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Villingener Hefte „Erinnerungen an Dr. Paul Kammer“ Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde Villingen Sonderheft

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Page 1: Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen ... · I. Gemeinderechnungen 10-17 II. Der Bannwein 18-21 III. Frische Fische in Villingen gefangen 21-22 IV. Die Kunst der

Villingener Hefte

„Erinnerungen an Dr. Paul Kammer“

Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde Villingen

Sonderheft

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Dieses Sonderheft widmen wir dem ehemaligen Lehrer und

Heimatforscher in Villingen

╬ Dr. Paul Kammer

„was kümmert uns die Vergangenheit, wäre sie nicht Organ unserer Zukunft“

(Bettina von Arnim)

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Wilhelm Konrad; Heinz P. Probst; Otto Rühl.

Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde Villingen.

Inhaltsverzeichnis:

Vorwort und Lebenslauf von Dr. Paul Kammer 2-5

Fotos aus dem Leben von Dr. Kammer 6-9

I. Gemeinderechnungen 10-17

II. Der Bannwein 18-21

III. Frische Fische in Villingen gefangen 21-22

IV. Die Kunst der Fischzucht 23-24

V. Der Wald als Grundlage der Schweinemast 25-30

VI. Aus dem Villingener Gerichtsbuch 31-32

VII. Über das Dienstgeld von 1724 33

VIII. Die Reformation 34-43

IX. Die Schule 44-52

X. Der Schulhausbau und die Erhaltung 53-58

XI. Geschichte der Eisenindustrie im Horlofftal 59-68

XII. Auswanderungen nach Schlesien und

Russland im 18. Jh. 69-80

Impressum 81

Übersicht bisheriger Themen in den

Villingener Hefte 1 -4 84

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Vorwort Dieses 2. Sonderheft aus unserer Reihe Villingener Hefte widmen wir

dem unvergessenen Villingener Lehrer und Heimatforscher Dr. Paul Kammer. Es erscheint, wie das Sonderheft „Die Villingener und ihr Wasser“, außerhalb der durchnumerierten Reihe, zusammen mit dem regulären Heft Nr. 5.

Als wir, der Heimatkundliche Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen Kirche Villingen-Nonnenroth, im Spätherbst 2002 zusammenfanden und die Idee reifte, zukünftig regelmäßig über die Vergangenheit unseres Dorfes zu berichten hatten wir Paul Kammer schon als Vorbild vor Augen, kannten wir doch seine Veröffentlichungen bspw. in „Heimat im Bild“ der Beilage zum Giessener Anzeiger. Er wurde somit quasi auch zum „spiritus rector“ unserer Villingener Hefte.

Hat doch unser Vorbild recht früh die Vergangenheit rund um Villingen nicht nur seinen Schülerinnen und Schülern bewusst gemacht, sondern auch die archivarischen Unterlagen im Gemeinde- und Pfarrarchiv gesichtet und teilweise schon geordnet.

So konnten wir aus seinem Vermächtnis an schriftlichen Unterlagen, besonders seinen Aufsätzen, einige Anregungen gewinnen. Der Inhalt dieses Sonderheft es basiert fast komplett auf seinen Aufzeichnungen, andere Beiträge sind in den regulären Heften verarbeitet. Die Unterlagen sind über seine Kinder an Ludwig Heck und von da an das Gemeindearchiv gekommen.

Wir haben, um Wiederholungen mit bereits erschienenen Beiträgen zu vermeiden, teilweise seine Beiträge etwas kürzen müssen, teilweise haben wir neuere Erkenntnisse in Form von Fußnoten zugefügt. Wo es uns dinglich erschien haben wir Originaltexte, die von weniger geübten Lesern manchmal nur schwer zu lesen sind, durch Anmerkungen ergänzt.

Zum Schluss dieses Vorwortes noch eine gute Nachricht: Dieses Sonderheft erhalten unsere regelmäßigen Bezieher kostenlos, dieses und der günstige Einzelpreis der regulären Hefte ist möglich geworden durch die Spenden, die der Heimatkundliche Arbeitskreis in so vielfältiger Form erhalten hat, und für die wir uns bedanken, aber auch dadurch, dass alle Arbeiten an den Heften ohne jegliche Vergütung erfolgen.

Villingen/Queckborn im Juli 2003. Das Autorenteam: Wilhelm Konrad; Heinz P. Probst; Otto Rühl.

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Abb. Dr. Kammer mit seinen Schülerinnen und Schülern beim Kriegerfest im Jahr 1934. (Foto Privat)

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Dr. Paul Kammer Lehrer in Villingen 1932 bis 1939 Paul Kammer wurde am 1. Dezember 1901 als Sohn des Lehrers Heinrich Kammer in Gambach geboren. Kindheit und Jugendzeit verbrachte er in Ostheim bei Butzbach und Bettenhausen. An der Oberrealschule in Giessen legte er 1920 das Abitur ab. In Darmstadt wurde er zum Lehrer ausgebildet. Ab 1922 unterrichtete er an der Bürgerschule in Homberg/Ohm. Dort lernte er die Lehrerin Ellen Seesemann kennen. Beide waren tätig in einer Gruppe des jugendbewegten christdeutschen Bundes. Im Herbst 1924 heirateten sie. Von 1924 bis 1932 leitete Paul Kammer das Heim des christdeutschen Bundes in der Burg Hohensolms. Er und seine Frau arbeiteten dort auch in Lehrgängen der Heim-Volkshochschule mit. Sie verfolgten das Ziel einer ganzheitlichen Volksbildung, die Verstand, Gemüt, soziale Verantwortung und leibliche Gesundheit fördert. Von 1926 bis 1928 studierte Kammer an der Universität Giessen und promovierte 1930 über ein pädagogisches Thema. Zu Ostern 1932 kehrte Paul Kammer in den hessischen Schuldienst zurück und zog mit Ehefrau und vier Söhnen nach Villingen, wo im Herbst 1932 ein dreijähriger Sohn durch Fenstersturz tödlich verunglückte. Die Familie vergrößerte sich 1933 und 1935 um zwei Töchter. Kammer übernahm die Oberstufe mit dem 6. bis 8. Schuljahr. Auch hier bemühte er sich erfolgreich um eine ganzheitliche Unterrichtsgestaltung, z. B. die Themen „Waldgemeinschaft“ und „Deutsche in aller Welt“. Ähnliches hat die moderne Pädagogik wiederentdeckt im „projektorientierten“ Unterricht. Schulfahrten, damals noch nicht selbstverständlich, Wanderungen und Theaterspiel dienten dem gleichen Ziel. Ehrenamtlich betätigte sich Paul Kammer in der neu gegründeten Freiwilligen Feuerwehr und in der Bekennenden Kirche, gründete und leitete den kirchlichen Frauenchor. Von 1935 bis 1939 wurde er in Wehrübungen als Freiwilliger der Deutschen Wehrmacht zum Offiziersanwärter ausgebildet. Neben diesen vielseitigen Tätigkeiten nahm sich Paul Kammer die Zeit, die Villinger Chronik zu erforschen, Urkunden maschinenschriftlich zu erfassen und auszuwerten. Einiges verwertete er auch im Unterricht. Die bei seinem ehemaligen Schüler Ludwig Heck aufbewahrten Abschriften

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und Auswertungen umfassen etwa 100 Seiten. Es ist erfreulich und dankenswert, dass das Autorenteam des Heimatkundlichen Arbeitskreises diese Arbeiten in einer Sonderausgabe der Villinger Hefte einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich macht. Nach Beginn des 2.Weltkriegs wurde Paul Kammer im Oktober 1939 zur Deutschen Wehrmacht einberufen. Am 18.Januar 1944 ist er in Russland südlich von Leningrad als Oberleutnant und Kompanieführer gefallen. Seine Witwe Ellen Kammer unterrichtete von 1946 bis 1958 an der Volksschule Villingen die Unterstufenklassen. Laubach im Juli 2003 Dr. Ulrich Kammer

Abb. Ausflug unter Dr. Kammer, in Alsfeld am Pranger. (Foto L. Heck)

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Abb. oben u. unten: Märchenspiel am Borgelberg 1935. (Foto L. Heck)

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Abb. Oben Märchenspiel am Borgelberg, unten Zauberflöte 1934. (Foto L. Heck)

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Abb. beim Theaterspielen „das tapfere Schneiderlein“: Ludwig Heck u. H. Strack, 1933. (Foto L. Heck)

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1.) DIE GEMEINDERECHNUNGEN (16. und 17. Jahrhundert)

So lautet ein Aufsatz, den uns Dr. Paul Kammer hinterlassen hat und den wir als 1. Beitrag in diesem Sonderheft veröffentlichen, der Originaltext ist grundsätzlich nicht in („“) geschrieben, Zitate aus Original-Unterlagen sind kursiv dargestellt. Dr. Kammer schreibt:

Die Gemeinden hatten eine weitgehende Selbstverwaltung. An ihrer Spitze standen zwei Bürgermeister. Im 18. Jahrhundert war einer davon jeweils der „Oberbürgermeister“,1 d.h. er trug die Hauptverantwortung. Aus den Akten des 16. und 17. Jahrhunderts ergibt sich aber, dass die beiden Würde und Bürde ihres Amtes in allen Stücken gemeinsam trugen. Ihr nächster Vorgesetzter war der Schultheiß. Der Schultheiß war zwar auch ein ortsansässiger Bauer2, aber er war in sein Amt durch die Herrschaft berufen und vertrat die Herrschaft bei Gericht und in den kleineren Angelegenheiten der Gemeinden. Über dem Schultheiß kam dann der herrschaftliche Amtmann mit dem Sitz in Hungen. Die Dienstzeit der Bürgermeister war kurz, sie wechselten alle Jahre ab. Wer berief sie auf ihren Posten? Sie wurden „angenommen“. Sicherlich vom Schultheißen als dem Vertreter der Staatsbehörde. Aber sie wurden herausgenommen aus der Schar der „Nachbarn“ ohne Wahl, ergab es sich doch, dass die Bürgermeister die Vertreter des Dorfes waren. Die Bürgermeisterwahl ist erst 1819 eingeführt worden.3

Die Bürgermeister vereinigten allerlei Posten in ihrer Person: Sie waren zugleich Gemeinderechner; sie nahmen Steuern und Zinsgelder ein und verausgabten sie.4 Sie ersetzten aber auch das Finanzamt. Denn sie führten die Steuerveranlagung für ihr Dorf durch, zogen die Steuern ein und lieferten sie an die Herrschaft ab. In ruhigen Friedenszeiten spielte sich das ja nach gewohntem Brauch in Ruhe ab. Wenn aber Kriegszeiten kamen-

1 Er wurde erster Bürgermeister genannt. 2 Das kam zwar vor, war aber nicht die Regel. 3 Mit Einführung der Gemeindeverfassung in Hessen-Darmstadt. 4 Das konnten sie nur im Auftrag des Schultheißen, denn der Name Schultheiß ist bereits abgeleitet von „die Schuld einheißen“ er bediente sich der Bürgermeister als Erfüllungsgehilfen, dazu bringen wir einen extra Beitrag in Heft Nr. 7/VII.

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und die waren nicht selten- , dann waren besondere Kontributionen zu erheben, da war rasch ein Fuhrmann zu stellen, da verlangte ein französischer Offizier ein Reitpferd, da mussten bis zum anderen Morgen soviel Kugeln gemacht werden... für alles hatten die Bürgermeister zu sorgen. Es dabei jedem recht machen, die Kunst hat damals auch niemand verstanden, und so machte sich mancher Unmut über schwere Lasten Luft in einem herzhaften Geschimpfe auf den Bürgermeister. Unsere Gerichtsbücher geben davon manches Zeugnis.

Wir wollen nun die Rechnungen der Bürgermeister einmal durchgehen und daran sehen, worum sie sich alles zu kümmern hatten. Wir greifen dazu eine beliebige Rechnung heraus, die vom Jahre 1593.

Rechnung: Beider Bürgermeister Zu Vilden Gerhardt Madern Vnd Adam Zimmer, Von allen außgab Vnd Innam geltts die Anno 1593. Das ist der Titel. Er ist wie die Rechnung selber von der Hand eines

Schreibers. Das Titelblatt enthält aber auch einen Prüfungsvermerk. Die Behörde ließ durch den „Keller“, ihren Rechnungsbeamten in Hungen, die Rechnungen überprüfen. Damals hieß der Keller auch Keller5.

Computatum Nonrodt, den 25 Juni Ao. 94. Carl Keller Post tenebras lucem spero.

Computatum ist lateinisch und heißt: abgerechnet. Der lateinische Satz am Schluss der Seite, der fast auf jeder Rechnung steht, heißt: „Nach der Nacht hoffe ich auf das Licht“. Eine religiöse Note in dem kalten Zahlenbuch, wie das „Mit Gott“ auf der ersten Seite kaufmännischer Kassenbücher. Ein demütiges Wort: Man empfand sich in den Geschäften dieser Erde „in der Nacht“ und lebte in der Erwartung auf ein anbrechendes Licht!

Doch nun schlagen wir das Buch auf. Es beginnt selbstverständlich mit den Einnahmen. Zunächst kommt die Einnahme aus der Bede: „Innam Bede zu Vilden, Ao. 93.“ Was die Bede ist, behandelt ein anderer Aufsatz.6

5 mit Familienname. 6 Beachte hierzu auch einen Beitrag in Heft 8 dieser Reihe, der noch folgt.

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Über 6 Seiten hin werden nun die Bede-Zahler von Villingen aufgeführt. Da aus jener Zeit die Kirchenbücher fehlen, so bietet uns diese Zusammenstellung die Hauptquelle für die Kenntnis der damals hier lebenden Sippen. Darüber muss aber auch noch eine besondere Arbeit geliefert werden. Nach der „Inlendischen bedte“ kommt die „Innam Bede der Ausmärker“. Außer Langsdorfern, Hungenern, Langdern und Nonnenröthern finden wir darunter auch den Braunfelser Schultheißen Bernhardt Zaunschlieffer. Das zweite Haupteinnahme-Kapitel ist das „Innam Gelt gemeiner Pension Zu Vilden“. Pension heißt Kapitalzins, also hat die Gemeinde Kapitalien ausgeliehen, für die sie Jahr für Jahr Zins empfängt. Über dieses Gemeindekapital wird ein besonderes Buch geführt. Dann und wann kommt auch eine Kapitalrückzahlung. Unsere Rechnung hat eine Rubrik: „Innam gelt Ablößiger Pensiones“, auf der aber „Nichts“ vermerkt ist.

Nun käme noch eine Rubrik: Sonstiges, die heißt in unserer Rechnung: „Innam gelt Neben den Jar Renten“. Hier führt die Rechnung von 1593 auf: 1 fl. aus Äpfeln gelöst. In einem anderen Jahr sind es Birnen, die etwas eingebracht haben. Hier erscheinen die Einnahmen aus den Weiden, aus Verpachtungen, aus der Fischzucht u. dgl. mehr, dieses Jahr sind noch da: „...4 fl. Vor Weidt gelöst, haben vff Galli7 frische ochsen vff der gemein weidt8 gangen“. Dann werden 3 fl. „vor 9 leddern Eimer“ eingenommen, das ist nichts anderes als das „Feuereimergeld“, das noch heute jeder Jungverheiratete zahlt. (?) Bloß wurde damals tatsächlich ein Feuereimer dafür angeschafft! Stellen wir die Einnahmen zusammen: Inländische Bede 60 fl 7 t 13 & Außlendische Bede 3 fl 4 t 9 & 64 – 4 – 9 Summa gemeiner Pension 48 fl 7t 13 & 48 – 7 – 13 Sonstiges“(s.o.) 8fl - - 8 – 0 – 0

Summa allerr Innam dießes Registers thutt 121 – 0 – 4

7 Das Kleine u oft auch das U wurde als v geschrieben, Galli ist der Gallustag 16. Oktober. 8 Gemeinde Weide.

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Nun wenden wir uns den Ausgaben zu und wir wollen uns einmal bemühen, die kunterbunt durcheinanderstehenden Ausgaben in einigen Rubriken zu ordnen:

Die Bede. Alle Jar vnserm gln. Herrn zu rechtter bede 54 – 6 – 0 Beiträge zur Besoldung herrschaftlicher Beamter. Dem Amptman 1 fl Dem Keller 8 t Dem Schultheisen 6 t Dem Schreiber 1 fl 6 t 3 – 8 – 0

Besoldung der Gemeindebeamten Beiden Bürgermeistern 2 fl Dem Schulmeister Von der Wage 2 fl 6 t Den Nachttwechttern zu lohn 3 fl Dem Dorffknecht zu Jarlohn 2 fl Von der Vhr zu stellen, durchs Jar 1 fl Dem Dorffknecht zu leutten 2 fl 9 Dem Schweinhurten haußzinß 2 fl Dem Fürster 4 fl 18 – 6 – 0

Kirche und Schule. Dem Schulmeister Jargelt 2 fl 6 t (folgt noch einmal) 2 fl 6 t Dem Pfarher Zu Hoingn10 3 t 3 t 13& Schultheiß, Burgermeister vnd baumeister mit dem Pfarher vnd Schulmeister, vff Ostermontag verthan.11 16 t 6 – 7.- 13

9 Anmerkungen: Der Dorfknecht ist unser heutiger Ortsdiener. Er hat zeitweise auch die Uhr gestellt, später durfte sich das der Schulmeister verdienen. Zu den Gemeindebeamten kommen noch die Schützen, der Feld... u. Waldschützen. 10 Hungen war Oberpfarre für Villingen, darum trägt Villingen zur Besoldung des Hungener Pfarrers bei. 11 Der Schmaus am Ostermontag im Pfarrhaus war altes Herkommen. In der katholischen Kirche war es üblich, sich am Ende der Fastenzeit etwas besonderes zugute kommen zu lassen. Sogar in der Kirche ließ man nach dem langen,

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Übertrag: 83 – 3 –13

Gerichtskosten. Dem Gericht Zu den Vngebotten- 1 fl 2t 1 – 8 - 0

Gemeindehäuser Wege Brücken Pforten Pension dem Pfarher vom Hirtten- Hauß 1 fl Dem Schmit Vor allerhandt Arbeit am bronnen vnd brücken . 7 t Petter stroe von einer dreßen(?) zu machen 8 t Den Meurern Von der brucken zu Mauern 5 fl Johann Weidt vor Kalck an die Brucken 6 fl 9 t 2 & Vom offen12 vffm Rhathauß zu Machen 4 t Vor Negel13 an ein fisch kasten 1 t Vor diel an gemelt casten14 1t 6 & 14 – 6 – 8

Landesverteidigung. Den schützen vff S.Bestgestag nach alttem brauch 1 fl Den Hüttern im Pfingsthain 2 fl

schweren Ernst der Passionszeit den Frohsinn walten, der Kaplan machte vielleicht ein Witzchen, die Zuhörer lachten: das 0sterlachen. Und der Herr Pfarrer lud sich Gesellschaft ein, um das Ende des Fastens mit einem Schmaus zu begehen. Die Gemeinde half die Zeche zu bezahlen. 1598 strich der Hofkeller Keller diese Ausgabe, da durch Jahre hindurch die Einnahmen nicht hinreichten. Interessant ist noch, dass auch der Schulmeister zu dem Schmaus geladen war, ein Zeichen für die hohe Achtung, die er genoss (?). 12 Ofen 13 Nägel wurden damals noch von Hand geschmiedet. 14 Diel = Dielen oder Bretter, gemelt = Gemeldet = erwähnt, wohl für den vorher angeführten Fischkasten.

