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Suchtmittel. Gesundheitliche Auswirkungen für Mutter und Kind während der Schwangerschaft und Geburt
Arnsberg, 13. Juni 2016 Norbert Peters
Rausch & SuchtDie besondere Situation in der Schwangerschaft
Welche Substanzen werden missbräuchlich in der Schwangerschaft angewendet
Übersicht über die pränatalen und postnatalen Effekte der Substanzabhängigkeit auf den Fetus und den Säugling
Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um Mutter und Kind zu schützen?
Die Schwangerschaft -eine empfindliche Phase
Die Schwangerschaftsdauer beträgt 40 Wochen
1. Trimenon (1. - 3.- Monat)
2. Trimenon (4. - 6. Monat)
3. Trimenon (7. Monat - Geburt)
Blastogenese0. - 1. WocheTeilung der befruchteten Eizelle Morula-Stadium Blastula-StadiumNeurula-Stadium
Nidation2. WocheEinnistung des Keimes in die Gebärmutter
Embryogenese3. - 8. WocheBildung der Organe und Organanlagen
Fetogenese9. - 38. WocheWachstum und Differenzierung
Drogen im 1. Trimenon
Teratogenität - Organtoxizität
DefinitionGrundsätzliche Fähigkeit eines Agenz, eine kongenitale Fehlbildung auszulösen. Eine teratogene Fehlbildung kann immer erst nach der Nidation erfolgen und bezieht sich im engeren Sinne auf die Embryogenese
Entscheidend: Ist die Substanz Plazenta-gängig?
Wichtig: Dauer der Exposition und Dosis
Drogen nach dem 1. TrimenonDas Risiko für anatomische Defekte sinkt nach dem 1. Trimenon
statt anatomischer Defekte kommt es zu physiologischen Defekten
Welche Drogen werdenin der Schwangerschaft konsumiert?
Illegale Drogen Kokain, Heroin und andere Opioide Amphetamine Cannabis Benzodiazepine
Alkohol
Nikotin
one more thing….
Illegale Drogen
keine gesicherte Zahleneine britische Studie (80.000 Schwangere) ermittelte bei 0.8 % illegalen Drogenkonsum Bell et al 2013 J Add Diseases
häufig ungewollte Schwangerschaften
hohes Gefährdungspotential (Polytoxikomanie)
gesundheitliche Risiken und Schäden
Entwicklungs-/Verhaltensprobleme
Heroin (Diacetylmorphin)
Heroin überwindet Plazenta schnell underreicht den Fetus ca. 1 Stunde nach Anwendung
wird häufig kombiniert mit Tabak, Alkohol, Kokain, Amphetaminen, Cannabis, Benzodiazepinen
häufig begleitende Immunerkrankungen: Hepatitis B, C; HIV, Endokarditis
häufig Mangelernährung, reduzierter Allgemeinzustand
Heroin (Diacetylmorphin)
Partner oft ebenfalls abhängig keine familiäre Bindung/Hilfe
Probleme mit der Justiz
spätes Feststellen der Schwangerschaft Termine werden verpasst
Obdachlosigkeit
Stigma
extrem schlechtes Gewissen der Schwangeren
intensive Beratung und Betreuung erforderlich
Heroin - Folgen für das Baby
Wachstumsretardierung
erhöhtes Risiko für intrauterinen Fruchttod
Fehlbildungen durch Beimengungen (Strecksubstanzen wie z.B. Strychnin)
erhöhtes Risiko für Frühgeburtlichkeit
neonatales Entzugssyndrom
Entwicklungsstörungen, kognitive Defizite, Verhaltensstörungen
Cave: abruptes Absetzen
Heroin - Ersatz-Therapie
Methadon: µ-Opioid-Rezeptor-Agonist
60 - 120 mg/d:keine Fehlbildungen, verbesserte neonanale Entwicklung
höheres GeburtsgewichtAlto et al AJOG 2011
Dosis-Anpassung in Schwangerschaft erforderlich
Umstellung in Klinik (!)
