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Hans-Joachim Eckstein Glaube als Beziehung Von der menschlichen Wirklichkeit Gottes Reihe: Grundlagen des Glaubens 2

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Hans-Joachim Eckstein

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Hans-Joachim Eckstein

Glaubeals

Beziehung

Von der menschlichenWirklichkeit Gottes

Reihe: Grundlagen des Glaubens 2

VORWORT

Wir müssen nicht zuerst glauben, damit Gott anuns wirken kann, sondern wir können deshalb

glauben, weil Gott bereits an uns wirkt. Denn derGlaube ist nicht die Voraussetzung, die wir von unsaus erfüllen müssen, um Gottes Wirken zu erleben,sondern die Art und Weise, in der Gott uns seineWirklichkeit schon hier und jetzt erfahren lässt. Wenndas stimmt, dann ist auch unsere Beziehung zu Gottnicht nur so wirklich, wie es uns ständig bewusst ist;vielmehr wird uns nach und nach immer mehr be-wusst, wie wirklich Gottes Beziehung zu uns ist.

Die folgenden Einführungen in die »Grundlagendes Glaubens« wenden sich sowohl an diejenigen,die sich aus einer interessierten Distanz mit denWurzeln des Christentums beschäftigen wollen, wiean die, die das Fundament ihres eigenen Glaubensund persönlichen Erlebens gedanklich noch klarerzu entdecken suchen. Ob es um die »menschlicheWirklichkeit« Gottes oder um das Leiden an GottesVerborgenheit geht, ob es sich um die GegenwartChristi im eigenen Leben oder die »Geistesgegen-wart Gottes« in der zwischenmenschlichen Begeg-nung und Gemeinschaft handelt, jeweils kommt derGlaube selbst schon als lebensbejahende und be-freiende Beziehung in den Blick.

Wer weitere Grundlegungen des Glaubens und ele-mentare Zugänge zu zentralen theologischen Fragensucht, der wird in »Zur Wiederentdeckung der Hoff-nung« und in »Glaube, der erwachsen wird« fündigwerden. Wer sich anschauliche und persönlicheTexte zu einem von Hoffnung und Liebe bestimm-ten Glauben wünscht, der wird in der »Trilogie« zuden drei Wesensmerkmalen der christlichen Exis-tenz eine sinnvolle Ergänzung sehen. Sie alle – diesachlich-theologischen wie die lyrisch-meditativenBücher – laden auf je eigene Weise zur Entfaltungdes Glaubens als eines erfüllenden und gelingendenLebens in Beziehung ein.

Hans-Joachim Eckstein

CHRISTUS IN UNS

ZU EINER VORAUSSETZUNGSLOSEN, ABER FOLGENREICHEN BEZIEHUNG 2

IN »ICH«-ZENTRIERTEN ZEITEN

Unser Thema »Christus in uns – Zu einer vor-aussetzungslosen, aber folgenreichen Bezie-

hung« hat zugegebenermaßen etwas »Unzeitgemä-ßes«. Wir können kaum behaupten, dass es inunserer heutigen Gesellschaft noch bestimmend umFragen des Glaubens geht, geschweige denn umeine ernsthafte Auseinandersetzung über die Personund Bedeutung Jesu Christi. Ja, wir können nichteinmal guten Gewissens sagen, dass die Frage nachChristus oder gar die reformatorische Botschaft dessolus Christus und des sola fide – des »Christus al-lein« und des »allein durch Glauben« – auch nurinnerhalb unserer Kirchen und Gemeinden, unserertheologischen Fakultäten oder christlichen Publika-tionen das alles bewegende Thema wäre.

Aber auch abgesehen von der spezifisch christ-lichen Fragestellung nach »Gott« und »Christus«,signalisiert neuzeitlich bereits der Begriff der »Be-ziehung« eher ein Problemfeld als ein Lösungspo-tenzial. In Zeiten, in denen die traditionellen Vorstel-lungen von Beziehungen mit ihren Verlässlichkeiten

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und Verbindlichkeiten sich weitgehend auflösen unddie Interessen und Entfaltungen des Einzelnen Vor-rang vor der Berücksichtigung anderer oder gar»fremder« Anliegen haben, fällt es allen gesell-schaftlichen Gruppen, aber eben auch den Kirchenund Gemeinden zunehmend schwer, den Wert vonsozialer Verantwortung und »Du-Orientierung« ge-winnend darzustellen. Wo finden sich heute nochBilder für eine »voraussetzungslose Zuwendung«und wo Beispiele für im positiven Sinne »folgenrei-che« – d. h. lebensfördernde und zur Liebe befähi-gende – Gemeinschaftsformen?

Dabei werden das »Evangelium von Christus«und die »Liebe Gottes« in unseren Kirchen und Ge-meinden durchaus noch verkündigt. Vielleicht ent-steht für manche sogar der Eindruck, dass in Anbe-tracht der neuzeitlichen Situation eher zu viel»Evangelium« und »Zuspruch« und zu wenig »An-spruch« und »Gesetz« verkündigt werden, dass zuviel von Gottes Liebe und – im Hinblick auf die so-ziale und persönliche Unverbindlichkeit vieler – zuwenig von Gottes Gericht gesprochen wird. Hat dieverbreitete Rede von der »Gnade« wirklich nurDankbarkeit und Verbundenheit geweckt, oder wirdsie nicht häufig auch als »billige Gnade« missver-standen und missbraucht?

Da liegt es nahe, sich die alten Zeiten zurückzu-wünschen, in denen »Pflicht« und »Verantwortung«

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noch positiv besetzte Begriffe waren und die Rück-sicht auf die Gemeinschaft und das Allgemeinwohlnoch zu den anerkannten Werten gehörten. Wie vielleichter war es damals, ehrenamtliche Mitarbeiterzu gewinnen und für einen dauerhaften und selbstlo-sen Einsatz zu bewegen. Doch vergessen wir darüber leicht, dass die Proble-me des Glaubens und des Selbstverständnisses, dasslebensfördernde Beziehungen und zur Liebe undFreiheit befähigende Gemeinschaftsformen nichterst seit der Neuzeit und der Aufklärung, sondernbereits in der Reformation, ja, seit den Zeiten desNeuen Testaments immer wieder neu geklärt und inAuseinandersetzung mit dem menschlichen Vorver-ständnis erneut vom Evangelium her entfaltet wer-den mussten. Sind nicht viele neutestamentlicheBriefe gerade deswegen geschrieben worden, weilauch frühchristliche Gemeinden bereits mit denKonsequenzen der »voraussetzungslosen, aber fol-genreichen Beziehung« des Glaubens, mit der Kon-zentration auf das Kreuz und die AuferstehungChristi und folglich auch mit dem angemessenen»Selbst-Bewusstsein« grundlegende Probleme hat-ten?

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