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Den schützen alß sie zum ersten Geschossen 8 t 14 & Vor dieI zu einer gemeinen scheib den schützen 5 t 6 & Darvon zu machen, Müller Curts 4 fl 8 – 2 – 2

Schmäuse bei allen Gelegenheiten Alß das Dienstgelt gesetzt worden 6 t Bey Vffhebung vnd liefferung der bede, durchs Jar 1 fl Bey erhebung des Veitkorns 1 fl 6 t Bey erhebung der Fursthaffer 6 t Verthan, alß die Steuer durchs Jar erhoben vnd gelieffert wordn 1 fl Vffgangn, alß die bede geändt 5 fl Alß Schultheis und Bürgermeister die Hürtten angenohmen. 1 fl Alß zu 2 malen brenholz außgeben worden 1 fl Alß das Eckern besehen worden... 1 fl 6 t Alß der waltfürster15 gedingt 6 t Zu Weinkauff, alß die gemein etliche Placken verkauft haben 1 fl Den Nachbarn zum scheffer wein- Kauff 1 ,fl Alß die Nachbarn im Mulngraben gew. 1 fl Den Nachbarn vom see graben zu raumen. 1 fl Übertrag dieser Rubrik 17 fl 6 t Übertrag der Seite... 23 – 10 – 10 Übertrag von Rubrik VIII 17 fl 6 t Den Meurern zu weinkauff alß die brücken verdingt worden 5 t 6 & Den Meurern vom ersten stein zu setzn 5 t 6&

15 Förster

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schloßwein, alß die brucken ge- macht gewesen 10 t 12& Alß die Herrnlenderei zu Nonrodt vnder die vier dorf’f zu eckern getheilt wordn 1 fl 4 t Die Nachbarn an bier verthan, alß sie den graben Im walt gegen hoing vffgeworffen 2 fl Alß Neu Burgermeister angenohmen wordn 6 t Vffgangn alß die gemeine Rechnung abgehört worden 7 fl 8 t (durch die beampten und Amttreger) 30 – 9 – 6

Feuerlöschwesen. Wie Burgermeister vnd Knecht die schornstein besehen 6 t 6- 0

Der Bannwein.

Cost der Banwein mit allen Uncosten 2 fl Hanß Michel verthan, alß er dem Amptman daz banweingelt lieff. 6 t 2 – 6 – 0

Almosen. An Arme, Brandgeschädigte aus Würzburg, Straßburg, Merlau, Basel, Steibach b. Hanau zusammen 5 t 10& 5 – 10

Restschulden an frühere Bürgermeister.

„Nachreich“ (sonst Receß) an Peters Bernhartten, Mattes Dieppel, Hanß Crell, Peters Weibert

zusammen 2fl 9 t 9& 2 – 9 – 9

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Summe dieser Seite 37 – 0 – 7 Übertrag der ersten Seite 83 – 3 – 13 Übertrag der zweiten Seite 23 – 10- 10

Summe aller Ausgaben 144– 12-12 Summe aller Einnahmen 121 – 0 – 4

Defizit 23 – 2 - 8 Das verbleibende Defizit musste den Bürgermeistern in den folgenden Jahren nachgezahlt werden. Zeigte sich Jahr für Jahr ein Defizit, so griff die Aufsichtsbehörde ein. Wir lesen hier zum Abschluss dieses Kapitels die Anordnungen des herrschaftlichen Kellers in der Rechnung von 1598: „DieWeill die Renten nit langen Vndt man Itzt von Vorigen Jarr 97 noch denselben burgermeister 23 fl 9 t 16 ½ & schultig Plieben, so sollen hinfüro die Feltschutzen Zu Vilden gleich wie an anderen Ortten auch breuchlich ist mit frucht vffm feltte gelonet, Vnd Inen weitter an gelt nichts Verrechnet werden. Vors Ander so soll auch die Zerung, so Jerlich Im pfarrhauß geschieht hinfüro Verpleiben. Dito Sollen Von den Neuen Bürgermeistern Bast Alhen Vnd Adam Dieppels Ihr Receß Zur helfft erstat Vnd verrechnet werden, mit der ander helfft sollen sie wartten biß der Almechtig wieder mastung bescheert16 Alßdan mögen sie sich selbst noch soviel schwein alß solches ertregt Vmb ihnen Vnd des vbrigen sich selbst bezahlt machen. Gleiche meinung solle mit den andern man noch schultig auch haben“.

Carl Keller

Die Gemeinderechnungen sind ein Spiegelbild der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zustände ihrer Zeit. Sie zeichnen zwar nur wenige dürre Striche, aber wir müssen versuchen, mit unserer Einbildungskraft Farben, Licht und Schatten zu diesen Strichen hinzuzumalen, damit ein lebendiges Bild davon entsteht. Die in dieser Mappe vereinigten Bilder17 sind so entstanden, dass zu dem Gerippe unserer Rechnungen aus Büchern Erlesenes und Erfundenes hinzukommt.

16 Gemeint ist die Schweinemast im Wald, also Bucheckern und Eicheln. 17 Bilder sind hier wohl von P. Kammer im übertragendem Sinne gemeint

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II. Der Bannwein

Über den Bannwein oder den „Bantwein“, wie die Alten sagten, hören wir zunächst den Verfasser der Villinger Chronik: „Vom bant wein gelt“.

„Das rühret da her die gemeinden im ampt hungen haben järlich müssen nehmen so fiel wein Von der Herrschaft von dem Zehenten wein und in die gemeind verzapfen müssen so hat Es dan die Gemeinden järlich fiel gekost wie zu Ersehen in den alten borgemeister rächnung. Aber Anno 1611 unterm borgemeister Hans Horst und Hans Hoff haben Schultheis Oswald Ruhll und das gericht mit dem hoch Seeligen Herrn Herrn Graff Moritzen zu braunfels accortiert alle mes zu Franckfurt mit 3 fl an den Hn. Keller in die ränterey zu bezahlen. Dut järlich 6 fl solches mus der Keller alle mal quitiren. Hier bei ist es Von 1611 bis dato geblieben. Wer Es will weiter nachsuchen nehme die borgemeister rächnung Von der nach Zeit Zu rück“

Ehe wir dieser Aufforderung des Chronisten Folge leisten, wollen wir uns kurz seine Erklärung der Bannweinsverpflichtung etwas genauer ansehen „Bann“ bedeutet überall, dass die Untertanen zu etwas gezwungen werden. Die „Bannmühle“ ist die Mühle, in der die Untertanen ihr Getreide müssen mahlen lassen. Die Zellmühle war im 18. Jahrhundert Bannmühle für das Villinger Gericht, und unser Gerichtsbuch enthält Strafen für solche, die in einer anderen Mühle hatten mahlen lassen. „Bannwein“ bedeutet also, dass die Gemeinden zur Abnahme einer bestimmten Menge Weines gezwungen werden. Woher hatte der Graf den Wein? Der Chronist berichtet, dass er ihn als Zehntwein eingenommen hatte. Nun reichte Solms-Braunfels freilich nicht ins heutige Weingebiet von Rheinhessen hinein. Aber wir wissen ja, dass es sogar in Villingen einen und den anderen Weingarten gab.

Aber Villinger Zehntwein scheint hier nicht dabei gewesen zu sein. Besser für den Weinbau geeignet waren die Gemarkungen Niederweisel, Griedel. Dort hatte der Graf auch eigene Weinberge. Und von dorther mag die Menge des Bannweines gekommen sein. Offenbar bekam der Graf nun soviel Wein, dass er ihn gar nicht alle trinken konnte. Zum Verkauf bei

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feinen Herrschaften mit verwöhntem Gaumen mag er sich auch nicht gerade geeignet haben, also mussten ihn die lieben Untertanen trinken.18

Das war nun jedes Jahr eine rechte Mühe, bis der Wein durch die Kehlen der Villinger geflossen war. Die vier Gemeinden des Gerichts taten sich dabei zusammen. Sie hatten wohl gemeinsam ein großes Bannweinfass. Das musste vom Küfer zuerst wieder zur Aufnahme des Weines vorbereitet werden. Das Fass scheint eine bestimmte Größe gehabt zu haben, denn wir lesen manchmal Ausgaben für die Eichung des Fasses.

Dann ging die Fuhre los nach Hungen oder nach Obbornhofen, den Wein in Empfang zu nehmen. Dabei treten nun immer Unkosten auf für „Schrotwein“ und für „Füllwein“. 1597 war das Fass nicht dicht gewesen, die Fuhrleute waren darum über Nacht ausgeblieben, wodurch die Unkosten noch erhöht wurden. War das Fass nun da, so wurde der Wein unter die Ortschaften verteilt. Ein Wirt bekam ihn zum Ausschänken. Dem bezahlte die Gemeinde auch einen Schenklohn für seine Mühewaltung. Die Gemeinde nahm für den Wein nur soviel ein, als sie auch an den Grafen ablieferte, die sämtlichen Unkosten trug die Gemeindekasse. Es waren im Jahre 1596 4 fl fürs Fahren, 1 fl 3 t fürs Ausschenken 8 t 6 & Vor drei Maß Fulwein, 11 t 2 & an (?)4 Maß Schrotwein vffgangen, 4 t 8 & dem Bender19 zu Lohn.

Das macht zusammen 7 fl 2t 16&

1594 passierte noch ein besonderes Missgeschick: Das Fass war nicht voll, war aber für voll bezahlt worden. Die fehlende Menge hatte also der Gemeindesäckel zu bezahlen, das machte: 2 fl 2 t.

Wir müssen also dem Chronikschreiber recht geben, nicht nur Unkosten, sondern auch viel Ärger brachte die Bannweinangelegenheit.

Von der Ablösung im Jahre 1611 haben wir ein Zeugnis in einem Zehrgeld, „Verthan alß sambtliche Schultheß Vnd Burgemeister bei V. g. H.20 angesucht wegen der Weinschenck vnd anderer beschwerung halber“.

18 und bezahlen 19 Fassbinder 20 V. g. H. = unserer gnädigen Herrschaft

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Wenn Villingen fortan eine Entschädigung von 6 fl zahlte, so kam dieser Betrag etwa den Unkosten gleich, die der Bannwein jährlich verursacht hatte, ja sie lag vielleicht noch darunter, wie im Jahre 1596.

In den Jahresrechnungen des 18. Jahrhunderts finden wir überall die beiden Bannweinquittungen von Frühjahr u. Herbst.

Vom Bannwein in der Grafschaft Hungen In dem Nachlass des Dr. Paul Kammer findet sich auch noch ein kurzer Aufsatz, der das gleiche Thema behandelt. Obwohl er im wesentlichen den gleichen Inhalt hat, wollen wir ihn hier wieder geben.

(Aus dem Villinger Gemeinde- Archiv)

In den Gemeinderechnungen des 16. Jahrhunderts füllen die Ausgaben für den Bannwein jährlich fast eine Seite. Große Unkosten und viel Ärger waren mit dieser Angelegenheit verbunden. Der Graf erhob wie von anderen Erzeugnissen auch vom Wein den Zehnten. An den Weinbau in unseren Gemeinden erinnern noch allenthalben die „Wingerten“, die sich in den meisten Fluren finden. Konnte nun die Hofhaltung über die Menge des Zehntweines nicht Herr werden, oder schmeckte dem Grafen das edle Gewächs seines Landes nicht, ließ es sich auch nicht verkaufen? Jedenfalls fehlte ihm der Abnehmer, und darum wurden die lieben Untertanen damit beglückt. Sie wurden zur jährlichen Abnahme eines gewissen Quantums verpflichtet. Das war nun alle Jahre eine rechte Mühe, bis der Wein durch die Kehlen der lieben „Nachbarn“ geflossen war. Da musste zunächst der Fassbender das „Bantweinfaß“ instandsetzen. Dann wurde es geeicht. Nun ging die Fuhre mit dem Fass los nach Hungen oder Obbornhofen, wo der Wein ausgegeben wurde. Dabei entstehen Unkosten für „Schrotwein“ und „Fulwein“. War die Fuhre zurück, so wurde das Fass einem Wirte zum Ausschänken anvertraut. Dem Wirt zahlte man einen Schenklohn für seine Mühewaltung.

Im Jahre 1596 zahlte sie für’s Fahren 4 fl, für’s Ausschenken /1 fl 3 t, für drei Maß Fulwein 8 t 6 &, für 4 Maß Schrotwein 11 t 2 &, dem Fassbinder 4 t 8 & das macht zusammen 7 fl 2 t 16 &.

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1594 verteuerte sich der Bannwein dadurch, dass das Fass nicht voll war und so ein Verlust von 2 fl 2 t entstand.

1597 war das Fass nicht dicht gewesen, die Fuhrleute blieben darum über Nacht aus, die Zeche musste die Gemeinde bezahlen. Ob dieser Belastung suchten die Gemeinden des Öfteren bei der Herrschaft an, bis dass sie im Jahre 1611 eine Ablösung der Bannweinverpflichtung erreichten. Villingen musste nunmehr jährlich 6 Gulden Bannweingeld bezahlen, 3 fl zur Frühjahrs- und 3 zur Herbstmesse in Frankfurt. Dieser Betrag kommt etwa an die jährlichen Unkosten des Bannweins heran. III. Frische Fische in Villingen gefangen

Auch bei diesem Beitrag folgen wir wieder einer Ausarbeitung von Dr. Paul Kammer, schade nur, dass er seine Beiträge nicht mit Datum versehen hat, denn auch von dem „heute“, von dem er schreibt ist einiges nicht mehr so wie dort beschrieben, er schreibt: Man glaube nur nicht, die Alten wären dümmer gewesen als wir und hätten weniger verstanden als wir. Wer versteht heute etwas von der Fischzucht? Doch die Villinger sind häufig und auch heute an der Fischerei in der Hubbach beteiligt. Aber ihre Vorfahren hatten einen eignen Gemeindefischteich. Davon geben uns die folgenden Rechnungsauszüge Kunde: Jahr fl – t - & 1557 9fl. 9t, 7&, verthann mit etlichen nachbarn wie wir die fisch auß

der leimkauten vnd in unseren sehe thatenn. 1561 10fl, 10 t, auß fischen gelöst. 1579 2fl, Wie der Sehe gefischt worden, vfgangen.

2fl , 4t. Alß wir Zu Lich nach den Fischen waren. 8 t, Einem Bothen, die fische Zu Lich vfzukunden.

1589 7fl, Vor etlich hundert setz karpen Zu Laupach gekauft. 1593 1t, Vor Negel an ein fischkasten

1t, Vor ein diel an gemelten Kasten.

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1598 7fl, den Nachbarn zu Nonrodt Vor setz Karben. 1601 24 fl. Einnahmen Vor 4 Centner fisch Caspar Seippen vndt

Velten Mullern verkauft. 3 fl. Vor 1 Centner dem Keller zu Hoingen 3 fl. Vor 1 Centner dem Pfarrher Zu Vilden 7 ½ fl. Ausgabe Vor 1000 setz Karben, den See wiederumb zu besetzen Vmb die Nonröder Gemein kaufft. 1 fl. 2 t. Weinkauf mit Keller und Schultheis. 5 fl. 7t. 10 &. Vffgangen alß der See gefischt worden in bei sein des Kellers, Schultheis u .andern

1603 42 f. auß Fischen gelöst

1607 2 t, Vor fisch dem Würth Zu Hoingen 3 fl 2 t, dem Keller Zu Hoing V. g. H. 3 fl 9 t, dem Hamerschmitt Zu Wetterfell 2 fl 6 t, dem Würth Zu Nonrodt 6 t, der Doctorn Zu Vilden 1 fl 6 t, Her Johan und Schulmeister zu Hoing 1 fl, von einzelnen Nachbarn

1608 6 fl, Einnahmen Vor Fisch 1609 6 fl, Einnahmen Vor Fisch 1614 9 fl 4 t, haben Bast Alnhenn vnnd Johannes Hoff Zum

ersten Ziel auß dem See erlegt. Also: Der See ist verpachtet!

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IV. DIE KUNST DER FISCHZUCHT

Auch dieser Beitrag entnehmen wir den Aufzeichnungen von Dr. Paul Kammer, er schreibt:

Friedrich Gaul veröffentlicht in seinem Buche über die persönlichen

und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bauernstandes im Fürstentum Solms-Braunfels (Jena 1904) folgenden Bericht: „wie die Teiche und Weiher mit Fischen neu zu besetzen sind“ aus dem Jahre 1563:

§ 1 Es sind breite und hochrückige Setzlinge Karpfen, zu nehmen.

Dieselben sind selbst groß zu ziehen, weil die Erfahrung lehrt, dass jährlich fremde und zugekaufte nicht gedeihen und schlecht wachsen, da sie das Erdreich und Bodennaß nicht vertragen.

Zur Zucht der Setzlinge sollen besondere Teiche benutzt werden. In jeden Teich darf nur eine oder zwei Leichmütter gesetzt werden; wirft man mehr hinein, dann wird die Brut zu groß und die Setzlinge können wegen der Übermaß nicht wachsen. Es darf kein Hecht oder Persing (Barsch) in den Teich kommen, denn die Hechte fressen die Brut und ein Persing einen dreipfündigen Karpfen. In besonderen Teichen sind die Hechte zu ziehen, welchen man 4,5-6 Leichmütter gibt.

