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[1] DEUTSCHE ZEITSCHRIFT FÜR SPORTMEDIZIN Jahrgang 65, Nr. 9 (2014) A nfang der siebziger Jahre schlossen Kolumbien und die Bundesrepublik Deutschland ein Abkommen über die wissenschaftliche Zusammenarbeit in der Sportwissenschaft. Daraufhin flogen Mitarbeiter der Sporthochschule Köln, an der ich arbeitete, zu Seminaren nach Bo- gotá. Im Jahr 1973 reiste auch ich dorthin. Damals hatte die Bundesrepublik noch viel Geld, selbst wir Assistenten flogen dienstlich in der ersten Klasse. Da meine Frau und ich den Südamerikaaufenthalt für unseren Urlaub nutzen wollten, kam sie mit Billigflügen (Luxemburg-Nassau- Miami-Bogotá) hinterher. Wir wollten an die Karibikküste reisen. Aber ein Seminar- teilnehmer riet uns, unbedingt auch Cali im Tal des Flusses Cauca zu besuchen. Es sei dort sehr schön, er lade uns auf seine Finca ein und würde mit uns bis zum Pazi- fik fahren. Wir sagten natürlich nicht nein. Bis heute habe ich den Verdacht, dass der Kollege von meiner blonden Frau faszi- niert war und uns deshalb einlud. Diese Haarfarbe ist eine Rarität in Kolumbien und ich habe immer wieder Begeisterung beim Anblick von Blonden beiderlei Ge- schlechts erlebt. Universidad del Valle in Cali Auf jeden Fall lohnte sich der Abstecher. Das Valle de Cauca ist von zwei Anden- ketten mit bis zu 5400 Meter Höhe einge- rahmt. Wenn man die westliche Kordillere überquert, erblickt man den Stillen Ozeans. Über 1100 Kilometer dehnt sich von Nor- den nach Süden eine fast unbewohnte Kü- ste. Neben dem touristischen Programm besuchten wir auch das Physiologische Institut der Universidad del Valle. Dieses war überraschend gut ausgestattet, da die Rockefeller-Stiftung Geräte bezahlte. Mir fehlte noch das übliche Auslandsjahr und ich spürte Lust, dort zu arbeiten. Neun Jahre vergingen, ich hatte inzwi- schen die Abteilung für Sport-und Arbeits- physiologie an der Medizinischen Hoch- schule Hannover übernommen, als ich beim Lesen der Stellenanzeigen in der Zeit stutzte: Der Deutsche Akademische Aus- tauschdienst schrieb eine Gastdozentur für Physiologie an der Universidad del Valle in Cali aus. Das war doch mein Traum … Im September 1983 wurde der Traum Wirklichkeit, als ich aus dem Flugzeug in die Hitze des Tropentages hinaustrat. Am Ausgang des Flughafens Cali empfing mich ein langhaariger Deutscher mit dem Aus- sehen eines Guerilleros, von den Einhei- mischen deshalb Comandante genannt. Er war ebenfalls Physiologe und schon seit Jahren im Lande. Sein eigentliches Motiv waren die zahllosen Schmetterlinge, die er begeistert sammelte. Er hatte den An- trag der Universität für die Gastdozentur veranlasst, aber dabei eher an sich selbst gedacht. Aus formalen Gründen konnte er die Stelle aber nicht bekommen und so erhielt ich sie. Wir haben uns trotzdem gut verstanden. Anämiekranke untersucht Leider hatten sich die Bedingungen in Cali verschlechtert. Mehrere Wissenschaftler hatten das Institut verlassen, die Geräte funktionierten häufig nicht, weil das Geld für Reparaturen fehlte. Ich fand zwar schnell hilfreiche Freunde und ein Haus für die Fa- milie, aber es dauerte drei Monate, bis der Zoll Möbel und Geräte freigab. Da lernte man die deutsche Bürokratie schätzen. Eigentlich wollte ich Höhenphysiologie be- treiben, aber Cali liegt nur auf 1000 Meter. Ich begann deshalb mit Untersuchungen an Anämiekranken, die wegen Malaria und Eiweißmangel zahlreich sind. Mit einem mitgebrachten Sauerstoffbindungsanaly- sator konnten wir die O 2 -Bindungskurve des Blutes messen, die rechtsverschoben war und damit kompensatorische Ände- rungen zeigte. Doch langsam ergaben sich weitere Möglichkeiten. Der Biologe Joel Rojas schickte uns aus Bogotá (2600 Meter Höhe) Blutproben von Sportlern. Aber ehe wir genügend Messungen zusammen hat- ten, war das Jahr schon vorbei. Doch die Zusammenarbeit wurde aufrechterhalten. Zunächst überredete ich meinen Assistenten Walter Schmidt, jetzt Professor für Sportphysiologie in Bayreuth, meine Nachfolge in Cali anzutreten. Er ist seitdem ebenfalls kolumbienbegeistert. Er führte die Messungen an Sportlern in Bogotá weiter und zeigte, dass sie im Ver- gleich zu Untrainierten und zu Trainierten aus Cali eine deutliche Rechtsverschie- bung der Sauerstoffbindungskurve hatten. Leider geriet er nach neun Monaten in eine Schießerei zwischen Mafia und Poli- zei. Man riet ihm, das Land zu verlassen, weil Zeugen von der Mafia oft umgebracht würden. Ein Jahr später reiste er trotzdem schon wieder nach Kolumbien. Sportmedizinkurse in Cali und Bogatá In den kommenden Jahren wechselten wir beide uns ab mit Kursen für Sportmedizin in Cali und Bogotá. Die Forschung war und blieb schwierig wegen Mangels an funkti- onierenden Geräten und Reagenzien, die nur mit Schwierigkeiten eingeführt werden konnten. Kleinere Geräte brachten wir im Koffer mit, was nicht immer ohne Verluste abging. Ein Oxymeter im Neuwert von 30000 DM wurde zerstört, aber die Versi- cherung zahlte. Reagenzien zur Laktat-

