hans-günter heimbrock (religiöse) erfahrung und … w. dilthey, fragments for a poetics...
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Vortrag SI
Hans-Günter Heimbrock
(Religiöse) Erfahrung und Theologie1
(Vortrag auf der Jahrestagung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der EKD
Berlin 23. – 25. 9. 2013)
1. Präludium: Religion als Lebenspraxis Ich starte mit einer kleinen Meditation, einer methodologischen Meditation, wenn Sie so
wollen. Wir reden unablässig, Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen sowieso. Theologen
und Theologinnen sind auf Theo-Logie gerichtet. Die Logoshaftigkeit oder sprachliche
Verfasstheit von christlicher Theologie scheint zentral, zumal für eine Kirche des Wortes
unaufgebbar. Kirche wird oft als Kommunikationsgemeinschaft bezeichnet. Ist mit religiöser
Kommunikation schon alles über Religion gesagt? Zielt der, der Religion thematisiert, immer
schon und immer nur auf Kommunikation über sie? Redet Religion nur, oder schweigt sie
auch? Für manche gilt Schweigen als Abbruch des Dialogs, als Ende der Kommunikation.
Bleiben wir doch einen Moment beim Schweigen. Alle Hochreligionen kennen kultisches
Schweigen. Das Phänomen charakterisierte der niederländische Religionswissenschaftler G.
van der Leeuw in seinem klassischen Lehrbuch schon vor drei Generation treffend so: „Dieses
kultische Schweigen ist nicht ein Fehlen des Lautwerdens, es hat nicht negativen, sondern
positiven Wert. Genau wie in der Musik die Pausen manchmal den stärksten Eindruck und
den reichsten Ausdruck vermitteln…, wirkt das Schweigen im Kult nicht nur als Ausdruck
der größten Ergriffenheit, sondern auch als Vermittlung der tiefsten Offenbarung. „Das
Schweigen im Kult bedeutet nicht die leeren Momente der Frömmigkeit, sondern die
erfüllten".2 Deshalb kann Schweigen im Kult als symbolischer Verweis der Un-Sagbarkeit
Gottes gelesen werden, wie diese vor allem in mystischen Traditionen verschiedenster
Religion anzutreffen ist.
Wir reden unablässig, reden über Sachen. Was aber erfahre ich im Schweigen? Schweigen ist
ein Element im Repertoire des menschlichen Verhaltens, neben anderen und nach anderen.
Mancher schweigt, der mit erhöhter Aufmerksamkeit die Dinge der Umgebung verfolgt, alle
Außenweltreize abhängt. Wer zuhört, schweigt, aber nicht jeder der schweigt, hört auf
Anderes, Externes. Wir erfahren das Phänomen als höchst ambivalent: als gespenstische oder
beklemmende Stille, die sich plötzlich im Raum ausbreitet, mitunter aber auch als wohltuende
Stille, in der ich mich geborgen fühle, zuweilen gerade in schweigender Gegenwart anderer
Menschen, z.B. in schweigendem Einklang mit unserem Liebespartner.
Wir reden unablässig. Aber dabei muss nicht alles gesagt werden. Es gibt auch
stillschweigende Geltung des nicht Gesagten, und das nicht nur vor Gericht. In Schweigen
hüllen wir nicht nur Heiliges oder Tabuisiertes. Im Schweigen bleibt vor allem auch das
Ungesagte im Sinne des unausgesprochen Geltenden, die elementaren Voraussetzungen
dessen, was schon jede alltägliche Situation prägt. Schweigen markiert also eine Grenze und
Vorgabe der Sprache und des Sagbaren, mit dem Anthropologen Chr. Wulf gesagt: „Das
Schweigen ist Grund und Abgrund der Sprache.“3 So viel zum Schweigen.
1 © Hans-Günter Heimbrock 2 G. van der Leeuw, Phänomenologie der Religion, Tübingen 1933 , 492. Der letzte Satz ist ein Zitat aus H.P.
Amiel, Fragmente d’un journal intime, 1883, II, 159. 3 Chr. Wulf, Schweigen, in: ders., (Hg.), Vom Menschen. Handbuch Historische Anthropologie, Weinheim
1997, 1123.
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Über das Schweigen hinaus sind es auch andere Phänomene des menschlichen Verhaltens, die
für eine erweiterte Perspektive auf Religion von Belang sind. Erheblich sind in spätmodernen
Kulturen veränderte Lebensformen, neue Arten der Generierung von Weltbildern in medialen
Welten, veränderte Qualitäten der Lebensgefühle. Erheblich sind also nicht nur Phänomene
und Formen von Kommunikation in der Religion, sondern auch Phänomene der Lebenspraxis,
die auf der angestammten Landkarte der als Kommunikation vermessenen Religion noch
nicht recht verortet sind: ein durch Ritualisierungen und Festkulturen strukturiertes urbanes
Alltagserleben (zwischen Krach und ekstatischem Fest), suchtartige Lektüreerfahrungen von
Harry-Potter-Gemeinden und epidemische Versenkungen in literarische Phantasy-Welten, die
Faszination von Menschen durch bestimmte Klangwelten gerade inmitten säkularisierter
Milieus, die Suche nach intensiviertem Körpererleben bis hin zu Heilserlebnissen in Fitness-
Studios und auf Bergwanderungen, genauso aber katastrophische Kollektiverfahrungen wie
der 11. September und das Blutbad 2011 in Norwegen samt der öffentlichen
Inanspruchnahme religiöser Symbolhandlungen zu deren Bewältigung, das ‚Flow-Erleben‘
beim Stadtmarathon, Träume, Wahnvorstellungen und Eingebungen, die Versunkenheit
Jugendlicher in LAN-Partys und Computernächten, die spezielle Art, in der Menschen an
materialen Objekten des alltäglichen Lebens hängen, die Verstrickung in virtuellen Welten
beim Gebrauch des Computers und der computergesteuerten Spielzeugtechnik u. Alle diese
und weitere alltagsgebundene Phänomene gehören zur gegenwärtigen Lebenspraxis von
Menschen, in all ihrer schillernden und chaotischen Vielschichtigkeit und Undurchsichtigkeit.
Eine empirisch offene Betrachtung religiöser Praxis, die den genannten Phänomenen gerecht
werden will, muss sich auf das Ganze der Lebenspraxis richten. Denn das Leben, auf das sich
Religion bezieht, besteht nicht nur aus seinen mehr oder weniger elaborierten Sinn-
Deutungen, und schon gar nicht nur aus verbal-kommunikativen Akten. Menschen verleihen
dem Lebensgefühl von Beheimatung oder von Entfremdung Ausdruck, mit Worten, aber auch
auf andere Weise, durch leiblich-körperliche Gesten, durch spezifische Gestaltung ihrer
persönlichen Wohnumgebung, im schweigenden Staunen oder in der Faszination vor
Naturphänomenen.
Eine dem entsprechende theoretische Erschließung muss deshalb auch die sie fundierenden
Erlebnisse und vorsprachlichen Artikulationsweisen mit aufzuspüren versuchen. Praxis von
Religion als Lebenspraxis gilt ja nicht allein als Austausch der Informationen über
Metaphysisches.
Wir reden unablässig. Theologie kann nur im Modus des Redens verfahren. Und sie ist selbst
nicht Religion, sondern geht ihr reflexiv nach. Gibt es eine Theologie, die solche Phänomene,
solches Verhalten und die damit verbundenen Erfahrungen von Menschen aufnehmen kann?