§ 2 Die Teiche soll man morgens am 6. oder 7. Tag nach dem neuen

Aprilschein an einem freien, nicht windigen Tage besetzen. Im Februar dürfen die Teiche nicht zugemacht werden, es muss erst das kalte Schneewasser ablaufen.

§ 3 Die Karpfe liebt einen frischen guten Boden, denn sie verlangt viel

Nahrung. Im zunehmenden Monat Oktober soll gefischt werden; es lässt sich dann ein Karpfen von 2 ½ – 3 Pfund fangen; wie die Fischer überhaupt vor Michaelis nicht fischen, weil der Karpfen erst spät ins Gewicht legt. Alle Teiche, welche nicht zur Brut etc. Benutzt werden, sind den Winter über abzulassen, damit der Frost den Erdboden fein durchziehe. Da wird der Boden mürbe, es kann sich der Karpfen gut ein- schlagen und findet reichlich Nahrung.

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§ 4 Den Winter über wird gepfercht, im Mai kommt kurzer Schafmist in die

Teiche. Auch werden Schafe in solchen Teichen geschwemmt und gewaschen. Daneben werden aber die Karpfen auch noch wie folgt, gefüttert: Alte Fässer, deren Boden ausgeschlagen wird, füllt man mit Lehm oder Ton so weit, dass ein halber Schuh dick davon auf den untern Boden zu liegen kommt. Hierauf bringt man eine gleiche Schicht reinen, von Stroh befreiten Schafmist, dann wieder Lehm dann Schafmist usw. Ganz oben soll wieder Lehm sein. Solches muss im Mai geschehen. Wenn die Schafe geschoren sind. Sind die Fässer gefüllt, so wird auch der untere Boden ausgeschlagen und das Fass in den Teich gebracht. Dieses geht im Wasser unter. Die Karpfen aber wühlen von beiden Seiten so, dass das Fass leer wird und in die Höhe kommt. Dann füllt man das Fass nochmals und wiederholt dies im Sommer 3 – 4 mal. Man erhält dann so schwere Fische in einem halben Jahre, dass sich fremde mit diesen Kniffen nicht vertraute Personen nicht genug darüber wundern können.

§ 5

In so gedüngten Teichen wächst das Rohr und Schilf sehr gut. Da lässt man vor Sonnenaufgang am letzten Donnerstag vor dem neuen Mond vor Endtung oder Hundstag das Rohr ungefähr einen Schuh unter dem Wasser abhauen. Solches hilft; denn weil durch den Mond alle irdischen Körper regiert werden, und was im Wechsel des Mondes tut eins davon zunimmt, das andere aber vergeht, wie bei der Fällung des Holzes zu sehen ist, welches man eins im zunehmenden, das andere im abnehmenden Monde fällen muss. Es ist kein Zweifel, dass, wenn solches in der letzten Quart des Mondes geschieht, und wenn das Gras unter dem Wasser abgehauen wird, sodass es oben hinein fällt, auch der Hundsstern seine sonderbare Wirkung tut.

§ 6 Ist der Teich mit Eis bedeckt, kommt dann Tauwetter, so stehen die

Fische aus ihren Lagern auf und stoßen wider das Eis, hat man nun keine Achtung darauf, so sterben die Fische ab. In solchem Falle muss man Korn in einem Kessel sieden, und dieses den Fischen geben durch in das Eis gehauene Löcher, dann schlagen sich die Fische wieder ein.

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V. Der Wald als Grundlage der Schweinemast Heute ruht die Schweinemast auf der Grundlage des Kartoffelbaues.

Obwohl viel Getreide in den Schweinemagen geht, ist die Schweinezucht ohne die Kartoffel nicht denkbar.21 Die Kartoffel aber ist keine einheimisches, noch nicht einmal ein europäisches Gewächs. Sie ist im 18. Jahrhundert von Amerika zu uns gebracht worden und mit vieler Mühe von den Fürsten eingeführt worden. Bis dahin nutzte die Schweinemästung eine Futterquelle aus, die heute völlig verkommt: die Bucheckern und die Eicheln, die der Wald Jahr für Jahr spendet.

Das Eckern wird besichtigt und die Mast gesetzt

Der Herbst war herangekommen. Buchen und Eichen ließen ihre Früchte zu Boden fallen. Da gehen Schultheiß und Bürgermeister eines Tages in den Wald. Ob wir ein gutes Eckernjahr haben? Das ist ihre Frage. Das geübte Auge hat ja schon den Sommer über die Bäume betrachtet und abgeschätzt, aber ein richtiges Urteil kann man sich jetzt erst bilden. Sie stapfen durch die verschiedenen Bestände, der Fuß wühlt im Laub und das Auge sucht die kleinen eckigen Früchte auf dem Boden.

„Wir können eine volle Mast ansetzen“,

meint der eine Bürgermeister. „Als einmal langsam“, gibt der Schultheiß zurück22. Er guckt nur und sagt nicht viel, er wird als der Beamte des Grafen am Schluss des Besichtigungsganges schon seinen Entscheid sagen. Der Rundgang durch den Wald endet bei einem Imbiss im Wirtshaus, wo schon einige neugierige Nachbarn in einer Ecke sitzen, um gleich den Spruch des Schultheißen als neuste Neuigkeit ins Dorf zu tragen. „Also, es gibt eine volle Mast, und ihr könnt sogar noch 15 bis 20

21 Schweinzüchter würden sich heute wundern wollte man ihnen diesen Vorschlag machen, das zeigt aber wie schnell der Wandel voranschreitet, denn als Dr. P. Kammer diesen Satz schrieb traf er sicher zu, das hat sich im Zeitalter der Mastställe erheblich gewandelt, heute müsste man wahrscheinlich schreiben, dass die Grundlage der Schweinezucht internationale Futtermittelkonzerne und die Weltsojaproduktion ist. 22 P. Kammer setzt selbstverständlich voraus, dass die Beteiligten Dialekt sprachen.

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auswärtige Schweine dazunehmen.“ Die Bürgermeister schmunzeln, das gibt ein fettes Jahr.

Es ist ja klar, dass die Zahl der zu mästenden Schweine von der Größe der Eckern– und Eichelernte abhing. Wie viel Schweine es bei einer vollen Mast den einzelnen Nachbarn trug, zeigt weiter unten das Villinger Mastreglement von 1760.

Neben den Villinger Bauern trieben aber auch die Herrschaft und ihre Beamten Schweine in die Villinger Waldmast. Und zwar durften die Beamten als einen Teil ihrer Besoldung je 4 Schweine in einem Wald der vier Dörfer unseres Gerichtes haben.

Der herrschaftliche Schultheiß setzte also in Gemeinschaft mit den Dorfbürgermeistern die Zahl der zu mästenden Schweine fest. Zum Eintrieb der Schweine bedurfte es aber noch der Genehmigung der gräflichen Behörde. Diese wachte besonders scharf darüber, dass durch Waldarbeiten und durch die Waldweide die Jagd nicht gestört wurde. Die Schweine durften erst Ende September oder Anfang Oktober in den Wald, wenn die Brunstzeit der Hirsche vorüber war. War die Genehmigung da, so zog die Herde in den Wald. Mittlerweile hatte man dafür einen besonderen Schweinehirten gedingt. Er bekam etwas Geldlohn und ein Paar Schuhe für seine Tätigkeit.

Die Villinger nehmen Schweine in „Pension“

Die Bürgermeister haben inzwischen ihre Fühler ausgestreckt, um Zöglinge für ihre Schweinepension zu bekommen. Ein Jahr, da war schon im Sommer nachgefragt worden und man brauchte bloß eine Botschaft hinzuschicken; ein anderes Jahr, da sind zwei Mann zwei Tage lang unterwegs, bis sie die nötige Belegschaft gefunden haben. Drüben in der Wetterau, da gibt es waldarme Dörfer. Die müssten ihre Schweine rein mit Getreide füttern. Da sind sie froh, wenn sie ihre Borstentiere in einer anderen Gemeinde im Wald unterbringen können.

In den folgenden Rechnungsauszügen bekommen wir ein Bild davon, wer sich alles Speck aus unseren Wäldern holte:

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1561 , 1 t verthan als die weckelsheimer die schwein in die Eckern haben bracht.

2 t dem gebn ßo die schwein denen von weckelßheim hat kunder gethann her zubringen. 23

1591, 10 fl dieses Jar aus gemeiner atzung empfangen Von 8 schwein von etzlich Von Siedell24

1594, 32 ½ fl diß Jarr Von der Atzung auß dem Walt erhoben Von 15 schwein jede 2 fl 2 t

1594, 1 fl 1 t Zu Hoingen verzert alß die Menner von Dorheim, Schwalheim Vnd Ossenheim die Schwein gebracht.

1594, 2 t Einem von Dorheim an einem schwein nachgelassen, hat unß die Schwein ausgemacht.25

1597, 24 fl 9 t Auß Eckern gelöst Von 18 schwein Von jeder 1 fl 4 ½ t Von denen Von Wilfersheim.26

1597, 6 t Bürgermeister verthan, A1ß sie Nacher Mast Schwein 2 tag auß gewesen.

1598, 12 fl Von 12 Schwein so in der mastung gewest Von Obernhofen vnd Groningen27.

1606 27 fl Mastgeld Von den Steinfurt Ingenohmen.

1606, 10 fl 1o t Mastgelt Von 12 schwein von den Westphälisch jede 10 t 1 &

1606, 4 fl Mastgelt Von Obernhöffern

23 Es wurden also offenbar für die Vermittlung der Schweinemast so eine Art Provision gezahlt. 24 Södel 25 siehe vor- vorangehende Fußnote. 26 Wölfersheim 27 Grüningen

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Mastreglement Vielden

Anfangs hatte die Gemeinde selbständig über den Wald und auch über die Mast verfügt. Dann hatte der herrschaftliche Schultheiß das Verfügungsrecht bekommen. Schließlich setzte der Graf Oberförster ein, die nun auch über dem Schultheißen standen und als gräfliche Beamte den Wald verwalteten und auch die Mast regulierten. So bringen die Rechnungen des 18. Jahrhunderts Auslagen des Herrn Oberförsters bei Besichtigung der Mast. Noch etwas wurde anders. Die Beamten durften so viele Schweine treiben. Aber sie konnten sie weder selber essen, noch konnten sie als Schweinstreiber nach Frankfurt wandern, um ihre borstige Besoldung dort in Geld zu verwandeln. So strebten sie danach, dass ihnen ihre Mastgerechtigkeit an Ort und Stelle versilbert werde und erreichten das auch. So quittiert der Oberförster Block im Jahre 1753:

„... den Empfang von 3 fl für Mastgerechtigkeit, und der Hofkeller Seipp erhält 1775 25 fl Mastgeld“.

Die Ablösungssumme war nicht jedes Jahr gleich, sie richtete sich eben nach dem Ausfall der Eckernernte und der daraus abgeleiteten Zahl der zu treibenden Schweine. Woher sollte aber nun die Gemeinde das Geld nehmen? Es war ihr ausdrücklich zugestanden worden, dass sie auf die von den Beamten oder auch der Herrschaft nicht benutzten Mastplätze „Pensionsschweine“ annehmen durfte, so dass sie also das abzuliefernde Mastgeld von den Wetterauer Bauern wieder einnahm.

Hier folgt nunmehr die Aufstellung der im Villinger Wald zu treibenden Schweine:

bei voller Eckernmast im Jahr 1760

1. Für gn. Herrschaft 50 Stück

2. Für Rat Schettler 4

3. Für Rat Sames 4

4. Für Pfarrer Achenbach 4

5. Für Hofkeller Seipp 4

6. Für Sekretarius Rollwagen 4

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7. Für Gerichtsschultheiß 3

8. Für den jungen Weber 2

9. Für den Förster Nürnberger 2

10. Für die 4 Gerichtsschöffen 4

11.Für die 2 Kirchenseniores 2

12. Auf 78 Mann Ackerleute je 4 Stück 312

13. Auf 44 Einläufige je 2 Stück 88

14. auf 20 Auszügler je 1 Stück 20

15. Dem Kirchenbau- u. 2 Bürgermeistern 3

16.Dem Schulmeister 1 28

17. Der Hebamme 1

18. Der Herrschaftlichen Mühle 2

19. für Unkosten 8

20. Dem Forstbedienten 429

28 an anderer Stelle schreibt Paul Kammer, als der Schulmeister zum Mahl geladen war: „das zeigt wie geachtet der Schulmeister war“, dabei neigte er offenbar dazu, den eigenen Beruf deutlich in der Historie aufzuwerten, gerade die geringe Anzahl von einem Schwein, das der Schulmeister austreiben durfte, stellt im Verhältnis zu den anderen öffentlich Bediensteten diese Aussage ins richtige Licht. Das Lied „vom armen Dorfschulmeisterlein“ dürfte da die Situation wohl richtiger beschrieben haben. 29 Die Gesamtzahl der Schweine zeigt, wie stark der Wald damals belastet wurde von dieser Schweinemast, es dauerte noch einige Generationen bis diese Waldgerechtsame abgeschafft werden konnte, in dieser Zeit haben sich gerade bekannte Forstleute für die Abschaffung eingesetzt. Zu der Schweinemast kam ja noch die Streunutzung, das heißt den Laubwäldern wurde ihr abgeworfenes Laub genommen, um Ställe auszustreuen und als Futterersatz. Trotzdem erscheinen uns die heute über 100 jährigen Wälder, gerade die Mischwälder, sehr stabil. Heute hält man an vielen Orten den Wildbestand für viel zu hoch, um einen artgerechten Wald hoch zu bekommen. Wie sich die Zeiten doch geändert haben!

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Abb. In Heimat im Bild, Beilage zum Giessener Anzeiger findet sich in Nr. 24 von 1937 ein Beitrag von Dr. Paul Kammer zu dem Thema Villinger Schweinemast.

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VI. Aus dem Villingener Gerichtsbuch

Auch Dr. Paul Kammer war offenbar von den Villingener Gerichtsbüchern genauso fasziniert wie wir, die Mitglieder des Heimatkundlichen Arbeitskreises, denn auch er hat einige Fälle in seinen Hinterlassenschaften festgehalten. Aber sie sind auch schon eine schöne Bereicherung unserer Beiträge.

Ungebott gehalten Mittwoch den. 7. tag Oktobris ao 1607 Zv Vilden.

Peter der Jäger Von Bircklar bringt rugbar30 an, das Folgende sind ohn erlaubnuß von der jagt heimwertz gang

• Hanß Ruel der altt

• Adam Ruel

• otto vnd Hanß Gerich sohn und vatt

• Jorg Schütz

In rugsachen des Jägers Peters, gegen vnd wieder oberzelte Vngehorsame Erkent ein Erbar gericht, d(a)z hierfor breuchlich gewest do fern imandt an den jagten seumhafft gewest, er soll solches dem Jäger mit 2 tornosen soll biessen müssen, lassens solches bei altem herkommen.31

Ungeboth gehalten Zu Vilden Donnerstag den 25. 9.bris ao 1652.

Veyts Daniel Pfarr, Schultheß clagt wieder Johann Jacob Meyern wie das Er den ackerleuthen Dinstbrot ausgetheylet, So hette Er Ihm sein antheill brots Vor die Fueße geworfen vnndt darzu sacramints geflucht, ob Er daran recht gethan stellt er solches zu gerichtlicher ercantnuß.

30 rügbar 31 wenn sie die alte Sprache schlecht lesen können, versuchen Sie mal es sich laut vorzulesen.

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Jacob Meyer gestehet die anclage, jedoch weyl andere zusamen gespannet, eben so Viel brots bekomen, Er aber darahn Verkürzet werdn wollen, so hielte Er davor ihm so Viel alß andern gebüren möchte.

Beschaydt

Demnach Johann Jacob Meyer Dem Schultheßen d(a)z liebe brots Vor die fueß geworfen vndt darbey sacraments geflucht, Soll Er solches V. gn.32 Herrschafft mitt 1 fl Vnndt dem gericht mitt seyner Gerechtigkett verbueßen. 33

Abb. eine Doppelseite aus einem der Gerichtsbücher von Villingen.

32 Unserer gnädigen ... 33 In Heft 2 dieser Reihe haben wir über die Rechtssprechung dieser Zeit und die Solmser Landordnung ausführlich berichtet.

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VII. Über das Dienstgeld von 1724 Copia von Conrad Zimmers Hand Extractus.

Einer unterm 24 May dieses laufenden 1724 Jahrs beschehener Herrschaftlichen genäthigsten Verordnung wegen Moderation des angesetzten und von Ihro Keyserlichen majestät aller genethigsten gebiligten Dinst geldes in der Herrschaft Hoingen so mit dem anfang des dritten quartals fät den 1 July dieses Jahrs angehen Soll

alter fus neuer fus

fl – xer fl

15- 44 Ein mit pferten doppelt bespanter unterthan 15

10- 24 Der nuhr Ein pfert hält. 8

13- 52 Der 2 ocksen hält 10

6- 56 Der nuhr Einen ocksen hält 5

5- 12 Ein Einläufiger 4

Da Vor die dienstbahre unterthanen aller diensten auser der hoff- oder burck dinsten und briefftragens dem herkommen gemäß in gleichem die Junge Eheleuthe Ein halbes Jahr gäntzlich befreiet Seyen Sollen.

Extratiert und publicirt Hungen den 26 may 1724.

In Hoch gräfflicher Cantzley

hie Selbst34.

34 Die neue Festsetzung des Dienstgeldes hängt mit einem Prozess zusammen den die Untertanen gegen ihren Landesherren anstrengten, siehe hierzu „Aufstand im Amt Hungen“ Heft 3/V Villingener Hefte.

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VIII. Die Reformation

Die evangelische Bewegung erfasst unser Dorf.