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Page 1: Höhentraining · 2018. 5. 14. · Dossier runD um Den sport hilfe beim Gehen Das medizinische Hilfsmittel der Böhm Center of Technology GmbH erleichert erheblich den Bewegungdrang

[1] Deutsche Zeitschrift für sportmeDiZin Jahrgang 65, nr. 9 (2014)

A nfang der siebziger Jahre schlossen Kolumbien und die Bundesrepublik Deutschland ein Abkommen über

die wissenschaftliche Zusammenarbeit in der Sportwissenschaft. Daraufhin flogen Mitarbeiter der Sporthochschule Köln, an der ich arbeitete, zu Seminaren nach Bo-gotá. Im Jahr 1973 reiste auch ich dorthin. Damals hatte die Bundesrepublik noch viel Geld, selbst wir Assistenten flogen dienstlich in der ersten Klasse. Da meine Frau und ich den Südamerikaaufenthalt für unseren Urlaub nutzen wollten, kam sie mit Billigflügen (Luxemburg-Nassau-Miami-Bogotá) hinterher. Wir wollten an die Karibikküste reisen. Aber ein Seminar-teilnehmer riet uns, unbedingt auch Cali im Tal des Flusses Cauca zu besuchen. Es sei dort sehr schön, er lade uns auf seine Finca ein und würde mit uns bis zum Pazi-fik fahren. Wir sagten natürlich nicht nein. Bis heute habe ich den Verdacht, dass der Kollege von meiner blonden Frau faszi-niert war und uns deshalb einlud. Diese Haarfarbe ist eine Rarität in Kolumbien und ich habe immer wieder Begeisterung beim Anblick von Blonden beiderlei Ge-schlechts erlebt.

