florentine rost van tonningen - jedem seine wahrheit

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  • 8/2/2019 Florentine Rost van Tonningen - Jedem seine Wahrheit

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    Jedem seine

    Wahrheit

    In Nachfolge von

    F.S. Rost van Tonningen-Heubel

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    Auf der Suche nach meinem Ehering

    Jedem seine

    WahrheitIn Nachfolge vonAuf der Suche nach

    meinem Ehering

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    F.S. Rost van Tonningen-Heubel

    F.S. Rost van Tonningen-Heubel

    JEDEM SEINE WAHRHEIT

    In Nachfolge von

    Auf der Suche nach meinem Ehering

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  • 8/2/2019 Florentine Rost van Tonningen - Jedem seine Wahrheit

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    Copyright 2005 by Konsortium Der Lebensbaum

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    Inhaltsangabe

    1. Einleitung 5

    2. Chaos 9

    3. Ein langer Marsch in Richtung Kaiserstadt Goslar im Harz. 23

    4. Der verlorene Krieg 29

    5. Dramatische Jahre in einer umgewandelten Welt 37

    6. Offenbarung 48

    7. Meine Nachforschungen um die Ermordung meines Mannes 53

    8. Einbrgerung in Velp; mein Haus Ben Trovato 65

    9. Der heutige Stand der Dinge 69

    10. Aufgerufen zu hherem Leben 88

    11. Die verschiedenen Einheiten der Waffen-SS 91

    12. Die Wahrheit macht frei 100

    13. Die notarielle Akte F. Knolle 119

    14. Schweres Schicksalslos mancher groer Menschen 123

    15. Johan Wildschut, Video-Ausstrahlung Hilversum 3,Sendung Lopend Vuur 127

    16. Die Wahrheit Das Licht 131

    17. Gedicht Meine Zeit mit Dir 133

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    18. Kerze Rost van Tonningen 134

    19. Beilagen 136

    20. Personenv erzeichnis 148

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    1. Einleitung

    Bis heute hat sich noch niemand veranlat gefhlt, sich frdie Mistnde und das grobe Unrecht in denGefangenenlagern fr die politiek-deliquenten (NSB)einzusetzen, worber am 5. Oktober 1950 ein Dokument anden Vorsitzenden der Enqutecommissie-Regeringsbeleid1940-1945, Teil 5A (Untersuchungsausschu-Amtsfhrung

    der Regierung) eingereicht wurde.So werde ich es als Witwe des im Juni 1945 ermordeten Dr.M.M. Rost van Tonningen, whrend des Krieges Prsident-Direktor der Niederlndischen Bank, fr alle tun, dieunvorstellbar gelitten haben, verleumdet wurden und nie ihreEhre zurckbekamen.Denn diejenigen, die groes Unrecht verschweigen und esbewut in Vergessenheit geraten lassen und sich bis heutenicht verpflichtet gefhlt haben, etwas fr einegeschichtsgetreue Darstellung zu tun, sondern mitunverschmter Geschichtsverflschung nur die Lgeuntersttzen, dienen nicht der Wahrheit.Wegen der Entwicklung neuer Informationen und einemreiferen Urteil sah ich mich gentigt, verschiedene Kapitel

    meines Buches Auf der Suche nach meinem Ehering inAuszgen in das jetzige Buch < Jedem seine Wahrheit > alsGrundlage aufzunehmen, umder Wahrheit einen breiteren Raum zu ermglichen.Die niederlndische Illegalitt hat whrend des Krieges 1940-1945 von der hollndischen Exilregierung aus England imJanuar 1944 einen Betrag von 30.000.000,- Gulden erhalten.

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    Diese Handlungsweise der Exilregierung war gegen dieAnweisungen der Beamten und Brgermeister in Holland

    gerichtet, die aufgrund des Landkriegsrechtes derVorkriegsregierung, das auf der Pflicht beruhte, mitmglichen Besatzern zusammenzuarbeiten. Wie dieDemokratie vor 1940 bewiesen hatte, eine Bedrohung fr diedamaligen Machthaber gewesen zu sein, mute nach 1945nicht eine Demokratie fr das Volk, sondern eine Demokratiegegen das Volk geschaffen werden.Das beweisen unter anderem auch die folgendenPublikationen : Lagerzustnde 1944/45-48, geschriebenvon Dr. H.W. van der Vaart-Smit, mit einem Vorwort vonProf. M.G.M.H. Russel.Das Buch von Koos Groen, einem sehr bekanntenhollndischen Illegalen.Weiter hat einen sehr ausfhrlichen Bericht Dr. A.M. Baron

    van Tuyll van Serooskerken zusammen mit dem ehemaligenKammermitglied. Frau van Schilfgaarde, zusammengestellt,der am 5.Oktober 1950 dem Vorsitzenden derEnqutecommission Regierungsfhrung, vorgelegt wurde.Um den vollen Umfang der bis in die Gegenwart reichendenwahrheitswidrigen Handlungen und schriftlichenDarlegungen ber die Zeit nach dem Ende des Zweiten

    Weltkrieges, die vorwiegend das hollndische Volk betreffenzu begreifen , ist es unumgnglich, die Geschehnisse, die derWahrheit zuwiderliefen, zeitlich schon mit dem Jahre 1940beginnend aufzudecken.

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    Im Mai 1940, zehn Tage vor Kriegsbeginn, wurde mein Mannaufgegriffen und bald darauf mit zwanzig Mnnern aus

    verschiedenen Kreisen gefangengenommen.

    Niederlndisches Fernsehen, Drittes Programm, 20.25 bis22.00 Uhr, 10. Mai 1990, Thema: Oranje und der Plan Gelb

    Da kamen, ich wei nicht, ob bei Sluis oder an einemanderen Ort, zwei Lastwagen, zwei offene Militrautos mitMilitrpolizei. Und die kamen mit erhobener Rechten und mitHitlergru, und da sagte ich, wer sind die, eh da sagt man,das ist Rost van Tonningen, eh, enfin, die ganze Gesellschaft.Und da habe ich die ganze Sache stoppen lassen, und ich habedem Offizier, der der Begleiter war, ein Kapitn oderLeutnant ich wei nicht mehr habe ich gesagt, der, eh

    gerade nach drauen kam, la sie laufen und dann dasMaschinengewehr auf sie. Eh, dann sind wir sie los! Und dasagte mein Adjudant Pfaff, da ich das nicht tun knne. DerSohn von Pfaff ergreift das Wort. Dieser sagt: Ja, da habenSie den Gegensatz zwischen dem Berufsoffizier undBernhard, der von Hause aus nur eine kurze militrischeAusbildung gehabt hat, brigens von meinem Vater. Bernharddachte, da dies unter solchen Umstnden die krzeste

    Lsung des Problems sei. Aber mein Vater, der vermutete,da hier doch mehr juristische und kriegsrechtliche Problemeberhrt wrden, hat ihn, wenn auch mit einiger Mhedavonabgehalten. Er sagte: Nein Hoheit, das knnen wirnicht tun; das sind genau die Systeme, gegen die wirkmpfen. Da knnen wir uns nicht auch so gehen lassen.

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    F.S. Rost van Tonningen-Heubel 2005.

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    2. Chaos

    Die politische Wende

    und das hierdurch entstandene ChaosDie Eroberung der Niederlande durch die Alliierten beendetedort den Zweiten Weltkrieg und brachte ganz anderegesellschaftliche Gruppen an die Macht als die, welche bisher

    die Fhrung in der Hand gehabt hatten. Die Illegalen wurdenwhrend des Krieges durch die niederlndische Exilregierungstark untersttzt, die ihnen z.B. im Januar 1944 einen Betragvon 30 Millionen Gulden zukommen lie. Damit handelte dieniederlndische Exilregierung in London deutlich gegen dieberzeugung ihrer Vorgnger - der niederlndischenRegierung aus der Zeit vor dem Kriege. Diese hatte in denAanwijzingen (Anweisungen) Beamte und Brgermeisteraufgrund der Landkriegsordnung auf ihre Pflicht, eventuell mitdem Besatzer zusammenzuarbeiten, hingewiesen. Da dieDemokratie der Zeit vor dem Krieg sich als Bedrohung frdie damalige Machthaber erwiesen hatte, mute diesmal nichteine Demokratie fr das Volk, sondern eine Demokratie gegendas Volk geschaffen werden. Dr. H.W. van der Vaart Smitlie mit seiner Broschre Lagerzustnde 1944-'45-'48 mit

    einem Vorwort von Prof. Mir. G.M.G.H. Russel auch einBuch darber erscheinen. Und wer kennt nicht das Buch vonKoos Groen (in Holland ein bekannter Illegaler).Weiter hat Dr. A.M. Baron van Tuyll van Serooskerken,zusammen mit dem ehemaligen Kammermitglied Frau vanSchilfgaarde, einen Bericht ber die Untersuchung derMitnde in den Lagern fr politische Gefangeneherausgegeben. Er wurde am 5. Oktober 1950 dem

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    Vorsitzenden der Enquete-Kommision Regeringsbeleidangeboten. (Enqutecommissie regeringsbeleid 1940- 1945,

    deel 5aEbenso wie das was im Achtzigjhrigen Krieg durch dieSpanier mit der Enthauptung von Egmont und Hoorngeschehen war, mute auch jetzt der Bevlkerung Angsteingejagt werden. Das konnte am besten durch eineKetzerjagd auf Nationalsozialisten und Kollaborateuregeschehen. Nicht umsonst sprach Minister Anthony Eden1945 im britischen Unterhaus ber die grte Menschenjagdder Geschichte, die damals im Gang war. In denNiederlanden wurden zwischen 170.000 und 250.000Menschen in die KZ-Lager gebracht, Mnner, Frauen, Kinderund Suglinge. Das waren Lager, in denen fr die Ernhrungin keiner Weise gesorgt war. Das Ausrauben derzurckgelassenen Huser der NSBer war so allgemein blich,da man dafr eigentlich die halben Niederlande htte ins

    Gefngnis stecken mssen, wollte man diese Diebsthlewirklich verfolgen. Deswegen nahm die Regierung sogenannteBeschlagnahmungen dieses Hausrates vor, wobei dieschnsten Mbel, Silber, Wsche, nicht gestohlen, sondernzu lcherlichen Preisen gekauft wurden, wobei ganzeHaushalte, einschlielich Antiquitten, fr 10 Gulden oderweniger den Besitzer wechselten... (auch eine Methode!). DieNSBer dagegen erhielten einen Bezugsschein fr die

    Schadensregelung in Hhe von hchstens fl 4000,-. Dafrkonnten sie natrlich nur einen ganz kleinen Teil dasHausrates wiederbeschaffen. Natrlich kam niemand zurecht.Hier folgen einige Stze aus dem Bericht vom 5. Oktober1950, Enquete-commissie regeringsbeleid 1940- 1945, deel5a:

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    Dr. A.M. Baron van Tuyll van Serooskerken schreibt: Bei der

    durch mich angestellten Untersuchung habe ich mich auf dieMistnde in den KZ-Lagern beschrnkt.Die Untersuchung hat jedoch ergeben, da nahezu alleBewacher sich nicht gescheut haben, absolut wehrloseMenschen zu qulen, zu foltern und zu mihandeln, wobei diedurch die Deutschen whrend der Besatzung angewandtenMethoden bernommen wurden (das mute natrlichkommen). Die Mihandlungen haben sowohl von Seiten derBewacher aus eigenem Antrieb, als auch mit Genehmigungder Lagerleitung stattgefunden. Die schlimmsten Flle vonMihandlungen haben sich in der ersten Zeit nach derBefreiung ereignet. Im KZ-Lager De vergulde Hand warendie Gefangenen mit Schiffsketten, die von der SchiffswerftFigee stammten, angekettet. Diese Ketten wogen 2,3Kilogramm, daran waren Bgel, mit denen die einzelnen

    Gefangenen an den Kncheln aneinandergekettet waren, vieleWochen lang, Tag und Nacht.. Die Bewachung des KZHarskamp wurde im Monat Juli durch die Kanadier anniederlndische Wachttruppen bergeben. Dieniederlndischen Wachtruppen haben sich in sehrbedenklicher Weise auerordentlich schlecht benommen.Abends und in der Nacht haben sie durch die Barackengeschossen. Dadurch haben sogar Gefangene selbst im Schlaf

    ihr Leben verloren. Diese nchtlichen Schieereien habenmindestens zwei- bis dreimal in der Woche stattgefunden.Diese Mistnde haben sicher bis in das Frhjahr 1946 weiterangehalten. Schreckliche und unbarmherzige Mihandlungenvon Gefangenen haben im Strafgefngnis Scheveningen(Rost van Tonningen) in dieser Periode stattgefunden, wobeider Direktor und die allgemeine Leitung Niederlnder waren,

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    die im Dienste der Kanadier standen. Die Wrter stammten inder Hauptsache aus Scheveningen.

