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Arbeitsmedizinisches Forum Berlin, 09. März 2013 1
"Hochfrequente elektromagnetische und niederfrequente elektrische und magnetische Felder -
Grundlagen und gesundheitliche Bedeutung"
Dr. Anne Dehos
Bundesamt für Strahlenschutz
Fachbereich Strahlenschutz und Gesundheit
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Elektromagnetisches Frequenzspektrum
Mobilfunk-Sendefrequenzen:1920-1980 MHz UMTS Uplink2110-2170 MHz UMTS Downlink
1710-1785 MHz E-Netz Uplink1805-1880 MHz E-Netz Downlink
890-915 MHz D-Netz Uplink935-960 MHz D-Netz Downlink
50 Hz: Niederfrequente Felder der Strom-Versorgung
16 2/3 Hz: Bahnstrom
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Niederfrequente Felder• Vorkommen im Alltag• Eigenschaften• Nachgewiesene Wirkungen
Hochfrequente Felder• Vorkommen im Alltag• Eigenschaften• Nachgewiesene Wirkungen
Hochfrequente und niederfrequente Felder
Inhalt
• Vorsorge
• Rechtliche Regelungen• Wissenschaftlich diskutierte Wirkungen
- Krebserkrankungen
- Neurodegenerative Erkrankungen
- Fortpflanzung
- Elektrosensibilität- Unspezifische Beschwerden- ………..
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Elektrische Felder (E-Felder):
� Feldkräfte wirken auf elektrisch leitende Mate-rialien ein ���� Ladungsverschiebungen an der Körperoberfläche (Influenz) ���� Körperoberfläche wird aufgeladen, Ausgleichsströme (= Körper-ströme) im Körperinneren
� leicht durch leitfähige Materialen abzuschirmen.
Magnetfelder (H-Felder):
� bilden sich um stromdurchflossene Leiter; ändert der Strom die Richtung, wird das Magnetfeld im gleichen Rhythmus umgepolt
� Magnetische Wechselfelder verursachen (indu-zieren) Wirbelströme in leitfähigen Körpern
� können nur mit speziellen Materialien und erheb-lichem Aufwand abgeschirmt werden.
Eigenschaften niederfrequenter Felder
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Exposition im Alltagniederfrequente Felder
� Elektrogeräte und Hausinstallationen:im Mittel in ländlichen Regionen < 0,1 µT, in städtischen Regionen ca. 0,12 µTan der Oberfläche einzelner Geräte (z.B. Fön oder Rasierapparat bis zu 2 mT.
� hohe Werte auch an der Oberfläche verschiedener Arbeitsgeräte� unter 380 kV Höchstspannungsfreileitungen bis zu 4,5 µT
gemessen
Maßeinheiten: Feldstärke in Volt pro Meter (V/m) für das elektrische Feld
magnetische Flussdichte in Tesla (T) bzw. µT für das Magnetfeld
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Nachgewiesene Wirkungen niederfrequenter Felder
� Niederfrequente elektrische und magne-tische Felder verursachen im Körper zu-sätzliche Ströme
� Magnetische Felder dringen in den Körper ein, elektrische kaum
� Oberflächliche Ladungseffekte (wahr-nehmbar bis belästigend) durch elek-trisches Feld
� Stimulation zentraler und peripherer Nerven
� Auslösen von Nervenimpulsen und Mus-kelkontraktionen
� Auslösen vorübergehender Lichterschei-nungen (Phosphene) an der Retina.
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WechselwirkungAbsorption von Energie
Biologische Effekte, z.B. Temperaturerhöhung
Schädigung möglich
Elektromagnetische Strahlung
Leistung pro Fläche [W/m²]
Eigenschaften hochfrequenter Felder
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� Mobilfunksendeanlagen: meistens im Bereich von mW/m2
� Handys: maximale SAR-Werte sehr variabel, maximal 2 W/kg
� DECT-Telefone: SAR-Wert beim Telefonieren unter 0,1 W/kg
Basisstation: sehr geringe SAR-Werte
� WLAN und Bluetooth: Notebook auf dem Schreibtisch bei maximaler Sendeleistung: 0,1 bis 0,2 W/kg
� Laptop auf dem Schoß und Sender unmittelbar über dem Oberschenkel: lokale SAR-Werte in der Größenordnung des empfohlenen Höchstwertes
Exposition im Alltaghochfrequente Felder
Maßeinheiten: elektrische Feldstärke in V/mmagnetische Feldstärke in A/mLeistungsflussdichte in W/m2
Spezifische Absorptionsrate (SAR in W/kg)
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Thermische Wirkungen:
Absorption von HF-Strahlung geladene oder polare Moleküle geraten in Schwingung Reibungswärme
Oberhalb von Schwellenwerten (> 1oC Erwärmung)
� Beeinflussung des Stoffwechsels
� Verhaltensänderungen
� Einfluss auf temperaturempfindliche Organe (Hoden, Augenlinse)
� Missbildungsrate erhöht
� Thermoakustischer Effekt „Mikrowellenhören“
Nachgewiesene Wirkungen hochfrequenter Felder
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Rechtliche Regelungen
Sechsundzwanzigste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung
über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV vom 16. Dezember 1996
• Regelung für ortsfeste Anlagen der Stromversorgung und für ortsfeste Sendefunkanlagen
• 26. BImSchV enthält Grenzwerte für niederfrequente elektrische und magnetische sowie für hochfrequente elektromagnetische Felder
Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen
(NiSG) vom 29.Juli 2009
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� Basiswerte und eigentliche Grenzwerte beruhen auf Empfehlungen der Internationalen Kommis-sion zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP). Diese wurden von der deutschen Strahlenschutzkommisssion (SSK) übernommen und vom Bundesrat in der 26. BImschV umgesetzt.