Universidad del Valle in CaliAuf jeden Fall lohnte sich der Abstecher. Das Valle de Cauca ist von zwei Anden-ketten mit bis zu 5400 Meter Höhe einge-rahmt. Wenn man die westliche Kordillere überquert, erblickt man den Stillen Ozeans. Über 1100 Kilometer dehnt sich von Nor-den nach Süden eine fast unbewohnte Kü-ste. Neben dem touristischen Programm besuchten wir auch das Physiologische Institut der Universidad del Valle. Dieses war überraschend gut ausgestattet, da die Rockefeller-Stiftung Geräte bezahlte. Mir fehlte noch das übliche Auslandsjahr und ich spürte Lust, dort zu arbeiten.

Neun Jahre vergingen, ich hatte inzwi-schen die Abteilung für Sport-und Arbeits-physiologie an der Medizinischen Hoch-schule Hannover übernommen, als ich beim Lesen der Stellenanzeigen in der Zeit stutzte: Der Deutsche Akademische Aus-tauschdienst schrieb eine Gastdozentur für Physiologie an der Universidad del Valle in Cali aus. Das war doch mein Traum …

Im September 1983 wurde der Traum Wirklichkeit, als ich aus dem Flugzeug in die Hitze des Tropentages hinaustrat. Am Ausgang des Flughafens Cali empfing mich ein langhaariger Deutscher mit dem Aus-sehen eines Guerilleros, von den Einhei-mischen deshalb Comandante genannt. Er war ebenfalls Physiologe und schon seit Jahren im Lande. Sein eigentliches Motiv waren die zahllosen Schmetterlinge, die er begeistert sammelte. Er hatte den An-trag der Universität für die Gastdozentur veranlasst, aber dabei eher an sich selbst gedacht. Aus formalen Gründen konnte er die Stelle aber nicht bekommen und so erhielt ich sie. Wir haben uns trotzdem gut verstanden.

Anämiekranke untersuchtLeider hatten sich die Bedingungen in Cali verschlechtert. Mehrere Wissenschaftler hatten das Institut verlassen, die Geräte funktionierten häufig nicht, weil das Geld für Reparaturen fehlte. Ich fand zwar schnell hilfreiche Freunde und ein Haus für die Fa-milie, aber es dauerte drei Monate, bis der Zoll Möbel und Geräte freigab. Da lernte man die deutsche Bürokratie schätzen. Eigentlich wollte ich Höhenphysiologie be-treiben, aber Cali liegt nur auf 1000 Meter. Ich begann deshalb mit Untersuchungen an Anämiekranken, die wegen Malaria und Eiweißmangel zahlreich sind. Mit einem mitgebrachten Sauerstoffbindungsanaly-sator konnten wir die O2-Bindungskurve des Blutes messen, die rechtsverschoben war und damit kompensatorische Ände-rungen zeigte. Doch langsam ergaben sich weitere Möglichkeiten. Der Biologe Joel Rojas schickte uns aus Bogotá (2600 Meter Höhe) Blutproben von Sportlern. Aber ehe wir genügend Messungen zusammen hat-ten, war das Jahr schon vorbei.

Doch die Zusammenarbeit wurde aufrechterhalten. Zunächst überredete ich meinen Assistenten Walter Schmidt, jetzt Professor für Sportphysiologie in Bayreuth, meine Nachfolge in Cali anzutreten. Er ist seitdem ebenfalls kolumbienbegeistert. Er führte die Messungen an Sportlern in Bogotá weiter und zeigte, dass sie im Ver-gleich zu Untrainierten und zu Trainierten aus Cali eine deutliche Rechtsverschie-

bung der Sauerstoffbindungskurve hatten. Leider geriet er nach neun Monaten in eine Schießerei zwischen Mafia und Poli-zei. Man riet ihm, das Land zu verlassen, weil Zeugen von der Mafia oft umgebracht würden. Ein Jahr später reiste er trotzdem schon wieder nach Kolumbien.