    Am 22. Juli 1945 wurde die Leitung dem Militair Gezagbertragen, wodurch diese Wahnsinnszustnde im bisherigenMae beendet wurden. KZ Harskamp Es war blich, dabeim Abendappell durch den Barackenltesten bekanntgemacht wurde, wenn jemand im KZ gestorben war. EinesTages machte der Barackenlteste bekannt, da der LeiterMussert erschossen worden war; daraufhin nahmen alle 2Minuten lang Haltung an. Dafr wurde die ganze Baracke -ungefhr 300 Mann - bestraft: vier Wochen Wasser und Brot,vier Stunden je Tag strafexerzieren und vier Stunden je TagSprechverbot. Es kam vor, da man in der Zelle mit einerKette am Arm an die Zentralheizung angekettet wurdeEinen anderen wollte man nur so aus Spa erschieen: Ichbin damals vor einen Panzerwagen, auf dem einen M 24Maschinengewehr war, gestellt worden. Der Soldat, der das

    Maschinengewehr bedienen sollte, konnte das Schlo nichtaufbekommen, wodurch das Maschinengewehr nichtFunktionierte und ich nicht erschossen wurde.Im KZ-Harskamp war die medizinische Versorgung in derersten Zeit uerst schlecht, Medikamente fehlten vllig, unddie Ernhrung war zum Sterben zuviel und zum Leben zuwenig. In Westerbork galt der Lagerkriminalbeamte Wieringaals ein sehr unbarmherziger Mann. Infolge der sowohl in

    Harskamp wie in Westerbork erlittenen Behandlung ist meinelinke Lunge erkrankt. Vorher war ich vllig gesundVon KZ Harskamp wurde ich mit fnfzehn anderen in denBunker Blaskowitz gebracht. Bei der Ankunft wurden wir allein eine Zelle von 2 mal 3 Metern gezwngt. Wir muten aufunseren Knien, mit dem Gesicht zur Mauer und erhobenenHnden sitzen. Als ich aufstand, bin ich durch den Wchter

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    Zieltjes mit einem Karabiner niedergeschlagen worden Ichhabe gesehen, da Dr. Neuthorn und Ingenieur Grote in einem

    Kohlenbunker, in dem man nicht stehen konnte, eingeschlossenwurdenuerungen wie: Ist es ein SS-Mann? Halt dann nur gleichunter die Erde mit ihm waren das bliche.Viele der Gefangenen lebten im Winter 1945/46 inErdhhlen, manche mit von ihnen beschafften altenBrettern etwas abgedeckt. Nachdem vom Turm zotige Liedergesungen worden waren, kam es dort zu folgendem Gesprch:Es ist ein Kerl niedergeschossen worden. Das hat einer vonder Patrouille van Dun getan, Kruyf, glaube ich. Der Kerlstand in der Baracke am Fenster, er mu tot sein. Aber das istnicht schlimm, es war doch nur ein SS-Mann. Ich habe wohlachtzehn umgelegt..., woraufhin der Korporaal (Gefreiter,in diesem Falle Kommandant) mitteilte: Nun, von mir liegenauch eine Menge, die in ihrem Blut baden werden, in dem

    weien Zelt da, wo die Wsche ist. Die Scheikerle machendas Licht noch nicht aus, aber dann schiee ich das ganzeLager zusammen Es wurde der Rat gegeben, sehr tief zuschieen: Weil die Saukerle sich eingegraben haben.Immer und immer wieder die gleichen Berichte!!!ber den Aufenthalt in diesen Lagern im April 1945 bis 1949gibt H.J. Nijks in W. einen ausfhrlichen Bericht:

    Nijks wurde in Blijham in der Provinz Groningen durchinlndische Streitkrfte, de BS verhaftet. Er wurde miterhobenen Hnden in die Dorfschule gebracht, wo er als erstereintraf. Aber sehr schnell kamen weitere Leidensgenossendazu. In dieser Schule lagen vorher Deutsche, die im Strohmehrere Handgranaten zurckgelassen hatten. Tagsber

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    muten wir bei den Bauern arbeiten. Wenn man zum WCmute, bekam man einen Wchter mit geladenem Gewehr

    mit. Sehr bald wurden wir, die politischen Delinquenten, indas Asyl in Winschoten verlegt. Dort war der KommandantDr. Hommes, rztlicher Direktor des rmisch-katholischenKrankenhauses in Winschoten. Wir wurden da zu zwanzig Mannin eine kleine Zelle gequetscht, wo fr jeden nur 20 cmBodenflche zur Verfgung standen. In einer Ecke war einWC. Das Essen war wiederum zuviel, um sterben zu knnenund zu wenig, um davon zu leben. Wenn die Zellentrgeffnet wurde, lebte jeder in der Angst, zu einem sehrschmerzlichen Verhr geholt zu werden. So ab und zu ging Dr.Hommes mit einer geladenen Pistole seine Runde entlang derZellen. Einmal holte er mich aus der Zelle und erzhlte mir,da ich ein Lump, ein Schurke und ein Mrder sei. Tagsbermuten wir entweder bei den Bauern arbeiten oder beiBrgern allerlei Gelegenheitsarbeiten ausfhren. Die Ernhrung

    war damals so schlecht, da ich Gras gegessen habe, um amLeben zu bleiben. Wenn wir von der Arbeit nach Hauskamen, muten wir im Gang stehen bleiben, bis die Wchterdie Zellen ffneten und wir hineingehen konnten. Wenn dasdann wiederum nicht schnell genug geschah oder jemand sicherschpft auf den Boden setzte, wurden wir mit Gewehrkolbenin die Zellen getrieben. Am 7. Mai 1945 wurde ich von demPolizisten Jrgens aus Blijham verhrt. Er stellte mir

    verschiedene Fragen, auf die ich keine vernnftige Antwortgeben konnte. Wenn ich die Antwort schuldig blieb, wollte ermich mit dem Gummiknppel verprgeln. Dadurch, da ichschnell aufsprang, erreichte er mich anfangs nicht. Er holtedann 3 Mnner dazu, die mich zusammen bewutlos schlugen.Als ich wieder zu Bewutsein gekommen war, mute ich mitdrei SS- Mnnern antreten und im Garten hinter dem

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    Gefngnis unser eigenes Grab graben. Whrend wir mitWasser bespritzt wurden, waren andere damit beschftigt, uns

    mit ihren Maschinenpistolen um die Ohren zu schiessen. ImGarten waren auch Grben, die voll Wasser standen. Hiermussen wir hindurchkriechen. Diese bungen wurden bekanntals das Wasserballett von Winschoten. Im Winter mutenwir in einer der Baracken Erbsen lesen. Es geschah dann wohlmal, da einer eine Erbse in den Mund steckte, was strengverboten war. Einer von uns, B. Veen, steckte sich eine Erbsein den Mund, dafr bekam er eine Strafbung, die bestanddiesmal darin, da er schnell durch einen breiten, tiefenGraben, der quer durch eine Weide fhrte, rennen mute.Hinter ihm lief ein dressierter Polizeihund, ein Bouvier, derihn wiederholt heftig bi. Als Veen in die Barackezurckkam, waren seine Kleider in Fetzen gerissen, und erblutete berall. Er wurde sofort nach dem KZ Westerborkgebracht und ist am nchsten Tag an den Folgen dieser

    Strafbung gestorben.Das waren nur einige schndliche Begebenheiten, die BauerNijks mitgemacht hatte, so wurde dieser Sadismus in jedemLager hnlich ausgebt. Ich erinnere mich selbst, da wir ineinem unserer Frauen-KZ alle in einer Reihe stehen muten,Hunderte von Frauen, whrend zum Spa in unsereRichtung geschossen wurde, um uns zu treffen. Dann

    muten auf Befehl drei Frauen vortreten und einigeverwilderte Katzen, an denen sie hingen, in einen Sackstopfen, diesen mit einem Stein beschweren und ins Wasserwerfen. Die arme Katzen muten dann langsam ertrinken.Und wir muten unbeweglich in dieser Reihe stehen bleiben,sonst wurden wir erschossen. Im KZ Rhijnauwen wurde imSommer 1947 der Internierte Lemmers durch einen Wchter

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    ganz aus der Nhe zum Spa erschossen, weil der Bewachergemeint hatte, bei einem anderen eine drohende Haltung

    festgestellt zu haben. In der Zeitung war dann zu lesen, daLemmers bei einem Fluchtversuch erschossen worden sei. InKZ Sellingerbeetse wurde eine Frau mit ihrem Suglingvllig willkrlich erschossen. Im KZ-Lager Ellewoutsdijkwurde am 6. April 1946 C.A. de Kreuk bei seiner Arbeit ohneAnla erschossen. Im KZ-Lager in Wezep wurde derKommissar der Provinz Overijssel zum Spa ein Beinabgenommen, doch man lie bewut alle Schrotkugeln imOberschenkel sitzen, soda sie sicher waren, da er nie eineProthese wrde tragen knnen. Ein anderer Kamerad schreibtdas folgende ber seinen Vater: Mein Vater kam in dasLager C.C.Polder, nachdem er in anderen KZ-Lagerngesessen hatte. Die Gefangenen kamen zu Fu, sie wurdenalle mihandelt. Zwei Polizisten, die mit dem Rad kamen, umeinen unserer Gefangenen, F., abzuholen, zwangen diesen,

    vor ihnen im Trab herzulaufen, dabei schubsten und schlugensie ihn stndig. Mehrmals fiel F., und dann berfuhren diePolizisten ihn, bis er schlielich in einem Bauernhofgeschleppt wurde, weil er aus eigener Kraft nicht mehraufstehen konnte. Ein anderer Gefangener war vor meinemVater an der Reihe und bekam von dem schreibendenPolizisten zu hren: Oh, bist du der Vater von demRitterkreuztrger? Dann mihandelten sie ihn ganz

    besonders, der Arzt kam am nchsten Tag, blieb in derTrffnung stehen und erklrte: Bei dem Mann ist dochnichts mehr zu machen. Lat ihn ruhig sterben, erklrte derArzt. Und tatschlich starb er, ungefhr in der Mittagszeit.Ten H. aus Scheemda war auch im KZ-Lager C.C.Polder. Erversuchte zu fliehen. Die Bewacher (wir nannten siePlurken) folgten ihm und schossen ihm in die Leiste. Nach

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    einen kurzen Aufenthalt im Krankenhaus kam er zurck undwurde mit einer Kette an eine schwere Granate gebunden, so

    da er nicht mehr die Mglichkeit haben sollte, eine weitereFlucht vorzubereiten. Den Frauen wurden die Haareabgeschnitten, Hakenkreuze auf den Kopf gebrannt. Ja, ichknnte ein ganzes Buch ber diese Greueltaten schreiben, eswar und ist endlos ber einen Fall mchte ich alsLetztes doch besonders berichten. Es waren unter uns vieleFrauen mit ihren Babys. Die Babys wurden auerhalb einesKreises gelegt. Die Frauen und Mtter wurden in die Mittegetrieben, die Bewacher (Plurken) standen um sie herum. Ehedie Frauen dann ihre Kinder sugen durften oder ihnenNahrung geben konnten, muten sie zuerst diese Bewachersogenannt liebhaben, wobei sie meistens vergewaltigtwurden, erst dann durften sie Ihre Kinder nhren. Wenn nicht,dann durften sie nicht zu ihrenKindern, und die Suglinge starben... Sadismus, Sadismus,

    Sadismus! Erschtternd...Hier folgen Stellungnahmen zu der bijzondererechtspleging (Speziellen Rechtspflege).Dr. R. Pollema (CHU) in der Ersten Kammer der GeneralStaaten:Wollen wir eine deutliche Sprache sprechen: Die Bijzondere

    Rechtspleging, nach den Richtlinien der Exilregierung, dieaus London ins befreite Vaterland zurckgekehrt ist, stellteine Schande fr die Verfassung dar. Sie ist nicht mit einemStaatsnotstand zu rechtfertigen.S.H. Papst Pius XII. bei der Erffnung des Heiligen Jahres: Esmu jeder besonderen Rechtssprechung und Gesetzgebung ein