� Sind auch in der EU-Ratsempfehlung 1999/519/EG enthalten
Rechtliche Regelungen
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Nachgewiesene Wirkungen bilden die Grund-lage der Grenzwerte
• Basiswerte niederfrequente Felder: induzierte Körperstromdichte [mA/m2], Begrenzung auf 2 mA/m2
• Neu: im Körper verursachte elektrische Feldstärke als
Basiswert - max. 0,02 V/m im Gehirn, max. 0,4 V/m in allen
anderen Bereichen des Körpers; neue Referenzwerte
• Natürliche Körperstromdichte: zwischen 1 und 10 mA/m2
• Daraus abgeleitete leichter zu messende Referenzwerte – als Grenzwerte in 26. BImSchV enthalten:
Rechtliche Regelungen
elektr. Feldstärke magnetische Flussdichte
50 Hz 5 kV/m 100 µT
16 2/3 Hz 10 kV/m 300 µT
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Expositio
n
/50
relevante
Wirkungen
Wirkungsschwelle 4 W/kgerste thermische Wirkungen
Mittelwerte über den gesamten Körper
Basiswert für die Bevölkerung 0,08 W/kg
Rechtliche Regelungen – Ableitung der Grenzwerte für hochfrequente Felder
Zusätzlich für Exposition kleiner Bereiche des Körpers:
2 W/kg gemittelt über 10 Gramm (Kopf und Rumpf)
4 W/kg gemittelt über 10 Gramm (Extremitäten)
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Gesetzlich geregelte Grenzwerte in Deutschland (26. BImSchV; Basisstationen!)
aus Basiswert abgeleitete frequenzabhängige Referenzwerte:
• D-Netz, um 900 MHz 4,5 W/m²(bzw. 41 V/m und 0,11 A/m)
• E-Netz, um 1800 MHz 9,2 W/m²(bzw. 58 V/m und 0,16 A/m)
• UMTS-Netz, um 2000 MHz 10,0 W/m²(bzw. 61 V/m und 0,16 A/m)
Für Handys und sonstige Endgeräte im Nahbereich
Produktnormen:
SAR für Kopf und Rumpf ≤ 2 W/kg
SAR für Extremitäten ≤ 4 W/kg
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Wissenschaftlich diskutierte Wirkungen
Langfristige Wirkungen von niederfrequenten Feldern unterhalb der Grenzwerte?
• Leukämie im Kindesalter
• Neurodegenerative Erkrankungen
• Nervensystem und Verhalten
• neuroendokrines System
• kardiovaskuläres System
• Immunsystem und Blutbild
• Fortpflanzung und Entwicklung
• Krebs
• Elektrosensibilität
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� Konsistente Hinweise aus epidemiologischen Fall-Kontroll-
Studien: etwa 2-fache Risikoerhöhung für Akute Lympha-
tische Leukämie bei zeitlich gemittelter Magnetfeldexposition
ab ca. 0,3-0,4 µT
� häusliche Magnetfeldexposition. Summe aus externen und internen
Quellen. Problem: retrospektive Expositionsabschätzung
� Seltene Erkrankung, geringe Fallzahlen, andere Risikofaktoren
� Epidemiologische Studien durch experimentelle Studien bisher nicht
gestützt. Wirkmechanismus?