Sportmedizinkurse in Cali und BogatáIn den kommenden Jahren wechselten wir beide uns ab mit Kursen für Sportmedizin in Cali und Bogotá. Die Forschung war und blieb schwierig wegen Mangels an funkti-onierenden Geräten und Reagenzien, die nur mit Schwierigkeiten eingeführt werden konnten. Kleinere Geräte brachten wir im Koffer mit, was nicht immer ohne Verluste abging. Ein Oxymeter im Neuwert von 30000 DM wurde zerstört, aber die Versi-cherung zahlte. Reagenzien zur Laktat-

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Jahrgang 65, nr. 9 (2014) Deutsche Zeitschrift für sportmeDiZin

dem Physiologischen Institut der medizinischen Fakultät zu-sammen. Er organisierte 1998 Elektrolyt- und Hormonunter-suchungen bei Marathonläufen in der Höhe und im tropischen Tiefland. Walter Schmidt und ich brachten die Hormonpro-ben nach Deutschland. Die Leistungen in der Höhe waren schlechter und beanspruchen-der als in der tropischen Hitze, obwohl es hierbei zu Dehydrie-rung kam. In der Höhe tranken die Läufer nach dem Ende viel zu viel Wasser, die Plasmana-triumkonzentration fiel auf pathologische Werte teils unter 130 mmol/l.

Jetzt besserte sich die Lage für sportmedizinische For-schung in Bogota deutlich. Das zentrale sportmedizinische In-stitut wurde bestens ausgestat-tet und erhielt mit Dr. Maurizio Serrato einen kompetenten Leiter. Endlich gab es die Mög-lichkeit, die Hämoglobinmasse bei Höhenbewohnern mit der CO-Rückatmungsmethode zu messen. Wir hatten die Metho-de bereits Ende der achtziger Jahre in Hannover eingesetzt. Sie hat sich seitdem in der Sportmedizin verbreitet, nach einer methodischen Verbes-serung durch Walter Schmidt wird sie weltweit in der Antido-pingforschung eingesetzt.

HöhentrainingZwischen 2000 und 2002 haben die Berliner und die Bayreuther Arbeitsgruppe in Zusammen-arbeit mit den Bogotanern zahlreiche Messungen durch-geführt. Höhe und Training er-höhen additiv die Hämoglobin-masse, die mit der maximalen Sauerstoffaufnahme korreliert ist. Bei Frauen ist die Zunahme der Hämoglobinmasse gerin-ger, weil weibliche Hormone die Atmung stimulieren und dadurch die Abnahme der ar-teriellen Sauerstoffsättigung mit der Höhe verringern. Der physiologische Grund für die verstärkte Atmung ist, dass der Fetus unter Sauerstoffmangel-bedingungen lebt: sein arteri-eller PO2 ist nur so hoch wie in der Luft auf dem Mt. Everest.

Bei Daueraufenthalt in der Höhe findet man keine Zunah-me der Erythropoetinkonzen-tration im Blut, trotzdem ist die Hämoglobinmasse vergrößert. Bisher wurden Erythropoetin-messungen aber nur einmal am Tag durchgeführt. Angeblich gibt es keine Tagesschwan-kungen. Wir haben trotzdem in Bogotá Tagesprofile gemessen (unveröffentlicht): Um 03.00 Uhr ist die Erythropoetinkon-zentration erhöht, weil zwi-schen 00:00 und 03.00 Uhr die arterielle Sättigung abfällt!

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Kolumbien liegt im Nordwesten Südamerikas und grenzt im Südwesten an Ecuador und Peru, im Südosten an Brasilien, im Nordosten an Venezuela und im Nordwesten an Panama.