(Jeder Historiker der sich mit der Vergangenheit von Villingen befasst, stößt unweigerlich auf zwei ungeklärte Fragen:)

1. Wann ist der Ort wohl entstanden?

2. Wann wurde zum erstenmal die Reformation eingeführt?

So hat auch Paul Kammer im folgendem Beitrag fast alle Argumente zusammengefasst, um zum mindesten den 2. Zeitpunkt zu belegen, auch wir vom Heimatkundlichen Arbeitskreis haben uns an beiden Fragen schon fast „die Zähne“ ausgebissen. Historiker sollen nur die Fakten sprechen lassen, die sich aus den historisch verbürgten Unterlagen ergeben. So kommen wir leider auf Grund der vielen Widersprüche in den Gemeinde-Unterlagen, besonders in der Chronica (1606), zu dem Ergebnis, dass die Einführung der ersten Reformation in ihrer lutherischen Ausprägung nicht auf das Jahr zu beweisen und zu belegen ist. Obwohl in verschiedenen Beiträgen dieses Einführungsdatum immer mehr eingegrenzt werden konnte, so bisher zuletzt in dem Beitrag über die Sakramentsnische an unserer Kirche (Heft 4/X), vielleicht ist uns das Schicksal ja einmal besonders gut gesonnen und wir machen den entscheidenden Fund in einem Archiv.

Obwohl wir über dieses Thema schon mehrfach berichtet haben:

Heft 1 Kirche in Villingen

Heft 2 ehem. Pfarrhaus

Heft 3 Pfarrer, die in Villingen wirkten.

Heft 4 Ein Werkstein an der Kirche in Villingen.

Wollen wir aber auch den Beitrag von Dr. P. Kammer in vollem Umfang veröffentlichen, damit der Leser vergleichen kann, sind die Schlüsse, die wir gezogen haben, mit denen von einem anderen Historiker gleich oder finden sich Abweichungen. Lassen wir nun Dr. P. Kammer zu Wort kommen:

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Warum sollte die Kunde von der Tat des Wittenberger Mönches nicht auch schon bald in unser Dorf gedrungen sein? Ob unsere Vorfahren jener Zeit am Wege gestanden haben, als Luther von Alsfeld kommend über Grünberg nach Friedberg und weiter nach Worms reiste und dabei durch unsere Heimat kam? Wir haben dafür keine Zeugnisse. Wir haben aus jener Zeit nur wenige Anhaltspunkte, nach denen wir uns den Verlauf der Ereignisse zusammenstellen können. Aber unser Dorf liegt ja nicht irgendwo versteckt oder aus der Welt. Es hat damals ebenso lebhaften Austausch mit der ganzen Landschaft gehabt wie heute. Und darum hat es sicherlich innigst teilgenommen an den Ereignissen, die die Gemüter in anderen Dörfern unserer Nachbarschaft und des Solmser Landes bewegten.

Nach Griedel und Gambach sind häufig Villinger gekommen. Man holte Bausand, die Schützen zogen aufs Schießen, man besuchte die Märkte dort drüben, und warum sollte man nicht auch Verwandtschaften dort haben? Und dort drüben hatte Luther schon 1525 einen Künder seiner Lehre, der das Volk in Bewegung brachte. Es war der Pfarrer Kaspar Göbel in Rockenberg. Er hatte auch ein Amt in Butzbach. Aber dort ließ man ihn nicht auf die Kanzel, weil er dem Luther anhing.

Da ist der wackere Mann vor’ s Tor gezogen und das Volk hinterher, und er ist auf einen Baum gestiegen und hat von dort seine Predigt getan. Und das geschah nicht einmal, sondern oft. Da sind dann auch die Leute aus der Umgegend hingeströmt haben gelauscht, sind gepackt worden und haben es in ihre Dörfer getragen. Von dem Dorfe Grüningen ist das durch ein Dokument bezeugt. Da hatte ein Weihbischof von Mainz, der ein Grüninger Kind war, der Gemeinde 700 Gulden geschenkt, 270 Gulden sollten zu besonderen (katholischen) kirchlichen Veranstaltungen dienen.

Als es an die Vollstreckung des Testaments ging, stellte ein ebenfalls von Grüningen stammender Beamte fest, dass man der Gemeinde diese neuen Messen u. dgl. nicht zumuten könne, da sie von im Lande umgehenden Änderungen erfasst sei, und er schlägt vor, statt dessen mit dem Gelde ein an den Landgrafen gefallenes Stück für die Gemeinde zurückzukaufen.35 Warum sollte nicht unser Dorf ebenso von der neuen

35 Dieses Beispiel wird von vielen Historikern genannt und ist in der Tat ein Beweis dafür, dass damals die lutherische Bewegung Fuß faste, aber leider bisher eben nur für Grüningen belegt.

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Lehre beeinflusst gewesen sein wie Grüningen. Erst recht, nachdem sein Pfarrer ebenfalls zu Luther hinneigte. Und das geschah bald. Im August 1549 fand in Hungen und seinem Filial Langsdorf eine Kirchenvisitation statt. Die Mainzer Kommission, die sie abhielt, berichtet, dass „... alle Pfarrer beweibt, lutherisch und schismatisch seien, und unterer beiderlei Gestalt communicieren, in iren Kirchen keine Sacramente haben und keine Ceremonien halten“.

In Villingen sind sie damals nicht gewesen, sicherlich aber war unser damaliger Pfarrer auch nach Hungen geladen, denn Hungen war für uns ja die Oberpfarre. Er gehörte daher auch zu denen, die „beweibt und lutherisch“ waren.36 Und er hat sicherlich die Gemeinde vom katholischen Brauch entwöhnt. Denn 1557 verkaufen die Kirchbaumeister den Weihkessel. Bis es aber ans Verkaufen gehen konnte, musste das Ding schon völlig überflüssig geworden sein und vergessen in der Ecke gestanden haben. Zwar macht man noch Kerzen, aber die brennen in lutherischen Kirchen heute noch. Einige Aufzeichnungen in dieser Kirchbaurechnung sind dem Sinne nach noch nicht klar. Vielleicht bestätigen sie noch deutlicher, dass damals schon die neue Lehre Eingang gefunden hatte.37

36 Das ist aber leider nicht durch Urkunden belegt, sondern eine reine Annahme, wenn sie auch eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufweist. 37 Dem stehen allerdings einige Eintragungen in unserer Chronica (1606) entgegen, dort heißt es nämlich:

• „Anno 1558, dem Pater (...) auf Pfingsten 2 ½ Gulden gegeben; • Anno 1559 u. 1560, Haben die Kirchweih gemacht und (...) der Pater mit

den Weibern Wachskerzen gemacht auf Ostern; • Anno 1565, haben einen Pater zu Wölfersheim hierher geholt; • Anno 1670 dem jungen Pater Caspar einen neuen Chorrock machen

lassen, (...) noch Wachskerzen gemacht“. (Chronica Seite 69-71) Auch in den Gemeinderechnungen von Villingen finden wir noch nach 1550 Hinweise, dass da noch nach altem Ritus gehandelt wurde, so in den Jahren 1557/1558, da heißt es nämlich noch: „8 t vor Wagß in der Kirch Kertze gemacht ...“. (siehe Heft 1, Seite 35 dieser Reihe) An anderer Stelle hören wir, das wohl in Arnsburg Hostien geholt und bezahlt worden sind. Also, deutliche Hinweise darauf, dass da die Reformation noch nicht eingeführt worden war, oder?

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Abb. Kirche von SW. (Foto HPP)

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Abb. Kirche Innen. (Foto HPP)

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Abb. Kirche Innen, Rekonstruktion der Sakramentsnische in der Kirche. (Foto und Skizze HPP)

Abb. Kirche Innen, Reste der Piscina. (Foto HPP)

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Valentin Rabe in Villingen

In Friedberg lebte ein Burgrentmeister Johann Wiedemann, genannt Saltzcastner. Er hatte einen Stiefsohn, Valentinus Rabe, der von Fulda gebürtig war.

Diesem gab der Abt von Fulda im Jahre 1531 das geistliche Pfarrlehen auf St. Johannisberg bei Nauheim. Rabe genoss die Einkünfte dieses Lehens, sollte damit studieren, musste jedoch auf seine Kosten die Pfarrstelle besetzen. Sein Stiefvater schickte ihn auf die lutherische Universität Marburg. Das kennzeichnet einerseits den Fortschritt der Reformation in Friedberg. Das ist aber für Villingen darum von Wichtigkeit, weil dieser Valentin Rabe 1561 und einige Jahre länger unsere Villinger Pfarrstelle innehatte. Er ist der erste namentlich bekannte lutherische Pfarrer unserer Gemeinde.38 Er scheint allerdings kein besonders bedeutender Mann gewesen zu sein, denn das Reformationsbuch weiß von seiner pfarramtlichen Tätigkeit nur zu berichten, dass er einmal in Villingen war. Er hatte bis in die 4oer Jahre seine Pfründe auf dem Johannisberg inne. Wo er vor 1561 und nachher gewesen ist, davon gibt das Reformationsbuch keinen Aufschluss3940.

Die Durchführung der Reformation im Solmser Land

Über die Grafschaft regierte in der Reformationszeit Graf Bernhard III. Er sah zwar die Berechtigung der lutherischen Angriffe auf die alte Kirche ein und empfahl, Zugeständnisse zu machen.

Den Entschluss, zur neuen Lehre überzutreten, konnte er nicht fassen, er blieb bis zu seinem Tode der katholischen Kirche treu.

Ihm folgte im Jahre 1547 der kluge und feinsinnige Graf Philipp. 38 Siehe Heft 3/I, Seite 5, Villingener Hefte 39 dazu findet sich ein Randvermerk von Pfarrer Köhler in der Chronik: „1561 war Valentin Rabe Pfarrer in Villingen. Die Reformation ist im Solms-Braunfels’schen Land 1555-1560 unter Graf Philipp eingeführt worden. Sein Sohn, Graf Konrad, führte im Jahre 1581 das reformierte Bekenntnis ein“. Damit werden die Widersprüche noch offener, einerseits kommt bis 1570 ein Pater Caspar vor, der nach allem, was wir hören noch katholisch war, anderseits bereits Valentin Rabe. 40 Nach D. Dr. Diehl „Hassia sakra“ ging er von Villingen nach Gronau bei Bad Vilbel 1579.

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Er war ein Anhänger der neuen Lehre. Aber die Macht, die der Kaiser zur Zeit seines Regierungsantritts hatte, das Schicksal Philipps des Großmütigen, der in der Gefangenschaft schmachtete, hielt ihn davor zurück, in seinem ganzen Lande die Reformation aufzurichten. Deshalb duldete er aber doch die lutherische Lehre in seinem Lande, wahrscheinlich hat er sie sogar gefördert.

Wir sahen ja, wie 1549 die Hungener Pfarrer alle lutherisch waren. Nachdem der Passauer Vertrag die politischen Gefahren für die protestantischen Fürsten beseitigt hatten (1552)41, trat Philipp offen zur Sache Martin Luthers über. Nun bekamen alle Pfarreien lutherische Pfarrer, Villingen seinen Valentin Rabe42, dem 1565 ein Herr Caspar folgte.

In der Villinger Chronik lesen wir: „...Das hat dan gestanden bei der Catolischen Religion bis Anno 1587. Die Reformation ist geschehen unter ihro hoch Gräfliche gnaten Herrn Graf Conrad von hoingen und vom Hn Doktorem Olivianum von heidelberg. Oswalt ruhl ist baumeister alhier gewesen hat den 1 lob wasser in die Kirch gekauft auch was die Hn

41 Passauer Vertrag (1552). Hatte Moritz von Sachsen durch unerwarteten Stellungswechsel (»Judas von Meißen«) den Schmalkaldischen Bund geschwächt und dessen Niederlage gegen Karl V. bei Mühlberg (1547) verschuldet, so wurde er durch abermaligen Frontenwechsel zum Retter der Reformation. Offiziell im Dienst des dt. Ks. stehend (Belagerung der reichsgeächteten Stadt Magdeburg), konspirierte er gegen ihn mit dem frz. Kg. (Preisgabe dt. Reichsstifte Cambrai, Metz, Toul, Verdun). Begünstigt von dem habsburgischen Familienzwist um die Nachfolge Karls V., konnte er einen Handstreich gegen den dt. Ks. wagen, der sich der Gefangennahme gerade noch durch Flucht entziehen konnte. Erschreckt löste das Trienter Konzil sich auf (Frühjahr 1552). Ferdinand von Österreich griff nicht ein, für ihn war die Türkengefahr schlimmer. Er wurde daher auch Mittler neuer Verhandlungen zw. Ks. und prot. Reichsständen. Das Ergebnis war der P. V. (August 1552), nach dem Nürnberger und Frankfurter Anstand die dritte Prolongierung des in Augsburg 1530 in Aussicht genommenen dt. Reformkonzils, zu dem Karl V. sich mit dem Augsburger Interim erneut willens gezeigt hatte. Der Vertrag von 1552 war also ein Stillhalteabkommen, von dem die prot. Fürsten am meisten profitierten, ausgenommen Moritz von Sachsen, der bereits im Jahr darauf (1553) verstarb. 42 Valentin Rabe kam erst 1561 nach Villingen, siehe auch bei Dekan Dr. Wilhelm Diehl, einem profunden Kenner der Reformationsgeschichte, in „Hassia sacra“ Bd. IV, Seite 155 und Randvermerk von Pfarrer Köhler in unserer Chronik.

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geistlichen verzert wie zu sehen in seiner baurechnung. Anno 1587 und 1588.“43

Leider ist die Baurechnung, auf die er sich stützt, nicht mehr vorhanden. Sie würde uns das Bild dieses Ereignisses von 1587 noch lebhafter erscheinen lassen, als diese Notiz. Es ist nach dem oben Gesagten ein Irrtum, wenn die Einführung der Reformation auf das Jahr 1587 gelegt wird. Es handelt sich nicht um die Reformation, sondern um die Aufrichtung des reformierten Bekenntnisses und die Einführung fester kirchlicher Ordnungen nach der bewegten Übergangszeit.

Graf Konrad hatte in Straßburg studiert und war von einem zur Lehre Kalvins hinneigenden Lehrer aufs stärkste beeinflusst worden. Seine Verwandten und Freunde in Dillenburg hatten sich der reformierten Lehre angeschlossen. So wurde auch Graf Konrad ganz zur reformierten Lehre hinübergezogen.

Nach dem Tode seines Vaters (1581) begann er, auch in seinem Lande das reformierte Bekenntnis aufzurichten.44

43 Hier liefert uns die Chronika ein weiteres Argument gegen eine schon sehr frühe Reformation in Villingen; „Das hat dan gestanden bei der Catolischen Religion bis Anno 1587.... 44 reformierte Kirchen, eine Sammelbezeichnung für die Kirchen, deren Entstehung v.a. auf das Wirken der oberdeutschen und schweizerischen Reformatoren (T. Beza, M. Bucer, H. Bullinger, J. Calvin, G. Farel, J. Oekolampad, U. Zwingli u.a.) zurückzuführen ist. Die reformierten Kirchen bilden einen Hauptzweig des Protestantismus, sind heute v. a. in der Schweiz, den Niederlanden, Nordwest-Deutschland (Evangelisch-reformierte Kirche; Lippische Landeskirche), Schottland, Rumänien, Ungarn, Südafrika, Süd-Korea und den USA verbreitet und gehören in ihrer Mehrheit dem Reformierten Weltbund an. Ihre Theologie baut maßgeblich auf den Lehren Calvins (Kalvinismus) auf. Wichtige Bekenntnisschriften sind: das Vierstädtebekenntnis (Confessio Tetrapolitana; 1530), die Helvetischen Bekenntnisse von 1536 und 1566 (Helvetische Konfession), der Heidelberger Katechismus (1563) und der Genfer Katechismus (1545). Die Kirchenverfassungen sind presbyterial-synodal und verzichten auf das Bischofsamt (Presbyterianer). Die Kirchengemeinden werden meist durch eine presbyterial gegliederte Gemeindeleitung geleitet, bestehend aus vier Leitungsdiensten: Pfarrer, theologische Lehrer, Presbyter (Älteste), Diakone. Die Leitung der einzelnen Kirchen erfolgt durch paritätisch zusammengesetzte

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Für den 7. September 1582 schrieb er eine Synode in Hungen aus, auf der er die Grundsätze der neuen Kirchenordnung darlegen ließ. Kirchenbuch wurde die kurpfälzische Agende, Lernbuch der Heidelberger Katechismus, der seitdem in unserer Gemeinde zu Hause ist. Der Übergang vom Luthertum zum reformierten Wesen vollzog sich nicht von heute auf morgen, und die Visitation von 1587, um die es sich wohl in dem Chronikeintrag handelt, hat wohl wirklich erst für uns die endgültige Befestigung der neuen Kirchenordnung gebracht.

Kaspar Olevian, der Verfasser des Heidelberger Katechismus, stand dem Grafen als Ratgeber zur Seite. Sein Einfluss auf unser Land war sicher stark, wirkte er doch auch seit 1584 an der Hohen Schule zu Herborn u. half dort den Pfarrerstand erziehen.

Dem Grafen Conrad war es ernst mit den kirchlichen Bestrebungen und Einrichtungen. Die Frömmigkeit zu fördern, war ihm Herzenssache, er selbst ging seinen Untertanen mit einem christlichen Beispiel voran und hielt es nicht unter seiner Würde, an den Kirchenvisitationen teilzunehmen und die Gemeinden zu einem gottseligen Wandel zu ermahnen.

Sein Wahlspruch war das Wort des Apostels Paulus (1.Thim. 8):

„Die Gottseligkeit ist zu allen Dingen nütz und hat die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens“.

Jeden Morgen und jeden Abend hielt er in seiner Familie eine Andacht aus Gottes Wort. Beim Gottesdienst erschien er unter den ersten in der Kirche und brachte seine Bibel mit. Den Predigttext hörte er bei aufgeschlagener Bibel sorgfältig an und hatte Freude am Gesetze Gottes. Daher kannte er die Bibel so genau, dass er alles mit Bibelstellen belegen konnte.45

Wie er das Schulwesen tatkräftig gefördert hat, wird an anderer Stelle berichtet.

Synoden. Die Kirchengebäude der reformierten Kirchen zeichnen sich durch die Schlichtheit der Gottesdiensträume und das Fehlen von Bildern und figürlichen Darstellungen aus. (Brockhaus, 2001) 45 Pfarrer Himmelreich, Graf Konrad zu Braunfels, in Greifensteiner Chronik.

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(Den Aufsatz über die Schule von Dr. Paul Kammer bringen wir gleich hier im Anschluss)

IX. Die Schule

Graf Konrad als Schulgründer.

