gefäßchirurgische therapiemöglichkeiten beim diabetischen fußsyndrom (dfs)

6

Click here to load reader

Upload: w-m

Post on 23-Aug-2016

224 views

Category:

Documents


3 download

TRANSCRIPT

Page 1: Gefäßchirurgische Therapiemöglichkeiten beim diabetischen Fußsyndrom (DFS)

| Der Internist 10·99

Übersicht

1036

T. Fährenkemper · W.M. Klonek · Gefäßchirurgische Klinik des St.-Marien-Hospitals, Lünen

Gefäßchirurgische Therapiemöglichkeiten beim diabetischen Fußsyndrom (DFS)

79% als unnötig (Abb. 1a und b). DieVorgaben der Deklaration von SanVincente [9] könnten also durchaus er-reicht oder sogar übertroffen werden,aber nur an wenigen Orten existierenderzeit praktikable Behandlungskon-zepte mit echten interdisziplinären Stra-tegien. Mit einer 50mal größeren Am-putationsrate bei Diabetikern gegen-über Stoffwechselgesunden wird dererschreckende Rückstand der Behand-lungsergebnisse beim diabetischen Fuß-syndrom im Vergleich zu den erhebli-chen Verbesserungen bei der Präventi-on und Behandlung der koronarenHerzerkrankung erkennbar.

Gefäßveränderungen beim Diabetiker

Gefäßläsionen beim Diabetiker unter-scheiden sich morphologisch nicht vonder Arteriosklerose des Stoffwechselge-sunden.

Das Vorhandensein einer echtenMikroangiopathie ist umstritten. Durchdie mikroskopisch nachweisbare Ver-dickung der kapillaren Basalmembranwird das Gefäßlumen nicht eingeengt.Anzahl und Blutfüllung der Nagelfalz-kapillaren sind normal und Ischämienim Kapillarbereich nicht nachweisbar[12, 13]. Nachgewiesen sind aber Stö-rungen der Kapillarperfusion, die durchrheologische Veränderungen bei Hy-perglykämie mit erhöhter Thromboge-

Nach mehr als 10jähriger schlechterStoffwechseleinstellung muß bei Dia-betikern mit dem Auftreten von Spät-komplikationen gerechnet werden. Ge-fürchtet ist das diabetische Fußsyn-drom, welches zunächst nur als „Läsionam Fuß eines Diabetikers“ definiert istund „zu einer Amputation führenkann“ [7].

Als wesentliche Ursache steht mitetwa 75% die diabetische Neuropathieim Vordergrund,entweder isoliert (50%)oder in Kombination mit einer Angio-pathie. Um rein angiopathische Läsio-nen handelt es sich nur in 25% der Fälle.Bei der rein neuropathischen Fußläsionist die Prognose insgesamt günstig. Dieneuroangiopathischen und rein angi-opathischen Formen sind wesentlichproblematischer.

Jährlich werden in Deutschlandbeim diabetischen Fußsyndrom etwa25000 bis 28000 Amputationen durch-geführt, 10000 davon unnötig. Hierzugehören sowohl in Unkenntnis einerAngiopathie durchgeführte und dannnicht abheilende, wiederum höhereAmputationen erfordernde Minoram-putationen (sog. „Salamitechnik“) wieauch Majoramputationen unter derVorstellung einer schweren destruie-renden Osteomyelitis bei tatsächlichaber vorliegender diabetischer Osteo-arthropathie.