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    Ende gemacht werden, die nach so vielen Jahren noch Strafenausspricht und Unglck ber Familien, sowie auch Einzelne

    bringt und dadurch einen Geist der Verbitterung gegenber derGemeinschaft, die ihnen diese Behandlung auferlegt, weckt.Und beim Jahreswechsel 1951/1952: Wie schmerzlich ist dasLos derjenigen, die in manchen Lndern unschuldig inGefangenschaft schmachten und dies infolge unrechtmigerGesetze, oder schlimmer noch, durch verabscheuungswrdigepolitische Leidenschaften veranlat.Prof. Dr. G.M.G.H. Russell: Die Londoner Beschlsse (1948)Die Londoner Regierung hat es fr ntig erachtet, imFrhjahr 1944 eine groe Anzahl von Gesetzen zu verknden,die das niederlndische Volk zu einem gesetz- und rechtlosenVolk machten. Als nachtrgliche Strafandrohung undsogenannte Umerziehung von Personen in Lagern, diesich so verhielten, wie es die Gesetze des Landes nicht

    verboten, war dies eine Verletzung der Verfassung und derGesetze, ein Ausdruck der Engherzigkeit von Menschen, diebeeinflut sind von Vorurteilen aufgrund von Phantasien. Esbleibt fr den Unvoreingenommenen ein Rtsel, wie dieRegierung dazu gekommen ist, dem niederlndischen Volkein System aufzudrngen, das der vaterlndischenGesetzgebung diametral entgegensteht, die tief in derberzeugung und dem Rechtsbewutsein der gesunden

    Schichten der Bevlkerung begrndet ist.Nederlands Juristen Blad, jaargang 1947 blz. 216(Niederlndische Juristen-Zeitung, Jahrgang 1947, Seite 216)In London und in den besetzten Niederlanden sah man dieseGruppe (die National-Sozialisten) whrend der Besatzungsjahreals eine Bande asozialer und profitschtiger Verrter und

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    Verbrecher an, deren einziges Ziel es war, mit Hilfe derBesatzung das Verlangen nach Macht und Besitz zu

    befriedigen. Die ersten Londoner Beschlsse, die in der Praxisabsolut unausfhrbar schienen, waren dafr der Ausdruck; dieArt und Weise, in der die Freiheitsstrafen dann vollzogenwurden, war die Folge.De Linie (Zeitschrift), 13. Mai 1949:Wir sind verpflichtet, auf das Unrecht hinzuweisen, da sehrviele bestraft wurden oder Suberungsaktionen zum Opferfielen entsprechend einem Standpunkt, der vollkommen demwhrend der Besatzungszeit geltenden richterlichenStandpunkt widerspricht, auer einigen offenbar gewordenenAusnahmen nach dem Juni 1944. Nieuwsblad van het Noorden, 1. Juni 1946:Die Rechtsprechung des Tribunals ist abgeschlossen,

    aber das Erbe ist geblieben. Es ist jedoch schwer, beidiesem Erbe ruhig zu bleiben. In dem Mae, wie die Strafensich auswirken, ist nun in unserer Mitte eine regelmigzunehmende Gruppe, die sich aus der Gemeinschaftausgestoen fhlt. Vielleicht werden sie spter einmal denanderen hhnend zurufen: Was haben wir einmal gesagt vonRuland; was von Amerika; was von Europa!

    Leeuwarder Courant, 28. November 1947:Es mu klar gesagt werden: gegenber denpolitischen Deliquenten (Gefangenen) sind die elementarenMenschenrechte verletzt worden Es wurden derniederlndischen Geschichtsschreibung Seiten hinzugefgt,die die Nachkommen nicht mit Stolz lesen werden. - Die

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    Illusion einer sauberen Rechtspflege auf diesem Gebietwurde doch von niemandem mehr aufrechterhalten.

    De Linie, 27. Februar 1948:Besonderes (Un)Recht. -Die Folgerung mu sein, dader besondere Kassationsrat mit seinem Versuch, die Staats-Notgesetzgebung theoretisch zu rechtfertigen, versagt hat, undda die besondere Rechtsprechung bei ihrem Versuch, durchobjektive Erfolge den Makel ihres Ursprungs zu beseitigen,versagte.De Telegraaf 24. Juni 1950:Die Flut von Unrecht, die von dieser Rechtspflegeausgegangen ist, hat wirklich ein vernichtendes Werk in denNiederlanden vollbracht. Und diese gleiche Zeitung am 25.September 1949: Es gibt ber diese besondere Rechtspflegeund deren Ausfhrende seit Jahr und Tag Berichte, die allein

    durch die einfache Tatsache, da sie erzhlt werden, einZeichen dafr sind, da es mit der Rechtspolitik doch sehrhapert Es ist ein offenes Geheimnis, da die alteGerichtsbarkeit sich an manchen Figuren, die nach dem Kriegzum Vorschein kamen, stt. Versuche, diese Personen zudemaskieren und um den unentwirrbaren Knoten zwischen denwhrend des Krieges eingegangenen Verbindlichkeiten undder Rechtsprechung zu lsen, sind weitestgehend

    miglckt. Keiner der Justizminister hat da Erfolg gehabtUnser Eindruck ist, da in den Niederlanden der Beseneingesetzt werden mu, und da es in den Niederlanden eineAnzahl Dinge gibt, die aus einer gesunden RechtssprechungEINEN AUGIASSTALL gemacht haben.Ons Noorden, 2. Juni 1948:

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    Eine nationale Blamage. Das ist ja nun wohl wirklich sicher,da die Art, in der die besondere Rechtsprechung in unserem

    Land durchgefhrt wurde, dem Rechtsbewutsein unseresVolkes sehr geschadet hat, denn hier ist oft auf eineunerfreuliche Weise mit zweierlei Ma gemessen wordenDie Geschichte der besonderen Rechtsprechung ist eineschwarze Seite in der Geschichtsschreibung unseres Volkesgeworden. Sie wurde BESONDERE genannt, ist aber wohlauch in hohem Mae BESONDERS gewesen, sobesonders, da das Land von Hugo Grotius zu einer Schandegeworden ist.De Linie, 8. April 1949:Dr. van Heuven Goedhart, der als Londoner Justizministereine schwere Verantwortung trgt fr diese verhngnisvolleRache-Gesetzgebung, die die Orgien von Machtwollust undMenschenvernichtung mglich machte.

    Dr. G.J. de Lint in Rechtsbederf (Rechtsverfall) (Nummer52-55 von Tijdseinen):Die Notbeschlsse, die die Regierung aus Londonmitgebracht hat und die spter zustandegekommenen haben dieniederlndische Rechtsordnung zum Teil zerrttet. Das giltbesonders fr die Notbeschlsse fr die besondereRechtspflege.

    De Linie, 15. April 1949:Der groe Lffel, womit die Niederlande das kostbare undeinst gutgefllte Fa der Demokratie ausgehhlt haben, heitbesondere Rechtspflege.Und am 27. Mai 1949 in derselben Zeitschrift:

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    Das Ansehen des Rechts ist durch die auergewhnlichebesondere Rechtspflege in den Nachkriegsjahren bis auf den

    Grund zerstrt worden.

    Sans justice il n'y a que des oppresseurs et des victimes.

    Napoleon(Ohne Recht gibt es nur Unterdrcker und Opfer)

    N.B. Die politische Rechtssprechung der Zeit nach demZweiten Weltkrieg ist hier selbstverstndlich nicht einbezogen.

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    3. Ein langer Marsch in Richtung

    Kaiserstadt Goslar

    Wir Alle finden einander in unserer Kaiserstadt Goslarwieder. Meine Fahrt in dem kleinen Schiff Richtungschlielich bis Cuxhaven wurde eine unvergeliche Reise. Wirtuckerten durch die Minenfelder, von Tieffliegern bedroht,zwischen Hoffnung und Verzweiflung ber das Wasser. Ich

    durfte mit meinen drei kleinen Kindern in die winzige, sehrbeengte Kajte. Grimbert und Ebbe wurden gleich seekrank.Herre sah so elend aus, da ich um sein Leben frchtete. Ichlegte ihn an die Brust, doch das half auch nicht viel. Ich hattekeine Milch mehr. Mit dem Kapitn zusammen suchten wireinen Weg auf der Karte, einen Weg durch die Minen. Welcheine Nacht! Durch die bermige Anspannung, Sorge und

    Angst verlor ich einige Male das Bewutsein. Einen gewissenTrost gab mir der Gedanke, in deutsches Gebiet zu fahren.Vielleicht wrde ich dann doch noch meinen Mannwiederfinden. Welches Los wartete auf uns? Doch das Glck,das Schicksal, blieb mir treu, inmitten der vielen Gefahren.Wir erreichten Cuxhaven. Diese Stadt war seit einigen Tagenvon den Englndern besetzt. Unser Schiff wurde deswegengleich beschlagnahmt, wir durften nicht von Bord. Der

    Kapitn, der herzliches Mitleid mit mir und den Kindern hatte,versuchte trotzdem, mit einem Krankenhaus Verbindung zubekommen, und siehe da, er hatte Glck. Einige Stunden spterkam ein Krankenwagen mit dem Stabsarzt Dr. Dulle. Ich gabihm ein Schreiben des Stabsarztes von dem Boot derKriegsmarine, das mich gerettet hatte. Er sagte, er sei bereit,mir und meinen Kindern zu helfen. Es wurde hchste Zeit.Herre war fast tot, und ich auch. Nach einer Untersuchung

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    durch die Englnder fuhren wir zum Krankenhaus undbekamen - kaum zu glauben - ein eigenes Zimmer. Baby-Herre

    kam sofort in die Suglingsabteilung und wurde dort durchSchwester Cecilia, eine fabelhafte Frau, versorgt. Ich hattewieder Glck oder mein Wunder dauerte noch weiter. Wiralle vier schwebten zwischen Leben und Tod, doch unser Sternblieb uns treu, wir wurden gesund. In der Suglingsabteilungwar mein Kind das einzige Kind, das an sich gesund war, alleanderen 30 Babys waren schon bei der Geburtgeschlechtskrank, ein entsetzlicher Anblick. Mein Leben unddas meiner drei Kleinen war ein Wunder, und in Gedankenklammerte ich mich immer an die letzten Worte meinesMannes an seine Kinder am Donnerstag, dem 15. Mrz1945: Grimbert, ltester Sohn, Du wirst zu Mutti lieb sein, daVati jetzt an die Front geht, das wei ich. Sei bitte tapfer,kleiner Kerl. 'Tag lieber Ebbe, Vater geht an die Front undhofft, Dich bald als einen groen Jungen wiederzusehen, Heil

    Dir - Und Herre, mein Sohn, werde Muttis Glck! EuerVater.Ist das Leben nicht rtselhaft? Wo waren alle Menschen, diemeinen Weg gekreuzt hatten; von niemandem wute ich, wasmit ihm geschehen war. Lebten sie noch? Waren sieirgendwo gefangen? Lebte mein Mann, mein Bruder Wim,meine Eltern, meine Schwiegermutter noch? Was war zu tun?

    Doch lange brauchte ich darber nicht nachzudenken.Schwester Cecilia kam des nachts, um mir zu erzhlen, da esim Krankenhaus bekannt geworden war, wer ich sei; ich sollteam nchsten Tag mit einem Transport nach England gebrachtwerden. Schnell wurden Laken aneinander geknotet Kinderaus dem Fenster ich aus dem Fenster und schnell auf dieStrae. Mit Schwester Cecilia hatte ich verabredet, da sie

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    mitten auf der Strae stehen bleiben sollte. Egal, welcherLastwagen; ich sollte dann die Mglichkeit ntzen, unbemerkt

    hinten in das Auto zu kriechen. So gesagt und getan. SchwesterCecilia blieb mitten auf der Strae stehen, bis ein schwereramerikanischer Lastwagen kam; dieser mute knarrendanhalten, wollte er sie nicht berfahren. Ich kletterte schnellhinten mit meinen Kindern in das Auto, und ja wirklich, nacheinigen Flchen, die der Fahrer gegen Schwester Ceciliaausstie, zog der Wagen an, und wir fuhren weiter. Durcheinen Spalt in der Rckwand der Plane konnte ich noch meinetapfere Freundin sehen und ihr zuwinken. Ich war vorlufiggerettet. Bei der Kontrolle, ungefhr 30 km weiter, wurde ichentdeckt, aber man war viel zu beschftigt, ich machte mich zuFu auf den Weg Wohin, wohin? Ich fhlte mich wie eingejagtes Reh, ohne Zuhause, ohne Vaterland, ohne Geld, ohneFamilie. Ich hatte zwar fr ein offizielles Papier gesorgt: FrauRost und ihre Kinder aus Deventer/Holland wurden zur

    stationren Behandlung im Stadtkrankenhaus Cuxhavenaufgenommen. Frau Rost litt an Fieber im Wochenbett, dasNeugeborene an Ernhrungsstrungen mit Gewichtsverlust, diebeiden lteren Kinder an Bronchitis, teils mit Fieber. Mutterund Kinder sind soweit wieder hergestellt, da sie aus derKrankenhausbehandlung entlassen werden knnen. DieEntlassung ist wegen berfllung des Krankenhausesdringlich, da die Betten bentigt werden. Schilling, Chefarzt.