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[3] Deutsche Zeitschrift für sportmeDiZin Jahrgang 65, nr. 9 (2014)

DossierrunD um Den sport

hilfe beim GehenDas medizinische Hilfsmittel der Böhm Center of Technology GmbH erleichert erheblich den Bewegungdrang.

sonderveröffentlichung*

Mit der Gehhilfe GANYMED werden die Stütz-Belastungen auf das Schultergelenk erheblich reduziert (ca. 30%). Sie ist bio-mechanisch konzipiert, lässt sich mit gerin-gem Kraftaufwand vorsetzen und entlastet auch den Stütz auf den Händen erheblich. Übliche Schmerzen in den Händen, ausge-löst durch einen schmerzhaften Druck des Griffes auf die Handnerven (Nervus Medi-anus), werden auf ein Minimum reduziert.

Gelenke werden geschontEbenso nach biomechanischen und sta-tischen Erkenntnissen verwenden die Tech-niker der Böhm Center of Technology GmbH einen speziell geformten Fuß der Gehhilfe.

Oval, mit etlichen Verstrebungen im Innen-leben, ist er ein idealer Schock-Absorber. Der Fuß stabilisiert die Gehstütze in jeder Bewegung, bei jeder Richtungsdrehung bleibt er flach auf dem Boden stehen und er-laubt ein härteres oder weicheres Aufsetzen.

Dadurch, dass bei der Gehhilfe auto-matisch der Aufsetzpunkt nach vorne ver-schoben ist, entsteht eine Verteilung der Kräfte auf sämtliche Muskeln des Oberkör-pers und schont damit die Gelenke. Oben-drein befinden sich die Gehhilfen immer im Blickfeld des Benutzers.

* mit freundlicher Unterstützung der Böhm Center of Technology GmbH

www.boehm-healthcare.eu

Ein wei-teres Thema unserer Studien ist das Säure-Basen-Gleich-gewicht. Nach klassischer Vor-stellung ist die Pufferkapazität des Blutes we-gen Bicarbona-tausscheidung in der Höhe herabgesetzt.

Betrachtet man allerdings die Verhältnisse bei Arbeit, bei der das Blut mit Milchsäu-re titriert wird, kommt genau das Umge-kehrte heraus: die Pufferkapazität ist bei Höhenbewohnern u.a. durch Anstieg der Hämoglobinmasse vergrößert.

Hohe KriminalitätsrateGeplant sind Untersuchungen des Körper-wassers bei Höhenbewohnern, der Lage der erythropoetischen Schwelle und des Wirkungsgrades. Eine Liste aller Veröffent-lichungen zu Kolumbienthemen kann bei mir angefordert werden.

Die Intensität der Zusammenarbeit hat dazu geführt, dass ich trotz „Ruhe-stands“ inzwischen noch häufiger als frü-her nach Kolumbien reise. Seit 1984 war ich etwa alle zwei Jahre dort. Nur zwischen 2002 und 2006 gab es eine Pause, da die

Guerilla Straßen sperrte und insbeson-dere Ausländer entführte. Inzwischen ist die Guerilla zurückgedrängt, die Straßen sind in noch gefährdeten Gegenden durch Soldaten gesichert. Jedoch bleibt die hohe Kriminalität ein landestypisches Problem. Ursachen sind eine große bettelarme Un-terschicht, eine schlechte, häufig korrupte Verwaltung sowie der Bürgerkrieg in Tei-len des Landes. Die schlimmsten Zeiten in den neunziger Jahren, als die Capos der Mafia Mordaufträge für 50 Dollar Bezah-lung erteilten, endeten, nachdem sie sich gegenseitig umgebracht hatten. Ich selbst war einmal Opfer eines bewaffneten Über-falls. Aber bevor der Räuber mit der Beute abzog, wurde er nett: „Ist in Ihrem – von mir geklauten – Rucksack ein wichtiges Dokument, das Sie noch brauchen?“ Dann suchte er meine Kreditkarte, mit der er of-fensichtlich nichts anfangen konnte, und anschließend noch meine Brille heraus. Beides gab er mir zurück.

