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o selectie de poeme

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Vama Veche

der hohe himmel als nabel des nichts,die schreibmaschine tot und vollkommender friede.mittagsglocken, im radio Boulez.durchs fenster strmt der duft von akazien, dernostalgische erinnerungen an filzluse wachruft.dnen, verlorenheit. ein ort,sieben meilen hinterm ende der welt.alles hat hier die farbe von ziegenmilch,das laub, die gesprche, die sonntage,der tod, die katzen,das kreisen der mwen.die tage verstreichen ohne gewiheiten, ohne zweifel.die greise starrenauf ihre schrumpfenden schatten,der dorfnarr ist hauptamtlichals kster beschftigt,die jungen frauen empfangen lange briefeund geld.jeder wird in allen zeitungenber sich selbstaufgeklrt.die sonne kehrt jeden morgen pnktlich als sonne wieder,die kstenwache ist tatschlich eine kstenwache,die berraschungen sind die gleichen.und was nicht geschehn ist, hrt nicht auf,nicht zu geschehn.ein teller fischeder sand im ohrdie lichter ausgelaufener schiffedie dauer des regensund deine nacktheit, die dem muster im teppichsinn gibt

Donaudelta. Meile 23

es tut gut zu wissenhier ist der arsch der weltdu liegst im bootdie stunden treiben mit nach oben gekehrtem bauch dahindie straen sind leer, leer sind die hfedas leben wickelt sich im verborgenen abwie ein perfekter selbstmordes herrschen noch immer das schnapsrechtgottund die handfeste liebeniemand strzt sich dir kopfber ins ohrniemand will dein bestesdieser gedanke macht dichleicht und glcklichund du kannst die fliege auf deinem armmit ungestrtem interessebetrachten

nichts dringt in diese grne dnisauer zwei, drei zeitungen pro wochedie fllen alle lckenund noch mehrKleinstadtbahnhof

ich steh daund seh den straenkehrern zuund die vorrmittage werden immer lngerund die telefonkabinen sind kaputtund die einsamkeit wchst

und ich frag michwie viele lgen sind immer wieder ntigbis die wahrheit herauskommt

und es ist sommerund es regnetund einer verreist fr immerund ein paar rekruten johlen

und es riecht nach urinund die mdchen sitzen in pendelzgenund im radio ist stets das gleiche losund an den fenstern kleben fliegen

und unterm dach fucken taubenund ein andrer vergit seine spracheund es quietschen die tren

und es ist sommer und die welt ist schnund das bier macht es mglichund der schnaps macht es wahr Portrt

morgensda steigt er die fnf treppen hinabverschnauft kurzund hinterlt das trostlose sthnender wagentr

er raucht die dritte

er fhrt durch die lindenalleewie durch eine andre welt

er versucht sich zu konzentrieren

sein leben begann mit dem dossierseines schwiegervaters

er hat elf paar schuheder ventilator macht ihm muter telefoniert her und hin

er wrde es auch mit gott aufnehmenwenn er berzeugt wreda es ihn gibt

den ganzen tag ist er damit beschftigtkeine zeit zu haben

seine unterschriftwiegt welten auf

er trinkt seinen whisky nebenanwenn er nicht gerade in Paris ister kann sich der freunde kaum erwehren

schwierigkeiten hat er keineauer mit der leber

ab und zu sucht er zur abwechslungeinen grundzum traurigsein

er untersttzt die lokalelfer empfiehlt sich aufs herzlichste

was vor dem schlafengehn im becher glnztist keine schlaftablettesondern seine zahnprothese aus Luzern

das da ist sein ausweis

das da ist der weckerdas die brillendas ein einsamer schweitropfendas der radioknopf

immer mehr hnelt er den dingendie ihn umgeben

zuweilen streicht er ber seine glatzeals wollte er sich vergewissernob sein kopfnoch da ist

Eindringlicher Appell

liebe eltern, ich bin der wolfund bitt um ein almosendie berge sind in zement verwandelt, die wlderabgeholzt, bulldozer ebnendie letzten wiesen ein.es ist schlimm genug. von leeren konservenbchsenkann selbst der bescheidenste wolfnicht leben.von papier und glasscherben und alten schuhenganz zu schweigen.und sterb ich aus, bedenkt, wie lehrt ihr,ihr, die ihr offene gesprche scheut,eure kinder sich fortanzurechtfinden in der welt?

Vortrag ber Blumen

es kann wann immerpassieren. was?

ich wei nicht. ich, fr mein teil, zchte blumen. blumen sind blumen. das einerseits,andrerseits sind sies auch morgen.

nie ist der geruch, ob zart, stechendoder herb, eine anspielung, am allerwenigsteneine unerwnschte. deshalb duften blumenso angenehm.

haben sie nicht gengend licht, sterben sie,fast mchte ich sagen, fromm. Oderhat jemand eine blume in der revolte gesehn?

weltanschaulich gesehn, ist ihre farbeunverbindlich.

da ein blumenkopf ber die grenzehngt, ist blo zufall. das ist wichtig. bitte,ich hab nicht gesagt,entscheidend.

was wre berhaupt ein glck oder unglckohne blumen?

ber ihre geduld, kein wort mehr. sie schlafenweder in sitzungennoch am geburtstagstisch.nie erregen sie rgernis, egal,ob es sie einzeln gibt oder in masse.

das sind die blumen,verehrte damen und herren.

zuweilen, zugegeben, kitzeln sie die naseeines toten. doch das strt nicht einmaldie wenigen, die das merken.

Gedicht mit Kfer

ber das leere Blatt Papier kriecht ein kleiner Kfer derkeine Spuren hinterlt wie einsam mu dieserKfer sein ber den ich nichts wei und der keine Spurenhinterlt auf einem neugieriegen Blatt Papier kommter aus dem Osten oder von Athos is er Inderoder orthodox oder Anarchist oder in der Friedensbewegungoder schwul oder Biertrinker oder Fetischist oder alleszusammen wird er abgeschoben ist erheimatlos oder Deutscher der auswandern will undwei das wovor er flieht ist universal oder schreiteter blo so majesttisch einher um dem NichtsErhabenheit zu verleihen wie heit dieser kleineKfer und weshalb sucht er dieses BlattPapier auf ber das er so demonstrativ kriecht ohneeine Spur zu hinterlassen

Nec plus ultra

Was stets dazugehrt: Grenzen,unsichtbar wie Luft, die sich zusammensetzt aus Partikeln, Anstzen,

Ursachen, die sich einen Dreckkmmern um uns. Eine Art Chemie, dieder Sprache bevorsteht, sie zu

begreifen. Lesbar, whrend Vergleichegezogen werden, bleiben Bahnhfe,Leuchtschriften, Spuren von Wild,

Tomographien, Nchte, die krzerWerden oder lnger. Einmal wollte HerrKamilli von Strandgut leben. Nach

und nach zerbrachen die Dinge, von denenman fasziniert war, als man mit ihren Schattenspielte, einst, in Platons Hhle.

Alandala

Der Abschied ist etwaswie ein hundertprozentiger Verla.Im umgekehrten Uhrzeigersinndie Wege gehen,bis der eigene Schatten verschwindet.Auf dem Flohmarktwerden Emigranten angeboten,der neueste Film hat Erfolgund der Wein wird gekeltert aus Narren.Jemand wrde sich entschuldigen,wenn er wte, bei wem.Die Freiheit anstarren,bis man sich von hinten sieht.

Anlsse

Die Anlsse kitzeln wir, so lange, bis sie lachen. EinenGrund, jetzt Gedichte in derSprache der Tanne, der Zugluftoder einer Ameise zu lesen,gibt es nicht. Vielleicht, spter, inWien, wo wir keinem einzigenWiener begegnen werden. Die Nachttaufen wir Klingsor. Alles istso toll, als htten wir an einem Giftpilzgeknabbert. Die Beweise, da esuns noch gibt, versammeln wiran Tischen. So schaffen wirdie Klarheit aus der Welt.

Land. Ohne Beweis

Eine Colaflasche enthltso viel Einsamkeit, die nurein Maler begreifenkann. Die Ziegen schlagenPurzelbume, als gbe es nochetwas, das sich lohnt, wahrzu sein, aber keinen Namen hat. Immer waren wir das, waswir nie werden. Das Traurigste, das es gibt, ist, an der eigenen Gesundheit zu sterben egal an welcher. Gibt es nichts, anderes, kann schon eine Strumphose auf einem Bild ein Ereignis sein. Wir sind anonyme Sulen, die den Himmel sttzen, sonst htte er lngstalles erschlagen, was nachuns kommt. Die Musenziehn sich zurckin Mlltonnen, wo es vielleichtnoch etwas Erhabenes gibt.Ich versuche, diesen Tagzu trsten, obwohl, erwird mich nicht brauchen. Wenn ichetwa vier Minuten eine Taube auf dem Dach beobachte, ist dasUndefinierbare greifbar nahe. Das gibt Mut, an niemandeneine Botschaft zu richten.