(Aus Himmelreich, Graf Konrad zu Solms-Braunfels.)46

Graf Philipp scheint hier und da eine Schule angelegt zu haben, sein Sohn Konrad setzte dieses Beginnen mit Eifer fort. Er wusste, es gab kein besseres Mittel, um sein Volk über den wahren Gott, seinen Dienst und die wahren Pflichten des christlichen Lebens zu belehren, als die Errichtung von Volksschulen. Leicht war dieses Werk nicht. Denn es kostete Geld. Vielfach hatte er auch mit Widerstand zu kämpfen; denn ein regelmäßiger Unterricht war etwas Neues und Ungewohntes. Doch er ließ nicht nach. Da, wo es am Mitteln gebrach, stattete er die Gemeinden mit Ländereien aus, die besser gestellten Orte nötigte er, Mittel bereitzustellen. So gelang es ihm nach und nach, überall Kirchspielsschulen einzurichten und Lehrer anzustellen, welche Knaben und Mädchen in der Gottesfurcht und christlichen Lehre unterrichteter Die von dem Herborner Professor Zepper herausgegebene Schulordnung diente ihm zur Richtschnur.

In den größeren Pfarrorten ließ er durch Kandidaten der Theologie47 den Unterricht erteilen, in den abgelegenen Orten durch den Glöckner, der dazu von dem Pfarrer geschult wurde. Da es einen eigentlichen Lehrerstand nicht gab; suchte er Lehrer und Prediger aus seinem Lande und für sein Land heranzuziehen. Darum stiftete er am 21. März 1580 an der Hochschule zu Heidelberg48 ein Stipendium von jährlich 80 Gulden, wofür vier solmsischen Landeskindern freie Lehre und freier Unterhalt gewährt wurde.

46 Auch hier griff unser Autor wohl auf ein Werk von einem anderen Autor zurück (Greifensteiner Chronik des Pfarrers Himmelreich) und hat dies unter dem Titel angegeben. 47 Der Ausdruck Kandidat wurde für Studenten gebraucht. 48 dem Collegium Casimiranum

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Mit Freuden begrüßte es Graf Konrad, dass sein Dillenburger Schwager, Graf Johann der Ältere, im Jahre 1584 die Hohe Schule zu Herborn errichtete, deren erster Lehrer Kaspar Olevian wurde, und die bald eine Leuchte der Wissenschaft für die reformierte Welt wurde. Zur Gründung stiftete er 500 Gulden und Fruchtgefälle nebst vier Stipendien für Studierende aus dem Solmser Land. In dem Bewusstsein aber, dass ein gutes Vorbild Nacheiferung wirkte, schickte er seine eigenen Söhne nach Herborn. In der Folgezeit sehen wir unter den gelehrten Männern, die aus der Akademie zu Herborn hervorgingen, eine ganze Anzahl Solmser, die der Heimat zum Segen geworden sind und bewiesen, dass evangelische Frömmigkeit und wahre Bildung unzertrennlich zusammengehören.

Der Villinger Pfarrherr lehrt die Kinder.

1557 hatten die Villinger ihren Wei(hwasser)kessel verkauft. 1561 kommt als Prediger Valentin Rabe hierher, der auf der lutherischen Universität Marburg studiert hatte. Der Geist der Reformation weht auch in unserem Dorf. Die Pfarrer, die auf Luthers Lehre hören, haben auch seine Mahnung gehört, dass man das junge Volk in der Gottesfurcht, in der Schrift und im Katechismus lehren soll.

Sie können freilich einen Lehrer und eine Schule nicht begründen. Aber das kommt ja auch erst in zweiter Linie, Hauptsache ist, dass mit dem Unterricht begonnen wird. Und so unterziehen sie sich selber dieser Aufgabe. Ob sie nun in der Kirche einen Kindergottesdienst einrichteten oder die Kinder ins Pfarrhaus bestellten, das wissen wir nicht. Aber das ist sicher, dass in den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts die Kleinen mit glänzenden Augen die Geschichten vom Heiland hörten, und dass sie mit Eifer dem Pfarrer nachsprachen, wie Martin Luther seinem deutschen Volke die ewigen Gebote Gottes erklärt. Die Gemeinde gab dem Pfarrherrn für diese Mühe der „Kinderlehre“ jährlich 3 Gulden und 1 Turnos49 Zuschuss zu seinen Einkünften. So ist es in den Kirchbaurechnungen der Jahre 1575 und 1579 verzeichnet.

49 siehe Heft 4/IV dieser Reihe.

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Abb. Die alte Schule in Villingen, bis 1892, unten Abriss 1980.

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Villingen bekommt ein Schulhaus.

Graf Konrad verlangte von den Gemeinden, dass sie Schulhäuser bauten und Lehrer anstellten. Im Jahre 1587 soll in unserer Gemeinde das reformierte Bekenntnis aufgerichtet worden sein.

Nach den vom Chronikschreiber mitgeteilten Eintragungen in den Kirchbaurechnungen fand in diesem Jahre hier eine Kirchenvisitation statt, bei der alle Fragen des kirchlichen Lebens geordnet wurden. Sicherlich spielte dabei die Schulfrage eine große Rolle. Denn im nächsten Jahre bekommt Villingen einen Schulmeister, die Rechnung von 1588 verzeichnet „... 2 Gulden Ausgabe dem schulmeister von dem ersten Vierteljahr.“ Er war nun da! Er ist wohl mit Neugierde, aber auch mit Wohlwollen begrüßt worden, unser Dorf war sicher stolz, dass es vor allen anderen Dörfern der Umgegend einen Lehrer hatte! Aber manchen Leuten machte er doch auch Kopfzerbrechen: Schultheis, Bürger- und Baumeister richten 1589 eine „Supplikation“50 an den Grafen: „Man het den Lehrer, nun muß auch ein Schulhaus herbei“! Aber Villingen sollte das ja nicht allein schaffen, sondern es sollte seine Schule und seinen Schulmeister mit den anderen Dörfern des Gerichts zusammen haben. Darum werden die vier Bürgermeister vom Amtmann gemeinsam in Nonnenroth vorgenommen, um mit ihnen das Nötige zu besprechen. Es soll ja gar kein Neubau sein, wenn man nur irgend ein geeignetes Haus zur Verfügung stellen kann. Und das findet sich! Wo es gestanden hat, das ist noch nicht ganz sicher. Ein Villinger „Nachbar“, der es vielleicht geerbt und unbenutzt stehen hatte, bot es dem Gericht an. Es war ja allerhand entzwei, aber das ließ sich ja ausbessern. Und so war man froh, als man mit dem Manne um 54 Gulden handelseinig werden konnte. Da war also den Herrn Bürgermeistern ein Stein vom Herzen gefallen, und er fiel in eine tüchtige Zeche von 2 Gulden und etzlichem an Weinkauf .

Dem Schulmeister war freilich der Stein noch nicht vom Herzen, der ihn drückte. Vorläufig wohnte er auf Kosten der Gemeinde zur Miete. In seiner zukünftigen Behausung aber pfiff noch der Wind durch zerbrochene Fenster und Türen. Als er aber sah, dass Schreiner und Weißbinder, Schmied und Dachdecker an dem Haus zu werken anfingen, da blickte er

50 Von lat. anflehen = Bittgesuch.

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freudig in die Zukunft. Seine Wohnung war wohl bescheiden, aber die Stube war sauber getüncht, und ein Ofen, aus kunstvoll mit Bildern verzierten eisernen Platten, versprach, dass es auch im Winter auszuhalten war.

Wie die Schulstube selber im Anfang aussah, können wir uns nicht recht vorstellen, denn erst die Baurechnung von 1594 verzeichnet Ausgaben für Bänke. Es kam eben alles „nach und nach“. Man hatte ja nicht bloß für die Ermöglichung des Unterrichts, sondern auch für das Auskommen des Schulmeisters zu sorgen. Er bekam eine Barbesoldung:

• Villingen gibt ihm 5 Gulden,

• Niederbessingen 3 Gulden

• Nonnenroth ? Gulden

• Röthges ? Gulden

Daneben darf er sich durch Bedienung der Mehlwaage 2 ½ Gulden jährlich verdienen.

Ob die Eltern der Schulkinder ihm eine Art Schulgeld in Naturalien gaben, wäre noch zu erforschen; die hier heute noch bestehende Abgabe „Schulfrucht „ lässt es vermuten.51 Die wichtigste Lebensgrundlage für den Schulmeister war aber das Schulgut. Wir haben in unserer Gemarkung zwei Flurnamen, die auf das Schulgut hinweisen: der Schulhain und die Schulwiese. Auf ihnen hatte der Lehrer das Nutzungsrecht. Er musste also seine Landwirtschaft treiben. Ein Stall war bei dem gekauften Haus schon dabei gewesen.

1592 baute man dazu eine Schulscheuer. Damit war die wirtschaftliche Grundlage für die Schulstelle gesichert.

Und so erscheint denn auch im nächsten Jahre 1593 der Schulmeister Johannes Ruppel auf der Liste der Steuerzahler.

Mit mehr als einem Gulden Beed muss er zu den wohlhabenden Leuten gehört haben. Später werden seine Steuerbeträge geringer, aber das kann damit zusammenhängen, dass ein gewisser Steuernachlass als

51 Siehe hierzu Heft 3/IV dieser Reihe.

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Besoldungserhöhung gewährt worden war. So hatte er schon 1594 um Erlass der Steuer für sein Vieh nachgesucht, was ihm auch gewährt worden war. Er zahlt selbstverständlich nur von seinem Eigentum Abgaben. Die auf dem Hause ruhenden Abgaben musste die Gemeinde entrichten.

Sie gibt dem Pfarrer jährlich 4 Turnos Zins für „ein ganß und ein hun“ vom Schulhaus, und sie zahlt das Vogt- Korn für das Schulhaus.

Der Schulmeister stand im Dorfe in geachtetem Ansehen, er kam gleich nach dem Pfarrer. Und dass auch der Pfarrer ihn als seinen Helfer ansah, geht daraus hervor, dass er ihn zu dem überlieferten Osterschmaus im Pfarrhaus neben dem Schultheißen einlud.52 Bis zum Jahre 1598 steht Johannes Ruppels Name in unseren Rechnungen. 1600 fehlt er.

Es muss wieder gebaut werden.

Ist Johannes Ruppel auf eine andere Stelle gegangen? Die Vermutung liegt nahe, denn unsere Bücher verzeichnen keine Nachkommen von ihm. Und Anlass zu einem Wechsel scheint er gehabt zu haben. Das Schulhaus war eben doch ein altes Haus, und nachdem die Kinder von vier Dörfern zehn Jahre lang drinnen nicht nur das ABC gelernt, sondern auch gar manchmal sich gebalgt hatten, kamen allerlei Mängel zum Vorschein. Es war jedenfalls so schlimm, dass die Behörde eingriff.

1601 versammelt der Schultheiß auf Befehl des Amtmanns „Samptliche Burgermeister des Gerichts der Schul Tifect53 halben, darin beßerung zu treffen“. Ja, der Herr Amtmann bestellt die Villinger Bürgermeister zu sich persönlich, als er in Arnsburg zu tun hatte, um ihnen einzuheizen, damit die Anstände am Schulhaus beseitigt würden. So wird denn 1601 eine „Neu stuben Zur schul Vffm Rathhaus angericht Vnd verfertigt“. Nun bekommen die Villinger auch wieder einen Schulmeister.

52 Ich möchte hier noch einmal an das alte Lied vom „armen Schulmeisterlein“ erinnern. Möglicherweise war dieses Mahl auch Bestandteil des sogenannten „Tisches“, wo der Lehrer reihum im Dorf zum Mittagstisch gehen konnte. Wir wissen aus anderen Chroniken von Oberhessen, dass die Lehrer äußerst schlecht dastanden und immer wieder Bittschriften verfassten. 53 Tifect = Defekt (?)

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Der Herr Amtmann selber führt ihn höchstpersönlich an einem Gerichtstag ein, und ihm zu Ehren machen die hohen Gerichtspersonen eine Zeche, an der Villingen allein einen Anteil von 2 ½ Gulden zu zahlen hatte.

Freilich war die Schulnot noch nicht ganz behoben. Denn der Lehrer wohnte im folgenden Jahre in einem dem Pfarrer gehörigen Hause und hielt dort auch den Unterricht. Die Gemeinde zahlte dem Pfarrer 2 Gulden Hausmiete. Dieser Zustand dauerte bis zum Jahre 1605. In diesem Jahre begann eine gründliche Überholung des Hauses. Es wird ein neuer Giebel gezimmert, geklaibt und untermauert. Im nächsten Jahre wird die Arbeit fortgesetzt, und aus den nunmehr erfolgten Ausbesserungen kann man sich ein Bild von dem verwahrlosten Zustand des Hauses machen. Der Lehrer siedelt jetzt wieder ins Schulhaus über. Aber dennoch blieb dies Haus auch die nächsten Jahre hindurch ein Schmerzenskind der Gemeinde und des ganzen Gerichtes.

1607 muss wieder ein Lehrerwechsel stattgefunden haben, denn die Bürgermeister des Gerichts „verglichen sich wegen der Abholung des Schulmeisters“.

Ab 1614 verzeichnet unsere Gemeinderechnung unter den Beede Zahlern wieder einen Schulmeister mit Namen. Es ist Simon Georg Staub. Sein Name steht auch noch in der letzten Vorkriegsrechnung von 1620. Das Beed-Änderungsbuch von 1644 führt Simon Georg Staubts Erben auf. Er war nicht mehr unter den Lebenden, der schreckliche Krieg hat ihn mit so vielen anderen verschlungen.

In der Schule.

Wie gerne würden wir einmal einen Blick durch die trüben Fenster des schiefen Häuschens in die Schulstube werfen! Dazu geben uns allerdings die nüchternen Mitteilungen unserer Rechnungen keine Hilfen. Wir müssen darum nachlesen, wie es anderswo um diese Zeit mit der Schule auf dem Lande bestellt war. Dass mit der heutigen Schule kein Vergleich anzustellen ist, wird uns schon klar, wenn wir bedenken, dass die Nonnenröther, die Röthgeser und und die Niederbessinger Kinder samt den Villingern alle hier von einem Lehrer unterrichtet wurden, der zudem seine Landwirtschaft zu versorgen hatte! Lesen wir Näheres in der „Greifensteiner Chronik“ des Pfarrers Himmelreich:

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„Seit der Zeit des Grafen Konrad (1581-1592) hatten sämtliche Pfarrdörfer des Solmser Landes sogenannte Kirchspielsschulen. Doch darf man sich von diesen Schulen keine zu hohen Begriffe machen. Die Lehrer, gewöhnlich Schuldiener genannt, waren Glöckner, „… die da schreiben und lesen und also neben ihrem Glocken-Ambt solche Schulen bedienen können.“ Was wurde denn in der Schule gelehrt? Vor allem der Katechismus, derselbe war zugleich Buchstabier- und Lesebuch. Nach dem Jahre 1590 gab es ein besonderes ABC-Buch, welches zu Herborn von Corvinus54 gedruckt wurde.

Die Hauptsache war das Auswendiglernen der fünf Hauptstücke. Hierzu kam in den meisten Schulen erst nach dem dreißigjährigen Krieg das Schreiben, nach dem Jahre 1700 der Rechenunterricht in der einfachsten Weise. (...)

Die Schulen auf dem Lande waren zumeist Winterschulen. Während des Sommers fiel der Unterricht aus. Im 18. Jahrhundert wurde vom Konsistorium zu Braunfels der Befehl erlassen dass:

„die Schuhlen bis Pfingsten das Tages zweimahl, von Pfingsten aber bis an die Ernte des Tages einmal gehalten, in der Ernde Zeit aber die Kinder vier Wochen Ferien Haben und nach Verfließung derselben wieder in die Schule gehen sollen“.

Aber damit schauen wir schon in eine spätere Zeit. Mögen die alten Schulmeister auch keine Wissenschaftler gewesen sein, mögen die Kinder nur ein bescheidenes Quantum Wissen mitgenommen haben, sie haben das Wichtigste gelernt: Gottesfurcht, Christenpflicht! Und wohl einem Geschlecht, dem ein Lehrer diese Christenart vorlebte, auch wenn sein Wissen bescheiden war! 55

54 Diese Druckerei gehört zu den ältesten des Landes Nassau, sie wurde schon ein Jahr nach Errichtung der Hohen Schule von dem Züricher Christoph Corvinius eingerichtet, er gab u. a. die große Luther-Bibel in 16 Ausgaben heraus. 55 Wie währe wohl damals in Villingen eine PISA Studie ausgefallen?

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Abb. oben Corvin`sche Druckerei in Herborn, war ursprünglich Sitz eines nassauischen Kleinadelsgeschlechtes. (Foto HPP) Abb. unten: Die Villingener Schule in einer älteren Aufnahme mit Gaslaterne an der Ecke.

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X. Der Schulhausbau und die Erhaltung (Nach den Gemeinderechnungen)

Baukosten der Schule.

1589, 4 fl56 An dem schulhaus welches Vor 54 fl kaufft worden bezalt, also resten noch 50 fl.

2 fl –2t –8 & Weinkauf als die burgermeister das schulhaus kaufft

1 fl – 3 t Pension57 von abgesetzten 50 fl in einem halben Jahr.

1 fl Dem Zimmerman von einem Thurgestöltz58 Vnd einem Vnterschlag im schulhaus.

1 fl – 2 t Von einem stal59 zu beßern.

4 fl Dem Weißbend60 von zwo stuben im schulhaus zu binden.

5 fl – 1t Hans Leschorn von allerhand arbeit im schulhaus

4 fl Georg schreiner zu Hoing61 von einer Hausthur auszuhobeln im schulhaus

1fl 8 & Vor 4 mas wein62 Jede alb als das schulhaus den Weisbendern Vnd schreinern Verdingt worden.

4 fl Denselben als sie fertig worden Zu schloswein.63

10 t Dem schmit Vor allerhandt arbeit in der schul.

2 fl – 7 t Dem glaßer Von den fenstern Im schulhaus Zu machen.

56 fl = Florentiner für Gulden, t = Turnosen siehe dazu Heft 4/IV dieser Reihe, & = Schilling. 57 Wohl für Kredit. 58 Türrahmen 59 Stall 60 Weißbinder 61 Hungen 62 Zu dieser Zeit war es üblich, es wurde bei jedem Vertrag oder ähnlichem Wein zur Bekräftigung getrunken. 63 wie vor.