Hora alemana – hora colombianaWo selbst die Kriminellen freundlich sind, ist es die normale Bevölkerung erst recht. Dies und die Latinokultur (extrovertiert, musik- und tanzbegeistert) macht den Umgang angenehm. Beliebte Sportarten sind neben Fußball u.a. Radfahren und Inline-Skating; hierfür werden am Sonn-tag in den Städten Durchgangsstraßen ge-sperrt. Nur an die dehnungsfähigen Pünkt-

lichkeitsvorstellungen muss man sich gewöhnen. Ein freundlicher Hinweis, dass man sich an hora alemana, nicht an hora colombiana halten wolle, ist gelegentlich hilfreich. In Meereshöhe wohnen überwie-gend Schwarze, in mittleren Bereichen Mu-latten, im Hochland Mestizen, dazu gibt es viele „Trigenios“ mit Vorfahren aus allen Gruppen. Etwa drei Prozent sind Indios. In Llanos und dem Urwald zwischen Anden und Orinoco sowie Amazonas leben nur wenige Menschen. Die Landschaften sind faszinierend. Jahreszeiten gibt es in Äqua-tornähe nicht, aber innerhalb eines Tages kann man vom Tropendschungel am Meer bis zum ewigen Schnee auf den Gipfeln von Vulkanen reisen.

Über die Jahre ist Kolumbien meine zweite Heimat geworden, ich habe dort viele Freunde. Auch familiäre Bindungen sind entstanden. Ein kolumbianischer Schwiegersohn ist uns nach Berlin gefolgt und eine kleine Enkelin erfreut die Großel-tern beiderseits des Atlantiks.

Univ. Prof. a. D. Dr. Dieter Böning, Charité – Universitätsmedizin Berlin

Blick von der Bibliothek der Universidad del Valle auf die Skyline von Santiago de Cali.

über 30.000 Studenten genie-ßen die üppigen Grünanlagen der Universidad del Valle.

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Jahrgang 65, nr. 9 (2014) Deutsche Zeitschrift für sportmeDiZin

VorstandswahlenDer Verein zur Förderung der Sportmedizin Hannover e.V. hat im April einen neuen Vorstand gewählt: 1. Vorsitzender: Prof. Dr. Dieter Böning, Berlin; 2. Vorsitzender: Prof. Dr. med. Klaus-Michael Braumann, Hamburg; Schatzmeister: Dr. Hans-Jürgen Schnell, Ruppichteroth. Der Verein ist Träger und Herausgeber der Deutschen Zeitschrift für Sportmedizin.

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n ach dem Ersatz von ar-throtischen und funkti-onsuntüchtigen Gelenken

durch Endoprothesen können an Bewegung interessierte Men-schen in der Regel wieder Sport treiben. Der durch die Implan-tation schmerzfrei und mobi-ler gewordene ältere Patient genauso wie der jüngere En-doprothesenträger haben oft den Wunsch zu vermehrter körperlicher Aktivität oder der Wiederaufnahme zuvor betriebener Sportarten. Dabei müssen Sportarzt und Patient Kontraindikationen ausschlie-ßen und sorgfältig Bewegungs-möglichkeiten abwägen.

Implantate als GelenkersatzEndoprothesen sind Implan-tate, die dauerhaft im Körper bleiben und das geschädigte Gelenk ganz oder teilweise er-setzen. Am bekanntesten sind Endoprothesen für das Knie, die Hüfte und die Schulter. Ob ein Patient wieder Sport trei-ben kann, hängt von einigen Voraussetzungen ab. So muss die Operation mindestens sechs Monate zurück liegen, das Implantat stabil verankert sein sowie Schmerzfreiheit, eine angemessene Bewegungs-fähigkeit des Gelenkes und stabile Herz-Kreislauf-Verhält-nisse vorhanden sein. Kontra-indikationen sind: Gelenkinfek-tion, Implantatlockerung und Gelenkinstabilität.

