fiskalisches asyl

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  • 7/30/2019 Fiskalisches Asyl

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    6 2009

    Radu Golban

    Die diskrete Verwaltung von Vermgen auslndischer Kun-den ist nie auf das Wohlwollen von deren Steuervgten ge-stossen. Die juristisch normierte Verschwiegenheit der einen

    stand naturgemss in einem antagonistischen Verhltnis zuden skalischen Substratsicherungsansprchen der anderen.Irgendwann drehte sich alles nur noch um ein mchtiges

    Wort, das die Herzen bewegt: Geheimnis. Es verfestigtesich der Eindruck eines Bankgeheimnisses (eigentlich Bank-kundengeheimnisses) als einer unverrckbaren Grsse.

    Es kam, wie es kommen musste: whrend die einen, unterder Ntigung eines Alles-oder-Nichts-Prinzips, den Druckstndig erhhten, auf den noch vorhandenen Rest an Dis-kretion zu verzichten, taten die anderen scheinbar alles, umdiesem Druck mit Gegendruck zu begegnen. Die Betonung

    liegt auf scheinbar; denn die helvetische Politik betrieb inden letzten Jahren gleichsam im Stillen einen Standortabbaudes Finanzplatzes.

    Mit dem Ja des Souverns zu Schengen wurde faktischmehr Bankgeheimnis geopfert als durch die Herausgabe von300 Kundendateien an die amerikanische Steuerbehrde

    IRS. Die Schweiz kennt gemsss Schengener Rechtsbesitz-stand berhaupt kein Bankgeheimnis mehr fr Fiskaldelikte

    ob Betrug oder Hinterziehung im Bereich der indirektenSteuern (Verbrauchersteuern, Mehrwertsteuern und Zollab-gaben). Whrend die Herausgabe von Bankdaten an die IRSimmerhin noch im Ruch des rechtsstaatlich Bedenklichensteht, ermglicht Schengen die Amtshilfe den direktenDraht zwischen Steuerbehrden europaweit hchstoziellund frei von juristischer berprfbarkeit.

    Bereits lange zuvor war, sowohl durch die Richtlinie zurBekmpfung der Geldwsche und Korruption wie auch durch

    etliche Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung,ber die letzten Jahre am Finanzplatz genagt worden. Sek-torale Zugestndnisse und ausnahmsweise Lockerungen

    des Bankgeheimnisses zum einen, und Lippenbekenntnisse,es erst recht abzusichern, zum andern, haben dem Ansatzzur Finanzdiskretion insgesamt mehr geschadet als gentzt.

    Aus Prinzip auf dem Bankgeheimnis zu beharren, unterIgnorierung des jahrelangen Erosionsprozesses, lsst eher aufPrinzipienlosigkeit schliessen als auf solide Werte.

    Gewiss, eine vom Alpenreduit geprgte Ansicht, wonachein Rest an Bankgeheimnis etwas Genuines vermittle, ver-mag einige noch zu Durchhalteparolen zu animieren; das al-lein wird das Fehlen solider Prinzipien freilich nicht ersetzenknnen. Immer und immer wieder wurde je nach Wunsch,Stimmung und Verhandlungsdruck des Gegenbers derPreis des Beibehalts wie auf einem Basar ausgehandelt. Da-mit drfte es nun zu Ende sein. Was die sozialistische Inter-nationale nicht zustande brachte, hat die grsste SchweizerBank unter gtiger Mithilfe des Bundesrats geschat.

    Die nationale Politik war darauf oensichtlich nicht vor-

    bereitet. Selbst brgerliche Politiker schwenkten pltzlichum und erklrten feierlich, die Zeit sei gekommen, um dasBankgeheimnis preiszugeben.

    Die radikale Alternative zum Informationsaustausch mitStaaten, die ihr Steuersubstrat sichern wollen, wre ana-log zum politischen Asyl das skalische Asyl. Nehmen wirdas Beispiel unseres grossen Nachbarn. Wer in Deutschlanddie Abgabenknechtschaft satt hat und zu den betuchtenLeistungserbringern zhlt, kann nicht ohne weiteres aus-wandern. Denn die Abgabenordnung im Aussensteuerrechtsieht eine erweitert beschrnkte Steuerpicht fr weitere

    zehn Jahre vor ( 2 Aussensteuergesetz und 2 Einkom-menssteuergesetz), wenn der Steuerchtling erstens inein Land zieht, dessen Steuersatz weniger als zwei Dritteldesjenigen Deutschlands betrgt, und er zweitens weiterhinwesentliche wirtschaftliche Interessen in Deutschland hat.So unglaublich es fr manche Ohren klingen mag: wer sei-nen deutschen Wohnsitz verlsst, ist nicht automatisch vonder deutschen Steuerpicht befreit.

    Ist es Recht oder Unrecht, wenn ein Staat seine Brgeram Auswandern hindert? Ist der Brger mit allem, was ihmgehrt, Eigentum des Staates, oder ist er frei, mit seinemBesitz irgendwohin auf der Welt zu gehen und sich nahe-

    zu konskatorischer Aushhlung der Eigentumsgarantiezu entziehen? Fest steht: das Bankgeheimnis schtzt Men-schen, deren skalisches Empnden in Widerspruch zurformaljuristischen Normierung ihrer Zeit steht und dieeine Entscheidung ber das mgliche Unrecht lieber denGeschichtsschreibern von morgen als den Juristen von heuteberlassen.

    Das Bankgeheimnis so haben wir gesagt ist schon lan-ge durchlchert. Wenn ein Schirm Lcher aufweist, hat mandie Wahl, entweder die Lcher zu icken oder den Schirmals ohnehin reparaturbedrftig wegzuwerfen. Um dann total

    im Regen zu stehen.RA DU GOL BA N, geboren 1973, ist promovierter konom undUnternehmer.

    Das Bankgeheimnis ist schon lange durch-lchert. Das hat bloss noch niemand gemerkt.Die richtige Zeit, um die Lcher zu stopfen.

    Fiskalisches Asyl

    Radu Golban

    Die radikale Alternativezum Informationsaustauschwre das skalische Asyl.