später ambulante Versorgung
NW: Augenanomalien, Hörstörungen, geistige/motorische Entwicklungsverzögerung, Otitis mediaÜbergang in Muttermilch
Kokain
Re-Uptakehemmer anDopamin-, Noradrenalin- und Serotonin-Rezeptoren
Stimmungsaufhellung, Euphorie, gesteigerte Leistungsfähigkeit, Verschwinden von Hunger- und Müdigkeitsgefühlen
extrem hohes Anhängigkeitspotential
Schwangerschaft: Blutdruckerhöhung, Einschränkung der Plazentafunktion, vorzeitige Lösungvermehrte Fehl-/FrühgeburtenFehlbildungen Urogenitaltrakt, Hirncysten, HirnblutungenEintrag zu Kokain, drogerie-projekt.de
Konsumverzichtcave: Depressionen, Psychosen
Amphetamine
α-Methylphenethylamin und Derivateauch „Speed“, Pep“, „Ecstasy“, „XTC“, etc.
häufig Misch-Darreichung/Verschmutzung
hohe Teratogenität (15.5 %) !Spina bifidaHydrozephalusTransposition der großen GefäßeLippenspaltenPolydaktylien
sofortiges AbsetzenKonsumverzichtkeine Substitution
Cannabis
Hanf, Marihuana, Haschisch
Tetrahydrocannabinol (THC)relaxierend, sedierend, antiemetisch
180 Millionen Konsumenten weltweitbis zu 5 % der Schwangeren „kiffen“
zahlreiche Mythen zum Cannabis-Konsum in der Schwangerschaft
im Vorschulalter keine Unterschiede
im Schulalter: häufiger Schwierigkeiten beim Lösen visueller Aufgaben, mehr aggressive Verhaltensweisen, Aufmerksamkeitsstörungen Tortoriello et al 2014 EMBO J
Benzodiazepine
in der Medizin als sog. Tranquilizer häufig angewandt: Angst-lösend, muskel-relaxierend, sedierend, hypnotisch, schlaffördernd, krampflösend
Bindung an GABA-Rezeptoren im ZNS
hohes Abhängigkeitspotential
Teratogenität fraglich(Lippen-/Gaumenspalten? intestinale Atresien? Mikrozephalie?)
2.-3. Trimenon: Neugeborene metabolisieren Benzodiazepine wesentlich langsamer als Erwachsene postpartale Atemdepression, Tremor„Floppy-Infant-Syndrome“ mit Lethargie, Muskelhypotonie
strenge Indikationsstellung, ggf. antidepressive Therapie, ggf. Psychotherapie
Alkoholhoher Alkoholkonsum: unterschiedliche Definitionen140 g Alkohol/Woche, 4-5 Getränke/Anlass/Woche, 140 ml Alkohol/Woche
riskanter Konsum: Frauen > 20 g Alkohol/TagMänner > 30 g Alkohol/Tag
1.-2. Trimenon: höheres Risiko
sozio-ökonomischer Statusniedrig: exzessives Trinken, schlechte Ernährunghöher: häufiger Alkohol
weiterer Drogenkonsum (Nikotin, illegale Drogen)
genetisches Risiko: Polymorphismus für Alkoholdehydrogenase-Enzyme ADH 1B
protektive genetische FaktorenADH1B2 und ADH 1B3
Alkohol
50 % der Frauen trinken vor der Schwangerschaft Alkohol;87 % dieser Kohorte verzichten auf Alkohol in der Schwangerschaft7 % reduzieren, 7 %: keine Änderung16 - 30 % der Frauen trinken in der Schwangerschaft (D)Walloch et al 2012 Fortsch Neurol Psych
Deutschland: jährlich 4.000 Kinder mit fetaler Alkoholspektrumstörung (FASD)600 - 1.200 Kinder mit Vollbild des Fetalen Alkoholsyndroms (FAS)knapp 30 % der Betroffenen leben eigenständig
biopsychosoziale Beeinträchtigungenbis schwerste irreversible Schäden
Alkohol
FASD - fetal alcohol spectrum disordersÜberbegriff für alle durch pränatalen Alkoholkonsum verursachten klinischen Bilder
FAS - fetal alcohol syndromeGesichtsfehlbildungen, prä- und postnatale Wachstumsretardierung, zentralnervöse Störungen (Mikrozephalie!), strukturelle Hirndefekte, neurophysiologische Auffälligkeiten
pFAS - partial fetal alcohol syndromeeinige, aber nicht alle Kriterien eines FASWalloch et al 2012 Fortsch Neurol Psych
Alkohol
unterschiedliche Meinungen, wieviel Alkohol in der Schwangerschaft getrunken werden darf
NICE: In the absence of a clear threshold it would appear that drinking no more than 1.5 units/day is not associated with harm to the baby but there remains a possibility of increased miscarriage rate although the evidence is limited
Deutschland: kein Alkohol !