Und welche Art der theoretisch-theologischen Annäherung an Erfahrung verhilft dazu, die bei
menschlichen Erfahrungen beteiligten lebensweltlichen Prozesse in den Blick zu bekommen?
Praxis von Religion als Lebenspraxis wird hier nicht im materialen Sinne als religiöse
Sonderwelt im Rahmen des Lebens insgesamt benutzt. Eine materiale Definition von Religion
identifiziert Religion durch die Bestimmung von Gegenständen in der Wirklichkeit, die als
religiös eingeordnet werden, sei es eine Erzähltradition aus der Bibel, ein Sakralraum oder ein
Gegenstand, der in kirchlicher Religionspraxis verwendet wird. Dabei kommt aber das
Moment von Lebenspraxis im Sinne der vorgängigen und vorvertrauten lebensweltlichen
Erfahrung zu kurz. Um diese Qualität der Lebenspraxis, in die jeweils alle Glaubenspraxis
immer schon eingebettet ist, angemessen zu benennen, nehme ich den Begriff der „gelebten
3
Religion“ in Anspruch.4 Praktische Theologie wird damit Theorie Gelebter Religion in einem
ganz bestimmten Sinne. In ihr spielt ein spezieller Begriff der Erfahrung eine fundierende Rolle.
2 Gelebte Erfahrung als Grundkategorie einer Theorie gelebter Religion
Der Aufgabe der theoretischen Erschließung des Vollzugs von Erfahrung wende ich mich im
nächsten Schritt zu. Insgesamt geht es mir dabei um eine Strukturbeschreibung von Erfahrung
als Basis empirisch-theologischer Forschung, nicht primär um materiale inhaltliche Analysen,
wenn auch gelten muss, dass die formale Beschreibung von Erfahrung (und religiöser
Erfahrung) nicht entscheidende Elemente der Phänomene auf kategorialem Wege ausblenden
darf.5
Ebenso unerlässlich wie gehaltvoll scheint mir die theoretische Bemühung, einen
Erfahrungsbegriff zu rekonstruieren, der nicht vorschnell den Standards
naturwissenschaftlicher Erfahrungswissenschaft folgt, sondern der nach den Spezifika
menschlicher, sinnbezogener Erfahrungsprozesse fragt. Einen profilierten Vorschlag zur
begrifflichen Klärung der Struktur menschlicher Erfahrung hat im Rückgriff auf
lebensphilosophische und pragmatistische Traditionen M. Jung vorgelegt.6 Ich werde wichtige
Elemente seiner Konzeption umreißen, sie dann aus phänomenologischer Perspektive
weiterzuführen versuchen. Mir scheinen zumindest einige Argumentationslinien dieses primär
an geltungstheoretischer Debatte von Erfahrungsbegriffen orientierten Konzeptes auch zur
Klärung eines empirisch-theologisch brauchbaren Erfahrungsbegriffs erhellend. Und selbst
die Schwachstellen und Einseitigkeiten dieses Ansatzes indizieren in hilfreicher Weise
Probleme in Richtung auf ein lebensweltliches Erfahrungsverständnis. Die Leistungen dieses
Konzeptes liegen darin, dass zum einen genauer auf die spezifische Qualität menschlicher
Erfahrung zurückgefragt wird, zum anderen die Qualifizierung des Religiösen in einer
gehaltvolleren und theologisch anschlussfähigen Art und Weise vorgenommen werden kann.
Mit diesen Ansätzen ist davon auszugehen, den Startpunkt für die Klärung des
alltagstauglichen Erfahrungsbegriffs nicht in einem bereichs- oder inhaltspezifisch gedachten
Wirklichkeitssegment religiöser Erfahrung zu suchen, sondern nach der Eigenart von
Erfahrung generell zurückzufragen. Mit der lebensphilosophischen Rekonstruktion von
Erfahrung bei Dilthey und James lassen sich religiös geprägte Wirklichkeitszugänge als
„exemplarische Fälle dieses lebensweltlichen Typ von Erfahrung“ aufzeigen.7 Das
Spezifikum religiöser Erfahrung bestimmt sich aus der lebensphilosophischen Perspektive -
und in sachlicher Nähe zu Schleiermacher - zunächst nicht durch einen als Traditionsbestand
abgrenzbaren materialen Korpus von religiösen Objektivationen, sondern dadurch, dass
Menschen in bestimmten Erfahrungen der Bezug auf das Ganze der Wirklichkeit aufscheint.
Dass dieser Religionsbegriff dann auch theologisch im Blick auf wesentliche Momente
dogmatischer Lehrbildung rekonstruiert werden kann, dass also ein doppelter Religionsbegriff
notwendig ist, möchte ich zustimmend vermerken.
4 Dieser Ansatz wurde zuerst entfaltet in: E. Failing/H.-G. Heimbrock, Gelebte Religion wahrnehmen.
Lebenswelt - Alltagskultur - Religionspraxis, Stuttgart 1998. 5 Vgl. dazu auch meine Beiträge: H.-G. Heimbrock, Rekonstruktion gelebter Erfahrung als Aufgabe Empirischer
Theologie, in: M. Petzold/E. Gräb-Schmidt, Theologie im Gespräch mit empirisch arbeitenden Wissenschaften,
Gütersloh 2012, 118 – 143 sowie H.-G. Heimbrock, Leben. Praktische Theologie als Theorie „gelebter Religion“
in: B. Weyel / H.-G. Heimbrock/ W. Gräb (Hg.), Praktische Theologie und empirische Religionsforschung.
Leipzig 2013, 121 – 142. 6 Vgl. M. Jung, Erfahrung und Religion. Grundzüge einer hermeneutisch-pragmatistischen Religionsphilosophie,
Freiburg 1999. 7 A.a.O., 262.
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Einige Bemerkungen zur Genealogie dieses Erfahrungsbegriffes: Wilhelm Dilthey hat mit
seiner klassisch gewordenen Unterscheidung „Die Natur erklären wir – das Seelenleben
verstehen wir“ diesen Typ von Erfahrung näher präzisiert. „Als Gegenstand der
Geisteswissenschaften entsteht diese durch Einnahme der hermeneutischen
Binnenperspektive, sofern nämlich menschliche Zustände erlebt werden, sofern sie in
Lebensäußerungen zum Ausdruck gelangen und sofern diese Ausdrücke verstanden
werden.“8Während naturwissenschaftliche Objektivität von der Dritten-Person-Perspektive
lebt, ist es in Geisteswissenschaften nicht möglich, eine von der Relation zur Lebendigkeit
abstrahierte Position einzunehmen. Theoretische Grundlage dabei ist ein kategorial
ausgearbeiteter Begriff von Leben. „Der Inbegriff dessen, was uns im Erleben und Verstehen
aufgeht, ist das Leben als ein das menschliche Geschlecht umfassender Zusammenhang.“9
Es ist dabei übrigens nicht nur begriffsgeschichtlich interessant, dass neben der Verwendung
bei E. Troeltsch10
in dieser lebensphilosophischen Tradition zum ersten Mal der Begriff
„gelebte Erfahrung“ auftaucht, nämlich in der englischen Übersetzung von Diltheys
deutschem Begriff des Erlebnis, in Sonderheit dort, wo er auf die Eigenart und Struktur
humanen Erlebens von Wirklichkeit insgesamt rekurriert. Dilthey setzte dem Empirizismus
seiner Zeit einen im Lebensbezug gedachten Erfahrungsbegriff entgegen und vertrat in seinem
hermeneutischen Spätwerk die These, dass ästhetisch-poetische Kreativität als Grundform
solcher auf das Leben als Ganzem bezogenen Erfahrung anzusehen ist, weil dichterische
Einbildungskraft als Modellfall der Hervorbringung von subjektiv verbindlicher
Bedeutsamkeit gelten muss.11
Dieses Zitat belegt im Übrigen hinreichend, dass Diltheys Rekonstruktion des Erlebnisses
keineswegs ins verlorene Paradies naiver Unmittelbarkeit zurückverweist. Eine detaillierte
Rekonstruktion seiner hermeneutischen Theorie kann und soll hier nicht erfolgen. Ohne dass
man die Tendenz zum Erlebnisfundamentalismus zumindest des jungen Dilthey teilen muss,
kann man aber daran mit Jung einige auch für die Debatte verschiedener empirischer
Orientierungen wesentliche Einsichten gewinnen, die ich jetzt thesenartig komprimiert
zusammenfasse.