    Wir wandern an der Seite einer Hauptstrae, eine Frau, einKinder- Wgelchen vor sich herschiebend, mit einem Baby undeinen Kind in dem Wgelchen, das grere Kind neben mirgehend, sich an meiner Jacke festhaltend. Wo war nun derUnterschied zwischen einer Prsidentenfrau mit ihren Kleinenund einer gewhnlichen Vagabundin? Wir waren von Gott undaller Welt verlassen, es fuhr kein Zug, kein Bus, es war nicht

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    einmal ein Wegweiser zu sehen. Deutschland hatte den Kriegverloren - oh armes, verwstetes, einsames Land, geschlagen,

    bombardiert, vernichtetPltzlich hielt ein MP (Militr Polizei)-Auto neben mir mitzwei dieser grausigen Kerle mit roten Mtzen darin.Drohend schauten sie auf dies Landstreicher-Bild, bsartigsagten sie mir, da es verboten sei, sich auf der Straeaufzuhalten oder gar zu gehen. Ob ich dies nicht wisse; es warvllig gegen die durch die Besatzer bestimmten Regeln. Ichwute von nichts. Irgendwo aus einer meiner vielen Taschenholte ich ein verkrumpeltes Stckchen Papier. Darauf war eingestohlener englischer Stempel zu sehen, den ich noch imKrankenhaus bekommen hatte. Das war meine letzte Chance;ich wute, da es eine gewagte Sache war, die zur Enthllungmeiner waren Identitt htte fhren knnen. Das Ergebnis warberraschend. Pltzlich fragte er mich freundlich: Wo mutDu hin, und sprichst Du englisch? Ich beeilte mich zu sagen,

    da ich englisch spreche, und wirklich unglaublich, ich wurdemit meinen Kindern auf den Wagen gesetzt und bekam denAuftrag zu dolmetschen. So erreichten wir nach einer langenFahrt auf holpriger Strae Hildesheim. Dort mute ich sofortden Jeep verlassen, denn pltzlich hatten sie es sehr eilig. Aufdem Fuweg zurckgelassen, sprach mich ein kleiner Jungean: Wer bist Du, wo willst Du hin?.Ich sagte zu dem kleinen Jungchen, da ich keine Unterkunft

    htte Oh, sagte er: Komm mit, meine Mutti hat einZimmer... Und so ging ich hinter diesem kleinenreizenden Jungen her, mit meinen Knirpsen. GanzHildesheim war bombardiert, und von jedem Haus war nur einkleines Stckchen bewohnbar.... Wir kamen in ein Zimmer,wo Mutti mit acht Kindern an einem Tisch sa Weiterzwei Sthle und ein Bett das war ihr ganzer Besitz. Der

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    kleine Junge erzhlte aufgeregt ber uns. Die Mutter sagte,wo soviele sind knnen Sie auch noch dazu. Da ich bestimmt

    sehr schlecht aussah, drang sie darauf, da ich auf demeinzigen Bett liegen mte um auszuruhen. Fr mich eineWohltat. Wir durften die Nacht dort bleiben, und amfolgenden Tag ging es zu Fu nach Goslar weiter. Ich hatteGlck, ich konnte mit einem groen Lastwagen mitfahren, undso kamen wir wirklich in Goslar an. Goslar war nicht durch dieRussen besetzt; welch ein ungeheures Glck, sollten meineEltern, meine Schwiegermutter hier noch sein und lebe?! Ichwar schwindelig, als ich am Haus einer Schwester meinesVaters klingelte, und wer ffnete die Tr? Mein SchwagerWim. Wir flogen uns um den Hals, auch meinSchwiegermtterchen war da, oh welch ganzes Glck!Pltzlich wurde mein Schwager aber sehr ernst und sagte:Dein Vater liegt im Sterben, vielleicht schaffst du es, ihnnoch gerade lebend anzutreffen. Ich rannte mit meinen

    Kindern zum Fremdenheim Kloster Frankenberg, lie Herre inseinem Wgelchen kurz allein auf dem kleinen Platz undstrmte in das Zimmer meiner Eltern, die da einZufluchtszimmer gefunden hatten. Meine Mutter sa am Bettmeines Vaters, ja, er lebte noch Langsam, ganz langsamffnete er seine Augen und schaute mich an, minutenlang...lebst du noch und die Kinder? Ich holte schnell Herre hereinund lie ihn die drei Jungens sehen; dann geschah ein Wunder.

    Mein Vater wollte wieder leben, und es glckte. berglcklich,waren wir nun wenigstens wieder zusammen. Aber was war mitmeinem Mann und meinem Bruder Wim.... Man hatteGerchte gehrt, da Rost van Tonningen tot sei, auch meinBruder Wim

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    Welche Kraft mute man innerlich aufbringen, um in dieserZeit nicht den Glauben zu verlieren, den Glauben an ein Ideal

    und besonders den Glauben an die Menschen.Es war an einem dieser Tage, da ich, ja ich mir pltzlichklar wurde - ich stehe allein, mein Mann ist vielleicht nichtmehr. Mein Gott, ich habe drei kleine Kinder, was nun? DasLOS, mein Schicksal hat mich zum Leben bestimmt. Ohwre ich nun doch auch hingegangen, genauso wie mein Mannund mein Bruder Wim. Doch meinem Lebenslauf war deutlichnoch nicht zu Ende. Es lag an mir, noch eine schwere Aufgabezu bernehmen; ich mute meine Kinder noch erziehen!

    In wessen Brust das Es war einmal seines Geschlechtesnicht wach ist, der hat auch keine Zukunft, die ihm gehrt.

    Lauschen wir wieder auf der Ahnen Stimmen und hten wirdas vor fremder Hand, was aus der eigenen Seele wachsenwill.

    Strker als Heere ist der Mensch, der den Gewalten seinheiles Ich entgegenzustellen vermag.

    Wulf Srensen,die Stimme der Ahnen.

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    4. Der verlorene Krieg

    Es werden ber den Zweiten Weltkrieg alle mglichenGeschichten erzhlt. Die Behauptung, Hitler habe den Krieggewollt, ist die unwahrste davon. Im Gegenteil: genau wie vordem Ersten Weltkrieg, haben die Alliierten eineEinkreisungspolitik gegen Deutschland betrieben. Dabeimuten sie den Zndfunken im Osten suchen. Er war bekannt,

    da Gegenstze zwischen Polen und Volksdeutschen, die biszum Ende des Ersten Weltkrieges zu Deutschland gehrthatten, bestanden. Der polnische Staatssekretr fr auswrtigeAngelegenheiten, Graf Szembek erzhlte in seinemTagebuch, da der Gouverneur der polnischen ProvinzOstoberschlesien, der mit Namen genannt wird, der HerrGrascynski, die Deutschen in seiner Provinz ausrotten wollte.Das war auch den Briten bekannt, und bereits Jahre vorher hatteman den Polen die Untersttzung der Alliierten zugesichert,wenn ein Krieg ausbrechen wrde. Anhand der Berichte despolnischen Botschafters in Washington, Graf Potocky, war manim Bilde, da die Zweite und die Dritte Internationale, Judenund Rstungsfabrikanten nichts mehr wnschten, als da derZweite Weltkrieg mglichst bald ausbrechen mge. GrafSzembeck schreibt darber: Man behandelt uns hier wie ein

    Negervolk und will den Krieg auf unserem Rcken fhren.Auerdem lie dieses Tagebuch deutlich erkennen, da beiehrlichen Verhandlungen mit dem Dritten Reich der Friede htteerhalten bleiben knnen. Es ist deswegen nicht das Dritte Reichgewesen, das den Zweiten Weltkrieg verursachte, wohl aber dieunerhrte Aggression der Vereinigten Staaten, deren PrsidentFranklin Delano Roosevelt erklrte: die Grenzen der VereinigtenStaaten liegen am RHEIN.... Es war deswegen auch durchaus

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    verstndlich, da deutsche Truppen ihren Volksgenossen zuHilfe kamen, als Deutsche von den Polen bedrngt und

    ermordet wurden.

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    SONDERBEFEHL

    fr die deutsche Bevlkerung der Stadt Bad Salzbrunneinschlielich Ortsteil Sandberg.

    Laut Befehl der Polnischen Regierung wird befohlen:1. Am 14 Juli 1945 ab 6 bis 9 Uhr wird eine Umsiedlungder deutschen Bevlkerung stattfinden.2. Die deutsche Bevlkerung wird in das Gebiet westlich des

    Flues Neie umgesiedelt.3. Jeder Deutsche darf hchstens 20 kg Reisegepckmitnehmen.4. Kein Transport (Wagen, Ochsen, Pferde, Khe usw.)wird erlaubt.5. Das ganze lebende und tote Inventar in unbeschdigtemZustande bleibt Eigentum der polnischen Regierung.6. Die letzte Umsiedlungsfrist luft am 14. Juli 10 Uhr ab.7. Nichtausfhrung des Befehls wird mit schrfstenStrafen verfolgt, einschlielich Waffengebrauch.8. Auch mit Waffengebrauch wird verhindert Sabotageund Plnderung.9. Sammelplatz an der Strae Bhf. Bad Salzbrunn-Adelsbacher Weg in einer Marschkolonne zu 4 Personen.Spitze der Kolonne 20 Meter vor der Ortschaft Adelsbach.

    10. D i e j e n i g e n Deutschen, d i e im B e s i t zder Nichtevakuierungsbescheinigungen sind, drfen dieWohnung mit ihren Angehrigen in der Zeit von 5 bis 14 Uhrnicht verlassen.11. Alle Wohnungen in der Stadt mssen offen bleiben, dieWohnungs- und Hausschlssel mssen nach auen gestecktwerden.

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    Bad Salzbrunn, 14. Juli 1945, 6.00 Uhr.ABSCHNITTSKOMMANDANT

    (-) Zinkowski, Oberstleutnant

    Von Anfang an haben die Alliierten auf eine bedingungsloseKapitulation hingesteuert. Denn es ging nicht allein umDeutschland, sondern um ganz Europa, dessen kulturellerMittelpunkt Deutschland war: die europische Kultur sollte

    vernichtet werden. Als dann am 8. Mai 1945 diesebedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht unterGroadmiral Dnitz stattfand, war dieses Ziel erreicht, das manbereits jahrelang angestrebt hatte. Die groe Raubaktionkonnte nun in Deutschland und den anderen besiegtenLndern beginnen. Dies galt buchstblich fr alles!! Patente,Erfindungen und sogar die Erfinder persnlich, wurdeninsgesamt Kriegsbeute. Und so ging es auch mit allemPrivateigentum... Ausgeraubt wurden auch die Soldaten desHeeres, der Waffen-SS, der Marine und der Luftwaffe. DerMarschallstab von Groadmiral Dnitz, ebenso seinInterimsstab, Auszeichnungen und Rangabzeichen, dieSchulterstcke der Offiziere wurden weggenommen. Auerdemwurden private Gegenstnde, wie Papiere, Fllfederhalter,Photos von Familienangehrigen und hnliche Dinge geraubt.

    Diese Behandlung war absolut unvereinbar mit der GenferKonvention, aber die Alliierten strten sich an keinenKonventionen und steuerten unmittelbar auf einenKriegsverbrecherproze los. Dabei wurde jeder nach Gesetzenverurteilt, die erst NACH dem Zweiten Weltkrieg erlassenworden waren. Diesen Gesetzen wurde rckwirkende Kraftverliehen. Das war ein flagranter Versto gegen alle bishergeltenden Rechtsnormen.

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    Als die Mitglieder der Reichsregierung gefangengenommenwurden, lie man sie erst eine Stunde in der Halle des

    Gebudes warten. Unter schwerer Bewachung wurde GrafSchwerin von Krosigk mit den anderen Mitgliedern derReichsregierung und Generaloberst Jodl mit der Fhrung desOberkommandos der Wehrmacht verhaftet. Von ihnen erfuhrenwir den Ablauf der Geschehnisse im Regierungsgebude. Miteinem militrischen Aufgebot an Panzern, Infanterie undMilitrpolizei, das in keinem Verhltnis zu der Aufgabe derFestnahme stand, trat man dort auf. Es mute ein groesSchauspiel daraus gemacht werden. Genau wie heute, gab esauch damals den gewaltigen Zirkus der Ticker-Tape Paradein New York, um die Helden als Sieger zu feiern. DieSoldaten der 11. englischen Division spielten diese Rolle aufalle Flle genau so gut, wie vorher der englische Kapitn imHaus des Groadmirals. Im Regierungsgebude ertnte, kurznach Beginn der Sitzung, wobei den Regierungsmitglieder die

    Militrs mit angelegten Maschinenpistolen und Handgranatengegenberstanden, der Befehl: Hnde hoch und Hosenrunter!!!! Die Presse war dabei, die dann Gelegenheithatte, dieses entwrdigende Schauspiel zu photographieren.Alles war ausgerichtet auf eine organisierte Ausplnderungder Mitglieder der Regierung und des Oberkommandos derWehrmacht. Generalmajor Remer gibt in seinem Buch:Kriegshetze gegen Deutschland die Erklrung des

    Groadmirals Dnitz wieder:

    1. Die Kapitulation ist von meinen Beauftragten aufGrund einer schriftlichen Vollmacht geschlossenworden, die ich als Staatsoberhaupt des DeutschenReiches und damit als oberster Befehlshaber der

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    Wehrmacht ausgestellt habe, und die in dieser Formvon den bevollmchtigten Vertretern der Alliierten.