Jung [19] zeigte 1996, daß 83% derPatienten, die hoch amputiert werdensollten, durch eine entsprechende anti-biotische und gefäßchirurgische Thera-pie hiervor bewahrt werden konnten.Bei den Minoramputationen erwiesensich unter gleichem Therapieregime

ÜbersichtInternist1999 · 40:1036–1041 © Springer-Verlag 1999

Zum Thema

Von den 25.000–28.000 Amputationen, die

in Deutschland jährlich beim diabetischen

Fußsyndrom durchgeführt werden, gelten

10.000 als unnötig. Auf diesem Gebiet be-

steht also hinsichtlich konservativer Maß-

nahmen und der erfolgreichen alternativen

Möglichkeit gefäßchirurgischer Revaskulari-

sation und somit Extremitätenerhaltung ein

ganz erhebliches Wissensdefizit. Gefäßchir-

urgische Maßnahmen im Bereich der cruralen

und pedalen Etage sind sehr mühsam und

erfordern viel Einsatz und große Erfahrung

des Operateurs. Die Erfolge sind allerdings

lohnend.

Diagnostisch sollte bei den notwendigen An-

giographien unbedingt auf lange Serien ge-

achtet werden, um anastomosierungsfähige,

kurze distale Arteriensegmente sicher zu

orten.Die weiteren diagnostischen Maßnah-

men, die technischen Aspekte der Gefäßre-

konstruktionen und vor allem die postopera-

tiven Ergebnisse cruraler und pedaler Revas-

kularisationen sind Gegenstand dieser Arbeit.

Zusätzlich wird – das sei besonders hervor-

gehoben – auch zu den Kosten dieser Maß-

nahmen Stellung genommen, was hierzu-

lande noch gewöhnungsbedürftig, aber si-

cher notwendig ist. Sieht man einmal davon

ab, was die Erhaltung des Fußes oder der

Beines für Betroffene bedeutet, sind auch

unter Kostengesichtspunkten Gefäßrekon-

struktionen im Vergleich zu Amputationen

beim Diabetiker durchaus gerechtfertigt.

Schlüsselwörter

Diabetes, Komplikationen · Podopathie,

diabetische · Diabetisches Fußsyndrom,

Therapie · Gefäßrekonstruktion, operative

Dr.T. FährenkemperGefäßchirurgische Klinik, St.-Marien-Hospital,

Altstadtstraße 23, D-44534 Lünen&/fn-block:&bdy:

Page 2: Gefäßchirurgische Therapiemöglichkeiten beim diabetischen Fußsyndrom (DFS)

Der Internist 10·99 | 1037

nese bzw. gesteigerter Koagulation be-dingt sind [8].

Die Arteriosklerose tritt beim Dia-betiker aber frühzeitiger und progre-dienter auf und weist mit bevorzugtemBefall der Unterschenkelarterien oftauch ein anderes Verteilungsmusterauf. So sind bei Fußläsionen vielfachnoch Kniekehlenpulse tastbar, da Aorta,Beckenarterien und auch die Ober-schenkelgefäße nur wenig verändertsind (Abb. 2a–d), auch wenn Stenosenund Verschlüsse dieser Etagen natürlichvorkommen und fallweise einer Kor-rektur bedürfen.

Revaskularisationen beim diabeti-schen Fußsyndrom betreffen damitvermehrt die crurale oder sogar pedaleEtage. Gefäßoperationen in diesen Re-gionen sind mühsam und erfordern so-wohl ein großes indikatorisches alsauch technisches Know-how. Diesbe-zügliche Fehler werden praktisch im-mer durch Frühverschlüsse „bestraft“,so daß sich diese Eingriffe einer deut-lich geringeren Beliebtheit als z.B. Ca-rotis – oder Aortenrekonstruktionenerfreuen. Die häufig emotionelle Ableh-nung weit distaler Revaskularisationenmit dem Argument technischer Inope-rabilität ist jedoch angesichts der her-vorragenden Ergebnisse der letzten 10Jahre nicht gerechtfertigt.

Gefäßchirurgische Diagnostikbeim DFS

Die gefäßchirurgische Diagnostik beimdiabetischen Fußsyndrom ist einfach.Zum Ausschluß einer gravierenden Per-

Diagnostik abrunden, die präzise An-giographie aber nicht ersetzen.