1. Erfahrung als spezifisch personale Erfahrung ist nur unter Berücksichtigung eines
menschlichen Erfahrungssubjekts, d. h. unter angemessener theoretischer Repräsentation der
Perspektive der Ersten Person beschreibbar. Man kann deshalb auch religiöse Gehalte von
Erfahrung weder isoliert gedachten vorreflexiven Erlebnissen zuschreiben, noch durch
naturwissenschaftlich reduktionistische Erklärungen fassen (z.B. neuro-physiologische), weil
das deskriptiv nicht mehr angemessen wäre. Denn eine angemessene Erklärung muss die
Bedeutung mit aufnehmen, die das bestimmte Erlebnis für sein Subjekt als Bedeutsamkeit hat.
Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, „dass das erklärungsbedürftige Phänomen
durch seine sinndeutende Artikulation überhaupt erst hervorgebracht wird.“12
8 Das relevante Zitat lautet in der englischen Übersetzung: “A lived experience does not confront me as
something perceived or represented; it is not given to me, but the reality of lived experience is there-for-me
because I have a reflexive awareness of it, because I possess it immediately as belonging to me in some sense.
Only in thought does it become objective.“W. Dilthey, Ges. Werke VII, 86. = W. Dilthey, Der Aufbau der
geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften, Gesammelte Schriften, Bd. VII, 8. unveränd. Aufl.,
Göttingen 1992, 86. 9 A.a.O., 131. 10 E. Troeltsch, Die Selbständigkeit der Religion, in: Zeitschrift für Theologie und Kirche 5 (1895), 361–436. 11 W. Dilthey, Fragments for a Poetics (1907–1908), in: R.A. Makkreel/F. Rodi (Hg.), Dilthey. Selected Works
V: Poetry and Experience, 223–231: 223. 12 M. Jung, a.a.O. , 265.
5
2. Weder gibt es uninterpretierte „religiöse Daten“, noch ist die Trennung
‚Binnenperspektive vs. äußerliche Erklärung’ vollständig.13
„Solche Korrelationen beziehen
…keine Relate aufeinander, die auch unabhängig von ihrem Bezogensein verstanden werden
könnten, sie markieren Phasen eines zirkulären hermeneutischen Prozesses. Die Rede von
religiöser Erfahrung ist also dadurch legitimiert, dass zwischen subjektivem Erleben und
religiösen Deutungstraditionen interne Beziehungen bestehen. Erfahrungen können nicht in
Primärerleben und sekundäre Interpretationen zerlegt werden, weil die Interpretation – die
Artikulation mit Hilfe kulturell verfügbarer Symbole – allererst die Bestimmung des erlebten
Gehalts möglich macht.“14
Dies ist im Gegensatz zu der die Debatte um religiöse Erfahrung
vielerorts bestimmenden theoretischen Konzeption des Religionspsychologen W. Proudfoot15
festzuhalten.
3. Inneres Erleben kann aber in der wissenschaftlichen Rekonstruktion nicht naiv-
introspektiv in seiner Unmittelbarkeit eingeholt werden, sondern muss in hermeneutischer
Rekonstruktion lebensweltlicher Phänomene gefasst werden in der Verbindung zu Ausdruck
und Verstehen. Damit hatte bereits Dilthey in seiner hermeneutisch ausgearbeiteten Theorie
des Erlebens operiert. Auch religiöse Erfahrung wird dann „gefaßt als Strukturbegriff für den
internen Zusammenhang von subjektiver Perspektive und objektivierender Symbolbildung“16
.
4. Es gilt zwar generell, dass heute keine ernstzunehmende Religionstheorie es sich
erlauben könnte, die prinzipielle Differenz zwischen der Perspektive des lebensweltlichen
Vollzugs und der distanzierten Reflexion von Theorie zu ignorieren. Alle Wissenschaft
reduziert stets unvermeidlicherweise bestimmte Aspekte des Lebensprozesses. Will man aber
wissenschaftlich notwendige Reduktionen des lebenspraktisch vorgängigen
Erfahrungsprozessen von unzulässigen unterscheiden, so gilt entsprechend, dass es zum
spezifischen Charakter menschlicher (religiöser) Erfahrung gehört, den Verstehensaspekt
angemessen zu transformieren, d.h. das Subjekt als Schöpfer seiner Ausdrucksgestalten dieser
Erfahrung (Bedeutsamkeit für das Subjekt) mit einzubringen. „Zur Beschreibung religiöser
Erfahrung ist eine verstehende Einstellung unabdingbar“17
, wobei Verstehen und
Einverständnis durchaus voneinander zu trennen sind.
Andere Typen der Beschreibung und Erklärung religiöser Erfahrungen, die die zu klärenden
Phänomene als Objektivation und als diskrete Objekte einer empirischen Reflexion zuführen,
sind zumindest darin defizitär, dass sie – unabhängig von der Transformation inhaltlicher
Gehalte - die spezifische Eigenart der Ersten-Person-Perspektive als die „Eigenbestimmtheit
einer lebensweltlichen Sinnperspektive“18
vernachlässigen. Diese Abgrenzung zu einem
naturalistischen Ansatz von Empirie folgt Diltheys Differenzierung Geistes- und
Naturwissenschaften.
Es stellt also, wie Th. Nagel gezeigt hat, eine unzulässige Reduktion menschlicher Erfahrung
dar, wenn im Prozess theoretischer Erklärung im Zeichen landläufiger Objektivierungsideale
die Sinnperspektive aus der Wirklichkeitsdeutung herausgefiltert wird. Dann würde die
Perspektive „für mich“ der gelebten Erfahrung zugunsten der Perspektive „an sich“ gelöscht
werden. Aber manche Sachverhalte nicht einfach objektivierbar, spezifisch menschliche
13 Vgl. a. a. O., 358. 14 A.a.O., 264. 15 Vgl. W. Proudfoot, Religious Experience, Berkeley 1985. 16 M. Jung, a. a. O., 267. 17 Ders., a .a. O., 356. 18 Ders., a. a. O., 77.