bei Abhängigkeit: Entzug in Klinik, ggf. Benzodiazepine
medikamentöse Rückfall-Prävention nicht empfohlen
intensive Betreuung der Patientin erforderlich
Rauchen
bei Schwangerschaftsbeginn rauchen 1/3,bei Geburt 1/5 der Frauenstark abhängig von sozialer Schicht und Bildung
Passivrauchen:mindestens 50 % der Kinder sind Tabakrauch ausgesetzt
4.000 chemische Substanzen, davon mindestens 43 karzinogen
Nikotin überwindet Plazenta und es kommt zu einer Akkumulation von Nikotin - fetale Konzentration deutlich höher als Plasmakonzentration der Mutter
Sauerstoffversorgung des Kindes wird verringertCO-Konzentration in der fetalen Versorgung: + 15 %Chamberlain et al 2013 Cochrane Reviews
Einkommen und RaucherstatusBefragung in Berliner Frauenarztpraxen
%
0
25
50
75
100
<750 € 750-1500 € 1500-2500 € >2500 €
8,311,923,1 12,511,118,4
1312,5
16,723
2575
63,9
46,738,9
nicht rauchend nicht rauchend, aber passivgelegentlich rauchend täglich rauchend
Bergmann 2008 Z Geburth Neonatol
Folgen in der Schwangerschaft
Erhebliche Gesundheitsrisiken und Schäden für das Kind
in der Schwangerschaft:- frühzeitiges Ablösen der Plazenta - Fehlgeburten (20 - 80 % erhöhtes Risiko- Frühgeburten (16-fach erhöhtes Risiko- Geburtsdefekte (z.b. Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten)- Nahrstoff- und Sauerstoffmangel- niedrigeres Geburtsgewicht (200 - 300 Gramm)Keegan et al 2010 Journal of Addictive Disease
Folgen in der Schwangerschaft
Erhebliche Gesundheitsrisiken und Schäden für das Kind
nach der Geburt:- Risikoerhöhung für Bronchitis/Pneumonie- Entzugserscheinungen postpartal- Krebsrisiko steigt - häufiger chronische/akute Herzerkrankungen- Asthma-Risiko: + 30 % - häufiger Allergien- häufiger Fehlbildungen - häufiger Verhaltensauffälligkeiten Keegan et al 2010 Journal of Addictive Disease
Folgen in der Schwangerschaft
Erhebliche Gesundheitsrisiken und Schäden für das Kind
nach der Geburt:- reduzierte Sprachverarbeitung- geringere Aufmerksamkeit- Defekte in der Informationsverarbeitung- höhere ADHS-Raten
klare DosisabhängigkeIt Cornelius & Day 2009 Current Opinion in Neurology
Raucherentwöhnung
Psychosoziale Betreuung - Kenntnisse über die Effekte von Rauchen in der Schwangerschaft- Eigenmotivation und Vertrauen, dass das Verhalten geändert werden kann- schrittweise Veränderung des Verhaltens
monetäre Anreize zeigen die besten Effekte
Nikotin-Ersatzpräparate (Pflaster, Kaugummis) können hilfreich sein, wenn schon mehrere nicht erfolgreiche Versuche unternommen wurden
Buproprinon (Zyban®) oder Vareniclin (Champix®)sollten nicht verwendet werdenChamberlain et al 2013 Cochrane Reviews
Zusammenfassung
Tabak, Alkohol und illegaleDrogen haben negative Auswirkungen auf die Entwicklung des Fetus und des Kindes
Alkohol ist ein starkes Teratogen und mit einem hohen Risiko assoziiert, ein Baby mit fetalem Alkoholsyndrom (FAS) zu gebären
in der Schwangerschaft sollten möglichst keine Drogen konsumiert werden
bei Opiat-Abhängigkeit sollte auf Methadon (oder Buprenophin) umgestellt werden
One more thing…
1 Bic Mac 495 kcal, 1 gr. Pommes 470 kcal, 1 Mayo 145 kcal, 1 gr. Cola 415 kcal = 1.325 kcal
200 g Haribo Colorado 726 kcal (114 g Zucker)