Bei Nachweis einer ursächlichenAngiopathie dürfen am verletzten Fußbis auf entlastende Maßnahmen (z.B.Abszeßdrainage) keine Minoramputa-tionen durchgeführt werden, da diesemangels ausreichender Durchblutungs-verhältnisse nicht abheilen und die Si-tuation nur verschlimmert wird. Erstnach Revaskularisation und Wieder-herstellung physiologischer Durchblu-tungsverhältnisse können kleine Am-putationen oder plastische Deckungenmit Erfolg durchgeführt werden.

Kontraindikationen zur Revaskularisation

Aufgrund heutiger moderner Anästhe-sietechniken und der hochleistungsfä-higen Intensivmedizin müssen nurnoch wenige Patienten von Gefäßre-konstruktionen ausgeschlossen werden,zumal große Extremitätenamputatio-nen eine wesentlich höhere Belastungmit einer perioperativen Letalität bis zu30% darstellen. Eine Revaskulariationist aber abzulehnen, wenn große Teileder Extremität nekrotisch sind bzw. dieExtremität als solche funktionslos ist,ferner bei einer lebensbedrohendenischämischen Toxikämie und schließ-lich bei völligem Fehlen anschlußfähi-ger distaler Gefäße [18].

Gefäßrekonstruktionen beim Diabetiker – technische Aspekte

Eine intakte aortoiliacale Einstrombahnist die Grundvoraussetzung für eine er-folgreiche infrainguinale Revaskularisa-tion, so daß dort lokalisierte, hämody-namisch wirksame Läsionen zwingend

fusionsstörung reicht bereits die Erhe-bung des Pulsstatus. Sind gut tastbareFußpulse vorhanden, kann eine diabe-tische Fußläsion kaum noch vasku-lär bedingt sein. Bei fehlenden Fußpul-sen hilft die Doppleruntersuchung wei-ter. Die Berechnung des Dopplerindex(=Knöchel-Arm-Index) zeigt mit hoherValidität periphere Durchblutungsstö-rungen an. Aufgrund mangelnder Kom-primierbarkeit der Gefäße infolge Me-diasklerose werden aber nicht selten Ver-schlußdrücke von mehr als 250 mmHgsystolisch gemessen. Ein pathologischniedriger oder hoher Index (kleiner als0,5 und größer als 1,3) ist damit aber fürdie weitere Diagnostik wegweisend.

Da es in der Regel um den Erhalteiner bedrohten Extremität geht, ist dieIndikation zur Angiographie dann weitzu stellen, wobei aufgrund der periphe-ren Lokalisation diabetischer Gefäßlä-sionen unbedingt eine lange Angiogra-phieserie anzufertigen ist, um auch diedistalen Unterschenkel- bzw. Fußgefäßebeurteilen zu können. Die sogenannteleere Angiographie beweist nicht denVerschluß aller Gefäße, sondern eherdie zu kurze Angiographieserie. DieserDiagnostik mit Darstellung auch kur-zer distaler Segmente an Unterschenkelund Fuß kommt eine kaum zu über-schätzende Bedeutung zu, um periphereAnschlußmöglichkeiten sicher orten zukönnen und Patienten nicht voreiligvon rekonstruktiven Maßnahmen aus-zuschließen.

Duplexsonographie, transkutaneMessungen des Sauerstoffpartialdruckesund der Hauttemperatur können die

Abb. 1a, b m Auch dieser Patient sollte hoch amputiert werden. Nach Abszeßdrainage konnte durchRevaskularisation, strukturierte Wundbehandlung und schließlich orthopädische Schuhversorgungdem Patienten aber eine voll belastbare Extremität erhalten werden

Page 3: Gefäßchirurgische Therapiemöglichkeiten beim diabetischen Fußsyndrom (DFS)

| Der Internist 10·99

Übersicht

1038

einer vorherigen Korrektur bedürfen.Nachfolgend sollen aber diese Rekon-struktionen, die zur gefäßchirurgischenRoutine gehören, zugunsten der peri-pheren, die beim Diabetiker weit häufi-ger sind, nicht besprochen werden.