Unter Abwägung der en-doprothetischen- und patien-

tenbezogenen Vorgaben muss ein Kompromiss zwischen gelenkstabilisierenden Bewe-gungsreizen und möglicher Überbeanspruchung gefun-den werden. Abrupte Rota-tionsbewegungen, Scheren oder Kreuzen der Beine sowie Belastungsspitzen sind zu vermeiden. Verboten ist Leis-tungs- und Wettkampfsport in den „Impact-Sportarten“, also Sportarten mit Sprüngen und abrupten Bewegungen.

Empfehlungen der DGSPAls besonders geeignete Sport-arten empfiehlt die Sektion Re-habilitation und Behinderten-sport der DGSP Schwimmen mit Kraulbeinschlag, Radfah-ren, Wandern, Nordic Walking, Aquajogging, Gymnastik zur Dehnung und Kräftigung, Ru-der, Paddeln und Tanzen. Be-dingt geeignete Sportarten sind Skilanglauf (Diagonalschritt), Golf, Tennis, Tischtennis, Ke-geln/Bowling, Reiten, Alpiner Skilauf und Jogging. Es werden nicht empfohlen: Kampfsport-arten/Wettkampfsport, Ball-sportarten, Leichtathletik, Ge-räteturnen, Eislaufen, Squash, Mountainbiking und Inline-Skating. Grundsätzlich sind Sportarten mit erhöhtem Ver-letzungsrisiko, die gleichzeitig auch zu höheren Beanspru-chungen der Endoprothesen führen können, für diese Pati-enten nicht geeignet.

Dr. Ingo Tusk, FrankfurtDGSP-Vizepräsident

sport mit endoprotheseDie deutschen Sportmediziner informieren.

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Referenzen: 1. Fachinformation Wobenzym® plus, Stand: 03/11. 2. Orthopädische Nachrichten 04.2013; S. 35. 3. Klein G, Kullich W, Schnitker J, Schwann H. Effi cacy and tolerance of an oral enzyme combination in painful osteoarthritis of the hip. A double-blind, randomized study comparing oral enzy-mes with non-steroidal anti-infl ammatory drugs. Clin Exp Rheumatol 2006; 24(1): 25–30. 4. Singer F, Singer C, Oberleitner H. Phlogenzym versus diclofenac in the treatment of activated osteoarthritis of the knee. A double-blind prospective randomized study. Int J Immunotherapy 2001; 17(2/3/4): 135–141.* Studien wurden mit Diclofenac als Vertreter der NSAR und mit Phlogenzym, alte Bezeichnung des Produkts, durchgeführt.

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[5] Deutsche Zeitschrift für sportmeDiZin Jahrgang 65, nr. 9 (2014)

Wenn sich ein Profisportler, etwa ein Bun-desligaspieler, ernsthaft verletzt, sieht sich das medizinische Team regelmäßig von allen Seiten einem enormen Druck aus-gesetzt, berichtete Dr. Peter Schäferhoff, Ärztlicher Direktor der MediaPark Klinik Köln und Mannschaftsarzt des 1. FC Köln. Jeder dränge darauf, dass der Spieler mög-lichst bald wieder auf dem Platz steht.

„Für uns sind die Verletzten jedoch vor allem Patienten, für die wir verantwortlich sind und erst in zweiter Linie Hochleis-tungssportler“, betonte Schäferhoff beim 1. Sportmedizinischen Symposium Köln 2014 im RheinEnergieStadion. Schwerpunkt der gemeinsamen Fortbildungsveranstaltung für Sportmediziner und Physiotherapeuten war das Kniegelenk.

Kreuzbandverletzungen sind nach Schäferhoffs Angaben im Leistungssport „sehr häufig“. Im Profifußball entstehen drei Viertel der Kreuzbandverletzungen ohne gegnerischen Kontakt. Typisch für die Verletzung ist das gestreckte Bein in einer leichten Valgusposition wobei der Körperschwerpunkt hinter dem Knie liegt, erklärte Schäferhoff.