    2. Streitkrfte verlangt war und anerkannt wurde. DieAlliierten haben mich damit selbst als Staatsoberhauptdes Deutschen Reiches anerkannt.

    3. Durch die mit meiner Vollmacht am 9. Mai 1945abgeschlossene bedingungslose Kapitulation der dreideutschen Wehrmachtsteile hat weder das DeutscheReich aufgehrt zu bestehen, noch ist damit meinAmt alsStaatsoberhaupt beendet worden. Auch dievon mir berufene geschftsfhrende Regierung ist imAmt geblieben; mit ihr hat die Alliierteberwachungskommission in Flensburg bis zum 23.Mai in Geschftsverkehr gestanden.

    4. Die im Anschluss an die Kapitulation erfolgtevollstndige Besetzung des deutschen Reichsgebietes

    hat an dieser Rechtslage nichts gendert. Sie hat nurmich und meine Regierung tatschlich behindert,in Deutschland Regierungshandlungen zu vollziehen.

    5. Ebenso wenig konnte meine und meiner RegierungGefangennahme auf die dargelegte RechtslageEinflu haben. Sie hat nur zur Folge, da jedetatschliche Amtsttigkeit fr mich und meineRegierung vollstndig aufhrte.

    6. Mit dieser Auffassung ber die Rechtsfolgen dererwhnten militrischen Vorgnge befinde ich mich inbereinstimmung mit den allgemein anerkanntenGrundstzen des Vlkerrechts.

    Diese Erklrung von Dnitz ist nicht nur historisch wertvoll,sondern sie hat auch vlkerrechtliche Bedeutung. Es gibt

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    nmlich keinen legalen Akt der Siegernationen, der dieBeendigung des Deutschen Reiches erklrt hat. Dnitz war

    als derzeitiges Staatsoberhaupt des Deutschen Reichesgezwungen, die bedingungslose Kapitulation zuunterzeichnen. Das Deutsche Reich blieb existent.Generalmajor O.E. Remer hatte Hitler das letzte Mal besuchtund fand ihn durch die Jahre gezeichnet, einen geistig vlligklaren Mann, trotz der uerst verzweifelten Lage wie einFels Kraft und Vertrauen ausstrahlend. Remer schreibt: Ichhabe lange ber diese meine letzte Begegnung mit Hitlernachgedacht. Ich hatte immer wieder die Vision, dem GroenKnig, dem alten Fritz, begegnet zu sein, als er, gramgebeugtbers Schlachtfeld reitend, einem jammerndenschwerverwundeten Fhnrich zurief: Sterbe Er anstndig,Junker! hnlich klangen mir die soeben gehrten Worte desFhrers in den Ohren: In einem ehrenvollen Untergang liegt

    der Keim des Aufstiegs. Fr mich als Soldat war dasAuftrag und Verpflichtung.

    Die HeimatWenn ich den Wandrer frage: Wo kommst Du her?Von Hause, von Hause, spricht er und seufzet schwer.Wenn ich den Wandrer frage: Wo gehst Du hin?Nach Hause, nach Hause, spricht er mit frohem Sinn.Wenn ich den Wandrer frage: Wo blht Dein Glck?Zu Hause, zu Hause, spricht er mit feuchtem Blick.Und wenn er mich nun fraget: Was drckt Dich schwer?Ich kann nicht nach Hause, hab keine Heimat mehr.

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    Hilversum, September 1925 Von G. A. Heubel (Meinen

    Vater)

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    5. Dramatische Jahre in einer

    umgewandelten Welt

    Meine Ankunft in Goslar mit meinen drei kleinen Shnen wareine groe Freude, ein Aufatmen, eine Ruhepause in einemnicht zu beschreibenden, tief ergreifenden Leid.Wie nah liegen Leben und Tod nebeneinander?War ich jetzt Witwe oder war ich keine Witwe?

    Man hat mich jahrelang im Ungewissen gelassen. Der eineerzhlte mir, mein Mann sei aus drei Metern Hhe aus demFenster gesprungen, der andere behauptet, sie haben ihn totdahin gebracht, Selbstmord - kein Selbstmord. Mord, jaMord. Nein, sagte wieder jemand anders - er wute es sicher.Er habe flchten knnen und sei nach Argentinien gegangen.Sie erhalten von dort Nachricht. Eines steht jedenfalls fest:

    man hat mich durch die englische Besatzung in Haft nehmenlassen, damit ich die Adresse des Verstecks meines Mannesangebe, da sie nicht glauben wollten, da ich selbst nichts bermeinen Mann wute. Mein Mann werde dringend fr eineNeuorganisation bei der Bank von England gebraucht.Mein Mann hatte auf finanziell-wirtschaftlichen Gebiet dorteinen sehr guten Ruf So sieht man: des einen Not - desanderen Brot

    Es war fr mich eine groe Beruhigung, da ich meine Elternin Goslar wiedergefunden hatte; was wre auch sonst mit mirgeschehen! Meine drei Shne hatten ihre Groeltern, die siesehr liebten; die Nestwrme war fr sie gesichert. Jetzt -hinterher - begriff ich erst, durch welche Gefahren meineKinder und ich gegangen waren. Wie war es eigentlichmglich, da wir noch lebten? Und unser geliebtes Goslarstand noch, es wurde nicht bombardiert, wie sonst nahezu

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    ganz Deutschland vernichtet wurde - Drfer, Stdte. Tod,Untergang

    Denken wir nur an Dresden, die Stadt, die in der Nacht vom13. zum 14. Februar durch die englisch-amerikanischeLuftwaffe bombardiert wurde, ein Massenmord, bei deminnerhalb von 15 Stunden 488.000 Menschen umgebrachtwurden, qualvoll verbrannten. Davon:37.000 kleine Kinder und Suglinge.46.000 schulpflichtige Kinder.55.000 Kriegsversehrte, rzte, Krankenpflege-Personen.12.800 Mitglieder der Rettungsdienste.330.000 alte Frauen und Mnner.Wer das Weinen verlernt hat, der lernte es wieder

    beim Untergang Dresdens, sagte entsetzt der groeDichter Gerhart Hauptmann.Auf dem Gedenkstein des Heidefriedhofes von Dresden steht:

    Wieviele starbenWer kennt die Zahl?An deinen Wundensieht man die Qual

    der Namenlosendie hier verbrannt

    im Hllenfeuervon Menschenhand.

    Wohl war Goslar dieses Schicksal erspart geblieben; inmittenvon Tod und Verwstung stand es da, wie eine einsame Oase,die Ruhe und Geborgenheit versprach. Doch ich vergesse nie,wie ich mit meinen Kindern weinend am Rand der Straestand und miterlebte, wie hunderte, wenn nicht Tausendedeutsche Offiziere mit ihren Soldaten, selbst jetzt noch in Reih

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    und Glied, in Goslar einmarschierten, um hier in den Hotels,Piper, Rmischer Hof, die als Kaserne dienten, wenn auch

    mit Lusen, Hungerdem hchsten Grades, mit geschwollenenBeinen und Krpern, untergebracht zu werden. Arme Kerle,armes Deutschland, das gegen diese Horden den Kriegverlieren mute! Einige Tage nach meiner Ankunft in Goslarwurde ich durch einen englisch-niederlndischenVerbindungsoffizier abgeholt. Vierundzwanzig Stunden wurdeich ohne jegliche Ruhe- oder Schlafpause verhrt. Am Endedieses Verhres sagte dieser Verbindungsoffizier: Ich sprecheIhnen meine Hochachtung aus. Sie haben zum grten Teil dieWahrheit gesagt, deswegen lasse ich Sie frei. Ich gebe Ihnenjedoch den Rat, machen Sie, da Sie schnell wegkommen. Ichwei, da der Russe Sie gefangen nehmen will. Ich danktediesem guten Mann und sorgte dafr, da ich unauffindbarwurde. Kraft und Trost bekam ich von meinem jngsten Sohn,wenn ich allein mit ihm war: Lieber, sagte ich dann, Dein

    Vadi hat bereits bevor Deiner Geburt soviel ber Dichnachgedacht und gesprochen und nannte Dich unserWendekind, denn Deine Geburt bedeutete fr Vadi undmich DIE WENDE. Leider sollte das nicht so sein. DieJahre 1945, 1946 und 1947 sind fr mich Jahre derGefangenschaft, Flucht mit oder ohne meine Kinder gewesen.Etwas Malen, um das Essen fr meine Eltern und Kinder zuverdienen, Blaubeeren pflcken, Pilze suchen in den Wldern,

    um am Leben zu bleiben, oder zu tauschen gegen etwasanderes Ntiges.Meine Eltern und meine liebe Schwiegermutter bliebeninnig mit mir verbunden. Ihre Haltung blieb unbeugsam stolz- obwohl sie alles verloren hatten. Meine Eltern hatteninnerhalb eines Jahres nicht nur Haus, renomiertes Geschft,Vermgen eingebt, sondern auch ihren ltesten Sohn

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    Dolf. Er starb nach seiner Operation in den Niederlanden,wegen einer furchtbaren Gefangenschaft in Niederlndisch-

    Indien bei den Japanern, und auch ihr zweiter Sohn, WimHeubel, fiel am 28. April 1945 an der Front als Offizier derWaffen-SS, und dann mein Mann, der ihnen wie ihr eigenerSohn war.Meine Schwiegermutter verlor ihren jngsten Sohn, ihrenAugapfel, meinen Mann. Als sie die Grenze in dieNiederlande berschreiten wollte, Anfang 1946, wurde sienoch mit ihren 75 Jahren verhaftet und in ein KZ gebracht,wo sie allerdings durch ihren ltesten Sohn Nico herausgeholtwurde, der inzwischen zum Konteradmiral Chef des MilitairTehuis von Ihrer Majestt der Knigin ernannt worden war.Doch mein liebes Schwiegermtterchen hat all das Elend nichtmehr verkraften knnen. Sie ist jmmerlich gestorben. Bei allmeinen vielen Verlegungen wurde ich diesmal in dasBewhrungslager Fort Honswijk in Schalkwijk gebracht. Zur

    Krnung des Tages veranlate die Bewachung, da ich, dieeinzige Frau, die sich in einem der Keller befand, jeden Tagauf einer Art Turm stehen mute um zuzusehen, wie meinearmen SS-Mitgefangenen vorbeimarschieren muten - Mnnermit einem Bein, einem Arm, weggeschossenem Kiefer... Eswar mit einem Wort grausam, diesen Sadismus miterleben zumssen. Danach wurden diese armen Mnner jeden Tag aufeinen Tisch gesetzt, und ich mute sagen, wer sie waren.