Bei langen femoropoplitealen Ver-schlüssen können einzelne erhalteneUnterschenkelarterien mit guten Lang-

Die in-situ-Technik ist dabei offen-sichtlich dem reversed-Bypass nichtüberlegen [26]. Manche Operateure, dieAutoren eingeschlossen, bevorzugenaber den orthograden Venenbypass alsfreies Transplantat mit anschließenderKlappendestruktion [6], um einerseitsgrößere Freiheit bei der Bypassführungzu haben und andererseits nicht auf die

zeitergebnissen revaskularisiert unddamit die Voraussetzungen zum Extre-mitätenerhalt geschaffen werden.

Autologe Vena saphena als Bypass-material hat sich bei diesen Rekon-struktionen mit 5-Jahresoffenheitsra-ten von etwa 50% gegenüber nur 12%bei alloplastischem Gefäßersatz als weitvorteilhafter erwiesen.

Abb. 2a–f b Typische Gefäßsituation beim Diabetiker:nahezu unverändertes Gefäßsystem bis zur Kniekehlemit tastbaren Kniekehlenpulsen und Abbruch aller Unterschenkelarterien; nur die A. tibialis anterior fülltsich schemenhaft am distalen Unterschenkel und Fuß-rücken wieder auf. Die operative Versorgung (e und f) erfolgte durch einen anterio-anterioren kurzen Venen-bypass, volle Restitution der Extremität mit funktionie-rendem Bypass seit 30 Monaten

Page 4: Gefäßchirurgische Therapiemöglichkeiten beim diabetischen Fußsyndrom (DFS)

Der Internist 10·99 | 1039

physiologische Verjüngung der Veneund damit auf eine adäquate Lumen-kongruenz der zu anastomosierendenGefäße verzichten zu müssen. Signifi-kanten Einfluß auf die Bypassfunktionhaben aber die Qualität der Vene, vorallem der adäquate Durchmesser undsicherlich auch die Bypasslänge.

Ascer et. al. [4] wiesen mit 63 ver-sus 45 Prozent eine signifikant höhereOffenheitsrate kurzer Venenbypassesnach 36 Monaten gegenüber langen Ve-nenbypasses nach (Abb. 2e und f, sowie3a–c, Behandlungsergebnis 3d und e).Entsprechend waren bei Dokumentati-

pedalen Empfängerarterien offensicht-liche Vorteile ( Abb. 4). Andros [3] for-mulierte seine über zwanzigjährige Er-fahrung im Umgang mit der Verschluß-erkrankung bei Diabetikern und mehrals 600 paramalleolären und pedalenBypasses derart, daß möglichst kurzeBypasses zur paramalleolären Gefäßen( Abb. 5), der Arteria dorsalis pedis odersogar zu plantaren Gefäßen angelegtwerden sollten. Selbst im Falle eines By-passverschlusses sei dann kaum eineAmputation auf höheren Niveau zu be-fürchten als in den Fällen, in denen kei-ne Bypassoperation versucht wurde.Parallel hierzu sei zu beobachten, daßnach Abheilung der diabetischen Fuß-läsionen selbst ein Bypassverschlußnicht zwingend zu einer Amputationführe.

on eines hohen Abflußwiderstandes derEmpfängerstrombahn nach 6 Monaten6 von 7 langen Bypasses, aber nur 8 von18 kurzen Bypasses verschlossen. Auchdie Häufigkeit von Wundheilungsstö-rungen im Zusammenhang mit der Ve-nenentnahme war bei den kurzen By-passes signifikant geringer als bei denlangen (6 versus 17%).