21 Uhr 39 Gedicht

Wer eine berraschungerwartet, mu schon unterfalschem Namen auftauchen.die Polizei, die Gttinder Liebe, regelt

das Gesetz der Nachfrageund des Angebots. Das Glckffnet die Schenkelwie nach einem Gebet,

im Namen des Turnschuhs,des Benzinpreises und desheiligen Oleanders. Da esin der Ewigkeit keine

Sonnenblumen gibt, keineffentlichkeit, keine Hotelgeschichten,keinen Aufschwung, keinenNiedergang, verdstertdie Perspektive. Deshalb

bemalen wir akribischmit bunten Szenen den Sarg, in demwir liegen werden.Nebel

Bei diesem Nebel kann man blofroh sein, da man keine Flgel hat,also

auch nicht kollidieren knntemit etwas, das gerade abgestellt wird im Museum

der Illusionen. Man hrt zwarStimmen, irgendwo oben, aber man kannnichts sehen, mit dem man

kollidieren knnte,weil man ja keine Flgel hat.

Gedicht im September

Es wird Abend, weil Rost flltaufs Licht. Es ist Zeit,die Mlltonnenauf die Strae zu schieben, die

bergardinen zuzuziehen, obwohldie Geheimnisse woanderssich abspielen. Schutzengel,

die ihr ermordetwurdet in dieser Nacht, seidnett zueinander,

denken wir Emigrantenam Morgen.

Wiener Elegie

Ich wohne in einem TrrahmenIch bin weder drauen noch drinnen

Einmal fuhr ich donauaufwrtsGewehre waren auf mich gerichtet

Nachts knarren die Mbel ein leiser ProtestDie Dohle blickt mich an als meinte sie

das Ende bleibt offen Ich wnschte mirdie Worte htten den Mut das Staunen

anzusprechen aber auch die Sprachetrgt den Stempel des Verfallsdatums

wie jede Fischkonserve in der esweder Dialoge gibt noch Monologe Ich

bilde mir ein deshalbist die Donau so traurig

an diesem Uferam anderen

fluaufwrtsfluabwrts

berall ist Grenzgebiet Woher sonstkommt diese Einsamkeit

Morgengedicht

Was machst dumit einem Schutzengel, dermorgens, whrend du gemtlichKaffee trinkst unddie Welt ordnest, die du

gestern etwasdurcheinander brachtest, ausdem Himmel strzt und auf den Balkonklatscht und tot liegenbleibt. Zuerst denkst du,

Gott sei Dank, er hat michnicht erschlagen. Und dann?

Der Narr Jakschi

Wenn er in die Zukunft blickt,sieht er nur Schatten, die er mit nichts

vergleichen kann, weil er noch nie in der Zukunftgelebt hat, und er beginnt zu jaulen,

aus Angst,vor Freude, werkann das wissen, auer Platon vielleicht,

der ihn in seine Hhlegelockt haben mu, mit Grillund Wein und Weibern,

doch Narrbleibt Narr,er malt nur Schatten, die mit nichts vergleichbar sind,

und in der Saison taucht er aufin Deutschland, um Spargel zu stechen. Das Geld

legt er an, um bei der Auferstehungnicht wieder dazustehenmit leeren Hnden.

20 Uhr 27 Gedicht

Abends, wenn die Umrisseschwinden und die Wrter sie ersetzen,

werden die Schritte grer, aus Angst,irgendeine Ankunft zu versumen,

etwa zwischen Freiheit und Nostalgienach etwas, das noch ferner liegt,und vor Neugier geht der Atem lauter,

bis das berraschtsein den Wrtern,die schlielich alles ersetzen, Sinn gibt.

11 Uhr 32 Gedicht

Etwas, das fehlt. Vielleicht der Rabe, der nicht mehr schreit. Geliebte, sezier nicht das, was von mir bleibt, falls du es berlebst. Bleib nicht der Mittel punkt, der wei. Werd irgend etwas, das sich von auen sieht. Flchte nicht ins Klavier, begreif den Mord, oder besser, sei sein Rand. Winter ohne Schnee. Geliebte, frb deine Lippen grn, damit ich dich seh. Frb ocker die Hand, die es liebt, wenn deine Nacktheit dem Muster im Teppich Sinn gibt. Frb mein Vagantentum violett oder dunkelrot. Mach daraus einen ewigen September. Die Revolte ist ein graues remember, frb sie blau, damit sie aufersteht. Spreiz die Beine weit, damit ich meinenSchreibtisch seh. Die Traurigkeit frb gelb, damit ich sie versteh. Was zum Himmeldrngt, sind Stahlgerste, kein Galgen, alsowerd ich auch heute nicht gehngt. Wort, dasatmend dein Geschlecht beschlgt und nichts bewegt. Liszt, spiel laut. Lust, holmich zurck, schie ins Kraut.

Zersprengte Madonna

Eine Fischkonservekann schon ein Motiv sein,das einen Maler verleitetzum Spiel, whrend er

Konservenfische it. Wasin der Dose zurckbleibt, isteine aparte Leere, die er sonoch nicht wahrgenommen hat. Das

erinnert ihn an Grenzen, die sichverschoben haben, wasseinen Blick auf die Sitzgruppelenkt, die sich verwandelt, indemsie immer mehr Zigarettenstummeln

gleicht, die ein Watt bilden, ber demder Streit der Mwenbergeht in vergammeltenHuserputz, der herabflltauf Handys, Zichorien und einenKnabenchor, der gerade probt. Also

gilt es, die Fischresteim Bild zu entfernen und durchSprengsel zu ersetzen, die sichso lange ausbreiten,

bis selbst die Fischkonserveverschwindet. Doch ohne Fischkonservewre das Bild mit der zersprengten Madonnanie entstanden.

Schlechte Zeiten fr Bume

Nun, da keine Gefahr mehrbesteht, ber Bumezu sprechen, sterben sie allmhlich ausauch im Gedicht. Das verdorrte Gestschiebe ich mit dem Fuvor mir her. Am Straenrand,Lackspuren dran, eine umgestrzteBuche. Vermutlich Blechschaden zu beklagen, eventuellTod. Die Buche aberrichtete ich auf, wre ichnicht zu schwach. Wenn mich die Erinnerungnicht tuscht, wre, der nicht mehrist, der Wald, wo man frohen MutesVerbotenes tat, so altwie ich. Um weiter zu kommen, brauchtdie Sehnsucht Rollbahnen, Hangars,Benzintanks. Wolkenkratzer, weitund breit, tragen den Himmel, derein anderer ist. Der Baum stehtnicht mehr stellvertretend, nicht einmalfr sich selbst.

2 Uhr 16 Gedicht

Hin und wiederknistert nachts ein Teufel, als wollteer dich mahnen, umzukehren aus dem Traum.Doch die Ausgngesind alle besetzt von Panzern.Die Fahnen, auf denen die Geschlechtsteileder Welt verzeichnet sind, wehen auf Halbmast.Einem Gemsehndler wird ein Dekmal gesetzt,als Zeichen,da es den Widerspruch an sich nicht gibt.Du brstest deinen Hut, und berraschenderweise findest dukeinen Toten im Schrank.An allen Ecken werden Erinnerungen verteilt,die aufrufen zum Bedauern,doch du weit, die Verklrung ist kein Beweis.Dann wieder bist du zwischen Holland und Islandan einem Faden baumelnd,auf den noble Gesten weisen.Auch Trume haben ihre Lokalpresse,aber kein Heimatgefhlund schon gar nicht Ortsschilder.Vor Begeisterungwillst du dich in dein Unglck strzen, aber du kommst nicht vom Fleck.Und weshalb solltest du umkehren,blo weil ein armer Teufelmit dieser Grammatik nicht zurecktkommen kann?

8 Uhr 37 Gedicht

Zwischen Talmesch und Balmeschliegt der Ort, der den Kreisschliet. Doch du wirst ihn nie erreichen, dafr

sorgt ein kleiner Schutzteufel, der feixenddich gleitet. Er lt dir alle Zeitder Welt, whrend du pinkelst,

dich in Budapest umsiehst oderdurch eine Tr trittst, dieins Labyrinth der Tren fhrt, oder

einfach Lust hast, zu trauern. Er istum deine Freiheit besorgt, deshalblt er dich nicht ankommen.

