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Weltkarte des Fra Mauro aus VenedigFra Mauro's World Map from Venice

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\cl{\Lbf Die Weltkarte des Fra Mauro}\vskip 18pt\noiEs gibt eine ganze Reihe hchst interessanter sptmittelalterlicher +MappaeMundi+, und das Ergebnis einer Untersuchung auf den Umgang mitwidersprchlichen Informationen hin wre bei einigen dasselbe wie bei derVesconte-Karte, bei anderen eher vage bis nicht sonderlich aussagekrftig.Denn es kommt immer auf die Intention des jeweiligen Kartographen an, ob erseinen Fokus eher auf die heilsgeographische Aussage der +Mappa Mundi+ legtoder eher auf die naturgetreue Darstellung der Geographie: Denn auch wennbeides immer in Gemengelage vorliegt, sind die Gewichte doch sehrunterschiedlich gelagert. Daher erscheinen hier diejenigen am ehesteninteressant, die sich explizit mit der neu aufgetauchten antiken Autorittauf diesem Gebiet auseinandersetzten, der Geographie des KlaudiosPtolemaios. Man knnte die so genannte Genuesische Weltkarte von 1457betrachten, die sich in weiten Bereichen der Zeichnung der ganzen Welt undin vielen Details besonders eng an den Griechen anlehnt, ihn aber auchdurchaus kritisiert.\fno[34]Doch an einem Ort wie diesem sei die berhmteste +Mappa Mundi+ des 15.Jahrhunderts ausgewhlt, die in Sachen Autorittskritik neue Mastbesetzte, regelrecht mit Ptolemaios auf der Karte diskutierte, "the debate onthe map", um die einschlgige Kapitelberschrift einer der jngerenKartographiegeschichten zu zitieren.\fno[35] Anhand ihrer ist das Nachdenken aufder Weltkarte unter Ausschpfung aller Mglichkeiten des Mediums besondersgut nachvollziehbar. Zwischen 1448 und 1459 erstellte der Camaldulensermnchund +Cosmographus Incoinparabilis+ Fra Mauro fr seine Heimatstadt Venedig undfr den portugiesischen Hof eine +Mappa Mundi+ von 1,96\,m Durchmesser, dieneben Bildern und ppigen kartographischen Signaturen wie Flssen, Bergen,Stdten extrem viele Texte unterbringt und das auf dem alleraktuellstenStand des Wissens, nicht zuletzt der portugiesischen Entdeckungen an derAtlantikkste.\fno[36] Bei alledem ist die Karte eine groartige Symbiose frh-und hochmittelalterlicher Tradition, neueren Erfahrungswissens, arabischerEinflsse und eben der Geographie des Ptolemaios. Die Karte ist rund wieeine +Mappa Mundi+, sie ist gesdet wie eine arabische Karte, sie ist vollerBilder und Texte, und wenngleich das Irdische Paradies bei ihm aus der Karteselbst in die Randbemalung verdrngt ist, so zeichnet er doch noch immer dievier Paradiesflsse Euphrat, Tigris, Gion und Phison, die als Nil und Gangesidentifiziert sind, als einzige durch goldene Beschriftung aus. Mittelmeerund europische wie afrikanische Westkste sind, soweit bekannt und dahermglich, in der Form der Portulane gezeichnet. Die Bestandsaufnahme desWissens ber den Indischen Ozean und seine afrikanischen und asiatischenKsten ist enorm und zeigt, was die%% 255Portugiesen wussten und erwarten konnten, als sie schlielich am Ende des15. Jahrhunderts den Seeweg dorthin erschlossen.\fno[37] Dabei nimmt derKartograph oftmals kein Blatt vor den Mund, gerade weil er durch das Mediumzu Entscheidungen gezwungen wird und sich ihnen stellt. Er geht jenes Wagnisein, das kaum ein halbes Jahrhundert vorher Pierre d'Ailly scheute, undwiderspricht offen den Alten.Wir finden einige uerst langlebige Probleme wieder, zu denen sich FraMauro eine Meinung gebildet hat.