Bei fehlenden oder nur geringenVeränderungen der Einstrombahn biszum Kniegelenk und tastbaren Knie-kehlenpulsen bieten kurzstreckige Ve-nenbypasses mit infragenualer Spen-derarterie und paramalleolären oder

Abb.3a–e m Postoperative Angiographie nach infragenualem, popliteopedalem Bypass bei konservativtherapierefraktärer Läsion am Großzehenballen. Der Bypass wurde transmembranös (Membrana interossea) geführt und mit der A. dorsalis pedis anastomosiert, d und e: Läsion 4 Wochen und 6 Monatenach Revaskularisation, unverändert gute Bypassfunktion seit 15 Monaten

Page 5: Gefäßchirurgische Therapiemöglichkeiten beim diabetischen Fußsyndrom (DFS)

| Der Internist 10·99

Übersicht

1040

Eine Besonderheit stellt schließlichdie Situation nicht mehr zur Rekon-struktion geeigneter Unterschenkelge-fäße in Kombination mit einem femo-ropoplitealem Verschluß, aber Erhalt ei-nes isolierten Popliteasegmentes mitAbgang zahlreicher kleiner Gefäße dar.Das isolierte Popliteasegment hat dieWertigkeit einer Unterschenkelarterieund kann mit gutem Erfolg revaskulari-siert werden.

Ergebnisse cruraler und pedaler Revaskularisationen

Die Beinerhaltungsrate aller Patienten,die aufgrund einer extremitätenbedro-henden pAVK eine infrainguinale Ge-fäßrekonstruktion bekamen, beträgtnach 5 Jahren etwa 66%. Die Beinerhal-tungsrate bei cruralen Gefäßrekonstruk-tionen aus gleicher Indikation betrugnach 5 Jahren immerhin noch 51% [31].

Woelfle et al. [33] beschrieben fürdistale Venenbypasses bei Diabetikernprimäre bzw. sekundäre Offenheitsra-ten von 84 bzw. 86% nach einem Jahrund 71 bzw. 76% nach 5 Jahren. DieBeinerhaltungsrate betrug in den ent-sprechenden Zeiträumen 81% bzw. 72%.

Schweiger et al. [27] veröffentlich-ten für popliteopedale Bypasses beimDiabetiker eine Beinerhaltungsrate von77% nach 5 Jahren bei einer Überle-bensrate von 75% nach 6 Jahren.

Für die eigene Klinik liegen nochkeine Langzeitergebnisse vor, nachdurchschnittlich 9 Monaten Nachbeob-achtungszeit (minimal 4, maximal 30Monate) betrug die primäre Offenheits-rate popliteodistaler Bypasses 80%, derExtremitätenerhalt lag bei 90% [Meta-analyse, noch unveröffentlicht].

Fast alle weiteren Autoren [1, 2, 4, 5,6, 10, 14, 16, 17, 20, 21, 22, 24, 25, 26, 28, 29,30, 32] kommen letztlich zu dem Ergeb-nis, daß crurale und auch pedale Gefäß-

Diese Zahlen beinhalten alle Arzt-,Krankenhaus- und Rehabilitationsko-sten einschließlich solcher für Nach-operationen. Anderseits belaufen sichdie mittleren Gesamtkosten für die Am-putation mit gescheiterter Rehabiltati-on und dauernder Pflegebedürftigkeitin Heimen oder Hilfsbedürftigkeit zuHause (26% bei unterschenkelampu-tierten Patienten!) auf $ 27000. DerBeinerhalt ist damit fraglos teuer, aberkeinesfalls die weniger attraktive Alter-native zur Amputation.“

Für Großbritannien kommen Pa-nayiotopoulos et al. [23] für erfolgrei-che femorocrurale und-pedale Bypas-ses auf Kosten in Höhe von 4320 Pfund,im Falle einer erfolglosen Bypassopera-tion mit nachfolgender Amputation auf17066, bei primärer Amputation auf12730 Pfund.

Die geringeren Kosten der Revas-kularisation im Vergleich zur primärenAmputation rechtfertigten daher denVersuch der Gefäßrekonstruktion.