    Wenn ich das nicht wute, wurden sie geschlagen; einfurchtbares Elend. Dann stie man sie alle in einen viel zukleinen Raum, in dem Stacheldraht war, durch den sie sichschwer verletzten. Eines Tages wurde die Nr. 1367 durch denLautsprecher aufgerufen; ich, Nr. 1367, schlenderte langsam,wie befohlen, mit meinen Holzschuhen und einem kleinesBndel Kleider unter dem Arm zum Ausgang und sah zwei

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    Autos stehen - eines ein Gefngnisauto und eines mit demAutokennzeichen CD (Corps Diplomatique). Automatisch

    wollte ich in das Gefngnisauto einsteigen, doch kurz zuvorwurde mir vom Lautsprecher aus befohlen, ich solle in dasCD-Auto einsteigen, wo die Kriminalbeamten Luyendijk undKarsten mich erwarteten. Ich wurde zum Hotel Jan Tabakgefahren, das zwischen Huizen und Laren liegt. Dort wurdemir gesagt, da ich andere Kleider, die sie fr michmitgebracht hatten, anziehen solle. Zugleich sollte ich Geldeinnhen, deutsches und niederlndisches Geld. Als ichhinunterkam, wartete ein Dinner auf mich. Doch, da ich nurnoch 98 Pfund wog und kaum eine gute Ernhrung gehabthatte, wagte ich nicht, viel zu essen. In zwei Stunden erzhltenmir die Herren zu meiner groen berraschung, wie siemeinem Mann und mir whrend des Krieges immer gefolgtwaren. Tatschlich wuten sie berraschende Dinge zuerzhlen, zum Beispiel, wie ich mit meinem Mann vor dem

    Antikgeschft Catz in Dieren stand und einen Scherz mit ihmmachte, wobei ich ihm den Hut ber sein Gesicht zogEinige Stunden spter wurde ich nach Enschede gebracht, mitdem Befehl die Rolle der Frau eines Generals desGrenzschutzes zu spielen; wir saen an einem groen Tischmit vielen Militrs. Im Laufe des Abends bekam ich einenleichten Klaps auf meine Schulter mit dem Befehl: Kommmit Ich wurde dann in ein Rotkreuz-Auto gestoen, die Tr

    wurde hinter mir verriegelt, und ab ging es ber Stock undStein irgendwohin. Schlielich endete die Fahrt inBurgsteinfurt, wo die beiden Herren mich in einen ZugRichtung Hildesheim setzten. Sie blieben so lange stehen undschauten, bis sie sicher waren, da ich wirklich abgereistwar....

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    In Goslar angekommen, bekam ich im Kloster Frankenberg frmich und die Kinder ein Zimmer. Vorher hatten sie im

    Hauptgebude bei meinen Eltern im Doppelzimmergeschlafen. Doch lange durfte ich nicht in diesem Zimmerbleiben. Des Nachts wurde ich pltzlich durch Soldatengeweckt, die durch das Fenster in meinem Zimmereingedrungen waren. Sie setzen mir die Pistole auf die Brustund befahlen mir, sofort mitzukommen. Ich mute meine dreikleinen Jungen allein zurcklassen, die Gott sei Dank nichtwach wurden. Ich legte ein Briefchen in einen Schuh vor demanderen Zimmer mit meiner Ampulle Gift und der Mitteilungfr meine Eltern, fr die Kinder liebevoll zu sorgen, da ichleider weggeschlept werde, und die Ampulle Gift, die mir derStabsarzt in Terschelling gegeben hatte aufzubewahren. Ichwurde in ein Auto gestoen in dem bereits SS-Mnner saen,die aus dem Krankenhaus von einer Operation weg einfachmit muten. Bei einem war der Kiefer weggeschossen, bei

    dem zweiten das Bein amputiert, und ein dritter hatte beideBeine verloren. Dieses Rotkreuz-Auto wurde, nachdem ichverhaftet und eingeladen war, abgeschlossen, und so wurdenwir in die Niederlande gebracht. Wir konnten das Auto nichtverlassen, weil es stndig zugesperrt war. Mehr als 36 Stundenmuten wir alle zusammen in diesem kleinen Raum verbringen.Wir waren alle beinahe tot durch den Mangel an Sauerstoff undden unertrglichen Gestank der unversorgten Wunden dieser

    armen Menschen. Wahrscheinlich war der Zweck dieserFahrt, da wir alle vier sterben sollten, dann wren sie unslosgewesen. Viel spter bei einem Fluchtversuch, bei dem ichmit einer Freundin an einem Grenzposten vorbeigehen mute,stolperte sie im entscheidenden Augenblick, wobei die Ttemit Kaffeebohnen, die sie in ihrem Busen versteckt hatte, umsie mit nach Deutschland zu nehmen, herausfiel und

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    zerplatzte. Ich mute weitergehen, verzweifelt ber ihr Pechund ihr Ungeschick. Einige Stunden spter wurde aber auch

    ich entdeckt, verhaftet und zu einem Bauernhof im damaligenNiemandsland, dem Gebiet zwischen Deutschland undHolland, gebracht. Dabei fragte der Kommandant, der michgefangen hatte, nach meinem Namen. Dieser Mann war soberglcklich, Rost van Tonningen gefangen zu haben, da ersich in seinen Trumen schon befrdert sah. Und um dies zufeiern, besoff er sich grndlich an dem Wein, den derdort gefunden hatte. Benebelt von dem vielen Wein, schliefer ein und begann zu schnarchen. Daher wagte ich es, die Trleise zu ffnen, meine Freundin zu befreien, und nach vielenweiteren Schwierigkeiten sind wir doch zusammen gesund inGoslar angekommen.Leider war es fr meine Eltern nicht mehr mglich, lnger inDeutschland zu bleiben. Das Geld reichte nicht mehr hin undher. Und ich konnte durch meine Malerei immer weniger

    verdienen. Mit letzter Kraftanstrengung vermochte ich, meineMutter und meinen jngsten Sohn in die Niederlande reisen zulassen. Meine beiden anderen Shne konnten mit einemniederlndischen Transport mitfahren, und ich selbst, wie fastimmer, mute wiederum versuchen, schwarz ber dasNiemandsland zu kommen. Das Glck war mit mir, allesgelang, und so kam es, da wir, meine Mutter, meine dreiShne und ich in Hilversum bei meiner Gromutter, der

    Mutter meiner Mutter, zusammenfanden. Wir waren sounendlich glcklich, da ich dabei die Vorsicht aueracht lie.Es war ein herrlicher Abend, doch auch unser letzter Abend.Am nchsten Tag stand die Hilversumer Polizei vor demHaus. Meine Mutter wurde verhaftet und ber die Grenzeabgeschoben. Sie mute sich ganz auskleiden und selbst eineScheidenuntersuchung ber sich ergehen lassen, mit der

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    Begrndung, da sie dort vielleicht Geld versteckt habeNebenbei wurde ihr der ganze Schmuck abgenommen, besser

    gesagt: durch die Beamten gestohlen; nie hat sie irgend etwasdavon zurckbekommen. Ich wurde bei der Polizeieinquartiert, um spter nach Amsterdam berfuhrt zu werden.Meine Kinder wurden zuerst bei lieben Bekanntenuntergebracht.Die Behausung im Amsterdamer Polizeibro war somiserabel, da ich glaubte, sterben zu mssen, denn in derZelle war kaum frische Luft zum Atmen, kein Wasser, kaumNahrung, wohl aber Tag und Nacht Licht, auch beim Schlafenimmer aufs Gesicht gerichtet. Dabei kamen jeden TagMnner, die sich bei mir einfhrten als Brder desKatholischen sanitren Dienstes, nur um mich zu qulen. Mitihren schmutzigen Hnden mten sie meine Gebrmutteruntersuchen, sagten sie, dabei fhrten sie so gemeine Steaus, da ich das Bewutsein verlor. Fr sie war es offenbar ein

    alltglicher Spa. Ein Anstaltsgeistlicher fand mich blutendam Boden. Er brachte mich augenblicklich in dieKrankenabteilung, wodurch ich dieser Hlle entgangen bin.Dank dieses Anstaltgeistlichen bin ich am Leben geblieben.Von meiner Schwester bekam ich eine kleine Briefkarte, aufder zu lesen stand: Diese Ruhe wird Dir gut tun. bersoviel Begriffsstutzigkeit wurde ich bse, so da ich nun erstrecht zeigen wollte, da ich trotzdem weiterleben wrde Mit

    Hilfe eines guten Anwalts kam ich frei... und nun endgltig.Da ich keine Familie hatte, die mich liebevoll aufnehmenwollte, zog ich zu einem entfernten Vetter meines Mannes, umdort den Haushalt zu versorgen. Der Aufenthalt dort war frmich die Hlle, da der Mann wohl dem Alkohol verfallenwar. Ich hatte aber ein Dach ber dem Kopf, und das war frmich jetzt das Allerwichtigste. Mit vielen Schwierigkeiten

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    glckte es mir, meine drei kleinen Kerlchen wieder bei mirunterzubringen, damit war meine Familie wieder zusammen.

    Welch ein Glck, welch ein Reichtum fr eine Mutter!War dies alles nicht eine umgekehrte Welt, in der

    vaterlandsliebende Menschen immer verfolgt wurden unddankbar sein muten, wenigstens ein Dach ber dem Kopf zuhaben! Aller Besitz war uns genommen, wir waren bestohlenund beraubt. Die Demokratie war zu einer Karikaturgeworden. Anstelle einer Demokratie fr das Volk hatten wirjetzt eine Demokratie gegen das Volk bekommen.

    Florrie !Sie stand im Schattenund suchte das Licht,Das Auge, so jung,auf die Zukunft gericht'.

    Sie hrte die Lgenund sah das Gezcht.Sie hatt' ein Verlangennach allem, was rein.Sie hatt' ein Verlangennach dem Idealdas sauber und stark warwie edeler Stahl.

    Das rein wie das Bluteines alten Geschlechtswie leuchtende Sternein dunkler Nacht.Und als sie es fand,ihr schnes Idealda bracht' es ihr Freude

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    und brachte ihr Qual.Doch ging auch die Freude

    und blieb auch der SchmerzSie birgt die Idealenoch immer im Herz.

    Zij stond in de schaduwen zocht naar het licht,Het oog, noch ZO jong,Op de toekomst gericht.Zij hoorde de leugenEn zag het venijn.Zij had een verlangenNaar alles wat reinZij had het verlangenNaar HET ideaal,

    Dat zuiver en sterk wasAls edele staal.Dat rein als het bloedVan het oude geslacht,Als lichtend sterrenIn donkere nacht.En toen zij het vond,Haar schoon ideaal,

    Toen bracht het haar vreugdeEn bracht het haar kwaal.Maar ging ook de vreugdeEn bleef ook de smart,Zij draagt idealenNog steeds in haar hart.

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    Peter Kooymans.

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    6. Offenbarung

    Es ist mir krzlich erst offenbar geworden, da es 1945 dieAbsicht der Englnder gewesen war, meinen Mann zuzwingen, seine Fhigkeiten in ihren Dienst zu stellen.Durch meine Gefangennahme in Goslar, (Goslar hatte eineenglische Besatzung), und die damit verbundenenunvorstellbaren Mihandlungen, wollte man versuchen, das

    Versteck meines Mannes in Erfahrung zu bringen. Alsbekannter internationaler konom, bekannt als Vertreter derNiederlande im Vlkerbund, spter an zweiter Stelle stehend,Leiter der NSB, wollte man meinem Mann den zwingendenBefehl geben, die The Bank of England zu reorganisieren.hnlich wie Wernher von Braun sollte mein Manngefangengenommen und nach England gebracht werden, umihm unter strenger Aufsicht die Reorganisation aufzuzwingen.Weil ich aber als Gefangene von einzelnen englischenOffizieren in Goslar nicht antworten konnte, wo mein Mannsich aufhielt, entlie man mich. Kurz darauf vernahm ich, damein Mann inzwischen schon in die Hnde der Unterwelt desScheveninger Gefngnisses gefallen war und dort im Auftragund mit Geld von Prinz Bernhard auf grauenvolle Weisedurch folgende Unterweltmenschen ermordet worden war:

    Pijl, Poot, Damhof, van Rijn, Pronk en Dr. de Reus.Mit der Post erreichte mich ein Schreiben, in dem einhereboer (Grogrundbesitzer) Bontkes, ein guter Freundmeines Mannes, mir beschreibt, wie er meinen Mann gesehenhat, und wie er dessen Shne in der Zukunft sieht.

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    Der Hausspruch aus dem Jahre 1751 an einem kleinenBauernhof, wo die Familie Bontkes sich mit meinen Shnen

    auf der Flucht eine Zeitlang aufhielt, lautet: Auf Gott und das Glck hoffen wir alle Augenblicke

    Herr Bontkes schrieb:Es knnte mglich sein, da der Anflug von Genialitt,welcher bei meinem Mann aus einer langen Reihe vonVorfahren zum Vorschein kam, bei mindestens einem derShne zu einer Persnlichkeit heranwchst.

    Mein Mann kam aus einer der besten niederlndischenFamilien. Sein Grovater war General-Kommandant desniederlndisch-indischen Heeres und dessen Frau eineTochter des bekannten General-Gouverneurs Graf Johannes

    van den Bosch. Von Vaters Seite also eine gute Erblinie.

    Herr Bontkes weiter:Die Mutter der Shne stammt von ihres Vaters Seite ausGoslar, der alten Kaiserstadt in Niedersachsen, von wo seitMenschengedenken urkrftige, germanische Blutstrme sichauch nach Westen bewegt haben.

    Es grne die Tanne,Es wachse das Erz;Gott schenke uns allenEin frhliches Herz

    Die Mutter der drei Jungen, eine rothaarige, goldglnzendeBlondine, ein englischer Typ aus intellektuell-stdtischen

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    Kreisen, knnte man mit Bismarcks Mutter vergleichen, dieauch eine so glnzende Verbindung mit ihrem Mann

    darstellte, welche ihren hchsten Ausdruck in deren SohnOtto fand.

