hänze effektivität kooperatives lernen
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Effektivität kooperativen Lernens: Wer lernt wieviel – und was?
Prof. Dr. Martin HänzePädagogische PsychologieUniversität Kassel
Folie 2Hänze: Effektivität Kooperativen Lernens: Wer lernt wieviel – und was? Vortrag am 26. März 2010 | Münster
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Gliederung
1. • Was heißt Effektivität und wie überprüft man sie?
2. • Was wird gelernt?
3. • Wer lernt und warum?
4. • Identifikation von Risikogruppen
5. • Pädagogische Konsequenzen
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Was heißt Effektivität und wie überprüft man sie? Output-Orientierung in Bezug auf kognitive und affektive, fachliche und
überfachliche Lernziele Effektivität zeigt sich im Vergleich
aber womit? Das „Äpfel und Birnen“-Problem Sinnvoll ist der Vergleich von Versuchsbedingungen, die sich in wenigen und klar
definierbaren Aspekten voneinander unterscheiden Kontroverse Befunde: das „Hü-Hott“-Problem
Meta-Analysen: inhaltlich ähnliche Einzelstudien werden zusammengefasst und hinsichtlich relevanter Unterschiede kategorisiert Problem: Welche Studien finden Eingang?
Gute theoretische Ansätze sind wichtig, um nicht dem empiristischen Zusammentragen von Einzelbefunden zu verfallen
Generelles Problem: Komplexität der Lehr-Lernvorgänge im Unterricht
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Helmke: Angebots-Nutzungsmodell des Unterrichts
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Effektivität des kooperativen Lernens im Hinblick auf fachliches Lernen Metaanalyse über 70 Studien (Lou et al., 1996)
Gruppenunterricht wirksamer als Klassenunterricht Insbesondere in großen Klassen Insbesondere in Mathematik und Naturwissenschaften (also den
„Jungen“-Fächern)
Metaanalyse über 90 Studien (Rohrbeck et al., 2003) „moderate Überlegenheit“ peer-unterstützter Lernformen ggb.
nicht-kooperativen Lernformen förderlich: hohes Maß an Autonomie für die Schüler
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Effektivität im Hinblick auf überfachliche und affektive Lernziele
Metaanalyse von 36 Studien aus dem Grundschulbereich (Ginsburg-Block et al. 2006):Kleine bis mäßige Effekte auf Sozialverhalten,
Selbstkonzept und allgemeines LernverhaltenFörderlich: hohes Maß an
Eigenverantwortlichkeit für den LernprozessFörderlich: Strukturvorgaben
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Rahmenmodell zur Erforschung kooperativen Lernens
Überfachliche Voraussetzungen
•Soziale Kompetenzen•Gruppenwirksamkeits-erwartung
•Einstellungen und Überzeugungen
Überfachlicher Lernerfolg
•Soziale Kompetenzen•Gruppenwirksamkeits-erwartung
•Einstellungen und Überzeugungen
Fachbezogene Voraussetzungen
•Vorwissen•Interesse•Selbstkonzept
Kooperatives und Individuelles Lernen
Fachbezogener Lernerfolg
•Wissensreproduktion•Wissensreorganisation•Interesse•Selbstkonzept
Überzeugung, dass die Lerngruppe ihre
Ziele erfolgreich erreichen kann
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Wer lernt? Wer lernt nicht?
Mangelnde soziale Kompetenzen ein Risikofaktor für den Lernerfolg?
Mangelndes Vorwissen und Interesse ein Risikofaktor für kooperatives Lernen? (Schereneffekt?)
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V E R S I T Ä TWas sind soziale Kompetenzen?
Durchsetzung persönlicher
ZieleAnpassung an Anforderungen aus der Umwelt
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Facetten sozialer Kompetenz (Kanning, 2003)
Perzeptiv-kognitiver Bereich
• Selbstaufmerksamkeit• Personenwahrnehmung• Perspektivübernahme• Kontrollüberzeugung• Entscheidungsfreudigkeit• Wissen
Motivational-emotionaler Bereich
• Emotionale Stabilität• Prosozialität• Wertepluralismus
Behavioraler Bereich
• Extraversion• Durchsetzungsfähigkeit• Handlungsflexibilität• Kommunikation• Konfliktverhalten• Selbststeuerung
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Soziale Kompetenzen und fachlicher Lernerfolg Nur wenig empirische Ergebnisse zum
Zusammenhang soziale Kompetenzen und Lernerfolg
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Welche sozialen Kompetenzen fordern innovative kooperative Lernformen?