Zusammenfassung

Die Gefäßchirurgie kann heute Rekon-struktionsverfahren auf Unterschenkel-und Fußniveau anbieten, die bei derBehandlung des diabetischen Fußsyn-dromes angiopathischer Genese eineSchlüsselposition innehaben. Mit denSchlagworten „kurzer Venenbypass, weitdistale Empfängerarterie und aggressiveIndikationsstellung zur Revaskularisa-tion“ sind die heutigen Strategien imwesentlichen umrissen. Nachdenklichstimmt, daß Technik und Ergebnis-se dieser Operationen schon mehr als10 Jahre bekannt sind, das Dogma dertechnischen Inoperabilität cruropeda-ler Verschlußprozesse aber noch langenicht überwunden ist. Mit einer inter-

rekonstruktionen gute Kurz- und Lang-zeitergebnisse sowohl bezüglich derOffenheitsrate wie auch des Beinerhal-tes haben. Andererseits sterben aberdurchschnittlich 52% aller Patienten,die wegen einer extremitätenbedrohen-den pAVK infrainguinal gefäßoperiertwerden, innerhalb eines Zeitintervallsvon 5 Jahren postoperativ [31].

Aufgrund der eingangs beklagtenhohen Amputationsrate beim Diabeti-ker ist hinsichtlich einer Amputations-wahrscheinlichkeit die Mitteilung vonEckstein et. al. [11] prägnanter, daß re-trospektiv über 11 Jahre durch pedaleGefäßrekonstruktionen nahezu zweiDrittel der Patienten bis zu Ihrem Todevor einem Extremitätenverlust bewahrtwerden konnten.

Kosten

Für bundesdeutsche Verhältnisse exi-stieren keine Kostenanalysen für extre-mitätenerhaltende Gefäßoperationen ge-genüber der primären Amputation.Gupta et al. [15] publizieren für US-amerikanische Verhältnisse: „Die Ko-sten eines aggressiven Vorgehens zumExtremitätenerhalt sind hoch, im Mit-tel $ 19.000 für femoropopliteale und$ 29.000 für femorocrurale Bypasses.

Abb. 5 c Kurzer, infrage-nualer popliteofibularer

Venenbypass bei Verschlußdes Truncus tibiofibularisund Erhalt der A. fibularis

als einziges fuß- und unter-schenkelversorgendes

Gefäß, Operationssitus

Abb. 4 b Distale Anastomo-se eines femorocruralenBypasses, Operationssitus

Page 6: Gefäßchirurgische Therapiemöglichkeiten beim diabetischen Fußsyndrom (DFS)

21. Lindholt JS, Bøvling S, Fasting H, Henneberg

EW (1994) Vascular surgery reduces thefrequency of lower limb major amputa-tions. Eur J Vasc Surg 8:31–35

22. LoGerfo FW, Gibbons GW, Pomposelli FB Jr,

Campbell DR, Miller A, Freeman DV, Quist WC

(1992) Trends in the care of the diabeticfoot. Expanded role of arterial reconstruc-tion. Arch Surg 127: 7617–7620

23. Panayiotopoulos YP,Tyrrell MR, Owen SE,

Reidy JF,Taylor PR (1997) Outcome and costanalysis after femorocrural and femorope-dal grafting for critical limb ischaemia.Br J Surg 84:207–212

24. Pedersen AE, Bornefeldt Olsen B, Krasnik M,

Ebskov LB, Leicht BP, Sager P, Helgstrand U,

Holstein P (1994) Halving the numer of leg amputations: the influence of infra-popliteal bypass. Eur J Vasc Surg 11: 745–751

25. Quinones-Baldrich WJ, Colburn MD, Ahn SS,

Gelabert HA, Moore WS (1993) Very distal bypass for salvage of the severely ischemicextremity. Am J Surg 166: 117–123

26. Sandmann W, Kniemeyer HW, Jaeschock R,

Grabitz, K (1990) Surgical treatment of peri-pheral arterial occlusive disease in diabe-tes mellitus; in situ saphenous vein bypassversus reverse bypass procedure – a retro-spective study. VASA 19: 47–53