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4 t –16 & Vor Nagel in die schul haben die weisbender verbraucht

3 t Vor Diel64 In die schul Zun thuren

1 fl – 6 t Vor 1 ½ achtl Kalck In der schul Verbraucb

2 fl – 2 t Von den beyden öffen65 Im schulhaus zumachen

7 t – 9 & Dem schulmeister HausZins Zum ersten Jahr

1 fl – 6 t An den beiden schulöfen verbaut worden an Kacheln.

Summe 28 fl – 7 t – 5 & Ausgaben 1589, einschließlich 4 Gulden Abzahlung am Schulhaus.

Einnahmen zur Deckung der Unkosten:

10 fl Von den Nachbarn Zu Vilden.

5fl – 6t Von denen Zu Nunrode66.

6fl – 3t Die gemein Zu Niedernbeßinge.

3 fl-10t Von denen Von Rötges.

Summe 25 fl- 7 t

1590, Rechnung fehlt!

1591, 10 fl Cristof’f Feyhen (Schultheis) geliefert, hat er der gemein vorgestreckt Zum schulbau.

1592, 2 fl 5 t Vnkosten67 Zur Schulscheuer, als sie verdingt vnd streckwein.

1 fl An Bier Vnd weck vffgang als die schulscheuer gehoben.68

5 fl- 3t Von der schulscheuer Zu Zimmern Henrich Masten.

64 Diel = Holz. 65 Öfen. 66 Nonnenroth. 67 Das V wurde anstelle des U geschrieben. 68 Richtfest.

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6 t Dem schmit Vor gehenk69 vnd ander Zur schulscheuer.

1593, enthält keine Schulbaukosten.

1594, 3 fl- 6 t Vor ein Eißern offen70 in die schul geben.

2 t Vor Kacheln Zum offen.

9 t Dem Zimmermann Von bencken71 in die schul Zu haben vnd weinkauff.72

4 t- 3 & Anteil der Gemeinde Röthges daran.

1595 u. 1596, enthalten keine Schulbaukosten.

1597, 5 t Vor ein neu fenster In die schul.

1598, enthält keine Schulbaukosten.

1599, fehlt,

1600, dsgl.

1601, 11 fl Einem Weißbender zu lohn so ein Neu stuben Zur schul vffm rathhauß angericht Vndt verfertigt.

2 t-12 & Vor 2 mest Kalck darzu Zu Weißbinden.

3 t- 6 & Zu Weinkauff A1ß der Weißbender Verdingt Vndt alß er fertig worden.

8 t Von dem offen in der schull Vff zu setzen.

1fl Vor Kacheln Zum eißern offen in die schul.

8 t Dem Zimmermann Vom Vnderschlag Vndt thurgestulz Zur stuben vffs rathhauß.

4 t haben beide burgermeister Zu Arnspurg verzert, alß sie daselbst hin Zum Herrn Amptman der schul halber erfordert.73

69 Gehenk = Gehänge = Beschläge. 70 eiserner Ofen. 71 Bänke. 72 da erscheint er wieder der Weinkauf. 73 heute hat man stattdessen Spesenabrechnungen.

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7 t- 2 & Alß Schultes mit den Samptlichen Burgermeistern des Gerichts vff befelch des herrn Amptmanns der Schul Tiffect74 halben beisamen gewest, darin beßerung zu treff Verthan.

1602, 2 fl Dem Pfarher Zinß auß seinem hauß dz der schulmeister drin gewont Vnd die schul drin gehalten hat.

1603, enthält keine Schulbaukosten,

1604, fehlt.

1605, 2 fl Zinß aus dem Pfarrhauß wegen des schulmeisters.

3 fl Henrich Masten von einem Neuen giebel an daß schulhauß, Rigel Vndt balcken75 zu machen.

5 fl Johan Beckern Vndt Hanß Horsten dar Von Zu Klaiben76, zu decken vnd zu vntermauern mit dem weinkauff.

1 fl Vor schaib(?) vffs schulhauß.

1 t-10 &Vor 2 Daumen(Dauben?) ans schulhauß.

1606, 2 fl Dem Schreiner zu langt Von thurre, bencken, ramen Vndt fenstern.77

2 fl- 4 t Vor Diell dar Zu, Im gemelten schulhauß verbraucht.

1 fl Vor 2 neu fenster dem glaßer zu Ruppersburg.

4 t Vor 4 mesten Kalck.

1 fl- 4 t Johan schneidern Von der stuben Zu binden Vnd dem offen vff zu setzen.

6fl Vor gemelten eißern offen.

9 t Vor Kacheln darzu.

4 t Vor die schrauben darzu.

74 siehe dazu Fußnote oben. 75 Riegel und Balken, denn es war ein Fachwerkhaus. 76 Verputzen. 77 Ecce , wo sind die diel, halb soviel ist auch genug H.W. Si scite iustitiam sagt Virgily im heydt: so lautet ein Randvermerk in der Aufstellung von Paul Kammer.

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1fl – 9t – 4 & Dem Schmit78 Vor allerhandt arbet Im schulhauß.

6 t Vor ein Krippen In die schull.

2 t Vom pIaster vnterm tachtraiff.

2 fl Die Vier flecken burgermeister Vndt Schulteß Verthan, alß die sich dießer Vnkosten halben berechnet.

19 fl- 4 & Gesamtkosten 1606 einschließlich 2 fl Unkosten der Bürgermeister.

Anteil der anderen Dörfer:

14 fl –10 t –16 & Von den dreien dorffen, wegen bauung des schulhaußes Ingenohmen.

1607, 4 fl – 7 t Inn dem Schulhauß verbauckt, deckerlohn, 2 new finster, finstergestülß, Vndt die stub zu bindn.

2 t den gemein schulbrunnen zu räumen.

1608, t dem Strodecker79 dz forderst dach vff der Schulscheuern zu decken.

1609, 5 t Vffgangen durch Schultheisen, Seniores80, Pfarher vnnd Burgermeister alß sie beim Hn Ampmann weg des Schulhauses gewesen.

3 t haben die vorige Burgermeister verthan, alß sie zu Nonrod des Schulhauses halb bey einander gewest sein.

1611, Hanß Schneidern Vnd Gurt Dieppeln Von der Stuben Zu machen geben.

6 t –12 & Vor 5 Mesten Kalck, darzu Verbraucht.

5 t Vor ein Eißern Platten an den offen ist dem Alten Schumacher gewest.

1 fl – 4 t Vom offen in der oberstuben Vff zu setzen Vnd von ander arbeitt mehr am Schornstein.

1 fl Simon König von den fenstern Vnd Ramen zu machen.

78 Schmied. 79 Dachdecker der das Strohdach machte. 80 Kirchenälteste.

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1620, 4 fl – 4 t Zu unserm Theil am Schulhauß an Zimmer.

Vnd meuer arbeit, Zinß usw.

II. LehrerBesoldung:

1588, 6 t Dem schulmeister von dem ersten Vierteljahr.

1589, 6 t Dem Schulmeister Jahrgelt.

2 fl – 6 t Demselben von der Waagen.81

1 fl Dem schulmeister gereicht, hat der Jung Casper sollen Verrichten, ist aber nicht geschehen.

7t – 9 & Dem schulmeister Haus Zins Zum ersten Jahr.

1591, und folgende Jahr 2 fl- 6t Dem Schulmeister Jahrgelt.

2fl – 6 t Demselben von der waagen.

2fl – 6 t Dem Schulmeister weitter zu Seinem Lohn.

1608, 5 t demselbigen von der Vhr zu stellen.

1594, 4t Anstände an der bede Weg des Schulmeisters dz er sein Viehe frei haben will.

1I1. Abgaben vom Schulhaus:

1597, 5 t Dem pfarher Vor ein ganß Vndt hun, stehen vff der Schul alhier, Zinß.

1598, 4 t Zinß dem Pfarherr Vom Schulhauß.

4 t Vor 1 ½ mest ½ Virling Vait Korn Von dem Schulhauß.

81 er hatte das Amt des Mehlwieger inne, siehe Villinger Hefte.

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XI. Geschichte der Eisenindustrie im Horlofftal

Allgemein über Eisengewinnung und Verarbeitung82

a.) Schlackenhalden, Holzkohlen und Eisenschlackenreste im Vogelsberg erinnern an die Waldsschmiede, die umherwanderten, in der Regel auf der Höhe, später auch im Tale am fließenden Wasser. Wo Rodhacke u. Pflugschar sie vernichteten, erinnern Flurnamen an ihr Vorkommen. Wetterau wenig Reste von Schlackenhalden. Also, im Vogelsberg schon frühe Anfänge von Eisenbergbau u. Eisengewinnung.

(Steinkohlen noch unbekannt. Zwickau im 10.Jhrh. ,Saarkohle im 16. Jhrh.)

b) Einfacher Rennherd aus unbehauenen Steinen, innen mit Lehm ausgeschlagen, Blasebälge, die von Hand oder Fuß bewegt wurden; daher Tretbälge und die Hütten Trethütten. Kleingeklopfte Eisensteine und schichtenweise mit Holzkohlen vermischt, angezündet. Auf dem Herdboden sammelte sich dann das schwere Eisen in Form eines Eisenklumpens, der mit Brechstangen vom Herdboden losgebrochen werden musste. Man nannte sie Luppe, es war schmiedbares Eisen, allerdings mit vielen Verunreinigungen. Sie wurde mit schweren Holzhämmern verarbeitet, dann wurde sie in Stücke zerhauen und zu Pflugscharen, Hacken, Reif u.dgl. verarbeitet.

c) Verbesserter Rennherd durch Benutzung der Wasserkräfte zum Antrieb der Blasebälge, von Hämmern und Pochwerken, in Steiermark seit dem 13. Jahrhundert bekannt. Die Schmelzhütten wurden von den Höhen allmählich an die Bäche u. Flüsse in die Täler verlegt.

82 Bei Dr. Paul Kammer finden wir den Hinweis „Debus“, er hatte wohl auch hier eine andere Quelle benutzt, (nach den MOHG 43 NF S. 96, könnte es sich hierbei um das Werk „Aus Gewerbe und Verkehr im Raum Laubach ...“ handeln, d. V.) so das wir nicht genau feststellen können, welche Gedanken von ihm selber stammen oder wo er nur abgeschrieben hat. Es ist jedenfalls ehrenvoll, dass er fremde Quellen angibt. Auch wir vom Heimatkundlichen Arbeitskreis haben uns vorge-nommen, fremde Quellen immer zu nennen, denn Ehre dem der Ehr gebührt, oder mit Schillers Lied von der Glocke: „... so soll das Werk den Meister loben ....“

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Größere Anlagen machten Sesshaftigkeit notwendig, Schmiede zur Herstellung von Gerät siedeln sich an.

d) Vorbedingung für Errichtung von Eisenwerken waren:

• Vorhandensein von leicht abbaufähigen Erzlagern

• Vorhandensein von Buchenwald zur Holzkohlengewinnung

• Vorhandensein von fließenden Gewässern mit starkem Gefälle.

Diese Bedingungen waren erfüllt in dem Oberamt Laubach der Grafschaft Solms-Laubach mit den Orten Laubach, Wetterfeld, Gonterskirchen, Ruppertsburg, Freienseen, Lardenbach, Ilsdorf, besonders im südlichen Teil.

Eine Notiz aus dem Jahre 1702 berichtet uns von alten Schächten in der Struth, die bereits vor 1700 brachlagen, ferner vom Erzlagern bei der Horloffsmühle, am Lauternbach, am Rotenberg bei Ruppertsburg, am Rod bei Gonterskirchen, bei der Kreuzseener Kirche, am Thomasbühl, in der roten Ahle, im Ried.

Dazu die nahen Solms-Braunfelsischen Gruben bei Villingen am Wege, Villingen am Thore, im Hoingschen Heckenwald oder der Dirnbach, später Thurenbach geschrieben.

Kaspar Listmann, Pächter des Hirzenhainer Werkes, bezog 1550 Eisenerz aus der Hungener Gegend.

Das erste Gräflich-Laubachische Eisenwerk auf der Friedrichshütte

a) Die Anfänge dürften ins 15. Jahrh. zurückgehen, sicherlich bestand schon im 16. Jhrh. auf der Friedrichshütte ein kleiner Hochofen (Blauofen) und Hammerbetrieb nebst Gießerei. Im Jahre 1585 bezog man von dorther gusseiserne Öfen, das Stück für 7 fl. 9 alb., und 1619 gusseiserne Ambossunterlagen.

b) Der 30-jährige Krieg und seine Folgen für unsere Gegend:

Die Jahre 1621/22, 1634/35 Stillegung und Niedergang des Eisenwerks nach einer Aufzeichnung im Archiv. Vier große Armeen suchten von Sept. 1634 an die Wetterau, auch unser Horlofftal, heim, zuerst hessen-

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kasselische, dann spanisch-kaiserliche, dann die im Oktober 1634 bei Nördlingen geschlagenen Schweden, dann erschienen ligistische Truppen. Dazu kommt die Pest, in Laubach sind 1635 449 Personen gestorben. Nicht nur Ackerbau, auch die kleinen Industriewerke ruhen, es fehlt an Arbeitskräften.

c) Nach dem 30-jhrg. Kriege: Im Braunfelsischen Heckenwald (wurde) schon 1656 der Bergbaubetrieb wieder aufgenommen. (Das) Tagebuch des herrschaftlichen Zöllners Philipp Zeiß, Hoingen, enthält Angaben über Zolleinnahmen für nach Hirzenhain ausgeführte Erze, in der Zeit vom 18. Juni 1686 bis 16. August 1686 wurden 15 Fuder 7 Kübel Erz ausgeführt83, 1 Fuder kostete 6 albus – 48 Pfg. Zoll

Die Bevölkerung der Grafschaft Laubach wünscht das Wiederaufleben der Industrie. Glasmeister Kühn, Laubach beantragt Erbauung der neuen Glashütte (erst 1722) erfolgt.) Für wichtiger hielt man die Wiederauflebung der Eisenindustrie. Man konnte auf diese Weise die großen Holzmengen, die im Walde dem Verderben preisgegeben waren, verwerten und viele Leute beschäftigen. Die Vorbedingungen zur Wiedererrichtung eines Eisenwerkes im Horlofftal waren gegeben.

Liebknecht rühmt in seiner Schrift „Hassia subterraneae“ (1753) die starken Wasserläufe. Dazu die Silbacher Teiche für wasserknappe Zeiten.

Mehrere Gutachten forderte Graf Friedrich Ernst ein. Pläne, das Werk zwischen Gonterskirchen und Jägerhaus oder am Oberseener Hof entstehen zu lassen, ließ man fallen und entschied sich für die Friedrichshütte. Verhandlungen der Grafschaft mit Unternehmern, z.B. dem Pächter der Hirzenhainer Werke Johann Schmidt u. Konrad Seip aus Gießen scheiterten, weil ihre Forderungen unannehmbar erschienen.

Die neue Hütte.

Es wurde darum (das) Hüttenwerk Friedrichshütte und (das) Hammerwerk Hessenbrücke auf Landeskosten gebaut und zwar ersteres 1706 / 07, letzteres 1709. (Durch) Zimmermeister Stickel, Gonterskirchen. Die Wasseranlage und Maurerarbeiten (durch) Meister Peter, Ruppertsburg Preis: 3384 Gulden.

83 1 Fuder = 1 Tonne, 1Fuder = 32 Kübel, 1 Kübel = 60 bis 70 Pfund

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Zur Erzgewinnung dienten 40 Gruben: auf dem Rieth, in der Struth, in der Eppelsbach, zwei am Zimmerplatz in der Eppelsbach, am Rotenberg, in der Gombach, in der Siegelerde bei Laubach, in der Grube vom Heintzberg unweit (der) Haltestelle, bei Villingen am Teiche, an der Großen Straße, genannt das 10. Glück (Glücksfund).

Dazu ein Teil aus den Braunfelsischen Gruben bei Villingen, weil das Erz leichter zu schmelzen.

Verkohlung begann im Sommer 1707 in dem Distrikt Biberloh, Silbach, im Roth, Schieferberg und Kirchberg. Verkohlt wurde 30 Jahre altes Buchenholz. Starke Buchen und sämtliche Eichen mussten stehen bleiben, um die Mastung zu sichern. Auch Holzasche(Pottasche) musste als Flussmittel hergestellt werden.

Jeder Käufer von Holz (wurde) zur Holzaschenlieferung verpflichtet. Sonst (wurde) Lesholz dazu verwandt, die Untertanen lieferten von ihrer Hausasche jhrl. bestimmte Mengen. Kalk kam aus der Wetterau (Bleichenbach, Griedel) .

Abb. Eine Gussplatte von der Friedrichs-hütte (Foto HPP)

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Auf gräfliche Rechnungen gingen:

Die Fuhren: Erz, Kohlen, Roheisen zum Hammer, Kalk, fertige Waren besorgten die Untertanen der Gemeinden Ruppertsburg, Wetterfeld, Gonterskirchen, Laubach, Lardenbach und Ilsdorf, die 3 ersteren die ständigen, die 3 letzteren die unständigen Fuhren. Es waren keine Fronfuhren, sie wurden bezahlt, aber die Gemeinden mussten die verlangten Gespanne stellen, meist in der Sommerzeit, im Winter ruhte der Köhlerbetrieb, (Wege im Winter schlecht) auch eigener Fuhrbetrieb des Grafen, Ochsen, 12 Hengstesel.

Der Betrieb der Friedrichshütte (war) zuerst rentabel, der Schmiedeeisenabsatz geringer. Verkauf auf der Frankfurter Messe, Hanau, Wertheim, auch ins Ausland (Italien, Antwerpen) vor allem Öfen.

Löhne pro Tag: Schmelzmeister: 40 Kreuzer=1,14 RM u. 2 Maß Bier

Meisterknecht: 0,90 RM u. 2 Maß Bier

pro Woche 1. Aufgeber: ¼ Gulden u. 1 Maß Bier

pro Woche 2. Aufgeber: ds. Und für das Wiegen der Gäuse84 pro Guß 6 Pfg.

Für Arbeiter (war)85 ausdrücklich bestimmt, (dass) nur Einheimische, nur für Arbeiten, die nicht gelernt (werden brauchten durften) Auswärtige (eingestellt werden).

1716 Verpachtung der Hütten- u. Hammerwerke an Johann Neuburger aus Ortenberg, Pachtvertrag. Raschere Entwicklung, Nagelschmieden und (Verträge) mit Eisenhändler aus Eichelsdorf und Oberschmitten.