Studie in einem Hochschulseminar mit hohem kooperativen Anteilen (Gruppenpuzzle)
Teilnehmer ca. 70 Studentinnen und Studenten Ziel: Vorhersage der Lernleistung
aus sozialen Kompetenzen (erhoben per Verhaltensbeobachtung und Fragebogen)
unter Kontrollen von Vorwissen und verbaler Intelligenz
Jurkowski & Hänze, (in Druck): Psychologie in Erziehung und Unterricht
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Kooperationsfähig-keit (Verhaltens-beobachtung) Aufgreifen und
Unterstützen fremder Beiträge
Einbeziehen anderer Teilnehmer
Anstreben einer gemeinsamen Lösung
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Folgende Soziale Kompetenzen beeinflussen den Lernerfolg in praktisch bedeutsamer Größenordnung:
• Verhaltensbeobachtung
Kooperationsfähigkeit
• Beispiel: „Die Bitte einer Freundin abgeschlagen können“
Skala Durchsetzung persönlicher Rechte
• Beispiel: „Ich gehe mit anderen rücksichtsvoll um“
Skala Soziabilität
Jurkowski & Hänze, (in Druck): Psychologie in Erziehung und Unterricht
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Transaktives Interaktionsverhalten
• Fragen mit dem Ziel, von anderen Gruppenmitgliedern aufgabenbezogene Informationen zu erhalten
fragen
• Den Beitrag des Lernpartners kritisieren
widersprechen
• Den Wortbeitrag des Lernpartners aufnehmen und weiter entwickeln
integrieren
Lit: Weinberger & Fischer (2006) inComputer & Education
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Transaktive Interaktion
LernerfolgKooperations-
fähigkeit
Jurkowski & Hänze (2010)
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Positiver Kreislauf
steigern den Lernerfolg
erhöhen die Gruppen-
wirksamkeits-erwartung
verbessern
Gute soziale Kompetenzen
verbessern das
Interaktions-verhalten
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Negativer Kreislauf
schlechterLernerfolg
niedrigeGruppen-
wirksamkeits-erwartung
behindern
geringe soziale
Kompetenzen
ungünstiges Interaktions-
verhalten
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FRAGE 2
Mangelndes Vorwissen und Interesse ein Risikofaktor für kooperatives Lernen?
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Experimentelle Studien zum Gruppenpuzzle im Physikunterricht DFG-Projekt in Zusammenarbeit mit Prof.
Roland Berger, Physikdidaktik, Uni Osnabrück Mittlerweile 7 Studien mit unterschiedlicher
Zielsetzung Stichprobe: 12. Klasse Physik Grund- und
Leistungskurse Je Studie jeweils zwischen 140 und 300 Schülerinnen
und Schüler
Hänze & Berger (2007)publiziert in „Learning and Instruction“
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2132 2924N =
Leistung
Vorwissen
hochniedrig
Mitt
elw
ert +
- 1 S
D 100,0
80,0
60,0
40,0
20,0
0,0
Unterrichtsform
kooperativ
frontal
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Rolle des fachbezogenen Selbstkonzeptes?Definition Selbstkonzept: Gedächtnisstruktur, die alle selbstbezogenen Informationen einer Person enthält, persönliche Vorlieben, Einstellungen, Überzeugungen
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2820 3026N =
Kompetenzerleben
Selbstkonzept
positivnegativ
Mitt
elw
ert +
- 1 S
D 5,5
5,0
4,5
4,0
3,5
3,0
2,5
2,0
Unterrichtsform
kooperativ
frontal
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Zwischenfazit
Kooperative Lernformen scheinen also besser als frontale Unterrichtsformen geeignet, insbesondere fach-fernen, desinteressierten Schülern und Schülerinnen Lernerfolge zu vermitteln
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Soziale Kompetenz
hochniedrighoch
niedrig
Fachliches Selbstkonzept
hochhoch
niedrigniedrig
Lernerfolg +Kompetenzerleben
+++-
Gruppenwirksam-keitserwartung
++/-+--
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Fazit Eine sozial kompetente Gruppe von Schülerinnen und Schülern
macht mit dem kooperativen Lernen positive Erfahrungen, lernt fachlich viel und baut eine positive Gruppenwirksamkeitserwartung auf.