27. Schweiger H, Lang W,Weinzierl G (1993)

Pedale Revaskularisation bei peripheremVerschlußtyp – ein sicheres Verfahrenzum Extremitätenerhalt. Vasa [Suppl]

42: 51–54

28. Tannenbaum GA, Pomposelli FB, Marcaccio EJ,

Gibbons GW,Campbell DR,Freeman DV,Miller A,

Logerfo FW (1992) Safety of vein bypassgrafting to the dorsal pedal artery in diabetic patients with foot infections.J Vasc Surg 15: 982–990

29. Veith FJ, Ascer E, Gupta SK,White-Flores S,

Sprayregen S, Scher LA, Samson RH (1985)

Tibiotibial vein bypass grafts:a new operation for limb salvage.J Vasc Surg 2: 552–560

30. Veith JF, Gupta SK,Wengerter KR, Goldsmith J,

Rivers SP, Bakal CW, Dietzek AM, Cynamon J,

Sprayregen S, Gliedman ML (1990) Changingarterisclerotic disease patterns and man-agement strategies in lower limb threaten-ing ischemia. Ann Surg 212:402–413

31. Veith FJ (ed) (1995) Vascular surgery:Principles and practice 2nd ed. Mc Graw-Hill

Inc., New York, pp 438

32. Wölfle KD, Bruijnen H,Weber H, Zinkl K (1987)

Distale Bypassoperationen bei periphererarterieller Verschlußkrankheit: Eine Alter-native zur primären Amputation?Angio 9: 345–351

33. Woelfle KD, Lange G, Mayer H, Bruijnen H,

Loeprecht H (1993) Distal vein graft recons-tructions for isolated tibioperoneal vesselocclusive disease in diabetics with criticalfoot ischemia – does it work? Eur J Vasc Surg

7:409–413

Der Internist 10·99 | 1041

disziplinären Behandlungsstrategie mitkonsequenter Umsetzung heute bewähr-ter gefäßchirurgischer Techniken kön-nen die Forderungen der Deklarationvon San Vincente nicht nur erreicht,sondern übertroffen werden.

Fazit für die Praxis

Kontraindikationen zu Gefäßrekonstruk-tionen stellen nekrotische und funktions-lose Extremitäten, das Fehlen anschluß-fähiger Gefäße und ischämische Toxikämiedar. Ansonsten können bei dem gegen-wärtig hohen Stand der Operations- undAnästhesietechniken sowie der Intensiv-therapie die meisten Patienten von Revas-kularisationsmaßnahmen profitieren, diegegenüber Amputationen auch geringereKomplikationen und postoperative Sterb-lichkeitsraten nach sich ziehen.

Bevorzugt werden im allgemeinenkurze orthograde Venenbypasses, die mitweit distal gelegenen Fuß- und Knöchel-arterien anastomosiert werden. Bei mehrals 2 Dritteln der Patienten mit periphererarterieller Verschlußkrankheit (pAVK) wardas operierte Bein nach 5 Jahren noch er-halten. Je nach Lage der Gefäßrekonstruk-tion variieren die Beinerhaltungsraten fürdiesen Zeitpunkt von 66–77%.Zu berücksichtigen ist natürlich, daß dieallgemeine Sterblichkeitsrate der an pAVKErkrankten im genannten 5-Jahreszeit-raum mit 52% sehr hoch ist.

Die positiven Ergebnisse rechtfertigenden frühzeitigen Einsatz von gefäßchirur-gischen Maßnahmen auch in der Peripherie.Im Endeffekt kann man davon ausgehen,daß 2 Drittel aller operierten Patienten biszu ihrem Tode von einem Extremitätenver-lust verschont bleiben. Die Zurückhaltunggegenüber gefäßchirurgischer Interventi-on bei cruropedalen Verschlußprozessenist heutzutage nicht mehr gerechtfertigt.