1716 wird Joh. Wilh. Buderus, Sohn des Bäckermeisters Heinrich Christian Buderus zu Nassau/Lahn, 1694 geb., Schreiber auf der Friedrichshütte. 1722 bei seiner Vermählung (ist er) schon Verwalter.

Neuburgs Betrieb ging gut, Eisensteinzufuhren aus Muschenheim, Stangenrod usw. aber Differenzen zwischen Neuburger und dem Grafen 84 ist das ein Schreibfehler und soll Güsse heißen ? 85 P. Kammer schreibt diesen Teil seines Aufsatzes teilweise in Srichworten, so als habe er ihn gebraucht um einen Vortrag zu halten, da der Text teilweise unverständlich wirkt wurden Stellen teilweise ergänzt (-).

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wegen Nichteinhaltung des Pachtvertrags (Ausfuhr nach Antwerpen, rückständige Grundstückspacht)

1727 wird Buderus Pächter, von 1740 an Titel: Hütteninspektor. 1753 am 22. Juni plötzlich am Schlagfluss gestorben.

Witwe Buderus pachtet weiter bis 1755. Sie will den Betrieb los sein. Zweimal lässt die Gräfliche Herrschaft die Verpachtung öffentlich ausschreiben, aber jedes mal vergeblich. Die Wwe. Pachtet weiter bis 1770.

Ihr Sohn Johann Wilh. Buderus pachtet 1770.

Siebenjähriger Krieg, 1758-62 viel zu leiden, Ausplünderung der Wwe. Buderus, Misshandlung der Köhler durch die Franzosen.

Auch unter ihrem Sohn schlechter Geschäftsgang. Er wendet sich mehr dem Ackerbau zu, pachtet die von Ruppertsburger Bauern in der Lauterbach wüste liegen gelassenen Grundstücke.86

Wieder Ausschreiben der Betriebe zur Verpachtung im Frankfurter Journal, vergeblich.

Buderus verlängert seinen Pachtvertrag und erneuert nochmals bis zu seinem Tode 1.März 1804.

Während der Revolutionskriege Munitionsfabrik.

Von 1810 ab J. W. Buderus, Sohn.

Blütezeit 1820 – 1840.

Die Firma Buderus besaß in Pacht: Friedrichshütte mit Hessen-Hammer, Hirzenhain, das Nassauische Hütten- u. Hammerwerk Löhnberg bei Weilburg, das Ossenheimische Hütten- u. Hammerwerk, Schmitten bei Usingen, den Georgenhammer als Eigentum, Andenschmiede bei Weilmünster, Christianshütte bei Runkel, das Hammerwerk zu Gemünden, bei Westerburg, den Luisenhammer an der Felda87.

Es waren 164 Arbeiter mit folgenden Arbeiten beschäftigt (nur auf der Friedrichshütte): Kleinklopfen, Kleinpochen, Auswaschen u. Vermengen des Erzes, Kalkbrennen, Eisenschmelzen, Gießerei, Putzen, Ziselieren, 86 Durch Auswanderung nach Russland 1766 und Schlesien 1772 entstanden. 87 Schellnhausen

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Schleifen, Drehen, Schlackenpochen, Zainhammerarbeit (?), Hilfswerkstätten: Wagner, Schmiede, Schlosser, Holzdreher, Modellschreiner. Außerdem beständig tätig: Holzhauer, Holzspalter, Köhler, Fuhrleute.

Wie sehr die Bevölkerung die Betriebe dankbar zu schätzen wusste, geht daraus hervor, dass (vor) dem Anblasen des Hochofens ein feierlicher Gottesdienst, gehalten von dem Pfarrer zu R(uppertsburg) vorausging. Pfarrer und Lehrer mit den Schulkindern und dem größten Teil der Einwohnerschaft von R(uppertsburg) zogen zur Hütte um dort unter freiem Himmel Gott dem Herrn für die Gelegenheit zum Verdienst in Predigt und Gesang zu danken, und um seinen Segen zu bitten. Nachmittags veranstaltete dann die Firma Buderus auf ihre Kosten ein Volksfest, ein Tanzboden war gelegt, jeder Arbeiter u. jedes Schulkind erhielten ein Geschenk. Das Brot von 3 Maltern Roggen wurde unter die Armen von R(uppertsburg) verteilt. Besonders schön und feierlich waren die Veranstaltungen in den Jahren 1827 u. am 12. September 1859.

Der damalige Pfarrer von R(uppertsburg) hat in der Kirchenchronik folgende Aufzeichnungen geschrieben: „Am 12. Septbr. 1859 ging wie man zu sagen pflegt die benachbarte Eisenschmelze F(riedrichshütte) nach längerer Zeit wieder an. Ich predigte auf Grund der bibl. Worte 1. Chron 29, Vers 15 über das Thema. „Das Hüttenleben unter dem Bild einer Reise nach seinem Anfang, seinem Fortgang und seinem Ende.“ Dieser Feier wohnten unter vielen anderen auch 8 Angehörige unseres Erlauchten Herrn Grafen bei, nämlich seine beiden Herrn Brüder Rudolf und Georg, seine Söhne Friedrich und Ernst, seine beiden Töchter Thekla und Clara, seine junge Frau, Schwiegertochter Marianne und die Durchlauchtige Prinzessin Luise von Wied. Ein frohes Mahl vereinigte ums nach der Feier im Herrenhause.

Niedergang.

Konkurrenz: Steinkohle und Dampfmaschine. England überschwemmt die Welt mit billigem Roheisen, Engl: 1 dz Roheisen 6 RM, Schlesien 15 RM. Der deutsche Zollverein griff durch Zölle ein.

Bergrat Georg B(uderus) verlegt Ende der 30-er Jahre seinen Wohnsitz nach Hirzenhain. Auf der Friedrichshütte Verwalter: Georg Jochem.

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1870 Übergang an Julius Römheld.

1878 Abbrechen des Hochofens. Es bleibt der Cupelen-Ofen (zum Gießen)

1870 Gründung der Holzverkohlungsanlage durch den Verein f. chemische Industrie auf der Fh. Dazu nach 1892 schmalspurige Pferdebahn nach Villingen, oft 6 Pferde nötig, die beladenen Wagen fortzuschaffen.

1896 Strecke Villingen-Ruppertsburg.

Römheld bis?

Holzverkohlung bis?

Nachträge:

Zainhammer: verfertigte vor allem Nagelschmiedeeisen 260 Schläge in der Minute.

1830 musste der Hochofen plötzlich ausgeblasen werden, da infolge anhaltendem Regenwetters Eisenstein-, Kalk- u. Kohlenzufuhren auf den schlechten Wegen nicht möglich waren. Gerade zu dieser Zeit lagen große Bestellungen auf Gusseisen und feinere Eisenwaren, namentlich geschliffene, reich verzierte Zimmeröfen, vor.

Damals hatte Buderus die zwischen Friedrichshütte und Gonterskirchen liegende Horloffsmühle gekauft und betrieb dort vorübergehend ein Schleif- u. Drehwerk.

Als der H(ochofen) wieder angeblasen wurde, erzeugte die Friedrichshütte etwa 300 Ztr. Gusseisen in der Woche.

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Abb. oben Friedrichshütte heute (Foto HPP)

Abb. unten Hessenbrücken-Hammer heute (Foto HPP)

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Abb. Friedrichshütte das Herrenhaus heute, von dem mehrfach im Text von Dr. P. Kammer die Rede ist (Foto HPP)

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XII. Auswanderungen nach Schlesien und Russland im 18. Jh. Aus den uns vorliegendem Materialien stellen wie fest, dass Dr. P. Kammer sich intensiv mit den Auswanderungen aus Villingen und den anderen Gemeinden beschäftigt hat. Er hat hierzu einen umfangreichen Schriftverkehr geführt, leider sind seine Briefe nicht erhalten, sondern nur die Antwortschreiben. Wir haben in Heft 2 „Wohin sie gingen“ von Auswanderungen im 19. Jh., überwiegend nach Amerika, berichtet und angemerkt, dass es weitere Auswanderungswellen gegeben hat, so können wir mit den Ausführungen von Paul Kammer diesen Beitrag ergänzen.

Der erste Beitrag ist ein Schreiben aus Brieg, wohin er sich offenbar gewandt hatte, um etwas über den Verbleib der Auswanderer zu erfahren.

Brieg, den26. Juli 1935

Auf die dortige Anfrage übersende ich Ihnen eine (?) aus den Geschichten „Ortsnachrichten“ von Schönwälder und teile Ihnen mit daß folgende Familien bis 1773 in Piastental, Kreis Brieg, angesiedelt worden sind, die aus Gonterskirchen stammen:

1. Johann Heinrich Becker, Stellmacher, Ehefrau Katharine und ihre Kinder Anna Margarethe und Anna Elisabeth.

2. Johann Wilhelm Vickel, Ackersmann; mit Schwester Anna, Elisabeth.

3. Ernst Caspar Stornarius Ackersmann; Ehefrau Gertraud, Tochter Luisa.

Wegen weiterer Nachfrage nach diesen Familien müssten Sie sich an den Herrn Bürgermeister von Piastental, Kreis ,Brieg wenden. Für Kirchenbuchforschungen zum zuständigen Pfarramt Leubusch würde wohl Herr Pletsch, der in Leubusch tätig ist, bereit sein.

i. A. Denmann

Die Grundbuchnummern waren Nr.1, 18, 20 von Groß-Piastental.

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Es folgt dazu noch eine Abschrift aus den „Geschichtlichen Ortsnachrichten“ von Brieg und seinen Umgebungen (S. 366) herausgegeben von K. Schönwälder, Professor am Kgl. Gymnasium.

Erster Teil.

Städtische Kolonien: Groß-Piastental, Neu-Leubusch Neu-Moselach.

Zur Erbauung von Groß-Piastental wurden von der Kammer die schon erwähnten 20 Familien aus dem Reich angewiesen, welche im März angelangt waren. Nach der Designation waren es 17 Familien aus der Wetterau, Grafschaft Solms-Laubach, besonders aus den Orten Laubach, Ruppertsburg, Gonterskirchen, denen sich 3 andere Familien, eine von Goldentraum, eine von Gebhardsdorf bei Lauban, eine von Buchenbach an der Jacksche88,15 Meilen hinter Nürnberg, angeschlossen hatten, zusammen 81 Seelen. Alle waren von Comissarius Schuch angeworben, ihres Standes meist Ackersleute oder Handwerker. In ihre Heimat zum Teil nicht ohne Vermögen waren sie am Verkauf ihrer liegenden Güter durch die Gräflich-Solmsische Regierung gehindert worden. Die Reise von 88 Meilen im Winter hatte ihre Geldmittel aufgezehrt, 120 Rthl. Reisege1d, welche den 17 Familien ausgezahlt wurden, reichten bei der Teuerung der Lebensmittel nicht weit. Dazu wohnten sie, von den Reisestrapazen und der schlechten Nahrung entkräftet, in der rauhen Jahreszeit unter leichten Hütten, hatten ihr elendes Lager ohne Stroh auf der nassen Erde, verkauften in der Not vollends, was sie an Wäsche und Kleidungsstücken besaßen, war es zu verwundern, daß in Kurzem ansteckende Krankheiten unter ihnen ausbrachen? Es geschah zu derselben Zeit, wo auch in Limburg die Fieber sich einstellten, im April und Mai, kein einziger blieb verschont und elf Personen (6 Männer, 1 Mutter, 4 Kinder) starben, doch hinterließen die Gestorbenen zum Teil erwachsene Söhne, welche an die Stelle rückten und für ein Paar der Witwen wurden noch über die Zahl der 20 Stellen neue Stellen oder Angerhäuser angelegt, und den Witwen die verwaisten Kinder für ein wöchentliches Kostgeld in Pflege gegeben. Mit dem Pastor in Leubusch wurde wegen der Begräbniskosten der Kolonisten ein besonderer Vergleich geschlossen. Von Seiten der Stadt war der Kämmerer Uden zum Kolonie-Direktor ernannt, und von Seiten der

88 Jagst

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Kammer hielt sich während der Krankheit des Oberforstmeisters Süßenbach der Kriegsrat Schröder als Commissarius hier auf. Auf ihre Anordnung wurden die kranken Kolonisten wöchentlich wenigstens zweimal vom Kreisphysikus Heumann besucht, die Medikamente aus der Stadtapotheke auf Rechnung des Koloniefonds verschrieben. Trotzdem kränkelten sie fast den ganzen Sommer hindurch, die Genesenden schlichen wie Schatten umher. Am 20. Mai wurde ein strenges Verbot gegen das Herumlaufen und Betteln der Kolonisten erlassen, sie durften nur mit einem Passe versehen an anderen Orten sich blicken lassen, ihre alten Reisepässe sollten ihnen abgenommen werden und kassiert, Kundschaften und Lehrbriefe ihnen aufgehoben werden. Nun halfen sie sich ihren Unterhalt zu verdienen, drei Tage die Woche beim Ausroden der Eichen, drei Tage schlugen sie Klafterholz. Aber ohne Unterstützung, berichtete der städtische Commssarius, konnten sie bis zur Ernte nicht durchhalten, denn auch die Gesunden hätten mit Heumachen und Kleben der Scheunen alle Hände voll zu tun und könnten sich weder Brot noch Kleidungsstücke verschaffen. Sie bäten daher um Brot bis zur Ernte, um eine Unterstützung auf Gemüse und um einige Kleidungsstücke für ihre abgerissenen Kinder. Nach der Ernte würden sie sich durch Holzschlag und bei der Grabenziehung zur Austrocknung des Leubuscher Stadtwaldes ernähren können. Die Leute würden gern hier bleiben, aber ohne Unterstützung sei es unmöglich, und bäten im Verweigerungsfalle um ihre Pässe. Da eine Auflösung der Kolonie für das ganze Koloniegeschäft nachteilige Folgen gehabt haben würde, so versprach die Kammer bis zur Ernte für Unterhalt zu sorgen, nur sollten sie nicht an Rückkehr denken, denn es würde keiner bei Fleiß und Anstrengung die Auswanderung zu bereuen haben. Es wurde auf die Person täglich einundeinhalb Pfund Brot bewilligt, was für 79 Personen vom 13. Juli bis Ende August 5925 Pfd. oder nach der Briegischen Taxe 121 th. 14 gl. 6 pf. machte, der halbe Wert des Brotes 60 th. 19 gl. wurden auf Gemüse und 35 th. auf Kleidungsstücke bewilligt. Bei diesen Zusicherungen beruhigten sich die Kolonisten, wegen ihres in der Heimat zurückgelassenen Vermögens wurde ein genaues Protokoll aufgenommen.

Die Meisten besaßen daselbst Garten und Haus, welche zurückgebliebenen Verwandten anvertraut worden waren, hatten auch Mobiliar u. Hausrat zurückgelassen, welchen sie nicht sogleich hatten an

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den Mann bringen können. Sie baten, ihr Hab :und Gut ihnen zu sichern, und durch Kgl. Residenten zu Frankfurt a.M. hierher ziehen zu lassen.

Unterdeß waren Äcker und Wiesen vom Condukteur Heller aus Popelau vermessen worden, die Wiesen sollten regelmäßig unter die Äcker zu liegen kommen. Von 25o M. waren 183 M. 132 R. in diesem Sommer (1772) schon besät, 56 M. 28 R. noch unbesät, der Bau der Häuser war im Juli bis auf den inneren Ausbau fertig, die Wände geklebt, die Schindeldächer aufgelegt, die massiven Schornsteine schon über den Firsten. Der Landzimmermeister Christoph Schulz von Kreisewitz hatte den Bau für 2280 rth. unternommen, die Stadt das Bauholz aus dem Leubuscher Forste geliefert. Jedes Wohnhaus war 21 Ellen lang, 13 tief. Auch die Scheunen, 15 Ellen lang, 12 tief, waren unter Schindeldach, sollten aber noch geklebt und mit Tennen versehen werden, was den Kolonisten selbst zu bewerkstelligen oblag. Sie versprachen, bis zur Ernte fertig zu sein. überhaupt sollten die Bauten so weit gefördert werden, daß b. d. Ankunft des Königs die Kolonisten ihre Stellen bezogen haben könnten. Zu Zäunen um Hofraiten u. Gärten wurde ihnen vorläufig das Strauchholz aus den städtischen Waldungen geliefert, bis sie ihre Besitzungen mit Graben u. lebendigen Zäunen vor dem Wild und Vieh würden sichern können. Im Dorfe wurden vier öffentliche Brunnen angelegt (und mit Dielen) fünf Fuß tief ausgezimmert. Ein Schulhaus wurde auf Kosten der Koloniekasse gebaut. Zur Anlegung eines Kretschams89 hoffte man einen Baulustigen zu finden, der noch einen jährlichen Zins an die Kämmerei zahlte.

In den Unterlagen folgen nun einige Materialien zu Auswanderungen nach Russland.

89 Kretscham (Kretschem) [slawisch] der, (landschaftliche) Gastwirtschaft.

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Auswanderungen ins Russland der Katharina II. Als nächstes folgen die Unterlagen über die Auswanderungen nach

Russland, es wird hier eine Auswahl getroffen und nur die Auswanderer aus dem Gericht Vilden erwähnt, denn Paul Kammer hat die Auswanderungen aus der ganzen Grafschaft Solms-Braunfels gesammelt, doch dieses würde den hier gesetzten Rahmen sprengen.

Aus dem Manifest der Kaiserin Katharina 11. von Rußland

...10 Jedoch, da Wir in demselben denen Ausländern, die Verlangen tragen würden, sich in unserm Reiche häuslich niederzulassen, Unser Belieben nur summarisch angekündiget, so befehlen Wir zur besseren Erörterung desselben folgende Verordnung, welche Wir hiemit aufs feierlichste zum Grunde legen, und in Erfüllung zu setzen gebieten, jedermänniglich kund zu machen.

1. Verstatten Wir allen Ausländern in Unser Reich zu kommen, um sich in allen Gouvernemants, wo es einem jeden gefällig, häuslich nieder zulassen.

2. Sobald dergleichen Ausländer in Unserer Residenz angelanget, und. sich bey der Tutel-Canzelley (...) gemeldet haben werden; so sollen dieselben gehalten seyn; lhren wahren Entschluß zu eröfnen, Worin nemlich ihr eigentliches Verlangen bestehe, und ob sie sich unter der Kaufmannschaft oder unter Zünfte einschreiben lassen und Bürger werden wollen, und zwar nahmentlich, in welcher Stadt; oder ob sie Verlangen tragen, auf freyem und nutzbarem Grunde und Roden in ganzen Colonien und Landflecken zum Ackerbau (...) sich niederzulassen.