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Erfahrung ist ein solcher, der deshalb nicht im perspektivlosen „View from Nowhere“19
, in
der Abstraktion vom Lebensprozess angemessen erschlossen werden könnte.
Wenn nun menschliche, auf Bedeutsamkeit hinzielende Erfahrung einerseits nicht vollständig
als präreflexiver Erlebnisprozess verständlich gemacht werden kann, andererseits nicht in
unzulässiger Weise Deutungselemente zu sekundären Größen atomisiert werden dürfen, dann
bedarf es eines Strukturbegriffs von Erfahrung, der die beiden Momente umgreift. Eine dritte
und angemessenere Variante der Theorie greift dazu – in der sachlichen Kontinuität mit
Diltheys Gedanke der „Ausdrucksgestalt“ - auf den Begriff der „Artikulation“ zurück. Die
These ist dabei, „ ‚Erfahrung‘ als den Titel für jenen humanen Grundvollzug zu verstehen, in
welchem Subjekte ihres Welt- und Selbstverständnisses gewahr werden, indem sie es in
öffentlich zugänglichen Ausdrucksgestalten für sich und andere fassbar machen. Nur im
Rahmen eines solchen ‚holistischen‘ Erfahrungsbegriffs ist es sinnvoll, bestimmte regelmäßig
auftretende Korrelationen von subjektiven Erlebnisqualitäten und symbolischen Formen zu
spezifizieren und als ‚religiös‘, ‚sittlich‘, ‚ästhetisch‘ ‚alltagspraktisch‘ zu klassifizieren.“20
Mir scheint, dass dieser hier in aller Abgekürztheit notierte lebensphilosophisch-
hermeneutische Erfahrungsbegriff nicht nur dazu in der Lage ist, menschliche Erfahrung in
profilierter Weise verstehbar zu machen, sondern auch dazu, den die Praktische Theologie seit
geraumer Zeit leitenden Begriff der „gelebten Religion“ näher zu fassen.
3. Lebenswelttheoretische Erweiterungen
3.1. Jungs religionsphilosophisch entfaltetes Konzept von Erfahrung reklamiert explizit,
lebensweltliche Erfahrung theoretisch zu rekonstruieren. Auffällig ist in diesem
Zusammenhang aber bereits der Umstand, dass Jung zur Illustration seines Strukturmodells
auf Erfahrungen in katholischen Festliturgien rekurriert, wobei jeweils ein Erfahrungskern des
offiziellen liturgischen Verhaltensmodells und nicht individuelle Erfahrungen angesprochen
werden. Geht man allerdings von einem gehaltvollen Begriff von „Lebenswelt“ aus, so zeigen
sich auch weitere Schwachstellen und Grenzen des vorgestellten Konzepts. Wer diese
philosophische und primär geltungstheoretisch interessierte Rekonstruktion von Erfahrung
und damit von religiöser Erfahrung aus der Perspektive empirischer Theologie zur Kenntnis
nimmt, wird in mancher Hinsicht den Eindruck nicht los, dass der strukturell bestimmte
Erfahrungsprozess eben in lebensweltlicher Bestimmung empirisch doch noch unzureichend
bestimmt ist. Der Strukturbegriff wird der Wirklichkeit von Erfahrung, zumal unter
gegenwärtigen sozialen Bedingungen der Pluralität und Traditionsumbildung, vor allem den
Phänomenen von Religiosität außerhalb religiöser Institutionen m. E. noch nicht voll gerecht,
selbst wenn er von „expressiv-schöpferischen Akten“ des Subjekts und von „strukturell
irreduzibler Pluralität“ spricht21
.
Der Ansatz arbeitet nicht nur mit einem unzureichenden, nämlich letztlich doch
kognitionslastigen Wahrnehmungsbegriff, sondern er vermag auch die, man möchte sagen:
„empirische“ Eigenart des Ineinanders von Erlebnis und Artikulation in ihrer Konkretheit des
menschlichen Leibsubjekts nicht zu beschreiben. Schließlich arbeitet er mit einem
Subjektbegriff, der im religiösen Erleben viel zu sehr bewusste Entscheidung unterstellt.
Meine kritischen Rückfragen gelten selbstverständlich bei voller Zustimmung zu Jungs Kritik
an denjenigen Theoriekonzepten, welche die Unmittelbarkeit von lebensweltlicher Erfahrung
19 T. Nagel, The View from Nowhere, New York u.a. 1979; vgl. auch: Ders., Die Grenzen der Objektivität.
Philosophische Vorlesungen, Stuttgart 1991. 20 M. Jung, a.a.O. , 264. 21 M. Jung, ebd.
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bruchlos meinen rekonstruieren zu können.22
Auch in dieser Hinsicht halte ich
phänomenologische Einsichten für unverzichtbar. Ich notiere wichtige Elemente wiederum
thetisch abgekürzt, ausführliche Beschreibungen liegen an anderer Stelle vor.
Sich für die Analyse gelebter Religion auf die Lebenswelt zu beziehen heißt sich insbesondere
auf vorprädikative Begegnung mit der Welt beziehen, auf die Art und Weise, wie uns die
Realität gegeben erscheint, wenn wir nicht vermittels bewusster Aktivitäten in ihr
differenzierende Unterscheidungen vornehmen. Diese ist „der lebendige Strom, in dem ich
schwimme“, der „Boden der durch Erfahrung selbstverständlich vorgegeben Welt“23
. Mit
Lebenswelt ist also zugleich eine für Jeden stets hintergründig mitlaufende Welt von Ge-
wissheiten und stillschweigenden Voraussetzungen für zielgerichtetes thematisch fokussiertes
Denken und Handeln gemeint, eine Welt unproblematischer Einheitlichkeit und
selbstverständlicher Orientierungen vorbegrifflicher Bestimmtheit. In ihr steckt die
Vertrauensgrundlage eines „Weltglaubens“, der unbefragt annimmt, dass die Welt immer so
weiter existiert. Denkt man jedoch „Lebenswelt“, so hat man sie immer schon verlassen.
Lebensweltlich erschlossene Erfahrung verweist auf vor-prädikative Gegebenheit der
menschlichen Erfahrung, betont den relationalen Modus von gelebter Erfahrung. Dem Subjekt
ist dabei etwas gegeben, „Daten“ in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes „datum“.