    Will man noch ein Beispiel nennen, wie eine groe Familiezustande kam, denke man an die Bonapartes, Vater auchAdvokat, der Dritte, der drei ersten Shne, auch auf derFlucht geboren, Napoleon.

    Und unsichtbar gleiten dann die Gedanken vom Heute in dieZukunft. Mgen einst die Jngeren ausfhren, was heutebereits der Alte als eine aufsteigende Sonne aus den Nebelnder Zukunft schimmern sieht.

    DA SIE EINMAL WERDEN SOLLEN,WAS IHR VATER EINST SO SEHR GEWNSCHT:

    KRFTIGE SPRSSLINGE AN SEINEM ALTEN STAMMUND FHRENDE PERSNLICHKEITEN.Dietrich Batavus-Bontkes, 16. September 1946

    Das Geschlecht Rost van Tonningen

    Mein Schwiegervater, Marinus Bernardus Rost vanTonningen (R.M.W.O.3,R.N.L.),geb. Paramaribo 24. Okt. 1852, Art. Offizier O.I.L. 1872-,zuletzt Generalleutnant und Lagerkommandant in niederlnd.Indien 1907 1909, Adjudant i.b.D. von Knigin Wilhelmina1898 bis zu seinem Tode.

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    Gest. s-Gravenhage 7. Jan. 1927, tr. Ambarawa (Semarang,Mitten-Java) 22. Nov. 1888

    Jungfrau Meinouda Sara Johanna van den Bosch geb.Temanggoeng (Kedoe, Mitten-Java), 3. Jan. 1868,gest. s-Gravenhage, 14. Juli 1946, Dr. Graf JohannesHendrik Willem und Dorothea Wilhelmina Beukman van derWijck.Meiner Schwiegermutters Familie stammte ab von dembekannten General-Gouverneur von Niederlndisch Indien,Graf Johannes von den Bosch.Der Ehe entsprangen drei Shne:Nicolaas AlbertusJohannes Hendrik WillemMeinoud Marinus

    1. Nicolaas Albertus Rost van Tonningen (R.N.I.Go.O.N.,G.H.O.) geb. am 8. Sept. 1889, Ambarava,

    Marine-Offizier 1912 -, zuletzt Kapitn zur See 1938 1945,1948 zum Vize-Admiral befrdert.Adjutant 1930-1936 und Adjutant i.b.D 1936-1948 vonKnigin Wilhelmina,General-Adjutant 1948-1954, General-Adjutant i.b.D 1954-,Oberzeremonienmeister 1955-1962 undGromeister hon. 1962- von Knigin Juliana,gest. Zeist, 15. Jan. 1979.

    Vormund von meinen Shnen nach dem Tode meinesMannes.2. Johannes Hendrik Willem Rost van Tonningen,geb. Weltevreden (Batavia), 9. Jan, 1891,Chemie-Ingenieur, Direktor der Bataafsche Petroleum Mij.Abt.

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    Balkan s-Gravenhage,Nachher Direktor der Asta Romana in Rumnien,

    gest. Den Haag, 7. Jan. 1970.Mein Schwager Willem3. Dr. Meinoud Marinus Rost van Tonningen,geb. Soerabaja 19. Febr. 1894,Niederland. Wirtschafts-Abgeordneter beim Vlkerbund inWien - 1936, Hauptschriftleiter beim Het Nationale Dagblad1936-1941, Mitglied des Parlaments 1937-1940,Prsident der Niederlndischen Bank N.V 1941-1945,Generalsekretr des Departements fr besondereWirtschaftsangelegenheiten und stellvertr. Generalsekretrder Finanzen 1941-1945,gest. s-Gravenhage 6. Juni 1945.Mein Ehemann.

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    7. Meine Nachforschungen um

    die Ermordung meines Mannes

    Man hat mir nie eine Nachricht vom Sterben meines Manneszukommen lassen. Ich war daher gezwungen,Nachforschungen anzustellen. Nach den Ermittlungenmeines Rechtsanwaltes mute ich mich mit der Tatsache seinesTodes abfinden. Ich erhielt einen Auszug aus dem

    Sterberegister der Stadt Den Haag, da mein Mann am 6. Juni1945 gestorben sei. Nach fast drei Jahren kam ich durch eineAbrechnung des niederlndischen Beheersinstitutes(Staatliche niederlndische Vermgensverwaltungbeschlagnahmter Gter) dahinter, da mein Mann mit einemstdtischen Mllwagen aus dem Gefngnis abgeholt wordenwar, um ihn nach dem Gemeindekrankenhaus zu bringen. Von

    unserem gesamten Vermgen wurden mir von derVermgensverwaltung Fl. 3.637,- ausgezahlt, wobei man dieBrutalitt aufbrachte, mir den Betrag fr das Wegbringenmeines Mannes mit Fl. 47,25 noch abzuziehen. Dieseabscheuliche Tatsache brachte mich auf die Spur einesDramas, das sich noch nach seinem Tode abgespielt hatte.Diese Spur brachte mich zum Gemeindekrankenhaus, wo ichmich im Wartezimmer als Patient anstellte. Doch in dem

    Augenblick, als die Glocke fr mich lutete, sagte ich demChefarzt, ich sei kein Patient, sondern ich wolle nur dieTatsachen ber meinen Mann hren. Dieser Dr. Michael wardurch mein Erscheinen so entsetzt, weil er dadurch mit derschrecklichen Erinnerung an die sterblichen berrestemeines Mannes konfrontiert wurde, da er seine weie Jackeauszog, mir zwei Ksse gab, mich am Arm nahm, seine ganzeSprechstunde verga und mit mir zusammen die Treppe

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    hinunterging. Zutiefst bestrzt, murmelte er: Hier haben SieGeld fr ein Taxi, und lassen Sie sich zum Wittebrug-Friedhof

    (Kerkhoflaan) fahren; fragen sie nach dem Direktor, der weimehr davon. Der Direktor dort geriet in dieselbe Lage wieder Chefarzt, als ich ihn nach meinem Mann fragte. Er zeigteauf ein Regal mit einer Reihe von Ordnern - alle mit derAufschrift: SECRET (Geheim). Auch er, der Herr I.C.W.Kaenderer, nahm mich gerhrt am Arm und brachte mich zurAbteilung Armensorge. Dort befand sich ein Massengrab,vier Lagen bereinander, insgesamt 16 Leichen, alle ohne Sarg,unter einem kleinen Stein, auf dem nur Nummer 19 stand.Bereits im Jahre 1950 wurde von mir ein Gesuch an IhreMajestt die Knigin eingereicht, mir den Platz zu nennen, womein Mann begraben ist. Als Antwort darauf erhielt ich vondem Kabinett der Knigin die Nachricht, da mein Gesuch andas Justiz- und Innenministerium weitergegeben worden sei.Ein Jahr spter kam ich auf dieses Gesuch zurck und teilte

    Ihrer Majestt mit, da ich auf mein Gesuch noch immer keineAntwort erhalten habe. Auch jetzt erhielt ich weder vom Justiz-noch vom Innenminister eine Antwort. Schlielich wandte ichmich an den Brgermeister von Den Haag, mit dem Ersuchen,die sterblichen berreste meines Mannes auszugraben, um siedann im Familiengrab beizusetzen. Das wurde vomBrgermeister von Den Haag abgelehnt, worauf ich inBerufung ging beim Raad van State. Auch da wurde ich

    abgewiesen, und man hat diese Ablehnung so lange auf dielange Bank geschoben, bis der Raad van State sagen konnte,da das Grab schon ausgerumt sei. Auch hiergegen legte ichBerufung ein, bis ich schlielich vom Innenministerium denBescheid erhielt, da die Berufung fr unbegrndet erklrtwerde. 1949 lie ich durch meinen Rechtsanwalt Dr. Saen inNimwegen bei dem Prozebevollmchtigten (Procureur)-Fiscaal

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    des Besonderen Gerichtshofes in Den Haag, Dr. J. Zaayer,das Gesuch einreichen, eine posthume Verfolgung meines

    Mannes vorzunehmen, wobei ich persnlich meinen Mannverteidigen wollte.Darauf erhielt ich als Antwort, da gegen meinen Mann keineVerfolgung vorgenommen werde, weil sein Vermgennegativ sei.

    HET NEDERLANDSE BEHEERSINSTITUUTBureau Amsterdam

    No. 10169/P.12915.Dossier No.: NP2095Afdeling: B/AZ/H.Do/ALo.

    Amsterdam-C., 23 maart 1949Toestel: 4

    Bijlagen: geenOnderwerp: wijlen Mr. M.M. Rost van TonningenWij delen U hierdoor mede, dat de Procureur-Fiscaal bij HetBijzonder Gerechtshof te 's-Gravenhage, Mr. J. Zaayer, onsper 16 dezer berichtte, dat hij tegen wijlen de Heer Rost vanTonningen geen posthume vervolging zal instellen omdat zijnvermogen negatief is.

    Het Nederlandse BeheersinstituutBureau Amsterdam(Handtekening onleesbaar!)

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    Im Heiligen Jahr habe ich, obgleich ich nicht katholisch bin,einen Besuch bei Papst Pius XII. in Rom gemacht und durch

    die Vermittlung von Luciana Frassati, die auf vatikanischemGebiet lebt und bei der ich wohnte, um eine Audienz bei demPapst nachgesucht. Am Hauptbahnhof von Rom wurde ichdurch Luciana abgeholt. Bei der langsamen Einfahrt in denBahnhof war es mir trotz der durcheinanderwimmelndenMenge nicht schwergefallen, sie zu entdecken. Alshochgewachsene Dame ragte sie stolz in einem feuerroten Kleidund einem sehr groen schwarzen Hut mit einer Rose daraufweit ber die Menschenmenge hinaus - bildschn! Mit einerreizenden Begrung und vielen Kssen wurde ich herzlichstin Rom willkommen geheien. Sie lotste mich in ein teuresAuto, und wir fuhren zu ihrem Haus, einem kleinen Palais.Unterwegs erzhlte sie mir, da sie bereits unterwegs denDrang fhlte, sofort einige Gedichte zu Papier zu bringen. Siehatte fr mich ein Fest vorbereitet, wobei sie mich bat, selbst

    als Gastgeberin aufzutreten, weil sie unbedingt schreibenmsse. In krzester Zeit stand ich in meinem geliehenenlangen Kleid, das brigens wunderschn war, in ihrem Haus,um die mehr als hundert Gste, die sie fr mich eingeladenhatte zu empfangen. Leider waren mir die italienischenGebruche nicht bekannt, denn man sollte zuerst die teurenPelzjacken der Gste bewundern und erst dann dieseauffordern, ihre schnen Mntel in die Garderobe zu hngen.