Usinger Elegie

Ich baue, Herr Rechtsanwalt der Sprache,auf Ihre Diskretion und Schweigepflicht.Nun, ich habe keine zwei Heimatenwie, zum Beispiel, jeder brave, ordentliche Emigrant,ffnet sich zgernd die grammatikalische Amsel,sondern blo zwei Heimatlosigkeiten,eine neue natrlich und eine alte.Aus der einen hpfe ich in die andere, je nach Bedarf.Montags bis freitags sehe ich mich gewhnlichin der einen um, den Rest der Wochein der anderen. Da es die Heimatlosigkeiten aber,wie Sie wissen, laut Regel und Gesetzblo in der Einzahl gibt,habe ich nur fr eine einen Pa. So tauche ich dann, notgedrungen, jedes Wochenende unterund verbringe die ewig langen, nicht mehr endendenSamstage und Sonntagezitternd, frstelnd, schlafloswie ein Schwerverbrecher, der zur Fahndung ausgeschrieben ist, in der Gottverlassenheit irgend welcher Schuppen,unter aufgelassenen Gleisen, in der Vergangenheit einer Burgruineoder unter dem Hut eines Toten,weitab die Sprache,wo mich niemand finden kann.Hoffend, da wenigstensdas Jngste Gericht Einsicht hatund ich nicht auch noch die eine Hlfte meines Todesin der Illegalitt verbringen mu,gre ich frohen Mutesdie Deutsche Akademie.

Mein Freund Coco

Ich htte Angst zu altzu werden, deshalb, sagt mein FreundCoco, der Kanarienvogel, raucheich tchtig, trinke Wodka und

beschnuppere die Weisheiten, dieim Briefkasten liegen und Dfteerzeugen, Klnge, Zeichen, diedie Geburt Christi weit bertreffen.

Coco ist Angestellter, bald beimRettungsdienst, bald beim Grenzschutz,mal beim Finanzamt, mal alsBademeister, auch als Sekretr irgend

einer Initiative oder einerGegeninitiative. Coco drckt den Stempeldes Schnabels auf, unterschreibtmit der Kralle die Gesuche,

Bittschriften, Rechnungen, Testamente,Quittungen, doch nicht bevor erdie glcklichen Hnde fragt, wowart ihr damals, als ich den Odeonplatz

nicht selbst betrat oder verlie,sondern im Namen von Idealen.

Sprachmarkt

Was ich, sagtedie Zigeunerin, in deinerHand lese, es lt

mich erschauern. Dafr will ich kein Geld. Also gehund geh und hr

nicht auf zu gehen. Du wirstdie Worte anderssetzen, die eine oderandre Zeile, gegen deinen

Willen, wird auswandern, undniemand wird die Worte, dort,wo sie hin wollen,

verstehn, weil sie so alleinankommen. Den Rest, derhier bleibt, wird auch niemand

begreifen, weil die Wortefehlen, die emigriertsind.

Jakschi singt

Eine Mlltonneenthlt so viel Vereinigungdie nur der Narr Jakschi begreifen kann

Revolte nebenKondomen Eierschalen toten PuppenPizzareste Haareber Atlassenauf denen die Welt anders aussiehtDosen zwischen SockenZangenScherben

alles Selbstgesprchedie Bereitschaft signalisieren

zumindest ein Teilvom Etwas mu bleibenwenn es verschwindet

doch der Narr Jakschi versuchtsich in die Seele des Abendszu versetzender genau so einfallslos ist wie der Morgender alles nur vor sich hinschob

er hat Glcker ist mondschtigund nachts steigt er im Schlaf auf die Mlltonnewo er hin und wiedereine Erleuchtung hatund dann beginnt er zu singen

Gedicht ohne Telefon

Die Hoffnung geht barfudurch die Welt. Sie ist schonangekommen, wenn wir geradeaufbrechen. Wir mssenihr entgegen gehen undsie sttzen, damit sie nichtzusammenbricht. Wir mssen immer wiederihre wunden Fe heilen. Wohin sie auch geht, sie kehrtzum Ende zurck, daswir fr den Anfang hielten.

Kastanienbaum

Wie ein Frosch im Glaskroch die Kindheit die morsche Leiterhoch, die am Kastanienbaum abgestellt war. Sprosse fr Sprosse versank die Welttiefer dorthin, wohin sie gehrte, in denAbgrund: die Strae, die nach Ostenfhrte, nach Westen, also nirgendhin, amPlatz der Brunnen, die Schenke, wo mannicht nur kein Wort verstand, sondernnicht einmal die Sprache, die aufgelassenenGleise, die einst das Ma waren, mit demdie Welt vermessen wurde, die Schuhe, der Friedhof,in dem die Pferde das Gras fraen, das berdie Helden wuchs des ersten Weltkriegs unddes zweiten, die Sonntage, an denen manvor der Kirche stand und orakelte. All das, wassich endlos wiederholte, verschwand untenim Blattwerk, im tiefen Loch, waseine andere Neugier weckte. Mit etwas Glckknnte man auf der morschen Leiter ganzoben ankommen, im Wipfel, und mtenur pfeifen, um sich Mut zu machen, ber den Randdes Himmels hinauszuspringen.

Die Katze

Die Kirchen sind geschlossen.Es wre schn, wenn sie wandern

knnten, bis weit hin, wo man sievielleichtvielleichtbruchte,

doch man mu sich gewhnen,es liegen Welten dazwischen,

und das Gemuer ist zerbrechlich.Deprimiert bleibt die Kirche im Dorf.Eine Katze, in einer

fremden Sonne, blinzelt,bevor sie um die nchste Ecke biegt.

21 Uhr 35 Gedicht

der leise schreck beim erwachen,der weg zum briefkasten, ins klo, eine zigarette.die kindliche unart, das licht anzudrehn.die flaschen leer, die gegenstnde abgegriffen,das telefon verreist.und du versuchst, die welt mit den augendes mondes zu sehn, der auf einem motorradauf deinen schlfenherumrast.

21 Uhr 54 Gedicht

es ist eine warme helle nacht,die an nichts erinnert, sondern einfach da ist,warm und hell.du liegst auf dem bett, blickst zur zimmerdecke, unddein krper ist entspannt wie eine zerbrochene feder.alles geht weiter,das kino, die feste, der fortschritt,die kunst, das gerede,das staunen,das schwitzen,das verstndnis wchst, nein, die geduld,das leben wird zur gewohnheit.sollst du dich aufraffenund ein bier ffnen? oder verreisen?oder einschlafen und restlosglcklich sein?du legst irgendeine platte auf, rauchstund sprst groe lust,die maus auf dem bcherbord totzuschlagen,doch lt dus sein und denkst daran,etwas ntzliches zu tun.und du rufst eine freundin an,die sich nicht fr mtig ausgibt,und es ist befreiend,sich nichts vorzumachen.

Sehnsucht nach Feigenschnaps

zugluft in den zimmern und knochen, gelb der junihimmel, fliegengesumm, die tage

ziehn sich dahin wie enlose gedichte, gelassenheitalterniert mit umsicht, den rauchwolken folgen

rauchwolken, die zeitung tut ihr mglichstes, nichtsist anders als erwartet. du starrst

aufs brotmesser, ins waschbecken, aufs sofaund fragst dich, was die sehnsucht nach feigenschnaps

mit dem nachhaltigen eindruck zu tun hat, die wste Gobi sei nicht grer

als ein zimmer. du greifstzur zigarette, blickst hinunter

in die hffe, auf die strae, es ist wie immer,die passante gehn alle in eine andere

richtungslosigkeit, als letzte nachrichterreicht dich das zufallen von tren.

und warten macht mde, wennniemand da ist, der dir sagt,

worauf.

