gegenwart und zukunft der häuslichen und klinischen geburtshilfe

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Geller: Gegenwart und Zukunft der hituslichen und klinischen Geburtshflfe. 359 fiberragende internistische Erfahrung, als auch durch seine speziellen Klimaforschungen w~hrend seiner T~tigkeit in Kiel eine unerl~$liche und ~uBerst wichtige Erg~nzung und Abrundung des ganzen Frage- komplexes, woffir wir ihm herzlich dankbar sind. 45. Herr fieller-Breslau: Gegenwart und ZukunR der h~iuslichen und klinischen Geburtshilfe. In dem Bestreben, zu einer Beantwortung der Frage nach dem Aufgabenbereich der hiiuslichen und klinischen Geburtshilfe beizutragen, babe ich zusammen mit Herrn Presser und Frs Roesler eine statistisch Untersuchung fiber die mfitterliche und kindliche Geburtssterblichkeit an der Universit~ts-Frauenklinik und in der h~uslichen Geburtshilfe der ]etzten 10 Jahre in Breslau angestellt. Wenn man zu diesen Statistiken noch die frfiher yon Fahlbusch nach gleichen Gesichtspunkten auf- gestellte hinzufiigt, so glaube ich, da~ wir nunmehr in der Tat in der Lage sind, die Leistung der hs und klinischen Geburtshilfe in Deutschland mit grol3er Genauigkeit zu erfassen. Die Statistik, deren Einzelheiten die Tabellen aufzeigen, ergibt bei der klinischen Geburtshilfe eindeutig eine geringere kindliche Geburts- sterblichkeit, aber eine etwas h6here mfitterliche Sterblichkeit. zur richtigen Bewertung dieses zahlenm~Bigen Ergebnisses und Erkennung tier tatsi~chlichen Leistung der h~uslichen und klinischen Geburtshilfe ist abet zu berficksichtigen, 1. dab eine nicht feststellbare Zahl yon h~uslich entbundenen Mfittern nach der Entbindung in eine Klinik eingeliefert und dort gestorben ist, dal3 also tats~chlieh die mfitterliche Sterblichkeit bei h~uslicher Geburts- hilfe etwas grSBer ist, als errechnet werden konnte, 2. dal3 die Klinikgeburten einen grSl3eren Anteil schwerer Geburts- komplikationen (hochgradig verengte Becken, Eklampsie, anoperierte F~lle usw.) und deshalb auch mehr operative Entbindungen als die t/ausgeburten aufweisen, 3. dab die etwas grSBere miitterliche Sterblichkeit in der Klinik ausschlieBlich dureh die Kaiserschnittodesf~lle bedingt ist. Wenn man die Kaiserschnitte und anoperiert in die Klinik eingelieferten F~lle ab. zieht, so ergibt sich auch fiir die klinischen Entbindungen eine miitter- liehe Sterblichkeit yon nur knapp 0,2%. Tats~chlich werden also in der Klinik trotz der durchsehnittlich schwierigeren geburtshilflichen Aufgaben mehr Kinder am Leben erhalten als bei Hausentbindungen, dies gilt besonders fiir die Entwicklung aus Steil31age, die Wendungen, Nabelschnurvorfall und Placenta praevia, nnd die miitterliehe Sterblichkeit in der Klinik ist nur beim Kaiser- schnitt gr6Ber, bei den vaginalen Entbindungen nicht, sondern eher etwas

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Geller: Gegenwart und Zukunft der hituslichen und klinischen Geburtshflfe. 359

fiberragende internistische Erfahrung, als auch durch seine speziellen Klimaforschungen w~hrend seiner T~tigkeit in Kiel eine unerl~$liche und ~uBerst wichtige Erg~nzung und Abrundung des ganzen Frage- komplexes, woffir wir ihm herzlich dankbar sind.

45. Herr fieller-Breslau: Gegenwart und ZukunR der h~iuslichen und klinischen Geburtshilfe.

In dem Bestreben, zu einer Beantwortung der Frage nach dem Aufgabenbereich der hiiuslichen und klinischen Geburtshilfe beizutragen, babe ich zusammen mit Herrn Presser und Frs Roesler eine statistisch Untersuchung fiber die mfitterliche und kindliche Geburtssterblichkeit an der Universit~ts-Frauenklinik und in der h~uslichen Geburtshilfe der ]etzten 10 Jahre in Breslau angestellt. Wenn man zu diesen Statistiken noch die frfiher yon Fahlbusch nach gleichen Gesichtspunkten auf- gestellte hinzufiigt, so glaube ich, da~ wir nunmehr in der Tat in der Lage sind, die Leistung der hs und klinischen Geburtshilfe in Deutschland mit grol3er Genauigkeit zu erfassen.

