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Friedrich-Schiller- Universität Jena SS 2010 Vorlesung Europarecht Prof. Dr. Christoph Ohler, LL.M.

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Friedrich-Schiller-Universität Jena SS 2010. Vorlesung Europarecht Prof. Dr. Christoph Ohler, LL.M. § 12 Dienstleistungsfreiheit. I. Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 ff. AEUV Sachlicher Anwendungsbereich, Art. 57 Abs. 1, 2 AEUV „Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden“ - PowerPoint PPT Presentation

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Page 1: Friedrich-Schiller-Universität Jena SS 2010

Friedrich-Schiller-Universität Jena

SS 2010Vorlesung

Europarecht

Prof. Dr. Christoph Ohler, LL.M.

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§ 12 Dienstleistungsfreiheit I. Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 ff. AEUV

Sachlicher Anwendungsbereich, Art. 57 Abs. 1, 2 AEUV „Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden“

Entgelt vom Leistungsbezieher (unmittelbar oder mittelbar) Erwerbszweck auf Seiten des Dienstleistungserbringers

Selbständige Erbringung durch den Dienstleistungserbringer Vorübergehender Charakter der Tätigkeit Tätigkeit darf nicht anderen Grundfreiheiten unterfallen

Subsidiarität der Dienstleistungsfreiheit In der Rspr. wirkt sich die S. nicht aus! Abgrenzung erfolgt nach sachlich-

materiellen Kriterien; Folge: Parallelität der Grundfreiheiten! Beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung von Tätigkeiten in Art. 57 Abs.

2 AEUV Sonderregelungen, Art. 58 Abs. 1, 2 AEUV

Verkehrsdienstleistungen: Vorrang der Art. 90 ff. AEUV Bank- und Versicherungsdienstleistungen (Finanzdienstleistungen): s.u. Bereichsausnahme für Ausübung öffentlicher Gewalt (Art. 62 i.V.m. Art. 52

AEUV) Eng zu verstehen, nur hoheitliche Tätigkeiten im Kernbereich der Staatlichkeit

(Polizei, Justiz, Ministerialverwaltung) Nur unmittelbare und spezifische Teilnahme daran, keine technischen

Vorleistungen

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§ 12 Dienstleistungsfreiheit I. Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 ff. AEUV

Abgrenzungen im sachlichen Anwendungsbereich Ware/Dienstleistung

Ware ist körperlicher Gegenstand, Dienstleistung ist nicht körperlich (z.B. Fernsehsendung)

Dienstleistung ist eine Tätigkeit, vgl. Art. 57 Abs. 2 AEUV Bei Verknüpfung beider Freiheiten kommt es darauf an, wo der

wirtschaftliche Schwerpunkt der Tätigkeit liegt (z. B ist die Versendung von Werbematerialien und Losen für Lotterieveranstaltung Dienstleistung, vgl. Rs. C-275/92, Schindler)

Arbeitnehmer/Dienstleistungserbringer Abgrenzung nach selbständiger/abhängiger Beschäftigung Dienstleistungsfreiheit schließt das Recht ein,

eigene Mitarbeiter (auch Drittstaatsangehörige) zum Zwecke der Erbringung einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat mitzunehmen bzw. zu entsenden

Arbeitnehmer erhalten hierdurch kein eigenes Zugangsrecht zum Arbeitsmarkt des Ziellandes, sondern profitieren nur mittelbar von einem abgeleiteten Recht ihres Arbeitgebers, der die unternehmerische Dienstleistung erbringt

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§ 12 Dienstleistungsfreiheit I. Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 ff. AEUV

Niederlassung/Dienstleistung Grundsatz: Dienstleistung vorübergehend/gelegentlich, Niederlassung

dauerhaft und durch feste Einrichtung Abgrenzung nach Dauer, Häufigkeit, Periodizität und Kontinuität der

Tätigkeit Vorhalten einer Infrastruktur führt noch nicht zwingend zur Anwendbarkeit

der Niederlassungsfreiheit Kapitalverkehr/Dienstleistung (Finanzdienstleistungen)