    Es war ein Abend, den ich nie vergesse, in einerkosmopolitischen und aristokratischen Gesellschaft aus allenLndern Europas. Auf dem Hhepunkt des Abends, um l UhrNachts, erschien pltzlich meine Freundin und GastgeberinLuciana in einem prchtigen silbernen Abendkleid... ihrepechschwarze Haare streng nach hinten gekmmt und in einemreichen Knoten durch silberne Nadeln zusammengehalten. Sie

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    war eine uerst imponierende Erscheinung und sofort derMittelpunkt fr all die galanten Herren. Sie erzhlte mit lauter

    Stimme, da sie gerade mit ihren Gedichten fertig gewordensei, und da sie nun, um die Festfreude noch zu erhhen, frden extra aus Holland gekommenen Gast (mich!) einenWahrsager vorfhren werde, um aus den Hnden der Gstewahrzusagen. Ich sei die Frau eines Freundes, der frher beimVlkerbund ttig war, Dr. Meinoud Rost van Tonningen.Gleich streckte sie ihre Hand aus und bekam von dembefrackten Wahrsager zu hren, da sie einer goldenen Zukunftentgegengehe.... Das Fest dauerte bis in die frhenMorgenstunden. Dieser Winter war in Rom, im Gegensatz zuanderen Jahren, eisig kalt. Rund um Rom lag auf den Bergendicker Schnee, in Rom selbst wehte ein kalter Wind, ganz imGegensatz zu der so warmen und geselligen Atmosphreunseres Festes.Zwei Tage spter kleidete Luciana mich ein, wobei sie mir

    einen glnzenden silbernen Kamm in mein rotes Haar steckte.Alles wurde berdeckt durch eine prchtige schwarze Mantillaaus spanischen Spitzen. Nachdem ich mich selbst im Spiegelangeschaut hatte, ehe ich zum Vatikan ging, sagte mir meinSpiegelbild, da ich sehr imponierend ausshe. Bei meinemEintritt wurde ich von Schildwachen der Schweizer Garde inihren von Michelangelo entworfenen rotweien Uniformen, mitblanken Helmen und Hellebarden erwartet. Ich wurde

    empfangen von einen ppstlichen Kammerherrn in einer ausdem 16. Jahrhundert stammenden spanischen Tracht. Ergeleitete mich durch unendlich lange Gnge voll mit Bilder undGemlden mit Gold verziert, zu einem kleinen Zimmer, wo ich,wie mir gesagt wurde, warten mute, bis mich der Papst PiusXII empfangen knne. Ich beobachtete aufmerksam eine Tr,durch die, wie ich annahm, der Papst kommen wrde. Zu

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    meiner grten berraschung ging aber pltzlich hinter mireine kleine Tr auf, durch die der Papst erschien. Er winkte

    mir, mit ihm in sein angrenzendes Zimmer zu kommen, wo ermir die Hand reichte. Die blauen, fast hypnotischen AugenHitlers mit ihrer Ausstrahlung waren mir bekannt, doch auchdiese Augen des Papstes, die mich anschauten, waren sodurchdringend, da ich Mhe hatte, nicht meinen Blickniederzuschlagen, sondern ihn mit dem seinen zu kreuzen.Sekunden kamen mir vor wie Minuten. Ich hielt meine kurzeAnsprache in deutscher Sprache, die ich hier folgen lasse:Heiliger Vater,Ich bin nur darum aus Holland gekommen, um Ihnen herzlichstzu danken fr die schnen Worte, gesprochen aus IhremMunde, bei der Erffnung des Anno Santo fr alle Rechtlosen.Ich mchte Ihnen danken im Namen all derer, die nach demKriege in Holland schweres durchgemacht haben; fr dieguten Worte, die Sie bei der Erffnung des Heiligen Jahres

    auch fr uns in Holland gesprochen haben.Nach dieser Einleitung ging der Papst dazu ber, mit mir bermeinen Mann zu sprechen. Zu meiner uersten berraschungwar der Papst vllig ber meinen Mann unterrichtet; eigentlichbrauchte ich ihm nichts mehr mitzuteilen. Er schaute michanhaltend mit seinen eindringlichen Augen an und fragte mich,wie ich meine Kinder erziehen wolle. Ich lachte entspannt undsagte: Nein, nein, ich stamme aus einer protestantischen

    Familie - und ebenso auch mein Mann; wenn sie alt genug seinwerden, um unterscheiden zu knnen, dann sollen sie selbstbestimmen, auf welche Art sie ihr Leben fhren wollen. Jetztnoch nicht. Wenn Sie dies als eine Voraussetzung ansehen, ummir wegen des Mordes an meinem Mann zu helfen, mu ichleider darauf verzichten. Er bestritt, da dies seine Absichtsei, sondern er wollte mir wegen meiner drei Shne helfen, um

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    dieses Verbrechen aufzuklren. Nachdem dieser Teil derAudienz beendet war, gingen wir in ein anderes Zimmer, wo

    an die zwanzig katholische Schwestern mit verschiedenenRosenkrnzen in ihren Hnden standen. Der Papst segnete dieKrnze, die nun fr katholische Glubige bedeutend in ihremWert gestiegen waren. Pius XII. schien, nach meinemEindruck, bestimmt durch weibliche Schnheit beeindruckt zusein, denn ich stellte zu meiner Freude fest, da er einerbildschnen, blutjungen Schwester besonders vielAufmerksamkeit schenkte. Nachdem jede eine Verbeugunggemacht hatte, war die Audienz beendet.Zurckgekehrt nach Den Haag in Holland, wurde ich amBahnhof im Auto des Internuntius Mgr. Giobbe abgeholt, dermich zu seiner Wohnung brachte. Dort angekommen, wurde ichin sein Wartezimmer geleitet, in dem in einem groen Kfig einKanarienvogel war. Dieser vergngte sich damit, sichausgiebig und krftig zu baden. Kurz darauf wurde ich von

    Mgr. Giobbe herzlich begrt. Dieses Gesprch warauerordentlich ermutigend, nicht nur, weil Papst Pius XII.sich gegenber Mgr. Giobbe sehr positiv ber mich geuerthatte, sondern speziell wegen der Tatsache, da er mir helfenwollte, die Umstnde bei der Ermordung meines Mannes ansLicht zu bringen. Mgr. Giobbe versprach, sich voll einsetzenzu wollen, um diese traurige Angelegenheit zu einerbefriedigenden Lsung zu bringen. Danach wurde ich mit

    seinem Auto nach Haus gebracht. Die Verabredung war, daich eine offizielle Mitteilung empfangen sollte, in der dieErmordung meines Mannes anerkannt wurde. Dafr sollte icheinen Betrag in Hhe von Fl. l,- Gebhren zahlen. DerJustizminister, Dr. Struycken lie in seinem Ministeriumeine Untersuchung anstellen, ob dort irgendwelche Unterlagenin Bezug auf die Ermordung meines Mannes zu finden seien.

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    Weil ihm dabei Schwierigkeiten gemacht wurden und er nichtsofort Erfolg erzielte, erhielt ich Ende des Jahres 1950 ber

    meinen Anwalt, Dr. K. van Rijckevorsel, die Mitteilung:Solange im Bezug auf das Bestehen eines Rechtes aufSchadenvergtung der Erben von Dr. M.M. Rost vanTonningen durch die Regierung noch keine Entscheidunggetroffen worden ist, soll seitens des Justizministers keineVerjhrung ausgesprochen werden.Unterzeichnet: Der Minister der Justiz, Dr. Struycken.Dreimal wurde nach meinem Besuch beim Papst versucht,mich mit einem Auto zu berfahren.Inzwischen war ich Hauptbewohner des Hause, wo ichwohnen durfte, geworden, weil der alte Mann verstorbenwar. Mein Vater, der inzwischen Witwer war und nicht frsich selbst sorgen konnte, hatte jetzt die Mglichkeit, jeweilseinen Monat lang in den Niederlanden bei mir zu bleiben. Damein Vater aber nur eine Aufenthaltserlaubnis fr einen

    Monat bekam, so pendelte er zwischen Goslar und Den Haaghin und her. Wir beide waren aber deswegen berglcklich,denn mein Vater bedeutete nicht nur fr mich sehr viel,sondern auch fr meinen drei Jungen. Er war wie ein Vater frsie und das war schn.Dr. H. Mulderije folgte Minister Dr. Struycken nach am 15.Mrz 1951 im Amt.Die Folge fr mich war, da man mir die schriftliche

    Besttigung fr die Ermordung meines Mannes, dieoffensichtlich vorgesehen war, nie ausgeschrieben hat, trotzaller mndlichen Zusagen. Man wagte es nicht!!!Inzwischen sorgte Prof. M.A. de Block vom RAAD VANSTATE (Prof.M. A. de Block wurde damals als mein politischer Vormundbeauftragt, was ein groes Glck fr mich war, da er ein

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    absolut ehrlicher, hochbegabter Mensch war) dafr, da meinSchwager Nico Rost van Tonningen als Gromeister des

    Hauses Ihrer Majestt der Knigin als Vormund fr meineShne beauftragt wurde. Da er wnschte, da meine Shneeine christliche Schule besuchten, meldete ich mich bei demDirektor der angewiesenen Schule, Herrn Oranje. Diesererklrte, da mein ltester Sohn diese Schule besuchen drfe,aber nicht unter seinem richtigen Namen, sondern untereinem von ihm erdachten Phantasienamen: Bertje Roest. Daslehnte ich entschieden ab, weswegen eine andere Schulegesucht werden mute, was gar nicht so einfach war. Leiderkonnte mein Vater allmhlich nicht mehr die Kraft aufbringen,mit all den Schwierigkeiten fertig zu werden. Man darf nichtvergessen, da er zwei Shne, seinen Schwiegersohn undjetzt vor kurzem auch seine geliebte Frau verloren hatte. Dazuwurde auch noch sein ganzes Vermgen (vor dem Kriegwaren Vater und Mutter sehr vermgend) als Feindvermgen

    durch den Staat der Niederlande beschlagnahmt undweggenommen. Er erlitt einen Herzanfall und starb in meinemHaus am 22. Dezember 1952.Wie schon gesagt, meine Kinder hatten ihren Grovater sehrgeliebt, er war sozusagen ihr Vater.Prof. T. Goedewagen schreibt:ber Gtter, die wir nicht anfassen, auch nicht hren odersehen knnen, aber deren Anwesenheit in unserer Mitte wir

    stark spren.ber Menschen, die wir berhren knnen, hren oder sehen, essind viele, sehr viele, vielleicht zu viele. Und sie sind kleinund schwach.ber Helden, von denen es nur wenige, sehr wenige gibt.Sie sind keine Gtter, keine Menschen, aber Gottesmenschenin Menschengestalt, groe, edle Gestalten, die von fern sichtbar

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    werden und bleiben. Sie fhren den Menschen zum Schnen,Guten und Wahren. Aber diese begreifen jene mit Sicherheit

    nicht, vernichten, verbannen und tten sie sogar manchmal. IhrLeben ist schwer, aber immer rein und gro.Ihr sollt danach trachten, ihnen gleich zu werden Tut das,meine kleinen Freunde, mit all eurer Leidenschaft,Willenskraft und Begabung.Die Gtter sind unsichtbarund die Menschen klein und schwachSie haben groe und starke Helden ntigSie verlangen nach ihnen.Onkel Tom, 15. Februar 1953, Den Haag.Um noch einmal auf den Papst zurckzukommen:Das Verhltnis zwischen dem Grodeutschen Reich und derkatholischer Kirche war immer problematisch gewesen. Nach

    Abschlu des Konkordates mit dem Papst, glaubte man, dasVerhltnis geregelt zu haben. Von deutscher Seite hoffte manauf einen endgltigen Frieden im Hinblick auf dieverschiedenen Vorrechte, die man der katholischen Kirchezuerkannt hatte. Die Mehrheit der Priester und Bischfe undder grte Teil der Wrdentrger des Vatikans blieben jedochGegner dieses neuen Denkens. Demgegenber war derErzbischof von Mnchen-Freising, Kardinal Faulhaber, ein

    begeisterter Befrworter des Nationalsozialismus und lie dasauch mehrmals erkennen, so wie auch der sterreichischeKardinal Innitzer. In Frankreich war es der Kardinal undErzbischof von Paris, Kardinal Alfred Baudrillard. Er standdeutlich an der Seite des Nationalsozialismus, als er dieWaffen-SS-Division Charlemagne segnete und sie Kmpfergegen den gottlosen Kommunismus nannte. Ein deutliches

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    Bild, wie die Katholiken, die Anhnger desNationalsozialismus waren, diese Entwicklung erlebten, sind

    die uerungen des Priesters Wilhelm Maria Senn in seinemBuch: Katholizismus und Nationalsozialismus, erschienen1932 in Karlsruhe. Er schreibt u.a. folgendes: Und dieBewegung, die sich heute unseren erstaunten Blicken bietet,drfte wohl nichts anderes sein als ein urgewaltigesZurckschlagen. Die Natur hat die christlichen Seele gegen dasgewappnet, was teuflische Mchte in unseren Tagen aus derschnen Gotteswelt gemacht haben... An der Hitlerbewegungsind schne Blten und Frchte zu sehen: GlhendeVaterlandsliebe, hoher Idealismus, Gewhnung an Zucht undeiserne Disziplin, Kampf gegen nationale Wrdelosigkeit,Kampf gegen den stinkenden Morast in deutschen Theatern,gegen frivolen Schmutz im Kino, Kampf fr reinesFamilienleben, gegen die zynischen Gegner desParagraphen 218, Kameradschaft, Treue, Opferbereitschaft

    bis zum TodeDa stand ein Mann auf, Adolf Hitler! Er grndete eineBewegung und stellte sie auf christlichen Boden. Er gibt dieParole aus: Gegen die rote und goldene Internationale! Gegenjene Mchte, die der groe Leo XIII. als die Fhrer desSatansreiches auf Erden und als Pest unserer Zeit bezeichnethat Ich gre in dieser Stunde die junge Hitlerbewegung!Whrend des Zweiten Weltkrieges wurde das Verhltnis

    zwischen Deutschland und dem Vatikan nicht besser, und dasveranlate Hitler dazu, dem hheren SS-und Polizeifhrer inItalien, SS-Obergruppenfhrer Karl Wolff, den Auftrag zugeben, Vorbereitungen zu treffen, um es mglich zu machen,den gesamten Vatikan ins Exil nach Deutschland zuberfhren.

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