Nr. 247

ein teller fischeder sand im ohrdie lichter ausgelaufner schiffedie dauer des regensund deine nacktheit, die dem muster im teppich,sinn gibt Kartoffeln im Frack meinen freunden den zigeunern zum abschied

es ist als wre es sodie zukunft gebiert unaufhrlichsich selbst die treppen fhren zu den immergleichen gerchenund gesprchenwenn wenigstens die wnde nicht so endgltig dastnden wenn wenigstens die knospen explodieren wrden doch der mrz ist wie eh und jeunter der schneedecke kriechen schwangere frauen hervorfette katzen bespitzeln den fleischer an der eckebeim kiosk sind die morgenzeitungen von gestern angekommenttowierte hnde streichen mit frhlichen bogenber die trolleybusleitungengott wirft mhren in den affenkfigden rest der zeit verbringt ermit kreuzwortrtsellsendie welt reicht bis ins dritte vierte dorfoder vom bett bis zum bildschirm die kinder hocken zusammengerollt in abstrakten begriffen die fuste die in den manteltaschen

Flieder im Ohr

dnn die morgenluft, regenschauer, unbestndigkeit verdunkelt die dingewie ein immerwhrender april, schimmel setzt sich an, kriechtdie wnde hoch, die gitter, springt berauf hoden und hirn, grau, beharrlich,triumphal, was lebt, lebt hinter vorgehaltner hand, lebtin blicken, im hndedrck,lebt verstndlich, miverstndlich,zweisprachig fast,lebt und atmet kaum hrbar, und du bist da,wo du bist, inmitten von versumnissen, und es gibtdiese kleinen, stillen, tglichenvereinbarungen: was nicht getan ist,ist nicht falsch getan, eine zeitlang geht dasso, und dann gehts nicht mehr anders, und die feigennennen die gewohnheit pflicht, und du stehst daund kannst nicht anders, die wegesind verzettelt, das ziel gestempelt, berall blhtlegalisierter flieder, du zahlst die miete,klopfst mit dem bleistift an die wolken,an die ewigkeit und an alle andernargumente, lebst, versuchst es, schreibst,und ein betrunkener wankt durch die stille in einer weise,die dich deine ohnmachtdeutlich fhlen lt.

Biergarten

endlich ist es soweit: allesist vernderbar, selbst uhrzeitund geschlecht.

wo gestern die schutthalde war, ist heut der biergarten.

und bermorgen wachsenan den mit glasfabriken gekreuzten pflaumenbumenglhbirnen.

berall, wir sprens, sind sachkundige hnde im spiel:

die kriege werden mit friedlichen waffen fortgefhrt,

gre aus Itzehoe sind zollfrei,

ngste, zweifel verwandeln sichin sanfte hgel,

alles ist wesentlich weniger kompliziert,

selbst der vielumstrittene weltuntergangist blo noch sachedes brokratischen apparats.

27.09.81

mit fnfunddreiig rauchte ich meine letzte zigarettedoch das war etwas spter, zuerst malwar auch ich ein kindschneite es, glaubte ich inniger an die macht der mrchenals ich fragen zu stellen begann, drckte man mir sanftein saxofon in den mundauch ich, wie alle, rauchte meine erste zigarette auf dem kloin der kirche starrte ich auf die brste der madonnaund weil gott mir nicht half, half ich mir selbstwie ich konntesonntags regnete es gewhnlichbei den maidemonstrationen holte ich mir meistenseinen schnupfenals ich ber Hlderlingedichten ertappt wurde, dachte ich, nunlochen sie mich einich streunte jahrelang durch parksich fhlte mich ziemlich altich wuchs herandie tage wickelten sich ab wie zeitungsartikelman beschrieb nur erfahrungen, die man nicht gemacht hatteirgendwie begann es jedesmal von neuemich schaltete das radio ab, lie die jalousien herunteres klang alles viel zu einfachsommerber verschwand ich aus meinem leben schlielich war ich berauscht von den brten der klassikerund die ernchterung gab mir den restwas folgte, war ein wettlaufmit der angst, damich die besinnungslosigkeit einholt

ist das wenig, ist das viel? hohes gerichtwieviel jahre freiheit bekomm ich dafr?

Savanarola

wie lautlos fallen die entscheidungen!whrend du ahnungslos die zeitung liest,schlieen sich vielleicht schonum deine knchel unsichtbare ringe.

sprich aus die richtung deiner gedanken!du weit, du bist stark blo als gegner.die stille, sie zimmert kreuze,und langsam wchst dir das gras in den mund.

Strandcaf

der stliche horizont als uerste grenzesanft das geflle der drachenim mittagslicht

unter den zerflederten sonnenschirmenziehn fern fischerboote vorbei

es ist, wenn die zeit noch funktioniertaugust

die tglichen kriege spielen sichetliche straen weiter ab

hier steigt blo zigarettenrauch zum himmelfromm und oneirisch

um die tische, zahlreich wie spitzelstreichen hunde

ein irrer bietet saure gurken anzuweilen sagt er die wahrheit

die rhododendren hneln mehr und mehrnotorischen sufern

erinnere dich, vergi die selbstgengsamkeit hngt rlpsendlosungen aus

Grabrede

unsere generation? eins immerhinist sicher: man kann sich groe worte ersparenauch lorbeerkrnzeoder salutdie begeisterung, liebe anwesenden, war groes war so, da alles anders aussahdie zeit hatte eine andre geschwindigkeitBrecht marschierte mit qualmender zigarre voranalles was man tat oder unterlie, hatte ein przises zielselbst der haarschnitt war politischnichts erweckte den vertrauten eindruckda nichts zu verndern warman trank sich zu, nchtern und engagiertder postbote, er brachte welt in die kpfedie gesprche wurden immer lngerdoch immer wenn die zukunft greifbar nah schienwar der arm zu kurzman bog etwas betreten um die eckedie gegenstnde sahen pltzlich ausals wren es geknickte schwingendie fragen huften sichdas telefon von dr. Marx war stets besetztman sa nchtelang vor dem radioman begann sich zu erinnerneinigen halfen kleine kellnerinnenber die enttuschungen hinwegandere waren immer und berall dabeiund das waren auch unsre liebsten clownsandere standen vor den kinosandere vor dem paamtandere hatten nichts dagegenandere stellten sich um auf pfeife

und was zu tun wargrndlichwurde es zerredet

Autobiographie

genosse, was habe ichauszufhren?

geboren wurde ichbei verdunklung und ausgangsverbot

kurz darauf wurde das haus enteignet

da ich die Expressionisten mag oder pralle brsteist sicher wesentlicherals die vergangenheitder verwandten

die schulen hab ich allenach vierundvierzig besucht

aufschlureicher als alle mitgliedschaftensind, glaube ichmeine bcher

engere kontakte unterhalte ichzur aufklrung, zu meerlandschaften, zu den verlorenen illusionen

abends hr ich nachrichtendie politische lage interessiert mich tatschlich

einen festen wohnsitz hab ich bloals empfnger von stromrechnungen, zeitungenhonorarenvorladungen

woran ich glaube? an keine seligkeitweder der aufrstung noch der auferstehung

sehen Sie, der horizont ist diesigwie Ihre vorstellungvon mir

Telegramm ins jenseits an Bertolt Brecht

wer spricht hier, von nachsichtund berhaupt?

die last der orden entlockt der brust zuweilenseufzer

die gurgel hinab fliet alkohol

die liegesthle stehn stets im gnstigstenwinkel zur sonne

kein lftchen rhrt sichkein finger

der blick ruht auf holundergestruchzeitungen, zementscken, dem eignen bauch

keine ungewiheit, kein wimpernzuckenkein sterbenswrtchen mehr

pnktlichwie immererscheint der postbote geldbetrge geben antwortauf die fragen der dichter

Dantons Tod

nicht den kopf verlor ich, das gesicht, seither schweigich weise, fr die visionen, hohesgericht, hab ich keinebeweise.

Villons ankunft im himmel

geehrte kommissionich fhle mich wie neugeboren

whrend der reise wurde ich von engelsflgeln geschtteltbis zum totalen verlust des bewutseins

vorschriftsmig habe ich fnf volle wochen gewartetin zugigen treppenhusern ungeheizten hallen und korridoren

schlielich wurde ich eingelassen ber die hintertreppedurch die tre des dienstpersonals

ein heiliger wahrscheinlich achten ranges brachte michin eine zweistckige wolke neubarocken stils

ich wurde nach unerwnschten erdendingen abgesuchtbis auf den grund meiner umgestlpten seele

wie aus einem lautsprechen drangen aus einer kapuzein sphrischer tonlage die neuen zehn gebote

mit zehn mal zehn langstieliegen gladiolenhabe ich gewissenhaft alle fragebogen ausgefllt

beim verlassen des bades tauschte ich den geruchsinngegen einen breitkrempigen glorienschein

an allen betten erschienen auf groen regenschirmenszenen aus dem neunten kreis der hllefnf kronleuchter durchschauten gleich meinen ersten traumin dem ich versehentlich mit der dicken Margot gesprochen

der eintritt in den berhmten sulengang im myrtenhainblieb mir versagt wegen der allzu kurzen flgel

im amt fr wetterprognossen ging es ganz lustig zuwir drehten tten aus unseren trommelfellen

mein rechtes auge lie ich einmontieren als linsein das allgegenwrtige gottesteleskop

das andere schlielich habe ich freiwillig gespendetfr die vollkommenheit meines eignen glcks