Weniger sozial kompetente Schüler können dieses Defizit bei guten fachlichen Voraussetzungen kompensieren.
Eine Risikogruppe sozial wenig kompetenter Schüler kann beim kooperativen Lernen insbesondere in interessefernen Fächern keine positiven Lernerfahrungen machen. Es kann sich weder emotionaler Bezug zum Inhalt noch ein Gefühl der Gruppenwirksamkeit aufbauen
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Pädagogische Konsequenzen
Kooperatives Lernen statt Gruppenlernen? Einüben und Trainieren sozialer
Kompetenzen? Kooperationsskripte zur Verbesserung der
Transaktivität? Homogene statt heterogener
Gruppenzusammensetzung? …
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Kooperationsskript zur Verbesserung des transaktiven Wissensaustauschs
• Beitrag des eigenen Themas für die Problemlösung überlegen und notieren
Individuell
• Gegenseitige Vorstellung der Beiträge
Kooperativ
• In welchem Zusammenhang steht der eigene Beitrag mit dem der anderen? Welche Gemeinsamkeiten gibt es?
• Welche Unterschiede gibt es?• Wo gibt es Berührungspunkte?
Individuell
• Gegenseitige Vorstellung der Ideen• Gemeinsame Diskussion der Problemstellung• Zusammenfassung der Diskussion in 2-3 Sätzen
Kooperativ
Jurkowski & Hänze (2010)
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Differentieller Effekt des Kooperationsskriptes
0,00
0,50
1,00
1,50
2,00
2,50
3,00
3,50
ohne Kooperationsskript mit Kooperationsskript
höhere sozialeKompetenzgeringere sozialeKompetenz
Lern
leis
tung
Jurkowski & Hänze (2010)
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Pädagogische Konsequenzen
Kooperatives Lernen statt Gruppenlernen? Einüben und Trainieren sozialer
Kompetenzen? Kooperationsskripte zur Verbesserung der
Transaktivität? Homogene statt heterogener
Gruppenzusammensetzung? …
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… aber das wäre ein weiterer Vortrag
Vielen Dank für Ihre [email protected]
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Literatur Hänze, M. (2008). Was bringen kooperative Lernformen? Ergebnisse aus der empirischen Lehr-Lern-Forschung.
Friedrich Jahresheft, 26, 24-25. Hänze, M. & Berger, R. (2007). Cooperative learning, motivational effects and student characteristics: An
experimental study comparing cooperative learning and direct instruction in 12th grade physics classes. Learning and Instruction, 17, 29-41.
Ginsburg-Block et al. (2006). A meta- analytic review of social, self-concept, and behavioral outcomes of peer-assisted learning. Journal of Educational Psychology, 98, 732-749.
Jurkowski, S. & Hänze, M. (2008). Lernziel: Miteinander klarkommen. Kooperativer Gruppenunterricht fördert und fordert soziale Kompetenzen. Friedrich Jahresheft, 26, 21-23.
Jurkowski, S. & Hänze, M. (2010). Soziale Kompetenzen, transaktives Interaktionsverhalten und Lernerfolg –experimenteller Vergleich zweier unterschiedlich gestalteter Gruppenunterrichtsbedingungen und Evaluation eines transaktivitätsbezogenen Kooperationsskriptes. Manuskript zur Veröffentlichung eingereicht.
Jurkowski, S. & Hänze, M. (in Druck). Soziale Kompetenzen und kooperative Gruppenarbeit. Eine korrelative Untersuchung des Zusammenhangs sozialer Kompetenzen mit dem Wissenserwerb in einem Hochschulseminar. Psychologie in Erziehung und Unterricht.
Kanning, U.P. (2003). Diagnostik sozialer Kompetenzen. Göttingen: Hogrefe. Lou, Y. et al. (1996). Within-class grouping: A meta-analysis. Review of Educational Research, 66, 423-458. Rohrbeck et al. (2003). Peer-assisted learning interventions with elementary school students: a meta-analytic
review. Journal of Educational Psychology, 95, 240-257. Weinberger, A. & Fischer, F. (2006). A framework to analyze argumentative knowledge construction in computer-
supported collaborative learning. Computer & Education, 46, 71-95.