175 g Haribo Forever Fun ohne Fett 584 kcal (133 g Zucker)
125 g Fruchtjoghurt Der Cremige 0,1 % Fett 107 kcal (19 g Zucker)
250 g Erdnuss Locken classic leicht 30 % weniger Fett 1.107 kcal (150 g Zucker)
0.33 l Mezzo-Mix 143 kcal (33 g Zucker)1 Twix Xtra 419 kcal (54 g Zucker) = 562 kcal
Adipositas und Schwangerschaft
29 % der 20- 29-jährigen Frauen sind übergewichtig (BMI > 25 kg/m2)8,7 % adipös (BMI > 30 kg/m2)
Risiko für Präeklampsie 1,8 auf 4,2 - 7 %
Risiko für Spätabort 4,3-fach erhöht
Risiko für Frühgeburt (< 32. SSW): + 60 %
Risiko für Gestations-Diabetes: 10-fach erhöht
Risiko für fetale Makrosomie: verdoppelt
Sectiorate
0
5
10
15
20
25
30
35
20062007
20082009
20102011
20122013
20142015
2016
23,924,6
25,2
27
24,724,1
25,3
27
30,1
28,2
25,9
3434,134,234,1
32,53231,5
30,830
qs-nrw Klinikum Arnsberg
Adipositas und Schwangerschaft
erster Beleg für fetale Programmierung in utero
Beobachtungsstudie von 3000 19-jährigen Männern, deren Mütter im holländischen Hungerwinter (1944/45) schwanger waren
massiv gesenktes Risiko, im späteren Leben adipös zu werden
Adipositas und Schwangerschaft
Kinder adipöser Schwangerer leiden im späteren Leben signifikant häufiger an:- Insulinresistenz, Diabetes mellitus Typ II - Fettstoffwechselstörungen- Thromboseneigung- arterieller Hypertonie- kardiovaskulären Erkrankungen (Schlaganfall, Herzinfarkt)- Karzinomerkrankungen- hormonellen Störungen- pulmonalen Erkrankungen- erhöhtes Unfallrisiko- erhöhte Komplikationsraten in Schwangerschaften
Ernährung in der Schwangerschaft
optimale Energiezufuhr
außerhalb der Schwangerschaft:24 kcal/kg KG/Tag x 0.9 x Aktivitätsfaktor60 kg, moderate Aktivität: 1.680 kcal täglich
Schwangerschaft:normalgewichtig: 30 kcal/kg KG/Tag übergewichtig: 24 kcal/kg KG/Tagadipös: 12 - 18 kcal/kg KG/Tag
Ernährung in der Schwangerschaft
präkonzeptioneller BMI (kg/m2)
Empfohlene Gewichtszunahmewährend der Schwangerschaft (kg)
Untergrenze Obergrenze
< 18,5 12,5 18
18,5 - 24,9 11,5 16
25,0 - 29,9 7,0 11,5
> 29,9 5,0 9,0
Institute of Medicine (IOM) 2009 nap.edu/catalog
Beratung deradipösen Schwangeren
moderate Kalorienrestriktion (1.200 - 1.800 kcal/d) mit Lebensmitteln geringer Energiedichte können bedenkenlos empfohlen werden
Fastendiäten unbedingt vermeiden!
Kohlenhydrataufnahme 45 - 65 %; komplexe KH bevorzugen
KH-reduzierte Kostformen („low-carb“) sind möglich; Mindestmenge 175 g KH/Tag
vor allem: Obst, Gemüse, Vollkornprodukte
Fettaufnahme 20 -35 %hochwertige Fette: Fisch, Nüsse, pflanzliche Fette
Eiweißversorgung ist mehr als ausreichend
Supplementierung: Folsäure, Jod, Eisen
Management nach der Entbindung beibehalten!
Beratung der Schwangeren
empfehlenswerte Sportarten: Wandern, Walking, Jogging, Nordic Walking, Skilanglauf, Gymnastik
Aktivitäten auf max. 1.400 - 2.000 m Höhe
Radfahren in der Ebene: Wirbelsäule wird entlastet
Schwimmen: hydrostatischer Druck des Wassers ist positivkein erhöhtes Risiko für InfektionenWassertemperatur: 20 - 33 °C
moderates, dynamisches Krafttraining
nicht zu empfehlen; Reiten, Klettern, Alpinski, Mountainbiking, Flaschengauchen, Marathonlauf, Triathlon, Bodybuilding, Kontaktsportarten, Bungee-Jumping
Vielen Dank für´s Zuhören