meine herren ich bewundre ehrlich ihre himmlische ordnungdeshalb glaube ich meine anwesenheit hier ist ein irrtum

ich bitte zu bedenken ich hartgesottner lumpknnte eines tages unter der last dieser gte zerbrechen

hotel Rmischer KaiserHermannstadt

die sonne zwischert staubsauger ersetzen den weckerwire erwachen zu dritt dein linkes knie das telefon und ichder blick aus dem fenster verfngt sich in symptomenberall gerste beton ersetzt die gotik

eben ertnen aus dem kaputten radio die alten nachrichtenstaub flockt auf kaltwasser klrt den verstandes ist gut zu wissen das ist ein stuhlbein das eine trklinkeaus der erinnerung blinzeln des generalissmus listige augen

immer ist es zu spt wenn nicht gerade zu frhder pfrtner blickt ins leere als htte man ihm gekndigtdie straen aufgegraben rohre kabelenden liegen querdrei tage urlaub vom leben das wars

wir hngen, geliebte, in einem netz von augendie lauern sphen beobachten aufpassen

papierdrache

du liegst im fenster, wartest auf den blondenPeter oder auf irgendein anderes wunder, das in gestaltdes postboten ausbleibt. benzingeruch liegt in derluft, die passanten gleiten auf fliebndern vorbei. gegenberim tor steht ein invalide, mit hut undpyjamajacke, seine pfeife hlt ihn im gleichgewicht, in denhinterhfen schrubben frauen wsche auf ihren seelen, der gedankean sonntag nachmittag lt ihre schenkel erzittern, die mnnerreiben ihre stoppelbrte, nichtslockt sie aus ihrer zhen abwesenheit. es ist abend,die mauern klirren im wind. etwas wie ein papierdrachezerrt an einer unsichtbaren schnur. pltzlichsprst du das verlangen, dich in eine alternde frau zu verlieben, als wreihre trostlosigkeit das einzige, das dieses zerren aufwiegt.

luftvernderung

ich versuchemir luft zu machenan der luft, die es nicht gibt.ich kaufeeinen grnen pinselund male ins zimmer tannenluft.fr die tannenluftzahle ich miete.von dem, was mir bleibtvon der miete, kaufe ich einen grnen pinsel.und so werde ichmal von einem groen,mal von einem noch grerenmaul eingeatmet.

hafen Mangalia

das spiel gibt es,solangedu mitspielst.du hilfst einem kind, den drachen hochsteigen zu lassen.du redest dich aus.morgens rlpst du den umstnden gem,abends bist du ein pascha,der sein kleingeld zhlt.manchmal ist dir zumutewie einem ertrunkenen matrosen, der sich mit allen gehabten frauenausshnen mchte.geh ins kino oder baden oder in eine kneipe.das gemeinsame der halben unterschiedeist die flieende grenze.trume werden morgens geboren und sterben morgens.mwen haben keine geduld.die dir verbliebenen tage botschaften, nichtan dich gerichtet.auf schritt und tritt stt du an vertraute dinge. und zuweilenberhrst du ganz zuflligdein leben, diesen wirklichfremden gegenstand.

die bume, zum beispiel

die bume, diese vogelscheuchen.wsche trieft von den sten.

der stamm, gekreuzigt auf verbotstafeln, blutet.

schaukeln wiegen in den schlaf,die sanften mrder verewigen ihre namen.an die knchel gekettet fahrrder, hunde und all das einerlei.urin fliet, erbrochenes.

zune, wie ein schlangenbi, tief im mark.

stirbt ein baum, hnelt er einem clown,der auch nur witze reien darf,die nicht jeden hinhaun.

wenn alle bume zu laufen begnnen,mein gott, gbe das ein erdbeben!

Acht Stze ber Herrn Mller

herr Mller seufzt nicht mehrherr Mller mu morgens nicht mehr aufstehnherr Mller mu sich nicht mehr rasierenherr Mller mu keine zahlen mehr zusammenzhlenherr Mller mu nicht mehr schweigenherr Mller mu nicht mehr redenherr Mller ist totvermutlich begreift herr Mller jetzt die welt

Der glatte Zeitgenosse

er ist dawieso, das ist nicht seine sache

worum es ihm allein geht, ist konsequenz

er macht um alles einen bogenum schwarze katzen, ecken, gesprchespiegel

er sucht nichts, und was er findet dessen entledigt er sich schon im nchsten augenblick

er braucht keine gewiheitener nimmt nie etwas krummer will auch niemals den letzten zug erreichen

erscheint er irgendwo, wei man nie rechtkommt oder geht er

immer mehr hnelt ereiner sich auflsenden lmmerwolke

nie hat er einen baum gepflanztnie einen stuhl vom platz gerckt

nie versprt er reisefieberer kommt sogar ohne sich selbst aus

was er braucht und zur genge hat, ist zeiter hat zeitwie ein toter

Geteilte Welt

mit der axtspalte ichden tisch: die eine hlftedir, mir die andere, dazwischenliegt die einzige grenze, die wirohne paberschreiten knnen. im nrdlichen teildes zimmers lebe ichmit meiner berzeugung, du mit deiner im sdlichen.

was wir tun, tun wiraus diplomatischen grnden.schweigen wir, ist es taktik, reden wir,meinen wie immeretwas anderes.

die geheimpolizei unserer unberechenbarkeitwrde jeden augenblickzur gewalt bergehn, gbs nichtdie zeugenschaftder fische, strumphosen und bilder.

die konomischen verhandlungen(zum wievielten male unterbrochenund wiederaugenommen)enden meistensim bett.

zuflligkeiten, launen, leine eitelkeitenschreiben die geschichteunserer koexistenz.

was wir tun fr die zukunft? wir essen bohnensuppe, verwenden franzsische parfmsund lehren die, die nach uns kommen, denkenwie wir.

das gegenseitige vertrauen: allesgroe worte. wir heben die glserauf unser gemeinsames wohl, weil unsnichts andersbrigbleibt.

der friedenist der labilstenervezustand.

Dies Gedicht

sicher, es htte auch eine andre richtung einschlagen knnen,dies gedicht;in die innere emigration zum beispiel htte es gehn knnen,oder es htte auswandern und zum teufel gehn knnen.

sicher, es htte sich auch einen bart wachsen lassenund was von blumen faseln knnen,oder es htte schuhe wichsen und etwas taschengeldeinstreichen knnen;es htte auch wie ein pfrtner vieldeutig zwinkern knnen.

sicher, es htte auch um audienz oder vergebung oderetwas frist bitten knnen,dies gedicht,oder es htte sich einfach auf mich ausreden knnen;es htte sich auch krankschreiben lassen knnen.

sicher, es htte auch mit idealen und waffen und gewissenhandeln knnen;es htte nach ertrunkenen matrosen suchen knnen;nachts htte es die nacht preisen knnen, tags den tag;es htte auch auf stelzen einhergehen knnen.

sicher, es htte auch den tod den toten berantwortenund allen recht geben knnen,dies gedicht,oder dem stillen suff htte es verfallen knnen,oder es htte auch verrckt spielen knnen,dies gedicht.

sicher, es htte auch ein nekrolog sein knnenoder ein geburtstagswunsch,den mond htte es anbeten knnen oder eine geliebteoder sich selbst,oder es htte vor langeweile ghnen knnen.

sicher, sicher,was es alles htte knnenund auch was es alles nicht htte knnen,dies gedicht,dies gedicht,das nicht auswandert.

Kurze Geschichte eines Gedichts

die bume, stumm, kehren allen die rcken.der taxischoffr, wen lacht er aus, oder ghnt er? wer flgel hat, verbirgt seine absicht darunter.die steine, die wie hunde den schritten nachlaufen.

was uns fehlt, geliebte,ist nicht das kleinekleine glck.

und all das.und all die toten, die dazugehren,ohne dabeizusein.

schie keine fotos!

ich hng eine trin den raum, den gekrmmten,trete ein, leise. was berraschtmich anblickt, schreibe ichauf.

ber Fragen

fragen,sag ich,auch wenn sie noch so agressivvorgetragen werden,haben immeretwas defensivesan sich.

fragen,steigerst du,haben nieetwas irreparablesbesiegelt.

noch niewurde jemand,formuliere ich im superlativ,durch eine fragein den todgeschickt.

Fast eine Liebeserklrung

vier himmelsrichtungen gibt es,also zumindest acht wege

und nicht blo eine mglichkeit,wie du behauptest.