� nur wenige Kinder über 0,2 µT exponiert
nur geringer Anteil der Leukämiefälle bei Kindern erklärbar
(ca. 1% in Europa, ca. 3% in Nordamerika)
Leukämie im Kindesalter
IARC (International Agency for Research on Cancer) stufte 2002 nieder-frequente Felder in Gruppe 2b ein: möglicherweise krebserregend
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Neurodegenerative Erkrankungen
Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) und Alzheimer Erkran-kung: Hinweise auf erhöhtes Risiko v.a. für beruflich expo-nierte Personen, eine Untersuchung zu Hochspannungsleitungen
Schwerer zu untersuchen als Krebs, da nicht in Registern erfasst, ggf. Diagnose schwierig, z.B. bei Alzheimer
Forschung:Tierexperimentelle Studie zu Alzheimer und ALS des BfS im Rahmen des Umweltforschungsplans Literaturstudie: http://doris.bfs.de/jspui/handle/urn:nbn:de:0221-201004201532
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• Nervensystem und Verhalten• neuroendokrines System• kardiovaskuläres System• Immunsystem und Blutbild• Fortpflanzung und Entwicklung• Krebs
Weitere diskutierte Wirkungen
� Bisher nur einzelne Hinweise
� Ergebnisse sind heterogen, insgesamt nur geringe Evidenz für Zusammenhänge
� Probleme: Expositionserfassung, andere Risikofaktoren, biologischer Wirkmechanismus
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Wissenschaftlich diskutierte Wirkungenhochfrequente Felder
Deutsches Mobilfunk Forschungsprogramm (DMF)
(BMU und BfS, 2001 bis 2008)
Ziele
� umfassende Überprüfung der existierenden Grenzwerte
� Verringerung der wissenschaftlichen Unsicherheiten
(54 Projekte, 17 Mio €)
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• Dosimetrie
• akute Wirkungen
• Langzeiteffekte
• Wirkmechanismen
• Risikokommunikation
DMF – 5 verschiedene Bereiche
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Akute Wirkungen
• Einfluss auf Schlaf und Gehirn - Handy
• Einfluss auf Schlaf - Basisstation
• Abschirmung und Schlafqualität
• Gesundheitliche Beschwerden Kinder, Jugendliche und Erwachsene
• Elektrosensibilität
Fazit: Einfluss der hochfrequenten Felder des Mobilfunks war nicht nachweisbar
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Langzeiteffekte
• Fortpflanzung und Entwicklung
• Krebserkrankungen
• Handynutzung und Krebserkrankungen bei Erwachsenen – Interphone Studie
• Leukämieerkrankungen bei Kindern um starke Fernseh- und Radiosender
• Tinnitus
Fazit: kein Nachweis einer gesundheitlich schädlichen Wirkung von hochfrequenten Feldern
Aber: Interphone-Studie!
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Wirkmechanismen
• Melatoninsynthese
• Blut-Hirn-Schranke
• Retina
• Hörsinneszellen
• Gentoxische Effekte (in vitro)
Fazit: gesundheitlich relevante Wirkung von hoch-frequenten Feldern nicht nachgewiesen
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Elektrosensibilität
• ca. 2% der Bevölkerung in Deutschland bezeichnen sich als elektrosensibel; ca. 10% führen gesundheitliche Beschwerden auf elektromagnetische Felder (niederfrequente und / oder hochfrequente) zurück, ohne sich als elektrosensibel zu bezeichnen.
• Vielzahl von Symptomen, Symptome / Symptomkombinationen individuell unterschiedlich.
Fazit: Keine Objektivierung; kein Nachweis ursächlicher Zusammenhänge zwischen elektromagnetischen Feldern und Symptomen/ Beschwerden
Hinweise auf „Nocebo-Effekte“
WHO, Fact sheet 2005: „ EHS hat keine klaren diagnostischen Kriterien und es gibt keine wissenschaftliche Basis, um EHS-Symptome mit EMF-Exposition zu verbinden.“
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Wegen der möglichen gesundheitlichen Risiken und der wissenschaftlichen Unsicherheiten rät das BfS zur Vorsorge sowohl bei niederfrequenten als auch bei hoch-frequenten Feldern
Vorsorge
• Niederfrequente elektrische und magnetische Felder bestehen überall, wo eine elektrische Spannung besteht, bzw. elektrischer Strom fließt
• Wissenschaftliche Unsicherheiten hinsichtlich möglicher Langzeitwirkungen, vor allem Leukämie bei Kindern und neurodegenerative Erkrankungen
• Vorsorgemaßnahmen z.B.: – optimierte Leitungsführung der Elektroinstallationen– möglichst großen Abstand zu den Feldquellen einhalten,– Dauer der Exposition so gering wie möglich halten– Information und Forschung
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Ergebnisse des DMF geben keinen Anlass, die Schutz-wirkung der bestehenden Grenzwerte in Zweifel zu ziehen.Aber
Weiterhin vorsichtiger Umgang mit drahtlosen Kommunikations-techniken empfohlen, da
• noch keine belastbare Datenlage zu möglichem Langzeitrisiko bei Nutzung von Handys über mehr als 10 Jahre
• Frage einer „höheren Empfindlichkeit von Kindern“ noch nicht abschließend geklärt
Beibehaltung der Vorsorgemaßnahmen:
• Vorsorgliche Minimierung der Exposition (vor allem beim Handy und anderen Endgeräten
• Gezielte Forschungsansätze• Informationsmaßnahmen
Vorsorge bei hochfrequenten Feldern
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www.bfs.de
Vielen Dank…
Weitere Informationen unter:
www.emf-forschungsprogramm.de/
www.emf-portal.de