5. Gleich bey der Ankunft in Unser Reich (...) hat ein solcher (...) nach eines jeden Religions-Ritu den Eid der Unthänigkeit und Treue zu leisten.

6.(...) ist unser Wille:

1) freie Religionsübung / Kirchtürme bauen / keine Klöster

2) dreißig Freijahre für die Kolonisten, fünf Freijahre für Kaufleute und Handwerker in den Städten.

3) Staatliche Unterstützung für Siedler und Unternehmer.

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4) Staatlicher Vorschuß für Hausbau, Vieh und Inventar, sowie für die Anlage von Fabriken / zinsfrei! Rückzahlung nach 10 Jahren.

5) Selbständigkeit in der inneren Verwaltung der neuen Gemeinden.

6) Zollfreie Einfuhr des Vermögens.

7) Militärfreiheit für alle Zeiten.

8) Kostgeld, nebst freyer Schiffe bis an den Ort ihrer Bestimmung.

9) Zollfreie Ausfuhr für Waren, die bisher nicht in Rußland hergestellt wurden.

9) ... wer von denen sich niedergelassenen und Unserer Bothmäßigkeit sich unterworfenen Ausländern Sinnes würde sich aus unserem Reiche zu begeben, dem geben Wir jederzeit dazu die Freiheit, jedoch mit dieser Erläuterung, daß selbige verpflichtet seyn sollen, von ihrem ganzen in Unserm Reiche wohlerworbenen Vermögen einen Theil an Unsere Casse zu entrichten. (...)

Gedruckt beym Senate den 25. Juli 1763 Catharina.

Liste der Auswanderungswilligen.

Vildten:

Nickel Scheuermann Wittib

Johann Jost Scheuermann

Conrad Zimmer

Daniel Lotz

Johann Bast Pauly

Johann Caspar Leidner

Nonnenroth

Johann Martin Becker

Röthges

Jörg Henrich Eller

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Es folgen an dieser Stelle bei P. Kammer die anderen Orte der Grafschaft Solms-Braunfels, von Bonbaden bis Wölfersheim.

Wir gehen weiter bei P. Kammer mit verschiedenen Aktenstücken, die zeigen, wie schwer es war, damals das Land zu verlassen.

18. mertz 1766.

Ad Serenissimos Unterthänigste Relation

Nachdeme folgende Untertanen als

Nickel Scheuermann wittib von vildten

Johann Jost Scheuermann daselbst

Jörg Henrich Eller aus Röthges

Gonrad Zimmer von vildten

ihres armuth halber sich bey Fürstl. Regierung gemeldet und um Erlaubnis praestitis praestandis in Rußland mit ihrer Familie ziehen zu dörfen geziemend gebeten, dem äußerlichen vernehmen auch dergleichen noch mehrere melden werden.

Und man von Regierungs wegen hierbei keinen Anstand findet, so hat man für nöthig gefunden, solches Ew. Hochfürstlichen Durchlaucht unthertänigst anzuzeigen und um gnädigster Verhaltungsbefehle in unterthänigkeit zu bitten.

Braunfels den 18. Mertz 1766. G. W. Stock, nomine Regimine

Auf Regierungsbericht de praef.18ten Mertz.

Die von verschiedenen Unterthanen gesuchte Erlaubnis mit ihren Familien nach Rußland ziehen zu dörfen betr.

Resolution. Wir finden billiges Bedenken denen Supplikanten also fort zu deferiren, und sie mit ihren Familien dem ungewissen und gemeiniglich sehr ungünstigen Schicksal derer Emigranten zu überlassen. Wenigstens hätte vor allen Dingen die Regierung selbige vor sich zu bescheiden, sie über die Ursachen der vorhabenden Emigration, jeden besonders und umständlich zu befragen, die eigentliche Gegend, wo sie ihr besonderes Glück zu finden vermeynen, und die Gründe, worauf sie ihre Hoffnung

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beßerer Glücksumstände bauen, zu vernehmen und darüber ausführlich mit angefügtem Gutachten zu berichten.

Und weilen gemeiniglich die Unterthanen durch Emißanten aufgewiegelt und zu dem Emigrieren durch mancherley Vorspiegelungen verleitet werden, so hätte die Regierung zugleich auf dergleichen schädliche Leuthe aufmercksam zu seyn, und dieselbe abzuhalten und zu entfernen trachten.

Braunfels den 19. Mertz 1766.

R. R. RW. F. zu Solms Grb: Grb: zu Solms.

Wann die nach Rußland ziehn zu wollen sich anmeldente Unterthanen in solchen Elenden Umständen gerathen, daß sie ohnvermögendt ihren ferneren Unerhalt und nahrung in dem landt zu finden, und die herrschafftlichen praestanta abzufuhren, mithin demselben Vielmehr lästig fielen, als welches alles die Regierung genau zu untersuchen hätte, So wären Wir denen Vorgängig und nach beschehener Berichtigung ihrer schuldigen Abgaben deren nachgesuchten abzug unseres Orts nichts entgegen.

Magdalenhausen90 den 29.Mertz 1766. R.R. Garl zu Solms

Mit unseres Herrn Bruders Carls Lbdn. sind wir hierinnen gleicher Gesinnung. R. R. W. Christoph Sg.Solms

15. April 1766. Unterthänigste Relation!

Aus den anliegenden protocollis geruhen EW. Hochfürstl. Durchlauchten die Namen derjenigen Unterthanen so mit Weib und Kindern in Rußland ziehen wollen, als auch dieses, daß solche mehrentheils lauter Arme und dahero entbehrliche Leute seyn, Gnädigst zu entnehmen. Ew. Hochfürstl. Durchlaucht wollen von selbsten Gnädigst ermeßen, daß weilen Gnädigste Herrschaft an denenselben nichts verlieret und Theils dießelben dem Land zur Last sind, Ihnen die Dimißoriales gar wohl ertheilet werden mögen.

90 Dort befand sich das Jagdschlösschen der Fürsten zu Solms-Braunfels

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Weswegen ich auch kein Bedenken finde, mich der Hln. Regierungs Rat Chegels fol:47 aufgestellten voto zu conformieren.

Da nun die Emigranten um Beförderung täglich anstehen, So werden Ew. Hochfürstl Durchlauchten um Ertheilung derer Gnädigster Resolutionen unterthänigst gebeten.

Braunfels den 14. April 1766.

G. W. Stock.

Juristisches Gutachten:

Obwohlen der Freyherr von Puffendorff in dessen abhandlung vom Natürlichen Recht vertheidiget, daß ain Landes Herr, wann sämtliche Einwohner emigrieren wollten, solches nicht verbieten können, so bin ich dennoch mit Hugone Grotio der Meynung, daß die Emigration nur in solange zu gestatten, als dadurch der Status publicus einer Landschaft nicht immutiert und öde gemacht werde. Dergestalten verhält es sich auch nach den Reichsgesetzen ex Jure Subjectionis Territoriale. Bei denen hier angegebenen abziehen wollenden 33en finde ich keinen besonderen Gegenstandt. Die meistem verringern nach ihrer häußlichen Beschaffenheit an dem Hochfürstlichen aerario nicht oder Blut wenig, das schuldige Dienstgeld bleibt in Retardat. Das Publicum verlieret eben wenig, durch verschiedener dabey sich befindender Abzuch erhält solches in manchen Rücksichten nicht wenig vortheil.

Am 9tem April 1766 W. Scegeln (?)

Aus den Protokollen:

Frage 1: Was die Ursache ihres Abzuges sei.

Frage 2: In was vor eine Gegend sie kämen.

Frage 3: Worauf sie ihre Hoffnung eines Besseren Glückes bauten.

Friedrich Köppen von Diefenbach nebst seiner Frau und einem Kinde:

1. Weil er so viel Schulden habe, daß er sich nicht mehr retten könne, mithin wann er zur zahlung gezwungen werden sollte sein gantzes

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vermögen fortginge, Keine profession könne er nicht, folglich würde ihme bey denmahligen schlechten zeiten nichts übrig bleiben als daß er Betteln gehen müßte. Das orgelschlagen habe er zwaren gelernt, um einen Schuldienst einmahl Annehmen zu können, sehe aber auch keine Hoffnung dazu.

2. Die Gegend in dem Königreich Astrachan, wo er hinkäme wisse er nicht.

3. Er seye aufgeschrieben worden als Schuldiener.

Actum Hungen, den 4ten April 1766.

Wurde dem Johann Bast Pauly und dem Daniel Lotz von Villingen, so dann dem Georg Henrich Eller und Johann Jost Scheurmann von Röthges das (?) Regierungs reskript vom 3.April a o. Vorgehalten da sich dann dieselbe vernehmen ließen, sie hätten keine andere Ursach aus dem hiesigen Fürstlichen Lande zu ziehen, als ihre Armuth, und gedächten sich in Rußland, woselbsten ihnen soviel Land ohnentgeltlich versprochen worden in beßerer Umständ vor sich und die ihrigen zu setzen, angesehen sie sich nicht länger dahier durchbringen könnten.

Johann Bast Pauly und Daniel Lotz von Villingen äußerten weiter, sie sollten in Moskau links des Wolgau Stroms zu wohnen kommen und daselbsten ersterer 80 und letzterer 72 Morgen Land erhalten.

Georg Henrich Eller von Röthges brachte vor, Er seye rechter Rand des Wolgau Stroms zu kommen angewiesen worden.

Joh. Jost Scheuermann von daselbsten gab ad protocollum: Er habe sich noch nicht bey denen Rußischen Comissaires angegeben, mit in Rußland zu ziehen seye jedoch willens, es zu thun, wann ihme erlaubt würde, sein unter der Vormundschaft stehendes Kind erster Ehe nebst dessen Vermögen mitzunehmen.

Der Johann Caspar Leidner von Villingen, dessen Vermögen zur Bezahlung seiner Schulden nicht ausreichet, ist nicht erschienen, sondern mit seiner famille abgereiset.

Actum ut supra. pro copia in fidem

C. Rollwagen, Sectretarius.

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Aus der Grafschaft Hungen:

Joh. Bast Pauly von vildten behält überhaupt übrig 6 fl 17 xer

Georg Henrich Eller von vildten / Röthges .112 fl 71/2 xer

Daniel Lotz daselbst 23 fl 9 ¼ xer

Joh. Jost Scheuermann von Röthges hat sich anders resolvieret und bleibt im Land.

Conrad Zimmers Gesuch. .

Ew, Wohl auch Hochedelgeb. habe mittelst diesen unterthänige gehorsamst vorstellen sollen, welchergestalt unter andern mich auch resolvieret von hier ab in Rußland zu ziehen und zwar Hauptsächl. aus der Ursache, weilen der Joh. Caspar Leidner hier aus, welcher ebenfalls in sothane Landschaften sich niederzulassen entschlossen und auch die gnädigste Erlaubnis hierzu schon würklich erhalten, mir versprochen, auf dieße condition, wann ich nemlich mit Ihme dorthin Reyßen würde, dessen Tochter sich mit mir Verehelichen sollte; Wann aber nun ohne Hochdero Consens, dieser Vorhaben zu befolgen. Keinesweges mich unterstehen darff: Als ergehet an Ew. Wohl- auch Edelgeb. meine unterthänig-gehorsambstes Bitten, Sie geruhen sowohI den Abzug Hochgrf mir auch zu Verwilligen, daß die wenigen Von meinem Verstorbenen Vatter ererbte güter versilbern und den Kaufschilling in Rücklaßung des 10ten Pfennigs mit mir nehmen möge (...).

Johann Martin Becker von Nonnenroth

Daß Johann Martin Becker von Nonnenroth nach Abzug aller passivorum noch an vermögen 239 f1 35 xer 3 pfg. übrig behält, welche er nach Rußland mitnehmen will, wird durch Unterdrückung hiesign. Fürstl Canzley-Insiegels und gebührlicher Hand-Unterschrifft attestiert und beurkundet.

Sigmatum Hungen den 14 Juni 1766.

Den 16ten Juni 24 fl pro demißoralibus und sind ihm solche ertheilet worden. NB gehet weg mit seiner Frau, 4 Kinder und seinem Schwiegervatter Johannes Koch

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Niklas Scheuermann Wwe.

14. Märtz verlangt Nicklauß Scheurmanns Frau von Schultheiß und Vorsteher und Borgemeister ein attestat weillen Sieh in rußland will ziehen was ihr Vermögen und ihr schulth ausmacht wie folget:

Vor das erste hat sieh ihr vermögen Hauß, Hoff Ecker und wießen. verkaufft an lorentz Kahl in röthges auff 4 termin. Vor 218 fl das ist die gantze Summe was sieh gelöst hat.

Schulden (...) Die Frau nimmt von den 218 fl nichts mit als 10 fl daß andter Bleibt stehen da soll alles Bezahlt werten waß dan übrig bleibt das soll auf Intresse gelegt werten bis sie es abholt.

Wann ging es los?

Aus einer Eingabe vom 1.April „ als künfftigen Donnerstag der Transport abgehet, mit dem ich zu ziehen willens bin (..)

Resolution des Fürsten vom 28.4.

Wir sind unseres Orts der beständigen Meynung, daß das emigrieren überhaupt zu verbieten seye, woferne aber unter denen sich bereits angegebenen Emigranten Leute wären, die aus eigenen Mitteln sich u. die Ihrigen schlechterdings nicht zu nähren vermöghten, und denen man auch zu ihrer Nahrung im Land Mittel und weege anzuweisen und zu schaffen außerstande seye, so würde es allerdings zu hart seyn, durch ein absolutes verbott des auswanderns sie zwingen, ihr elendes Leben in Mangel und Kummer im Land hinzubringen, und wolten wir demmach ebenfalls nicht entgegen seyn, daß in Ansehung dieser arth Leuten von dem Emigrations verbott eine Ausnahme gemacht und denselben auff ihre Gefahr der Auszug, jedoch unter der vorgängigem. Bedeutung, wie sie auff allen Fall nachhero keinen Rücktritt in das Land zu verhoffen hätte gestattet werde.

Ernst zu Solms.

Zum Schluss dieses Sonderheftes schon den Hinweis, auch im regulären Heft Nr. 6 (Krieg und Frieden) bringen wir noch Beiträge von Dr. Paul Kammer, insbesondere weil sie auch thematisch dort hin gehören.

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Das Autorenteam:

Wilhelm Konrad links, hat die Archivunterlagen im Gemeinde-Archiv in eine für uns heutige Menschen lesbare Schrift übertragen.

Otto Rühl rechts, hat die Archivunterlagen recherchiert und für eine Veröffentlichung vorbereitet. Er ist auch für die Organisation und den Verkauf der Hefte verantwortlich. Heinz P. Probst,, Queckborn, unten, schreibt und gestaltet die Villingener Hefte nach den Archiv-Unterlagen.

Herausgeber:

Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde Villingen / Nonnenroth, Hirzbacher Weg

8, Hungen-Villingen. ©Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und sonstige Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Autorenteams

2003.

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Der HAK wurde mit Geldspenden unterstützt von:

Stadtarchiv Hungen Ortsbeirat Villingen

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Übersicht der bisher erschienenen Hefte mit Erscheinungsdatum Heft 1: Januar 03. I. Alte Pergamente, Fragmente aus dem Archiv von Villingen.

II. Chronica von 1606. III. Bürgermeisterrechnungen seit 1557/58. IV. Das Gericht Vilden seine Siegel und Unterlagen. V. Die Ortschronik, 1857, angefangen von Pfarrvikar Sellheim VI. Die Geschichte des Ortes, Ersterwähnung. VII. Die Kirche von Villingen. VIII. Die Glocken in Villingen. IX. Wüstungen rund um Villingen. X. Villinger Markustag.

Heft 2: März 03. I. Aus der Vorgeschichte der Gemarkung Villingen, II. Ereignisse des Jahres 1858, aus der Ortschronik, III. Auszüge aus Gemeinderatsprotokollen und Gemeinderechnungen 1858 IV. Ereignisse des Jahres 1859, aus der Ortschronik V. Auszüge aus Gemeinderatsprotokollen 1859. VI. Bericht Gemeindeausgaben, aus dem Jahr 1859, VII. Ereignisse des Jahres 1860, aus der Ortschronik VIII. Auszüge aus Gemeinderatsprotokollen 1860 IX. Bericht Gemeindeausgaben, 1860 X. Industrieschule von Villingen. XI. Informationen über die Hungerjahre 1846 und 1847, XII. „Woher sie kamen“, Zuwanderungen in Villingen. XIII. „Wohin sie gingen“, Auswanderungen aus Villingen. XIV. Villinger Schweinemast, V. Obergericht Vilden XVI. Baudenkmäler: Pfarrhaus; kleine Geschichte d. Fachwerks; Langgasse 28; Schnappschüsse: Gespann in der Langgasse, Familie Döll.

Sonderheft „die Villingener und ihr Wasser“; April 03 Heft 3: Juni 03 I. Die Pfarrer in Villingen

II. „Gericht und Landt Ordnung der Grafschaft Solms ...“ III. Aus dem Gericht Vilden IV. Schulen in Villingen und Lehrerbesoldung V. Aufstand im Amt Hungen VI. Das Wappen der Gemeinde, der Markuslöwe VII. Jüdisches Leben in Villingen und der jüdischen Gemeinde Hungen. VIII. Baudenkmäler: a) An der Kirche 9; b) An der Kirche 11; Langgasse 9 IX. Noch einmal Glocken in Villingen, Nachtrag X. Zeugnisse der Bandkeramiker in Villingen

Heft 4 September 03 I. Als wir zu Hessen-Darmstadt kamen II. Heimat in Villingen- „Heimatscheine“ III. Ortsbürger in Villingen mit gleichem Namen IV. Geldwerte und Maßeinheiten aus der Vergangenheit V. Auszüge: 1861, Ereignisse nach der Ortschronik VI. Gemeinderatsprotokoll 1861 VII. Gemeinderechnungen 1861 VIII. Von der Feuerwehr und der Feuerpolizei IX. Baudenkmäler: a.) Glockengasse, b.) Langgasse Nr. 15, c.) Pfarrgasse Nr. 3 X. Ein Werkstein an der Kirche in Villingen und (...)