Morgentee

der tee, der die sinne wachruftwie ein eben eingetroffner brief.auf dem fensterbrett eine tote taube.in grauem paletot erwartet die luft, das was kommt.ich seh nirgends einen zusammenhang.

und es schneit: schnee fllt,als wrden alle schutzengelsich vor machtlosigkeitaus dem himmel strzen.

01.03.86

der morgenist ein grauer kater,raucht pfeife und versucht,sich zu erinnern: sind wirberhaupt noch da? der kaffee, geliebte, erspartuns die worte, du weit, fragensind wie schlingen,die wir selbst uns legenum den hals, tun wir, die wirnebeneinander liegen,das nchstliegende. so. dein haar, schwarzwie der schmutzunterm nagel von gottes groer zeh, ja, waswollt ichsagen? vielleicht,wie immer,wollt ihr nur beginnen,etwas zu sagen,aber vielleicht wollt ich das fenster ffnen.du mut den buserreichen, ich die eisenbahn. washeit, wir mssen?komm, la uns tiefer uns kssen,das schwalbengezwitscherspitzt die ohren, der fliederduft,der durchs fenster strmt,behlt uns im auge.vielleicht lieben wir unstatschlich, und es ist wahr,darin bestehteine ffentliche gefahr.

Psalmoder in verlegenheit eines titels

sitz nicht soda, sagt einer. roll dich nichtzusammen wie ein igel, sagtein andrer. klar,sagt ein dritter. verschanz dichnicht, sagt ein nchster, hintereiner maueraus schweigen. los, sagt einfnfter. sagwas, sagtein andrer. ja, ja, sag was,sag was,schrein alle.

warumsprecht nicht ihr,sag ich.

tu wasfr uns,antworten alle.

17.02.86

du warst der guteNikolaus und hattesteinen bart, der, wie jede ehrliche fahne,etwas rot trug.

ein rot des zorns,ein rot der zukunft,ein rot des schwarzen humors,ein rot erschpfter augen,ein rot der liebe.

und deine seelewar ein wanderzigeunermit zwei mputierten beinen.

Morgenlitanei

gut, je mehr wir trumen,um so mehr schlafen wir.gut, ich wei nicht.gut, ich hab nichts dagegen.gut, ich brauch auch keine geliebte.was ich jetzt such, sind ein paar socken.liebe eltern, indem ihr in rente gingt,seid ihr nun nicht mehrmeine kinder,und auch das ist gut.alles ist gut, nur vergiftet das radio mit rattengift.gut, die sprache steht schlange vor meiner tr.gut, geliebte, sag der sprache, ich hab keine kinder mehr.soll die sprache mit sich selbst sprechen.

Brukenthalschule. Im Hof

hier stand ichvor dreiig jahren im erdrckenden schatten der kirchmauernetwas abseitswas wird noch werden?

einmal auf die linde gestiegenauf den kirchturm nie, aus angstich knnte den fernen tod der elternerblicken

mit abgebrannten gieernbesoff ich mich jmmerlichniemals wute ich weshalb

spterlie ich mir an allen fingernein aug wachsen

so griff ich nach der welt

Siebenbrgisches Klagelied

der totengrber, er ist verschwunden.

bald schiebt der postbote eine karte zwischen unsrefensterscheiben

nun gut; doch wer befrdert uns jetzt nach unten?

und wer trinkt jetzt den schnaps derer, die hinterbleiben?

es ist juli, doch wir waisenkinder frieren stark.

wer quetscht jetzt, wenn sie zu gro sind, unsre fein den sarg?

der totengrber ist verschwunden.

werden wir ihm folgen, wir, seine notorischen kunden?

Der leise leise Tod

der weg, der alles einebnet.

der weg, der vergessen hat, da wir aufbrachen, nackt, ohne schnaps, ohne karte, etwas hoffnung in den fen.der weg, auf dem die freude auf ein nachtlager verlorenging.der weg, der die zunge spaltet.

der weg, der es eilig hatder weg, der hasen, zahnlcken, schlote, telegramme zusammenschttelt wie in einem hut.der weg, der einen weiten bogen schlgt uns um kirschgrten, die kirschblten treiben.der weg, dessen ehrgeiz kein ziel kennt.

der weg, der uns mitraut.der weg, der wie ein betrunkenes bataillon durch friedliche siedlungen zieht.

der weg, zu dem alle Roms fhren.der weg, der schwer an den fusohlen klebt des atems, der bcher, der fahrkarten.der weg, der selbst die geheimsten trume ertrunkener bewacht. der weg, der uns vor sich herschiebt.

der weg, der niemand anhrt, keine krankenscheine, keine wolkenbrche, keine argumente.der weg, der sich verzweifelt krmmt.der weg, der keine strae ist, kein seeweg, keine luftlinie, kein unterirdischer tunnel.

der weg, der ber alles hinweggeht.

Landverlust

das gestohlne leben, Gott, du versuchstes nachzuholen. das land jedoch

geht dir aus dem weg. in welche richtungwirst du dich verirren? bleib

auch du an der wegkreuzung stehnund verzweifle.

Das andere Feuer

jetzt, dadie vgel aussterbenen masse,hat Prometheus neue sorgen.was geschieht, wenn eines tagskein adler mehr kommt,von der leber zu fressen?soll er, der nie den glaubenaufgegeben hat,die menschen doch noch zu formennach seinem bild,am endeselbst werden wie sie?in gestalt von gartenzwergenschauen die gtterfreundlich zu.

Pasrea Miastr(Brncui)

es hat ihn schon immer gegeben

einer abereiner mute kommenden baum zu lsen

den verwandelten, seit jahrtausendenin stein gefangenenvogelbefrein

Ankunft

der ort, den es nicht gibt, dortwohnst du, frstelnd, in fremder

haut, ohne bett, ohne landschaft, wieein druckfehler, ohne zukunft, die sowieso

nur auf dich einreden wrde, pausenlos, schiffe,nhern sie sich, finden nicht hin. dort gibt es

nichts, was es gibt, keinen ausweg,keinen nordpol, keinen rckzug.

die kompanadel dreht sich wie verrcktim kreis. und was es nicht

gibt, gibt dir die verlornesprache zurck.

Caf. Amsterdam

Wenn das stimmt, da ich esbin, der da sitzt, in einem leerenCaf, bei

mexikanischer Musik, diedas Gesicht des Mannes, derGlser wscht,

verklrt, als htte eralle Vertrgegnstig abgeschlossen,

mit der Einsamkeit, van Gogh, der Bank,der Heimat, dem eignen Gewissen,dem Weltuntergang

und dem, was danach kommt, und ichmir hier die Zeit vertreib,indem ich die Stufengiebel anstarre

und mir immer wieder sag, die Stufensind zu kurz, sie reichenweder in den Himmel

noch in die Hlle, worauf warteich, da sich an meinen Tischein Spitzel setzt, falls das tatschlich

stimmt, da ich es bin, der dasitzt, in einem leeren Caf, beimexikanischer Musik?

Poem

Von meinem brennenden Wunsch, einmalzu jenem berhmten kaukasischen Felsenzu reisen, berwltigt, machte ersich, der Felsen, da es mir immer wieder an Gelegenheitenund Geld fehlte, endlich selbstauf den Weg und besuchte mich eines Tagsin meiner Wohnung. Von dem einmaligenAnblick beeindruckt, wollte ich schonmein Bedauern aussprechen, da so etwasin unserm Jahrhundertund so, doch mein Gast winkteentschieden ab. Sofort durchschaute ich die falscheBescheidenheit und erkannte in jeder GestePrometheus das typische Gehabe, das Prominenteneigen ist. Er lehnte sichgemtlich an seinen Felsen, rlpste und furzte diskret. Dann lchelte erselbstbewut, klopfte mir zuversichtlichauf beide Schultern und sprach, whrend ichmeinen Bart kraulte, in vertraulichemTon: Je zerfressenerdie Leber, um so tadelloserdas Image.

Augenblick

Etwas hat sich geffnetwie eine Bitte oder eine Falle

oder eine Grenze. Glocken luten es ein, Laternenleuchten es aus. Der Chinese schliet

den Gewrzladen, die Huren wechseln die Schicht.Die Polizei schleppt ein Auto ab, der Besitzer

wird sich nie melden. Es herrscht ein Schwindelgefhlder Geduld, eins geht ber

ins andere, als Notwendigkeitoder nicht. Das Elend trgt glanzvolle

Namen. Ich nehme an, der Augenblickhat etwas mit mir zu tun.

Amsterdam, 26.3.94

Lorelei

Als ich wieder mal anders aussah,und diesmal ziemlich alt,

es war gerade auf Sylt, daging ich ins Wasser, und das Wasser war kalt,

und ich wurde ganz jung und verlor meine Hngetasche,in der mein Gedchtnis sitzt,

die Zukunft lag als Post in einer Flasche,ahoi, den Rest hab ich ausgeschwitzt.

