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I N F O R M A T I O N
zur Pressekonferenz
mit
Landesrat Rudi Anschober
27. November 2015
zum Thema
"Aktuell 497 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der OÖ. Grundversorgung: Lebensgeschichten, Betreuung, spezielle Herausforderungen bei den
verletzlichsten Flüchtlingen"
Weitere Referent/innen: Mag. Ralf Punkenhofer, Volkshilfe OÖ Mag.a (FH) Daniela Anzengruber, Leiterin der Caritas-Einrichtungen für
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in OÖ Christoph Schmidbauer, Psychotherapeut, pro mente OÖ,
Jugendwohnhaus Lichtenberg Roman Knapp, Abt. Soziales, Amt der Oö. Landesregierung
Rückfragen-Kontakt:Mag. a Tina Schmoranz (+43 732) 77 20-12083 oder (+43 664) 600 72-12083
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"Aktuell 497 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der OÖ. Grundversorgung: Lebensgeschichten, Betreuung,
spezielle Herausforderungen bei den verletzlichsten Flüchtlingen"
Die aktuellen Kriege und Terror-Akte weltweit zwingen millionen Menschen, Frauen, Männer und Kinder, zur Flucht, dazu ihr Zuhause zu verlassen.Unter jenen Flüchtlingen, die in Österreich und Oberösterreich ankommen und ihren Asylantrag stellen sind aktuell immer mehr sogenannte „unbegleitete minderjährige Fremde“ (UMF). Also Jugendliche v.a. im Alter zwischen 14 und 18 Jahren, die ohne Eltern nach Österreich gekommen sind. Gegenwärtig befinden sich knapp 3000 UMFs noch in Traiskirchen und anderen Erstaufnahmestellen des Innenministeriums und warten auf einen passenden Betreuungsplatz in den Bundesländern. Das Land OÖ beauftragte daher verschiedene NGOs, wie die Volkshilfe oder die Caritas, mit der Betreuung der Jugendlichen. Aktuell mit heute Früh sind 497 unbegleitete Minderjährige in Oberösterreichs Grundversorgung untergebracht, weitere Wohngruppen werden auf Hochtouren gesucht.
Unbegleitete minderjährige Fremde – Begriffsklärung
Nach der Begriffsbestimmung des Artikel 2 EU-Aufnahmerichtlinie
2013/33/EU sind "unbegleitete minderjährige Fremde"
Drittstaatsangehörige oder Staatenlose unter 18 Jahren, die ohne
Begleitung eines für sie nach dem einzelstaatlichen Recht oder den
Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen
Erwachsenen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen, solange
sie sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen
befinden; dies schließt Minderjährige ein, die nach der Einreise in das
Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen
wurden.
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Unbegleitete minderjährige Fremde bedürfen nach Artikel 7 Abs. 1 der
GVV einer über Art. 6 hinausgehenden Grundversorgung in Form von
unterstützenden Maßnahmen zur Erstabklärung und Stabilisierung, die der
psychischen Festigung und dem Schaffen einer Vertrauensbasis dienen
sollen. Im Bedarfsfall ist darüber hinaus sozialpädagogische und
psychologische Unterstützung zu gewähren.
Seit der Fremdenrechtsnovelle 2009 werden bei Zweifeln über die
Minderjährigkeit multifaktorielle Altersbegutachtungen, bestehend aus
einer körperlichen Untersuchung, einer Beurteilung des Zahnstatus
(Panoramaröntgen) und einer Handwurzelröntgenuntersuchung,
durchgeführt. Im Herbst 2010 wurde zusätzlich die Möglichkeit einer CT-
Untersuchung des Schlüsselbeins eröffnet.
Daten & Fakten: UMF in Österreich und Oberösterreich (Entwicklung seit Jänner
2015)
Aktuell befinden sich 5961 unbegleitete minderjährige Fremde
österreichweit in Grundversorgung, davon 2923 in den
Bundesbetreuungsstellen – etwa eine Verdreifachung gegenüber dem
Vorjahr. In Oberösterreich befinden sich davon 497 Jugendliche in der
Grundversorgung des Landes. Um die Quote von 16,764122% der in
Grundversorgung befindlichen unbegleiteten Minderjährigen (analog dem
gesamten Grundversorgungsbereich) erfüllen zu können, fehlen mit
heutigem Stand 502 Plätze in Oberösterreich.