\fno[38] So kartiert er das Kaspische Meer an deruns gewohnten Stelle. Er zeichnet aber auch die bekannte Ausbuchtung desOzeans im Nordosten der Erde ein, umgeben von Bergen, denen er nicht einfacheinen neuen Namen gibt, sondern zu denen er schreibt: "Einige glauben, dieseBerge seien die Kaspischen Berge, aber diese Meinung istfalsch."\fno[39]Ortskenntnis aus Erfahrung, Autopsie ist ihm ein gewichtiges Argument frdas Verwerfen traditioneller Nachrichten. So kennt er natrlich die alte undweitverbreitete Legende, wonach Alexander der Groe die EndzeitVlker Gogund Magog im Kaukasus eingeschlossen habe. "Aber diese Meinung istoffensichtlich irrig und kann in keiner Weise aufrechterhalten werden. Manwei nmlich von einer groen Vielfalt von Vlkern, die um diese Bergeleben, so dass es nicht mglich ist, dass eine so groe Zahl von Menschenunbekannt geblieben wre, weil dieses Gebiet recht gut bekannt undvielbesucht ist von uns und anderen Vlkern."\fno[40] An der Lnge des Textesallerdings lsst sich ablesen, wie viele Gedanken wer sich macht.Eine ganze Reihe altberkommener Namen, die Fra Mauro auch bei Ptolemaiosvorfand, verwirft er, nicht ohne selbstbewusst zu ergnzen: "Man merke, dassPtolemaios einige Provinzen hier in Asien nennt, nmlich Albania, Iberia,Bactriana ... die ich alle nicht erwhne, weil die Namen%% 256verndert oder verdorben sind. Dazu kann man aber bemerken, dass ich andereProvinzen nenne, von denen Ptolemaios nicht spricht."\fno[41] Selbstbewut aucherklrt er manche altberkommene Diskussion -- so jene um die Frage, wo denndie Abgrenzung der Erdteile voneinander verlaufe -- fr langweilig(tediosa).\fno[42]Mit Ptolemaois argumentiert Fra Mauro fr die berprfung und gegebenenfallsAbweichung von Autoritten:%\line{%\vtop{\hsize 70mm\Xpt\noi"Wenn jemand mein Werk angreift, weil ich nicht Klaudios Ptolemaios gefolgtbin, weder in der Form noch in den Maen nach Lnge und Breite, will ich dasnicht umstndlicher verteidigen, als er selbst sich verteidigt. Er sagt im2. Buch, Kapitel 1, dass man nur exakt ber Gegenden sprechen knne, dieregelmig besucht wrden, doch bei denen, die nicht regelmig besuchtwrden, solle niemand denken, dass er ber sie korrekt sprechen knne. Wenner damit meinte, dass er seine Kosmographie nicht gnzlich selbstverifizieren konnte, weil das eine langwierige und schwierige Angelegenheitist und das Leben kurz ist und die Erfahrung trgerisch, gibt er zu, dass inlngerer Zeit ein solches Werk verbessert werden und man genauere Kenntnisseals er haben kann. Deshalb sage ich, dass ich mich zu meiner Zeit bemhthabe, die Schriften ber lange Jahre durch Erfahrung und mit der Hilfeglaubwrdiger Leute zu berprfen, die mit eigenen Augen gesehen haben, wasich hier getreu berichte."{\XIIpt\fno[43]\,\Fn{}}\par}\hss\vtop{\hsize 70mm\Xpt\noi%Unde seSe algun contradira questa operaperch non ho seguito Claudio Tolomeo, s ne la forma come etiam nele sue mesure per longea e perlargea, non vogli pi curiosamentedefenderlo de quel che lui proprio non se defende, el qual nel secondo librocapitulo primo dice che quele parte de le qual se ne ha continua pratica sene pu parlar corretamente, ma de quele che non sono cuss frequentade nonpensi algun se ne possi parlar cuss correctamente. Per intendando lui nonhaver possudo in tuto verificar la sua cosmographia, s per la cossa longa