension - Der Untergang - Nikola Barjaktarovic

„Der Untergang” – Filmrezension

Nikola Barjaktarovic

Oliver Hirschbiegels kontroverses Meisterwerk zeigt uns die letzten Tage Hitlers und des

Nationalsozialismus, die zusammen im Führerbunker starben. Die Ehre (wenn das überhaupt

eine Ehre sein kann) in der Haut Führers zu stecken, hatte der ausgezeichnete Bruno Ganz, der

die letzten 12 Tage Hitlers durch eine fast unglaubliche Darstellung auch am eigenen Leib

spüren konnte. Hirschbiegel ist es gelungen, auf der einen Seite wegen der Quellen für die

Geschichte (das Tagebuch von Hitlers Sekretärin Traudl Junge, ihre persönliche Erfahrungen

und das Werk des Historikers Joachim Fest) und auf der anderen Seite wegen der kunstvollen

Darstellung von Bruno Ganz und Alexandra Maria Lara (Traudl Junge) die Geschichte in einem

naturalistischen „Sekundenstil“ zu beschreiben, wobei dem Leser (in diesem Fall dem

Zuschauer) jede Sekunde ausführlich dargestellt wird. Doch, Frank Schirrmacher von der FAZ

behauptet, manche Rollen seien schwach besetzt, wobei wir bemerken können, dass er völlig

Recht hat. Trotzdem verliert der Film kaum an Wert.

Weitere Aspekte, die den Film als künstlerisches Meisterwerk bezeichnen, sind zahlreich:

die tadellose Szenografie, Kostüme und Make-up, symbolische Darstellungen (Frau Goebbels,

die Kindermord begeht, was man als Tod des Nationalsozialismus verstehen kann, denn auch die

jüngsten Nazi-Sozialisten sterben) und das Bild eines egoistischen und hasserfüllten Führers.

Doch, hier besteht auch die Zweispaltigkeit, die so oft kritisiert wurde. Bruno Ganz spielt auch

eine Seite der Rolle, wo der Führer ganz „menschlich“ präsentiert wird. Standpunkt Wim

Wenders, eines bekannten Regisseurs, ist klar – dieser Film darf nicht als Meisterwerk

bezeichnet sein und zwar, vor allem, wegen dieser schon erwähnten Darstellung. Hitlers

verständnisvolles Verhältnis gegenüber seiner Sekretärin, wo er ihre Fehler beim Tippen fast

ignoriert und nur ruhig wieder diktiert, menschliche Gespräche mit Goebbels und Speer und

eine väterliche Figur als er Goebbels Kinder singen hört. Die Kritiker und Zuschauer wollen den

Führer nicht so sehen, doch obwohl Hitler die Welt in Horror getrieben hat, war er auch ein

Mensch. Allein konnte er nicht die Sowjettanks zerstören, Juden töten, Flugzeuge fliegen... Alle

sind Menschen, auch Hitler, und alle sollen die Verantwortung tragen.

Page 2: Filmrezension - Der Untergang - Nikola Barjaktarovic

Selbstmorde ohne Reue

Im Film werden nicht nur die Selbstmorde von Hitler und seiner Frau beschrieben,

sondern auch von den vielen Untergeordneten Hitlers, die auf seinem Befehl sich das Leben

nehmen, damit es keine Zeugen mehr gibt, die Hitlers Untaten mit eigenen Augen sahen. Magda

Goebbels tötet zuerst ihre Kinder, dann begehen sie und ihr Mann auch Selbstmord, weil sie in

einer Welt ohne Nationalsozialismus nicht leben wollten. Dann werden noch viele Nazis gezeigt,

wie sie sich selbst umbringen, und zwar auf eine solche Weise, dass es klar ist, dass sie auch vor

ihrem Tod keine Reue für alles, was sie getan haben, zeigen. Hier ist es doch eindeutig, dass der

Film kein Tribut an Nazi-Deutschland ist. Jedoch, Wenders Frage „Warum darf man Hitler in

„Der Untergang“ nicht sterben sehen“ muss immer wieder wiederholt werden und die Antwort

lässt sich nicht einfach finden.

Die Figur Hitlers

Wie schon gesagt, Bruno Ganz spielte die Rolle perfekt. Aber wie wurde Hitler in dem

Film gezeigt? Es ist ein Führer, der nicht allmächtig aussieht, ein alter Greis, der nach den

Verlusten und dem Krieg schwach und resigniert wirkt. Jedoch, auch wenn es klar ist, dass der

Nationalsozialismus vorbei ist, gibt der Führer Befehle, die auch sein Reich zerstören werden. Er

ist ein gnadenloser Krimineller, der stolz darauf ist, dass er „das Unwesen, welches die Juden

sind“ beseitigt hat. Hitler war ein richtiger Führer. Und er führte Menschen in den Tod, egal ob

Juden oder Deutsche. „Der Führer ist der Führer“.

Was können wir aus dem Film lernen?

Vor allem, was wir spüren, ist wie krank die Ideen von den Nazis waren. „Der

Untergang“ ist nicht der erste Film, der Nationalsozialisten thematisiert, und auch nicht der

letzte. Aber, er ist der erste, der sich nicht von der wahren Darstellung der Nazis distanziert hat.

Nach dem Film kann man keine Bewunderung für Hitler fühlen. Mitgefühl doch, aber das

gleiche Mitgefühl, das man einem sterbenden Hund zeigen könnte. Aus dem Film erfahren wir,

das Millionen von Menschen geführt werden können, ohne dass sie die Verantwortung oder

Konsequenzen erkennen, wie Hitlers letzte Sekretärin, Traudl Junge. Obwohl Wenders schreibt,

dass der Film Verständnis für die Nazis wecke, ein tiefsinniger Zuschauer würde dieses Werk

nicht so betrachten.