Dabei hängen Erfahrung und Wahrnehmung sehr eng zusammen. Sinnliche Wahrnehmung ist
basale Weise der Begegnung des Menschen mit der Wirklichkeit und deshalb unabdingbar für
den Prozess gelebter Erfahrung. Wenn das Verständnis eines empirischen Zugangs in der
modernen Wissenschaftstheorie immer mit sinnlicher Wahrnehmung verknüpft ist, so geht es
allerdings im phänomenologischen Ansatz um einen spezifisch profilierten
Wahrnehmungsbegriff. Die elementare Weise, in der Menschen der Welt gewahr werden, ist
gebunden an die Komplexität leibhafter, kinästhetisch vermittelter Anschauung. Spezifisch
menschliche Wahrnehmung vollzieht sich weder abstrakt intellektualistisch noch kausal-
mechanistisch, sondern in situativer Gebundenheit eines endlichen leibhaftigen
Wahrnehmungssubjekts. Der räumlich situierte Leib, das „Körperschema“ ist das
organisierende Prinzip aller sinnlichen Wahrnehmung, und zwar deshalb, weil der Mensch in
seiner leibhaften Bewegung (einschließlich aller sinnlichen Wahrnehmungen) nicht einfach
mechanische Akte eines Automaten vollzieht, sondern auf spezifische Weise Leib-
Intentionalität lebt und damit sein „Zur-Welt-sein“ realisiert. Bereits hier zeigt sich für
phänomenologische Wahrnehmungsanalyse eine Nahtstelle zur Theologie: „Wahrnehmen …
heißt: glauben an eine Welt. Diese Offenheit zur Welt ist es, die die Wahrheit der
Wahrnehmung, die Verwirklichung einer Wahr-Nehmung erst möglich macht …“24
Erleben von Welt ist immer verknüpft mit sinnlicher Wahrnehmung in ihrer
Intentionalitässtruktur. Sie ist stets gerichtet, Wahrnehmung von etwas als etwas. Die Leib-
Haftigkeit menschlicher Existenz bringt dabei eine spezifische leib-fundierte Gerichtetheit mit
sich. Wir verhalten uns intentional zur Welt bereits in unserer körperhaften Verfassung; was
als real erlebt wird, konstituiert sich in situativ-körperlicher Relation, nicht erst dann, wenn
wir es in Akten der Kognition begrifflich fassen.
22 Vgl. zur Diskussion des Unmittelbarkeitsproblems ausführl. meinen Beitrag: H.-G. Heimbrock,
Reconstructing Lived Religion, in: Ders./C.P. Scholtz (Hg.), Religion: Immediate Experience and the Mediacy
of Research. Interdisciplinary Studies in Objectives, Concepts and Methodology of Empirical Research in
Religion, Göttingen 2007, 133–156. 23 H. Blumenberg, Theorie der Lebenswelt. Hg. v. M. Sommer, Frankfurt a.M. 2010, 70. 24 M. Merleau-Ponty, Phänomenologie der Wahrnehmung (1945), München 1966, 345.
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Es ist üblich, transitive Formulierungen zu gebrauchen wie „Ich mache eine Erfahrung“.
Entsprechendes findet sich oft in Bezug auf religiöse Erfahrungen von Menschen.
Phänomenologische Analyse des Erfahrungsprozesses schärft demgegenüber den Blick auch
für die komplementäre oder gar die reverse Konstellation: Menschen können in spezifischen
Situationen auch in Erfahrungen verwickelt sein, sie können in Grenzsituationen sogar
Erfahrungen ausgeliefert sein, von denen sie mitgenommen sind, überwältigt oder gebannt
werden. Auch diese Qualität gilt in spezifischer Weise im Bereich gelebter Religion.
Erfahrungen sind nicht immer Resultat zuvor oder in actu bewusst vollzogener
Entscheidungen, haben vielmehr inter-aktiven Charakter. Menschliche Erfahrungen
überschreiten so vielfältig rein strategisches Handeln. Ihnen kommt zuweilen eine
empfangende Qualität zu, was von Vertretern der psychosomatischen Medizin und der
Gestalttheorie V. von Weizsäcker und Fr. Buytendijk schon vor längerem auf den Begriff des
„pathischen“ Verhaltens gebracht worden ist.25
Diese pathische Qualität des Erlebens in der Begegnung mit situierter Wirklichkeit hat große
Relevanz für theologische Erschließung gelebter Religion. Um es mit P. Tillich zu sagen:
„Wir begegnen der Realität – oder die Realität drängt sich uns auf… Die Voraussetzung der
Theologie ist, dass es eine besondere Art und Weise gibt, in der sich uns die Wirklichkeit
aufdrängt, die normalerweise „religiös’ genannt wird.”26
Das hier gemeinte Geschehen ist
nicht auf irgendein Segment kultureller Praxis zu begrenzen, das von den in Erfahrung
verwickelten Subjekten als „religiöse“ oder gar „christliche“ Praxis bezeichnet wird.
Gleichwohl sehe ich in solchen Erlebnisqualitäten gehaltvolle Ansatzpunkte für eine
theologische Anthropologie, die von der Christologie her konzipiert ist.
4 Theologie eine Erfahrungswissenschaft
Alle Evangelische Theologie hat es im Sinne Schleiermachers um ihres Bezuges auf
vorfindliche Vollzüge christlicher Religion willen mit Erfahrung als einer ihrer
Erkenntnisquellen zu tun. Meine Anstrengung zielt nicht auf empirische Sozialforschung,
sondern auf Empirische Theologie. Das nimmt Schleiermachers programmatische Zuordnung
von „theologischem Interesse“ an der Kirchenleitung und wissenschaftlichen Kenntnissen aus
Einzeldisziplinen auf.27
Meine Behauptung geht dabei allerdings dahin, auch Theologie als Erfahrungswissenschaft zu
betreiben. Dass Theologie sich grundbegrifflich wie methodisch heute generell auf
Erfahrungswissenschaft beziehen muss, ist seit Rezeption sozialwissenschaftlicher Methoden
und Methodologien der 70er Jahre für viele nicht mehr strittig. Wie sich Theologie im
interdisziplinären Diskurs prinzipiell zu anderen Erfahrungswissenschaften verhält, das hatte
schon E. Herms in seiner Programm-Schrift „Theologie – eine Erfahrungswissenschaft“ zu
bestimmen versucht. „Es geht in der wissenschaftstheoretischen Grundlagenforschung weder
25 Vgl. V. Weizsäcker, Der Gestaltkreis (1947), Frankfurt a.M. 1973, sowie F. Buytendijk, Allgemeine Theorie
der menschlichen Haltung und Bewegung. Berlin 1956. 26 P. Tillich, Das Problem der theologischen Methode (1946) in:, ders., Korrelationen. Die Antwort der Religion
auf Fragen der Zeit. Ergänzungs- und Nachlaßbände zu den Gesammelten Werken IV, Stuttgart 1975,, 17. 27 In Aufnehmen der allgemeinen wissenschaftssystematischen Unterscheidung von Kenntnissen und
Wissenschaft hat Fr. Schleiermacher in seiner „Kurzen Darstellung“ im berühmten Paragraph § 6 ein
theologisches Gesamtinteresse an Kenntnisgewinn formuliert, das er in der Funktion der Kirchenleitung
festmachte und welches er sehr wohl mit der Einbeziehung nicht-theologischer wissenschaftlicher Methoden
zusammendachte: „Dieselben Kenntnisse, wenn sie ohne Beziehung auf das Kirchenregiment erworben und
besessen werden, hören auf, theologische zu sein, und fallen jede der Wissenschaft anheim, der sie ihrem Inhalt
nach angehören“. Die Aussage unterscheidet begrifflich „Kenntnis“ als Inhalte diverser (nicht-theologischer)
Wissenschaften vom Prädikat „theologisch“; vgl. Fr. Schleiermacher, Kurze Darstellung des Theologischen
Studiums zum Behuf einleitender Vorlesungen (1810), Nachdruck Darmstadt 1973, 3.