Harmonisierungs-/Abstimmungsgebot, vgl. Art. 58 Abs. 2 AEUV Kapitalverkehr: „einseitige Wertübertragung“ bzw. Übertragung von

werthaltigen Rechten Zahlungsverkehr: Gegenleistung in Geld für eine andere Leistung EuGH: Maßgeblich ist Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit

Bei Finanzdienstleistungen überwiegt typischerweise der Dienstleistungsaspekt (insbesondere Bank- und Versicherungsgeschäfte)

Kapitalverkehrsfreiheit wird dann nicht mehr geprüft bzw. ist unanwendbar Siehe EuGH, Rs. C-452/04, Fidium Finanz AG

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§ 12 Dienstleistungsfreiheit II. Arten der Dienstleistungserbringung gem. Art. 56 AEUV

Erforderlich ist stets ein grenzüberschreitendes Element, das in folgenden Fällen ohne weiteres bejaht werden kann:

Aktiver Dienstleistungsverkehr Dienstleistungserbringer begibt sich in einen anderen Mitgliedstaat, um dort

seine Dienste anzubieten und auszuüben Beispiel: Handwerkliche Leistungen

Passiver Dienstleistungsverkehr Dienstleistungsempfänger begibt sich in einen anderen Mitgliedstaat, um

dort Dienstleistungen zu erhalten (vorübergehender Aufenthalt) Beispiel: Tourismus

Korrespondenzdienstleistungen Nur die Dienstleistung überschreitet die Grenze, aber keine Personen Beispiel: Radio; Fernsehen; Leistungserbringung über das Internet;

Versendung von Plänen, Gutachten etc. Auslandsbedingte Dienstleistung

Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger begeben sich gemeinsam in einen anderen Mitgliedstaat, wo die Dienstleistung dann erbracht wird

Beispiel: Reiseführer

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§ 12 Dienstleistungsfreiheit III. Persönlicher Anwendungsbereich

Dienstleistungserbringer Angehörige der Mitgliedstaaten, Art. 57 Abs. 1 AEUV Zusätzlich: Erfordernis der Ansässigkeit Gesellschaften im Sinne von Art. 62 iVm Art. 54 Abs. 1 AEUV Beachte Ausnahme: kein Staatsangehörigkeitserfordernis für

Arbeitnehmer eines EG-Dienstleistungserbringers Folge: Dienstleistungserbringer darf Drittstaatsangehörige einsetzen,

sofern sie im Herkunftsstaat des DLerbringer eine Arbeitsgenehmigung haben

Empfangsmitgliedstaat darf keine eigenständige Arbeitserlaubnis für diesen Personenkreis verlangen

Aber: kein eigenes Recht dieser Personen aus Art. 56 AEUV! Dienstleistungsempfänger

Str., ob die DL-Empfänger die Staatsangehörigkeit eines MS vorweisen müssen

Erforderlich ist aber die Ansässigkeit in einem MS Grundsätzlich genügt es, wenn eine am Dienstleistungsaustausch

beteiligte Person die Staatsangehörigkeit eines MS besitzt

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§ 12 Dienstleistungsfreiheit IV. Diskriminierungen und Beschränkungen

Offene und versteckte Diskriminierungen, Art. 57 Abs. 3 AEUV Beispiele für versteckte Diskriminierungen:

Ansässigkeitserfordernis; Präsenzpflichten; Sprachenerfordernisse Beschränkungen, Art. 56 Abs. 1 AEUV

EuGH: Maßnahmen, „selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche der anderen Mitgliedstaaten gelten, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten eines Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern, zu erschweren oder unattraktiver zu machen“.