Dnen, adieu! Nun hab ich ein Lied gesponnen, ohne jegliche Vision.

Es war eben ein schner Vollmond,und ich dachte, ach, Lorelei,

weshalb warst du nicht schwarz, sondern blond,doch nun ist es einerlei.

Weisses Gedicht

Das Nichts, in Gestalteiner Stadt odereiner Eule, diedie Stadt

verlt. Oder sehich dasfalsch. Wenn ja,

wrde ich michentschuldigen, wennich wte,

bei wem. Selbst das letzte Etwas, dases noch geben

drfte,verleugnet sich.

Stadtrand Bukarest

Morgenlicht mit Nebel, der die Gestaltenverwandelt, auswechselt. Gewi

ist blo die Farbe des Grns, das Grndes Schimmels, der Polizei, des

Gifts, der Illusion, wo Blicke sich begegnen, entstehtein Ort. Hin und wieder

wird ein Baum verrckt. Hier, aus Langeweile, hat die Hitzein stiller Trauer

die Ewigkeit geboren. Zwischen Ruinen, im bsen Duftvon Kamille, Fisch, Akazie, brennendem

Mll, Schnaps, hausen in geheimer Legalitt verfickte Kater,das Glck des Monds, Wahrsagerinnen

und die Zukunft von Mrdern, und wie feineBazillen verbreitet Unausgesprochenes

eine Botschaft oder eine Bereitschaft odersich selbst.

Weg ohne Schritte

Doch bei jedem Schritt, den duzu tun gedenkst, mut dumit dem Werk unzhliger Schutzengel

rechnen, die berall herumschwirren,in der Kche, am Nordpol, um dienchste Ecke, im unruhigen und

ruhigen Schlaf, ber den Zigarren,dem Postkasten, und die durch ihrebertriebene Sorgfalt zur Plage

werden, indem sie den fatalen Schrittverhindern und dich soum weitere Erkenntnisse bringen.

Zigeunerin

Wund waren ihre Fe, vom langenlangen Weg, fliegen zu lernen oder ein Schiff

zu sehn, das in See sticht. Am liebsten,sagte sie, wre ich gescheit gewesen

und mte nicht wahrsagen. Wo der Weg begann, wutesie, wo er enden wird, auch. Dazwischen

liegt das Ziel, von dem sie wute, da mandort, bestenfalls,

ankommt im Konjunktiv.Das ist ein Fluch. Mit der Rache verdiente sie ihr Geld.

Weil die Prognosen meiststimmten, wurde sie erschlagen.

Elegie

Welke Blttersegeln durchs Fenster. Ein Fahrrad lehnt schonwochenlangan einem Laternenmast. Das wirklichTraurige daranist, da nicht einmalder Laternenpfahlauf dem Fahrraddavonfhrt. Ich kehredie Bltterzusammen und wnschte mireine Industrie, die Glck produziert.

Unterwegs

Solange du nicht ankommst,ist die Freiheit bitter. Doch du kannst, unterwegs, endlos spielen

mit den Dingen, sie davon trennen, wassie benennt. Die Bedeutung, zumBeispiel, der Tr, ist irrelevant, egal

wohin sie fhrt. Nur dein berraschtseinkann ihr Sinn geben.

Aufgelassener Bahnhof

Einstwechselte ich hier die Sprachewie den Zug. Jetzt sprechen dahin und wieder Engelund Narren. Auf nichtsmehr wartend, werfe ich die Mtze

ins gefrorene Kiesbett, zumSchdel des Schafbocks, in demder Kiebitznistet.

Riemenschneider Heilig-Blut AltarSt. Jakobs Kirche

Vater unser, der duauch ausgewandert bist und zurckltdiese Kerzen, die bestndig

tropfen wie Leben,die nicht zhlen. Ob du

jemals zurckkehrst, gewandeltoder nicht, und ob wir die Chance haben,dir zu folgen, oderdie Kraft, unsabzuwenden von dir?

Wir wollten dich blo behutsamherunterholenaus schwindelnder Hhe, auf die Erdesetzen, ins taufrische Gras. Du bist uns

entglitten. Verschwundenbist du. Und nun verweilen unsere Hnde

in der Luft, in dummerGeste erstarrt, ratlos, leer.

Weinachten 2011

Ortung IFr Sigurd Paul Scheichl

Ein Rauschen im Ohr, es knntedas Meer sein. Bald sind die Jungmwen flgge. Die Erinnerung sucht, was du nicht

sahst, als du es erlebtest und das nunetwas anderes ist. Die See, gelangweilt fast, lecktdie Wunden ihrer Opfer, ist es Trauer, ist es

Verhhnung? Nach heftigen Kmpfenpissen bernchtigte Poeten ihr Bieraus. Widersprchliche Meldungen kommen

in Cabrios angerauscht, aus denen der Anhangirgend welcher Scheichs steigt. An der Erdachsewird krftig gebastelt, die Morgendrossel

knallt gegen die Fensterscheiben. Nochverschlafen, suchst du deine Seele.

Gedicht mit ApfelFr Ion Pop

Nicht Maria Magdalena.Nicht Mona Lisa.Nicht Effi Briest.Nicht Madame Bovary.Eva war es. Warvon allen Frauendie wunderbarste. Sie zogdem Glauben die Erkenntnis vor,selbst um den Preisder Vertreibung.Seither sind wirheimatlos.

Main bei Wrzburg

Aus Bozen kommend in einer fliegendenZndholzschachtel, bleibt Zeit genug,die Unterschiede deutlich zu

erkennen. Ein kleiner Petit Four, viel zu s,und man sitzt neben einer hbschenDame, die einem nicht sofort die Pistole

lachend ans Ges drckt. Onkel Sam,der kein Deutscher sein will, geistertlieber bei den Huzulen herum. Die Weine

werden immer unwichtiger, was manso Freiheit nennt, auch. Der Zynismus kanneinem gestohlen bleiben, ebenso das je men

fous. Die Frist wird krzer wie der Fang vonFischen rarer, auf deren Rcken wir stetsber den Main gehen wollten bei Wrzburg.

Das Staunen nicht vergessenFr Heidi und Jochen Nowak

Folgend der Spur der Ameise, gelange ichan den Rand des Frhlings, wo der Fuchs die Weltbegrt, mojn, mojn. Durch die Tr

des Baums treten Worte, die mit der Zungedie Augen reiben. Gestern noch lud ich Betonplatten,Stahlrohre, Stacheldrahtrollen

auf einen Ameisenhaufen, einen Jungfuchs. Vielleichtzerquetschte ich der Sonne linkes Bein. Eine Weilewird die Sprache noch hinken. Ich kenne

den Schmerz, habe selbst eine Zeit am Baumalocht. Lange staunten die Augen, die seithervorsichtig lernen von all dem, was zurckblickt, wenn

ich es anschau, um das Staunen nicht zu vergessen.

Gras I

Wo einst Leere klaffte, wchst Beton zusammen.Auch der Kfer, der hoch kriecht den Grashalm, wirdrenoviert. Das Risiko

hat die Grenze berschritten. O mein vereinterHimmel, o heiterer Dachverband. Der Mond verteiltein weies Pulver, daran schnffeln wiruns selig. Die Chaostage, hben,

verlaufen ordnungsgem, drbensind die Huren billiger. Sprlich Gras, das sicheinnert, indem es nicht drberwchst. War es da? War es dort?

Die Wunden sind verrostet, der Stacheldraht nicht.

Fremde Pappeln

Einst sah ich, was auch du sahst, selbstwenn du in die fernste Ferne sahst. Nun istnichts mehr so, wie es htte

sein sollen. An die Fensterbank gelehnt, schrg,blickst du in den Garten, siehst etwas, vondem ich nie mehr als blo ein Stck sehen

werde. Auch die Pappeln sehen anders zurck.Am Balkon der Rabe nickt uns Mut zu. Manchmal

lt er die Flgel hngen.Wie meint er das? Sehe ich zu kurz? Du zu weit?

Jetzt beginne ich schon, von der Suppezu verschtten, die du

seit eh und jeso liebevoll zubereitest fr mich. Sturmtief Dora

Der Honigmonat ist nun zu Ende.Der Viertelmond turnt am Seil, er gewhntsich langsam an das, was ausbleibt oder

kommt wie die Autobahnmeisterei anden Winter. Ausgang ungewi. Auch die Gewhnungan die Liebe, so sie kommt, und

sie kommt, ist der Anfang von einemEnde, das einem erspart geblieben wre, htteman gar nicht erst angefangen. Der Versuch,

vielleicht, wre er es wert gewesen, wenndas Sturmtief Dora die Solaranlage nicht schonam ersten Tag weggefegt htte, hnlich

einem Blatt Papier, das der Wind mit sichnimmt und dies Gedicht deshalb hier zu Ende ist.