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darum, die Theologie für sich als Metatheorie der übrigen Erfahrungswissenschaften zu
behaupten, noch darum, die theologische Einzelforschung den Grundbegriffen anderer
Erfahrungswissenschaften zu unterstellen. Vielmehr darum geht es: in dem metatheoretisch zu
begreifenden und festzustellenden ontologischen Zusammenhänge der Leitbegrifflichkeit aller
empirischen Sciences gleichursprünglich mit allen anderen wissenschaftskonstitutiven
Strukturmomenten des erfahrbar Seienden als solchen auch die spezifisch theologischen
Implikationen seiner Verfassung aufzuweisen.“28
Ich schließe mich ausdrücklich der Behauptung an, dass dieser Diskurs von der Theologie auf
der Basis einen allgemeinen Erfahrungsbegriffes geführt werden muss, wiewohl aber kritisch,
das heißt unter Einbezug des Eigenbeitrags christlicher Theologie. Die Reklamation eines
schlechthin eigenständigen Gegenstands von Erfahrung, genannt „religiöse Erfahrungen“ im
Jenseits von Erfahrungswissenschaften führt meines Erachtens in wissenschaftstheoretische
Isolation und ist theologisch weder notwendig noch sinnvoll. Gleichwohl muss man heute
zurückfragen nach dem Begriff von Erfahrung. Hier hat keine Wissenschaft ein Monopol,
nicht einmal dann, wenn sie das Gütezeichen „Erfahrungswissenschaft“ reklamiert.
In der quantitativ orientierten empirischen Religionsforschung hat sich ein ganz bestimmter
Begriff von Erfahrung durchgesetzt. Das kann in einer vergröberten Skizzierung etwa so
umschrieben werden: Das Forschungsinteresse richtet sich auf Gewinnung valider
empirischer Erkenntnis mit möglichst großer Reichweite über den Einzelfall hinaus. Um mit
sozialer Wirklichkeit gemäß wissenschaftlichen Standards umzugehen, gilt für empirische
Forschung der Ansatz induktiver Methode. Dieser induktive Weg der Gewinnung möglichst
objektiver Daten zielt auf der Basis empirischer Befunde und interpretativer
Schlussfolgerungen auf probabilistisches Wissen nach dem Typus nomothetischer
Theoriebildung. Dazu bedarf es klarer Begriffsbildung zur Ermöglichung von
Operationalisierung der Hypothesen und Messung der Variablen mittels der Anwendung
methodisch reflektierter und kontrollierter Verfahren der Datengewinnung entsprechend den
Kriterien von Repräsentativität, Reliabilität und Validität. Die in der Erfahrung gewonnenen
Daten sind objektivierbare Größen, als solche vom Forschersubjekt so weit wie unabhängige
Objekte, in der quantitativen Forschung sogar Transformationen sinnlicher Erfahrung in
Gestalt digitalisierter und berechnungsfähiger Repräsentationen.
Die gegenwärtig in solcher quantitativ empirischen Sozialforschung vorgelegten
methodologischen Beschreibungen zeigen, dass hier mit dem Verfolgen des
Erfahrungsbezugs niemand mehr in positivistischer Manier auf pure „Fakten“ oder
„Lebensnähe“ in einem simplifizierten Gegenüber zu theoretischer Reflexion rekurrieren will.
Schon gar nicht geht es um reduktionistische Verortung „Gottes“ in Ursache-Wirkung-
Zusammenhängen. Und ich betone als Theologe: weder die Wissenschaftlichkeit noch die
Praxisrelevanz der solchermaßen empirisch gewonnenen Einsichten für die Steuerung auch
von Kirche als Institution sowie einzelner Praxiszusammenhänge von kirchlicher
Religionspraxis steht für mich in Zweifel.
Das Problem liegt meines Erachtens an anderer Stelle. Es ist nämlich zu fragen, inwieweit der
skizzierte Begriff objektivierter Erfahrung exklusive Geltung für jede sinnvolle Bestimmung
von Erfahrung beanspruchen kann und wieweit er zur Erschließung der für Religion in
Betracht zu ziehenden Phänomene geeignet ist.
Praktische Theologie hat als empirisch-theologische Forschungsinstanz die Aufgabe, an den
Phänomenen von Religion in offener, lebensweltbezogener Weise erschließend zu arbeiten.
Sie nimmt schon damit eine empirisch-kritische Funktion innerhalb der Theologie wahr. Dazu
28 E. Herms, Theologie – eine Erfahrungswissenschaft, München 1978, 81.
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gehört aber gleichzeitig, dass sie von den Phänomenen aus prinzipielle theologische Fragen
stellt, wie die nach dem Verständnis von Religionspraxis oder von Auslegung von
Wirklichkeit generell. Sie ist keinesfalls die „bessere“ Erfahrungswissenschaft, insistiert aber
auf einem reichen, menschliche Selbsterfahrung einbeziehenden Begriff von Erfahrung.
Die Spannung hatte bereits E. Herms auf die Formel gebracht: Die Kategorie „Erfahrung“ ist
„problematisch und legitim zugleich.“29
Jedenfalls kann m. E. die Frage um eine theologische
Geltung „messbarer Religion“ theoretisch gehaltvoll erst im Kontext lebensweltlicher
Gewissheiten diskutiert werden. „Was als (gegenständliche) Erfahrung gelten soll kann nicht
abgelöst werden von dem - empirischer wie existentieller Erfahrung gemeinsamen -
Grundproblem ihres Zustandekommens, und so hat Erfahrung immer auch einen
unanschaulichen Bereich ihrer Entstehung und Vergewisserung. Bevor angeschaut und
gemessen werden kann, ist etwas zur Erscheinung gekommen; und dass dies so ist bleibt
lebensweltlich gewiss, auch wenn Methoden der Überprüfung noch nicht vorgenommen
werden konnten, aber gerade auch nicht ausgeschlossen werden müssen.“30
Der hier vorgestellte Ansatz von Theologie bei „gelebter Erfahrung“ liefert im spezifischen
Zugang zu gelebter Religion einen Beitrag zur weiteren Klärung des Lebensbezugs
von Religion generell und von christlichem Glauben im Besonderen. Wirklichkeitshaltige
Praktische Theologie im Sinne des Bezugs auf gelebte Erfahrung
beschränkt sich nicht auf die Überprüfung der Wirklichkeit allein am Raster
systematisierter religiöser Wissensbestande und Normen, etwa aus Exegese,
Kirchengeschichte und Dogmatik, anhand des Falles.
Der Leitbegriff „Gelebte Religion“ ist ein programmatischer Begriff, insofern
er die Öffnung von Theologie in Richtung auf Kultur- und Alltagsbezug im Blick
auch auf deren religiöse Produktivität einfordert. Die Wirklichkeit des christlichen
Glaubens ist nämlich, bei aller Hochschatzung des ≫sola scriptura≪, mehr
als Wirklichkeit von Texten oder Wirklichkeit in Texten. Glaubensleben muss
breiter verstanden werden als Anwendung von Lehren, auch weiter als propositionale
Gehalte des Glaubenswissens. Wenn „Gelebte Religion“ als Leitbegriff
Empirischer Theologie fungiert, kann die Rekonstruktion ihrer Phänomene nicht
bruchlos und in toto Geltung für wahrheitsfähige Verständigung über Glauben
beanspruchen, aber Lehre und Leben sind dialektischer zu denken, als ein einliniges
Applikationsmodell von Glaubensnorm und Glaubensvollzug dies unterstellen
mag.