Erwartungsdruck ist enormBei der operativen Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes muss die schwie-rige Aufgabe gelöst werden, sich möglichst genau an der Anatomie zu orientieren. Bei der Fixierung des Kreuzbandes am Kno-chen bringt die Ein-Kanal-Technik nach seiner Erfahrung im Vergleich zur Double-Band-Technik die besseren Ergebnisse. „Im Durchschnitt sind die von uns operierten Fußballer nach sechs Monaten wieder im Training. Das heißt aber nicht, dass sie dann auch schon wieder bei offiziellen Spielen antreten“, erklärte Schäferhoff. Die Ungeduld im Umfeld eines verletzten Hochleistungssportlers – von der Familie über die Berater und den Trainer bis hin zu den Medien – sei oftmals „die größere Be-lastung“, bestätigte auch Klaus Maierstein, Leiter der Physiotherapie und Rehabilita-tion des 1. FC Köln. „Die Gesundheit des Sportlers steht immer im Vordergrund. Wir lassen uns von niemandem unter Druck setzen“, erklärte Maierstein. Der zweite Schritt dürfe nicht vor dem ersten erfolgen.

Metabolische Osteopathien nehmen zu Zunehmend häufiger kommt es im Profis-port auch zu knöchernen Überlastungs-reaktionen am Knie, berichtete Dr. Philip Catalá-Lehnen, Ärztlicher Leiter am UKE Athleticum Hamburg. Bei den 16- bis 18-jährigen Sportlern sind nach seinen Angaben etwa 20 Prozent der Verlet-zungen Frakturen, fast immer der unteren Extremität, viele davon Stressfrakturen wegen eines Knochenödems in der Nähe des Knies. Zwar besteht über die Ursa-

chen noch keine Klarheit, möglicherweise spielen aber chronische Überlastungen sowie der Knochenstoffwechsel eine ent-scheidende Rolle, meinte Catalá-Lehnen. Dafür spricht insbesondere auch die zu-nehmende Zahl von Patientinnen mit metabolischen Osteopathien, die extensiv Marathon oder Triathlon laufen.

Das Mindeste, was man prophylak-tisch tun kann, ist auf den Knochenstoff-wechsel und auf einen ausreichend hohen Vitamin-D-Spiegel zu achten, empfahl Catalá-Lehnen. Die hoch dosierte Gabe von Vitamin D trägt nicht nur zur Opti-mierung des Knochenstoffwechsels bei, sondern bewirkt möglicherweise auch weniger Muskelverletzungen. Bei allen Problemen im Knie sollte möglichst früh ein MRT angefertigt werden, um eventu-elle Knochenödeme zu erkennen.

Knorpelschäden ziehen in der Regel die längsten Ausfallzeiten bei Profisport-lern nach sich, berichtete Dr. Paul Klein, Leitender Orthopäde der MediaPark Klinik

Knieverletzung: Das ende der sportlichen Karriere?1. Sportmedizinisches Symposium Köln 2014 zu Verletzungen rund um das Kniegelenk

Das Kniegelenk war das Schwerpunktthema beim 1. Sportmedizinischen Symposium Köln 2014

Köln und Mannschaftsarzt des 1. FC Köln. Daher sind Knorpelschäden vor allem bei Fußballern besonders gefürchtet, weil sie das Ende der Karriere bedeuten können. Knorpelschäden treten nach Kleins Anga-ben in erster Linie am Knie auf und sind oft auch mit anderen Verletzungen etwa des vorderen Kreuzbandes assoziiert. Akute Knorpelschäden sind in der Regel besser zu beheben als chronische oder de-generative Schäden, erklärte Klein. Infu-sionen mit Traumeel® haben nach seinen Angaben einen festen Stellenwert in der Behandlung von Knorpelschäden.

Natürliches Arzneimittel beschleunigt die HeilungÜber die Diagnostik und Therapie von Be-schwerden der Patellarsehne im Leistungs-sport berichtete Dr. Burak Yildirim, Leiten-