Die Statistik, deren Einzelheiten die Tabellen aufzeigen, ergibt bei der klinischen Geburtshilfe eindeutig eine geringere kindliche Geburts- sterblichkeit, aber eine etwas h6here mfitterliche Sterblichkeit. zur richtigen Bewertung dieses zahlenm~Bigen Ergebnisses und Erkennung tier tatsi~chlichen Leistung der h~uslichen und klinischen Geburtshilfe is t abet zu berficksichtigen,

1. dab eine nicht feststellbare Zahl yon h~uslich entbundenen Mfittern nach der Entbindung in eine Klinik eingeliefert und dort gestorben ist, dal3 also tats~chlieh die mfitterliche Sterblichkeit bei h~uslicher Geburts- hilfe etwas grSBer ist, als errechnet werden konnte,

2. dal3 die Klinikgeburten einen grSl3eren Anteil schwerer Geburts- komplikationen (hochgradig verengte Becken, Eklampsie, anoperierte F~lle usw.) und deshalb auch mehr operative Entbindungen als die t /ausgeburten aufweisen,

3. dab die etwas grSBere miitterliche Sterblichkeit in der Klinik ausschlieBlich dureh die Kaiserschnittodesf~lle bedingt ist. Wenn man die Kaiserschnitte und anoperiert in die Klinik eingelieferten F~lle ab. zieht, so ergibt sich auch fiir die klinischen Entbindungen eine miitter- liehe Sterblichkeit yon nur knapp 0,2%.

Tats~chlich werden also in der Klinik trotz der durchsehnittlich schwierigeren geburtshilflichen Aufgaben mehr Kinder am Leben erhalten als bei Hausentbindungen, dies gilt besonders fiir die Entwicklung aus Steil31age, die Wendungen, Nabelschnurvorfall und Placenta praevia, nnd die miitterliehe Sterblichkeit in der Klinik ist nur beim Kaiser- schnitt gr6Ber, bei den vaginalen Entbindungen nicht, sondern eher etwas

360 Geller: Gegenwart und Zukunft der h~uslichen und klinischen Geburtshilfe.

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Holtermann: Grenzen der h~uslichen Geburtshilfe bei StSrungen. 361

kleiner. Bei Placenta praevia und Eklampsie, die nach dem Kaiser- schnitt die hSchste mfitterliche Sterblichkeit aufweisen, werden in der Klinik mehr Frauen am Leben erhalten als bei hs Geburtshilfe.

I)araus erw~chst die Pflicht zur Abgrenzung des Aufgabenbereichs der hs und klinischen Geburtshilfe. Die Erkenntnis yon der unzureichenden Leistungsfs der h~uslichen Geburtshilfe in be- stimmten pathologischen F~llen mul~ noch mehr als bisher in der geburts- hilflichen Lehre verankert werden, und der Arzt mul~ zur Trennung der h~uslichen und nur klinisch erlaubten Geburtsleitung verpflichtet werden. Um die Erfiillung dieser Forderung iiberall zu ermSglichen, ist eine Dezentralisierung der klinischen Geburtshilfe erforderlich. Es muir daffir gesorgt werden, daI] in der Provinz verstreut fachitrztlich geleitete geburts- hilfliche Abteflungen eingerichtet werden, die dem praktischen Arzt in seinem schweren und verantwortungsvollen geburtshilflichen Dienst Rfickhalt geben und es ihm ermSglichen, jederzeit die ibm anvertrauten Gebi~renden der lebenssichereren Hilfe einer Klinik zuzufiihren. Die Errichtung dieser Entbindungsanstaiten mug nach einer, den geburts- hflflichen Bedfirfnissen gerecht werdenden Planung erfolgen, eigen- m~chtige Neugrtindungen yon Entbindungsanstalten oder -abteilungen sollten sogar verhindert werden.

Es ist dabei nicht an eine Vermehrung der schon reichlich vorhandenen Krankenanstalten gedacht, sondern es wiirde geniigen, in den Provinz- krankenh~usern, in denen ja schon jetzt Geburten, oft unter Leitung des Chirurgen, erfolgen, die geburtshflfliche Station einem Gyn~kologen zu unterstellen.

Die Geburt sell in der eigenen Hi~uslichkeit erfolgen, wenn der Zustand der Gebs und die Lebens- und Wohnungsverh~ltnisse es erlauben. Aber die Sorge fiir eine allen Frauen in der Not zug~ngliche, gute klinische Geburtshilfe sind wir unserem Volke schuldig.

46. Herr Holtermann-K61n: Grenzen der hi~usliehen Geburtshilfe bei Stiirungen in der Naehgeburtsperiode.

Eine Begrenzung der Hausgeburtshilfe ist auch bei StSrungen in der Nachgeburtsperiode nStig. Es ist ein Irr tum, wenn man annimmt, dab alle St6rungen in der Nachgeburtsperiode in der hs Geburts- hilfe ebenso gut behoben werden kSnnen, wie in der klinischen Geburts- hilfe, wenn auch die Durchfiihrung fast aller dazu notwendigen Eingriffe in der Hausgeburtshilfe mSglich ist. Die Behandlung yon leichteren St6rungen in der Nachgeburtsperiode wird bei planms Vorgehen in der ttausgeburtshilfe keine Schwierigkeiten bereiten, bei schweren St6rungen in der Nachgeburtsperiode ist jedoch die klinische Geburts- hilfe der hs fiberlegen. Sie kann schneller, unabhs yon