Eine phänomenologisch angeleitete Analyse der Lebenspraxis öffnet, angeleitet
vom Begriff der „Gelebten Erfahrung“ die Sinne für Wahrnehmung mit
entschränkter Perspektive, versucht dann aber sehr wohl auch bestimmte alltägliche
Erscheinungen theoretisch als bedeutsam für den Zusammenhang von Religion zu rekon-
struieren. Wichtig scheint mir die generelle Zielrichtung: Um es mit P. Tillich zu sagen: „Der
Religion als lebendiger Erfahrung geht es nicht um ihre eigene Zukunft, sondern
um ihren Inhalt (und um unser Verhältnis zu ihm); und dieser Inhalt ist das
Ewige.“31
29 E. Herms, Art. „Erfahrung IV. Systematisch-theologisch“, in: Theologische Realenzyklopädie, Bd. 10, Berlin
1982, 128–136, Zitat 131. 30 H. Deuser, Religionsphilosophie, Berlin 2009, 424. 31 P. Tillich, Die Frage nach der Zukunft der Religion, in: Die verlorene Dimension, Not und Hoffnung unserer
Zeit,
Hamburg 1962, 92.
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5 Empirisch-theologische Forschung
Wenn ich mich bislang stark auf Reflexion des Erfahrungsbegriffs und entsprechende
methodologische Überlegungen eingelassen habe, wird der Empiriker fragen: Taugt ein
solcher Ansatz auch für empirische Forschung? Da wir in Frankfurt eine ganze Reihe von
konkreten Einzelforschungen empirisch-theologischer Konzeption betrieben haben32
, nehme
ich diese Frage gern auf und erläutere in meinem Schlussabschnitt die forschungspraktische
Seite des Ansatzes.
Zur Verdeutlichung komme ich noch einmal auf die Meditation zum Phänomen „Schweigen“
am Anfang meines Vortrages zurück. Vor zwei Monaten bat mich ein junger weißer
südafrikanischer Theologe um Rat zu seinem laufenden empirischen Forschungsprojekt. Sein
Doktorvater Chris Hermanns von der Universität Nijmegen arbeitet in den Bahnen seines
Lehrer Hans van der Ven auf dem Felde quantitativ-empirischer theologischer Forschung und
hatte ihn angesichts des speziellen Themas zu mir geschickt. Der Doktorand präsentierte mir
sein Projekt unter dem Arbeitstitel „A MODEL FOR THE ACCOMPANIMENT OF
SEEKERS INTO SILENCE IN THEIR QUEST FOR WHOLENESS”. (Ein Konzept zur
Begleitung von Menschen, die sich auf der Suche nach Ganzheit in die Stille begeben).
Der Autor ist langjähriger Pfarrer einer großen protestantischen Gemeinde mit einer
ziemlichen Pluralität unterschiedlicher Frömmigkeitstraditionen. Er hatte zu seiner eigenen
Überraschung feststellen müssen, dass immer weniger Menschen in der Gemeinde an
traditioneller calvinistisch geprägter lehr- und bekenntniszentrierter Religionspraxis
interessiert waren, gleichzeitig die Nachfrage nach spirituellen Angeboten in seiner Region
immens gestiegen war, dabei in Sonderheit Kurse in meditativem Schweigen großen Zulauf
erfuhren. Nachdem er auch eigene Erfahrung mit solchen Kursen gemacht hatte, richtete sich
sein Forschungsinteresse nun darauf, ein eigenes Handlungsmodell für solche Schweige-
Praxis im Umfeld der eigenen Gemeinde zu entwickeln. Und das wollte er mit empirischer
Forschung fundieren und zunächst näher untersuchen, welche Erfahrungen Menschen in
solchen Wochenenden in Schweige-Übungen machen.
In seinem Plan griff er auf Skalen zur Erforschung von Spiritualität zurück, ferner auf Raster,
wie Menschen auf ihre Erfahrung Gottes oder des Ultimaten reagieren (z.B. N. Holm 1980).
Seine Idee war es weiterhin, Cluster zu bilden für die Typen der Erfahrung Gottes und deren
Hintergründe in unterschiedlichen Glaubenseinstellungen. Ferner hatte er sich kundig
gemacht und versucht, aus dem Studium der entsprechenden Forschung Begriffsklärungen
vorzunehmen über zentrale Begriffe (wie Spiritualität; Ganzheit; Stille; Geistliche Begleitung
usw). In Interviews und mittels Video-feedback der Probanden beim Meditieren wollte er
Daten sammeln, in denen die Teilnehmerperspektive zur Geltung kommen sollte. Die
Leitfrage dabei war: „Was macht Ihre persönliche Erfahrung in Schweigeübungen aus?“
Das Ganze machte einen ziemlich elaborierten, in sich konsistenten Eindruck auf mich. Und
doch hatte ich bei der ersten Begegnung das ungute Gefühl, dass man mit diesem
Forschungsdesign gerade das verfehlt, um das es geht oder gehen könnte, den lebendigen
32 Vgl. A. Dinter/ H.-G. Heimbrock/ K. Söderblom (Hg.), Einführung in die Empirische Theologie. Gelebte
Religion erforschen (UTB), Göttingen 2007; vgl. ferner H. – G. Heimbrock / T. Wyller ( Hg.), Den Anderen
Wahrnehmen. Fallstudien und Theorien für respektvolles Handeln. Zusammen mit Peter Meyer, Göttingen 2010
sowie H.-G. Heimbrock/S. Leonhard/P. Meyer/A. Plagentz (Hg.), Religiöse Berufe – kirchlicher Wandel.
Empirisch-theologische Fallstudien, 2013.
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Erfahrungsprozess des Schweigens. Wie erforscht man das Schweigen? Ich lege jetzt
natürlich keinen alternativen DFG-Antrag vor, markiere nur einige Schwachstellen.
Das Forschungsdesign geht davon aus, dass die relevanten Erfahrungen sagbar sind. Die
verbale Ebene der Beschreibung wird zielstrebig angegangen, aus dieser werden Kategorien
und Typen gebildet. Essentiell für eine stärke Annäherung an die relevanten Phänomene
dürfte gerade die Berücksichtigung der Unschärfe, der Unsagbarkeit von Erfahrungen im
Schweigen. Und lebensweltorientierte Forschung kommt zum Ziel nur durch das Brennglas
des Forschers als Subjekt und der Auseinandersetzung mit seiner vorvertrauten leib-haften
und vor-sprachlichen Erfahrung des Schweigens hindurch. Andernfalls erhält man
interessante Sortierungen und Kategorisierungen von sekundär gebildeten Kommentaren, die
relativ weit weg sind von den ursprünglich relevanten Erfahrungen.
Zur Orientierung über empirische Forschung zu gelebter Erfahrung abschließend einige
grundsätzlichere Bemerkungen:
Zunächst muß man einen kritischen Vorbehalt machen: Den lebensweltlichen Prozess des
Erfahrens erforschen zu wollen, stellt eine Illusion dar, gleichwohl eine notwendige und
fruchtbare. Gelebte Erfahrungen in actu sind empirisch nicht direkt zugänglich. Wer
Lebenswelt sagt, der hat sie immer schon verlassen, ist aus dem Modus der Vorvertrautheit
übergewechselt in die theoretische Rekonstruktion. Das Beispiel der Erfahrungen im
Schweigen ist hier buchstäblich sehr sprechend.