Literatur1. Allenberg JR, Eckstein HH (1995) Critical limb

ischemia – does the limb salvage rate justify the time-consuming reconstructionof pedal arteries? In: Horsch S, Claeys L (ed)

Critical limb ischemia: diagnosis and treatment

an interdisciplinary approach. Steinkopff-

Verlag, Darmstadt, S 161–173

2. Andros G, Harris RW, Salles Cunha SX, Dulawa

LB, Oblath RW (1989) Lateral plantar arterybypassgrafting: defining the limits of footrevascularization. J Vasc Surg 10: 511–518

3. Andros G (1995) Bypass grafts to the ankle and foot. A personal perspective.Surglin North Am 75: 715–729

4. Ascer E,Veith FJ, Gupta SK,White SA, Bakal CW,

Wengerter K, Sprayregen S (1988) Short vein grafts: a superior option for arterialreconstructions to poor or compromisedoutflow tracts? J Vasc Surg 7: 370–378

5. Ascer E,Veith FJ, Gupta SK (1988) Bypasses toplantar arteries and othor tibial branches:an extended approach to limb salvage.J Vasc Surg 8: 434–441

6. Boehmig HJ, Zeidler G, Schwierz T, Loy E ( 1995)

20 Jahre orthograder Venenbypass für die infrainguinale Arterienrekonstruktion.Chirurg 66: 120–126

7. Chantelau E, Spraul M, Schmidt M (1989)

Das Syndrom des diabetischen Fußes.Dtsch Med Wochenschr 114: 1034–1039

8. Chantelau E, Ibeling M (1992) Es gibt keineokkludierende Mikroangiopathie am diabetischen Fuß. VASA [Suppl] 35: 27–28

9. Diabetes care and research in Europe:

the Saint Vincent declaration (1990)

Diabet Med 7: 360

10. Doerrler J, Mix C, Maurer PC, Pickl U, Holzman T

(1986) Extended femoro-distal bypassesfor limb salvage: are they worthwile?Int Angiol 5: 131–136

11. Eckstein HH, Schumacher H, Maeder N, Post S,

Hupp T, Allenberg JR (1996) Pedal bypass for limb threatening ischaemia:an 11-year review. Br J Surg 83: 1554–1557

12. Flynn DM,Tooke JE (1992) Aetiology of diabetic foot ulceration: a role for the microcirculation? Diabet Med 8: 320–327

13. Gfesser M, Nusser J, Müller-Felber W,

Abendroth D, Land W, Landgraf R (1992)

Transkutane Sauerstoffdruckmessungund periphere autonome Neuropathie bei Diabetes. Diabetes Stoffw 1: 264–269

14. Glovicki P, Morris SM, Bower TC,Toomey BJ,

Naessens JM,Stanson AW (1991) Microvascularpedal bypass for salvage of the severly ischemic limb. Mayo Clin Proc 66: 243–253

15. Gupta SK,Veith FJ, Ascer E et al. (1988)

Cost factors in limb-threatening ischenmiadue to infrainguinal arteriosclerosis.Eur J Vasc Surg 2: 151–155

16. Harrington EB, Harrington ME, Schanzer H,

Jacobson JH, Haimov MH (1992) The dorsalispedis bypass – moderate success in diffi-cult situations. J Vasc Surg 15: 409–416

17. Harris HW, Rapp JH, Reilly LM, Orlando PA,

Krupski WC, Goldstone J (1989) Saphenousvein bypass to pedal arteries. Arch Surg

124: 1232

18. Harris P, Moody P (1990) Amputations.In: Dormandy A, Stock G (eds) Critical leg

ischemia. Springer, Berlin, Heidelberg, New York

19. Jung V (1996) Fußerhalt bei diabetischerGangrän. Zentralbl Chir 121: 387–392

20. Largiadér J (1985) Experience with 350 cruralarterial reconstructions: analysis and con-clusions. Thorac Cardiovasc Surg 33:146–156