Abdrucke

Ein Schwarm von Staren hngend am Himmelwie ein schwarzer, ratloser Balkon. Sitztdort oben wer? Den Augenblick der Ungewiheit

nehme ich mit, folgend der Spur des Schnees,der sich zurckzieht in letzte Verstecke. Daserinnert an Worte, die ich spiegelverkehrt

setzte, damit sie nicht beschlagnahmt werden. Das erschpfte die Sprache. Lange ist es her. Am WegrandSchilder, Drahtrollen, ein Betriebsgelnde, das verrottet

wie die albernen Schwre, die wir ablegten. Weit dunoch? Und die Unendlichkeit ist ebenfalls nichtmehr das, was sie war.

Bahnhof FrankfurtFr Karl Corino

Niemand ruftmich, falls ich irgendwo auftauche.Vielleicht sollte man sich stets

entschuldigen, platzt man hinein zwischen Pappeln, engenGassen, Buchfinken, Kieseln

und strt das Gleichgewicht. SchweigsameGste mag ich am liebsten oder Reisende, die singen. Das

macht die Welt nicht besser, doch man lt siehinter sich. Einerwie ich, zieht es vor, dienstags

zu verreisen, meinetwegen nach Colmar, Lemberg,Novisad. Am Gleis 17 spielen Sdlnder ein

Volkslied, langgezogen, das sie mit sichreit von Ort zu Wort ins Klangvolle ihrerSprache. Glcklich ist, wer nie ankommt, das wei

am besten der uralte Panfltenspieler, der keine Noten kennt.

Alles anderewre ihm fremd.

Markttreiben Klausenburg 2009Fr Stefan Sienerth

Was zu sagen gewesen wre, habendie Toten ausgestanden. Nun sind sie Helden. So

halten sie das im Gleichgewicht, was kommtund im Trend liegt und leichtfertig

Zukunft genannt wird. Die Hoffnung lerntgehen, lernt fliegen, fliegt um die Ecke, nach

Spanien, nach Griechenland, wo sie besserbezahlt wird. Anders schlgt nun die Turmuhr, anders

schmeckt das Osterlamm. Die Ewigkeit wird nicht mehrauf dem Land geboren, auch sie ist weggezogen, mit

dem Ntigsten blo, fr immer. Aus geschmolzenenGrenzen entsteht die Legierung, aus welcher

der Mittelpunkt gemacht ist. Daran wirdgearbeitet. Man tanzt nicht mehr Hora, man

tanzt um den Mercedes. Mit Huren, inzwischen,verdient man besser als mit Ikonen, und

die Maiglckchen duften und blhen wiederals das, was sie sind: keine Mikrofone.

Krzere TageFr Verena Auffermann

Es herbstet, die Tage komprimierendie Zeit, die tief im Keller lagert, dort, woherdie Worte kommen, aus denen

Gedichte gemacht sind, ein leichter Rttelfrost, deraus den Adern der Bltterfliet, die langsam dahinwelten. Aus

der Sprache weht etwasTrauer herber, rollt die Zunge, die Stimme,die Kraft spart, indem sie bedchtiger spricht.

Die Zelte werden abmontiert, die Bote festgemacht. Die Kneipen fllen sich wie Glsermit reifem Hopfensaft, der die Sprache

fit macht, enteist, das Bildder Mutter an einen dnnen Nagel hngt,von dem viel, viel Licht kommt.

BerlinFr Richard Pietrafs

Wenn man zurckkommt, hat manvier Augen, zwei sehen die Kindheit,das dritte die Vernderungen,

das vierte bangt. Zumindest kanneiner zum andern gehen, um staunendfestzustellen, was sie trennt. Was

sie verbindet? Die Bernauer Strae?Doch nur ein Symbol mit doppeltemBoden, der vereint, trennt, vor allem

aber verunsichert, mehr oder weniger. Diemeisten drngen sich vor, sindan Fotos interessiert.

HolmFr Martha

In der Mitte der Friedhof. Ringsumversammelt die Huser mit Blickauf das, was kommt, egal, ob

auf See oder an Land. Wer demVerlust nahe sein mchte, fr den istjeder weitere Schritt berdrssig. Die

Nachfragen knnen den Blick nichtertragen, ziehen weit weg, wo dieletzte Ruhesttte fern auerhalb liegt. So

viel Demut und Mahnung ist ihnentagaus, tagein zu viel.

Gras 5Fr Harry Oberlnder

Geh nicht hin, wo das Gras wchst, hoch,krftig, ungemht, leg dich nicht hinein, duverschwindest darin, die fette Erde zieht dich an,

sie hlt dich fest. Die Sonne steht hoch, du sprsteine Mdigkeit, die wchst wie das Gras, du stehst nichtmehr auf, das Licht zwitschert, vielleicht meint es dich,

Stimmen tragen dich weit weg, deine Wortegehen mit, du wachst nie mehr auf.

Drre

Die Schwester machte sich davon, aufeine Weltreise, die damals schon die nchsteEcke bedeutete, wo es nach Kandlzucker in Herrn

Wondratscheks Laden duftete, nach Gardinen,Mandeln, Lacken, len. Die Vgelsprachen mit Herrn Wondratschek, oder

war es umgekehrt? Was fr Zeiten... Geduldig,neugierig harrte ich, da die Sprache zurckkehrt,wenn die Kastanie blht und die Wrter die

Maikfer wecken, die Gromutter hintermHolzstapel pinkelt und es nach Regenklingt, der lngst fllig ist und das Wasser

gleichmig an alle verteilt.

Nichts besonderesFr Gerhard Csejka

Whrend wir whlen gehen,bereiten andere den Fisch zu,

den wir gestern fingen.Die Temperatur zieht krftig an.

Gegen Abend fallen die Stadtbahnen aus.Kehren wir aus dem Urlaub zurck,

gehen wir in den Wald Tannen schlagen.Zwei Jungstrche ziehen es vor,

in der Ortschaft mit hundert drei Seelen zu bleiben,berzeugt, das Ried breitet sich weiter aus

und die Chance kommt.Ein Koffer lst Bombenalarm aus.

Immer wiederwerden wir festgenommen, vorbergehend blo,

und dasein Leben lang.

Se Kirschen

Gromutter glaubte,die Geschichte liee sich aufhalten,wenn alle, wie sie,Haustor und Tren vor ihr verschlssen.Ein Leben langfhlte sie sichallein gelassen.Wusch sie die Wsche,wusch sie nicht wirklich die Wsche,sondern reagierte sich ab.Beim Bgeln wurde sie sanft.Gern wre sie wie Grovater gewesen,wenn er, abends, ein Glas Weinmit ihr trank.Er verdiente das Geld.Einmal tanzte sie mit ihmbis Wien,er tanzte mit ihr zurck.Viel mehrwar nicht zu erfahren von ihr.Was jeder sieht,mu man nicht noch mal erzhlen,sagte sie und meintedamit ihr Leben.Weitab der Geschichte steht ihr Schattenals Kirschbaum,in dem wir die sesten Kirschen aen.

Unaufdringliche SpurenHubertus Giebe

Das Glck des Sptgeborenen, irgendwieist es zu erkennen in den Farben. Verschont,doch nicht ohne Anteilnahme an Schuttund Asche, in die er zuweilen den Pinseltaucht. In weitem Bogen holt er von der Sonnedas Rot, in dem Liebe und Einsamkeit engbeieinander liegen. Unaufdringliche Spureneiner leicht grozgigen Hand, welchedie Welt auch von hinten zeigt. Zugum Zug kommt uns etwas entgegen, daswir blo ahnen, aber brauchen zum Leben.

Im Stehen

Hat da irgend wer Tod gesagt? Nurlangsam, langsam. Als wir jung waren,

traf der Tod nur andere, wir drcktenuns in den hintersten Reihen herum.

Heute schlafen wir im Stehen an vordersterFront, lieben, sterben im Stehen, nicht frs

Vaterland, sondern fr einen guten Zweck.Die Muttersprache ist sowieso das

Nebenschlichste der Welt, da kann mirniemand was erzhlen. Aus Paris kommend,

mu ich stndig kotzen bis Metz. Weshalbwohl, Madame Deboiss, Herr Cuschnarenko?