Sodann gilt: Empirisch-theologische Forschung arbeitet nicht mit einem eigenen
Methodenarsenal, sondern greift auf Forschungsstrategien zurück, die im Rahmen qualitativ-
empirischer Sozialforschung sowie qualitativ-empirischer Kulturanthropologie entwickelt
worden sind. Allerdings bedarf es der Modifikation, wenn man solche Methoden im Interesse
der Näherung an Gelebte Erfahrung nutzen möchte.
Dazu zählt unabdingbar, die Leibgebundenheit der Wahrnehmung als subjektive
Grundstruktur lebensweltlicher Erkenntnisvorgänge von Anfang an reflektiert
einzusetzen. Das macht eine Austauschbarkeit der forschenden Erkenntnissubjekte
unmöglich, darf gleichwohl nicht verleugnet werden oder als nicht
operationalisierbarer Nebeneffekt ausgeblendet werden.
Der Primat der Wahrnehmung ist forschungslogisch auch dadurch zu realisieren, dass
die forschenden Personen in dem jeweiligen Feld selbst Erfahrungen machen und ihre
sinnlichen Wahrnehmungen dokumentieren und reflektieren. Phänomenologische
Forschungspraxis bedeutet dabei nicht ein bloßes ‚Eintauchen‘ ins Feld, und schon gar
nicht die naive Annahme, das Feld dadurch so wahrzunehmen wie die im Feld
befindlichen Praktikanten selbst. Im Gegenteil, das Wissen um die Perspektivität von
Wahrnehmung und die in der Intentionalität zutage tretende Interessengeleitetheit
jedes Wahrnehmungsaktes kann phänomenologisch orientierte Forschersubjekte
gerade davor bewahren, ihre eigenen sinnlichen Eindrücke im Feld mit der
Wirklichkeit ‚der Praxis‘ einfach gleich zu setzen. Phänomenologie ist also alles
andere als besinnungslose Deskription.
Der phänomenologische Zugang lehrt ferner den behutsamen und reflektierten
Umgang mit Begriffen und theoretisch erhobenen Kategorien, insofern er das
Bewusstsein dafür wachhält, dass die wahrgenommene Wirklichkeit stets sehr viel
mehr enthält als in einen Begriff gefasst werden kann. Daraus ergibt sich der
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Prüfauftrag, inwieweit die in einem bestimmten Projekt verwendeten Grundbegriffe in
sinnlichen Erfahrungen verwurzelt sind, die bei den Praktikanten im Feld unter
Umständen ganz andere Assoziationen auslösen als im Kontext des
Forschungsbetriebs. Ein Begriff wie ‚Religion‘ beispielsweise ist zunächst einmal ein
kulturelles Konstrukt, unter dem sehr verschiedene Erfahrungen gefasst werden
können.
Diese Forschung kann u.a. auf Strategien der case studies zurückgreifen.33
Die
Repräsentation von Erfahrungsperspektiven ‚aus‘ dem Fall selbst heraus erschließt
ihre lebensweltlichen Zusammenhänge. Zur Fallstudie in empirisch-
phänomenologischer Richtung zählt zum Beispiel die narrative Aufbereitung, und
zwar in Gestalt einer phänomenologischen Beschreibung als Repräsentation gelebter
Erfahrung. Es soll nämlich ein Lebensprozess zur Sprache gebracht werden, der für
sich betrachtet hochgradig vorsprachlich und unstrukturiert abgelaufen ist. Zur
Einlösung dieser Zielsetzung können eben durchaus unterschiedliche Methoden der
Ethnografie und der qualitativ orientierten Sozialforschung herangezogen werden
(Teilnehmende Beobachtung, Dichte Beschreibung, Interviews etc.).34
Das
Entscheidende ist die Aktivierung der phänomenologisch offenen Haltung.
Die Stärke phänomenologischen Vorgehens liegt gerade darin, dass nicht zu schnell
und zu früh festgelegt wird, was denn hier im konkreten Fall dran ist. Ein Fall,
verstanden als ein Phänomen, steht in einem komplexeren Feld. Und sein Zentrum
zeigt sich den Forschenden erst im Verlauf mehrfacher Annäherung. Ein Fall „ist“ also
nicht (im Sinne des jungen Wittgenstein), sondern er entsteht, denn das Phänomen
konstituiert sich erst im Verlauf eines Prozesses. Für die Aus- und Abgrenzung eines
Falls lässt sich also als eine Möglichkeit geltend machen, dass die Kenntnis des Felds
der eigenen beruflichen Praxis selbst den Blick dafür schärft, was einen ‚interessant‘
dimensionierten Fall abgibt.
Phänomenologisch-empirische Erforschung gelebter Religion leistet keinen Beitrag
zur Ermittlung generalisierbarer Gesetzmäßigkeiten, da sie nicht mit großen Zahlen
operiert. Sie richten sich allerdings auf Fragestellungen, für die die „großen Zahlen“ in
der Regel wenig aussagekräftig und insofern selbst „unscharf“ sind.35
Fallstudien
stellen immer „Wissen vom Besonderen“36
zur Verfügung. Umgekehrt muss man also
auch in unserem Forschungskontext fragen: Was sind Ziele, Erkenntnisinteressen der
Arbeit am Singulären? Der Einzelfall des hier geschilderten Typs legt
Strukturprinzipien des Handelns, Verstehens und Erfahrens einzelner aus. Dabei
eignen sich solche Prinzipien zwar nicht unmittelbar für großräumliche Prognostik
sozialen Handelns, aber sie lassen Schlüsse auf Prinzipien zu, die für die jeweiligen
Praxisorte und übergreifenden Handlungsstrukturen durchaus allgemeinen Wert
besitzen. Diese Art der ‚Verallgemeinerung‘ begründet sich also auf einem besseren
Verständnis des ‚Sinns‘ eines Handlungszusammenhangs.
33 Den Ansatz einer phänomenologisch orientierten Fallarbeit haben wir gerade im Zuge des
Forschungsprojektes zur Wahrnehmung von Krisen in der Kirche intensiver genutzt.
Vgl. dazu ausführl. H.-G. Heimbrock/S. Leonhard/P. Meyer/A. Plagentz (Hg.), Religiöse Berufe – kirchlicher
Wandel. Empirisch-theologische Fallstudien, 2013 (1.3.3. Arbeit mit Fallstudien, S. ; vgl. ferner Dinter u. a.
(Hg.), Empirische Theologie, a.a.O. 97ff. 34 Dinter u. a. (Hg.), Empirische Theologie, a.a.O. 97ff. 35 Vgl. B. Flyvbjerg, Five Misunderstandings About Case-Study Research, in: Qualitative Inquiry 2006, Vol. 12
No 2, 219–245. 36 J. Süßmann, (Hg.), Fallstudien: Theorie, Geschichte, Methode. Frankfurter kulturwissenschaftliche Beiträge 1.
Berlin 2007 , 21.
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Ich komme zum Schluß: Für mich ist E. Husserls phänomenologischer Urimpuls „Zu den
Sachen selbst!“ immer noch ein für empirische Forschung hilfreicher Grundimpuls, weil er
sich gegen vorschnelle Subsumption der Phänomene unter theoretisches Wissen richtet. Und
in Sonderheit seine Fortführung bei E. Lévinas „Nicht nur zu den Sachen selbst, sondern auch
nie von den Sachen weg“37
Das gilt insbes. für die „Sache“ Erfahrung.
37 E. Lévinas, Die Spur des Anderen, 1983, 55.