Beispiele: Verbote bestimmter Tätigkeiten Qualifikationserfordernisse der Dienstleistungserbringer Registrierungs- und Eintragungspflichten (Handwerksrolle) Rechtsformerfordernisse Mindestgesellschaftskapital Mindestzahl der Beschäftigten

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§ 12 Dienstleistungsfreiheit IV. Diskriminierungen und Beschränkungen

Bereichsausnahme für Vermarktungsmodalitäten (entsprechend Keck)? EuGH: keine Festlegung (Rs. C-384/93, Alpine Investments) Literatur: Überwiegend bejaht wegen Parallele zur Warenverkehrsfreiheit

und Bedürfnis nach Einschränkung des Beschränkungsverbots In Einzelfällen vom EuGH bejaht Vgl. Rs. C- 544/03, Rn. 31: „Dagegen erfasst Artikel 59 EG-Vertrag nicht

Maßnahmen, deren einzige Wirkung es ist, zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen, und die die Erbringung von Dienstleistungen zwischen Mitgliedstaaten in gleicher Weise wie deren Erbringung innerhalb eines einzigen Mitgliedstaats berühren.“ (hier: kommunale Abgaben auf Sendetürme, Sendemasten und Antennen für den Mobilfunk)

Rechtfertigung Einerseits gem. Art. 62 iVm Art. 52 AEUV für alle Formen der

Beeinträchtigung (str.): öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit Beachte: eng zu verstehende Ausnahmen, d.h. nur Schutz wesentlicher Interessen

des gesellschaftlichen Lebens Anderseits aufgrund zwingender Gründe des Allgemeininteresses für

mittelbare Diskriminierungen und Beschränkungen Jeder europarechtlich legitime, öffentliche Belang

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§ 12 Kapitalverkehrsfreiheit V. Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 ff. AEUV

Sachlicher Anwendungsbereich des Art. 63 Abs. 1 AEUV Kapital: alle werthaltigen (vermögenswerten) Rechte, die Gegenstand eines

rechtsgeschäftlichen Leistungsaustauschs sein können EuGH: Heranziehung der sog. Nomenklatur der Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG

(Anhang zur RL mit Aufzählung typischer Kapitalgeschäfte) Beispiele:

Schutzrechte des geistigen Eigentums Grundstücke und darauf bezogene dingliche Rechte Gesellschaftsanteile (Portfolioinvestitionen!) Wertpapiere Kreditgeschäfte Sonstige Ansprüche auf Leistung von Geld (soweit nicht Zahlungsverkehrsfreiheit): Schenkungen,

Stiftungen, Nachlässe (wiewohl kein zweiseitiger Leistungsaustausch vorliegt) Persönlicher Anwendungsbereich

Kein Erfordernis der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats Aber: Erfordernis der Ansässigkeit mindestens eines Geschäftspartners im Hoheitsgebiet

eines MS Abgrenzung zum Zahlungsverkehr, Art. 63 Abs. 2 AEUV

Betrifft ausschließlich den Transfer von Geld als Gegenleistung im Zusammenhang mit (irgend-)einem, vom EG-Vertrag geschützten Leistungsaustausch

Diskriminierungs- und Beschränkungsverbot (wie Dienstleistungsfreiheit)

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§ 12 Kapitalverkehrsfreiheit V. Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 ff. AEUV

Drittlandsgeschäfte Räumlicher Geltungsbereich erstreckt sich auch auf Geschäfte mit dritten

Ländern Einschränkbar durch Sekundärrecht/nationales Recht nach Art. 64 AEUV

Verhältnis zu Art. 49 und 56 AEUV Nachrang der Kapitalverkehrsfreiheit, soweit ein Geschäftsvorgang zugleich

entweder unter die Niederlassungsfreiheit oder die Dienstleistungsfreiheit fällt

Grund: Schwerpunkttheorie des EuGH Praktische Folge: diese beiden Grundfreiheiten schützen nicht den

Drittlandsverkehr; daher Unanwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit in diesen Fällen

Rechtfertigungstatbestand des Art. 65 AEUV Ergänzt um zwingende Gründe des Allgemeininteresses Insbesondere: abweichende Interpretation des Art. 65 Abs. 1 lit. a) AEUV

Verknüpfung mit anderen Politikbereichen Art. 66, 143, 144 AEUV: WWU Art. 75 AEUV: Terrorismusbekämpfung Art. 215: Finanzsanktionen aufgrund GASP