edifficile e per la vita brieve e l'experimento fallace, resta che'l conciedeche cum longena de tempo tal opera se possi meglio descriver over havernepi certa noticia de quel habuto lui. Per tanto dico che io nel tempo mio hosolicitado verificar 1a scriptura cum la experientia, investigando per moltianni e praticando cum persone degne de fede, le qual hano veduto ad ochioquelo che qui suso fedelmente demostro\par}}%\fntextA{\nu{43}}\input Fra_Mauro-Karte_fn[a].fnt\bskFra Mauro wei genau, wie viel er den Alten verdankt, doch ebenso sind nachseiner berzeugung in der langen Zeit, die vergangen ist, viel mehrErfahrungen gesammelt worden und viel dazugelernt worden, was die Alten nochnicht wissen konnten. Fra Mauro hat diese und insbesondere Ptolemaios invielen Details kritisiert und erklrt, weshalb sie irren konnten.%% 257Trotz aller Mhe aber ist auch seine +Mappa Mundi+ nicht vollstndig. Auch erselbst gesteht sich die Mglichkeit des Irrtums und der nicht hinreichendenKenntnis, des unzureichenden berblicks zu. Nicht zuletzt deshalb behlt erauch die alte runde Form der Weltkarte bei, obgleich den Zeitgenossen lngstdeutlich geworden war, dass sie den Ausmaen Asiens nicht gerecht wurde (undobgleich, wie zitiert, Ptolemaios eine andere Form und andere Mae angab) --in dem oben von mir bereits angedeuteten Sinne: "Warum nicht einfach einenKreis zeichnen, zumal wenn man die genauen Mae doch nicht kennt". Doch berdie gesamten Ausmae der Erde gebe es zahlreiche "berlegungen oderMeinungen, die alle nicht sehr authentisch sind, weil sie nicht durchErfahrung berprft wurden ... Deshalb lasse ich dem Ewigen Gott dieVermessung seines Werkes."\fno[44] Welches die richtigen Gesamtmae seinesSchpfungswerkes sind, wei allein Gott -- wir knnen sie nicht sicherwissen, weil wir sie nicht im Experiment erfahren knnen.Damit legt Fra Mauro eine Maxime zugrunde, der die Zukunft gehren sollte --denn die Lateineuroper ruhten nicht mehr, schlielich alles durch Erfahrungund nicht mehr nach der Tradition zu ermessen. Zugleich geht Fra Mauro einenentscheidenden Schritt weiter als der etwa eine Generation ltere Pierred'Ailly noch nicht gehen mochte. Er betrachtet es durchaus als seine Aufgabezu entscheiden, welches von beiden -- Autoritt oder Autopsie -- Recht hat,und es spricht einiges dafr, dass es das Medium der +Mappa Mundi+ ist, dasihn immer wieder zu jenen Entscheidungen zwang, zu denen er sich dann offen,selbstbewusst, ja geradezu offensiv bekannte.\msk\noi{\Xpt Felicitas Schmieder, +Mappae Mundi+ als Spiegel sptmittelalterlichen Weltwissens,in: Periplus 2013, 23. Jg. (Thema: Weltwissen vor Kolumbus), S.\,236\_257, hier S.\,253\_257.\par}\endinputFelicitas Schmieder,geb. am 20. Januar 1961 in Frankfurt am Main;seit Dezember 2004 Professorin fr "Geschichte und Gegenwart Alteuropas" an der Fernuniversitt Hagen.Studierte Geschichte und Latein in Frankfurt am Main, Staatsexamen 1986, Promotion1991 ("Europa und die Fremden. Die Mongolen im Urteil des Abendlandes vom13. bis in das 15. Jahrhundert");Habilitation 2000 ("Frankfurt am Main im Mittelalter. Eine kirchlicheStadtgeschichte").1987 bis 2004 Wissenschaftliche Mitarbeiterin\./\.Hochschuldozentin amHistorischen Seminar der Universitt Frankfurt am Main; Lehrttigkeit inKonstanz, Gieen und Prag; seit 1995 recurrent visiting professor amDepartment for Medieval Studies der Central European University, Budapest.