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Asylanträge von UMF in ganz Österreich:
Quelle: BMI
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TOP 15- Herkunftsländer der Asylanträge von unbegleiteten Minderjährigen:
Rund 65 Prozent der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge, die im Jahr
2015 bis inkl. September einen Asylantrag gestellt haben, kommen aus
Afghanistan, gefolgt von Syrien, Irak, Somalia und Pakistan.
Asylanträge der 14-18-Jährigen sortiert nach Herkunft. Quelle: BMI
Lebensgeschichte: Was haben diese Kinder und Jugendlichen schon erlebt?
Die folgenden beiden kurzen Darstellungen zeigen, welche Jugendlichen
in UMF-Häusern leben. Die Namen sind frei erfunden, die Geschichten
aber entstammen der Dokumentation der Betreuer/innen zu diesen realen
jungen Menschen.
Einer dieser betreuten Jugendlichen der Volkshilfe OÖ ist der 16 jährige
A.I. aus Somalia. Ein Land, welches leider immer wieder vergessen wird,
wenn es um Gräueltaten auf dem internationalen Parkett der Krisenherde
geht. A.I. kam Anfang diesen Jahres in eines der Volkshilfe-
Jugendwohnhäuser und wurde in Betreuung genommen. A.I. geriet in
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seiner Heimat in einen Schusswechsel zwischen zwei somalischen Clans
und verlor dabei einen Finger. Als die islamistische Terrormiliz Al Shabab
begann, Dörfer zu erobern, machte er sich auf den Weg nach Europa. Er
war auf der Flucht.
In Libyen musste er Zwangsarbeit verrichten, worüber er nicht gern
spricht. Er ist ein sehr schweigsamer Mensch. Schließlich gelang er an der
Lybischen Küste an Bord eines von zwei Booten welche Richtung Sizilien
ablegten. Sein Boot kam heil an. Aus dem zweiten Boot konnten sich nur
zwei ans sichere Ufer retten. Der Rest ertrank im Mittelmeer. Sie konnten
nicht schwimmen, so wie A.I. nicht schwimmen kann.
Im Frühling erhielt A.I. eine Nachricht aus seiner Heimat. Sein älterer
Bruder wurde von den Al Shabab Milizen ermordet. Er nimmt es zur
Kenntnis, ersucht nur, die anderen im Jugendwohnhaus mögen seinen
Bruder in ihre Gebete einschließen. Der junge Somalier ist mittlerweile seit
einem dreiviertel Jahr in einem UMF-Quartier der Volkshilfe. Noch heute
plagen ihn in der Nacht Panikattacken. Herzrasen, Schwächeanfälle und
Schweißausbrüche lassen ihn in der Nacht nicht zur Ruhe kommen. Er
verhält sich dabei ruhig, damit sein Zimmerkollege nicht gestört wird. A.I
ist ein sehr höflicher und angenehmer Junge. Langsam baut er Vertrauen
auf in seine neue Umgebung. Die Betreuer und Betreuerinnen geben ihm
Unterstützung soweit sie können. Sie helfen ihm dabei sich hier zu Recht
zu finden. Ein weiter Weg, den er schaffen kann. Heute malt er gerne, für
sich allein- schweigsam. Der junge Somali hatte in seiner neuen Heimat
zum ersten Mal Filzstifte in der Hand.
Der 15-jährige X ist im Frühjahr 2015 alleine aus Afghanistan nach
Österreich geflohen, weil sich die kriegerische Situation in seinem
Heimatort in Afghanistan zugespitzt hat. Bei den Übergriffen durch die
Taliban wurde alles zerstört und auch sein älterer Bruder, der zu dem
Zeitpunkt das noch einzige lebende Familienmitglied war, ermordet. Sein
Vater wurde bereits vor neun Jahren von den Taliban getötet, woraufhin
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seine Mutter schwer erkrankte. Um ihre medizinische Behandlung zu
finanzieren, gingen X und sein Bruder schon als Kinder in eine
Schneiderei arbeiten. Es war hart, weil sie bis spät in die Nacht hinein
arbeiten mussten. Zeit, um in die Schule zu gehen, blieb kaum mehr. Die
Mutter erlag schließlich ihrer Erkrankung und X fühlt sich bis heute
schuldig: Er habe nicht hart genug dafür gearbeitet, ist er überzeugt.
X war zweieinhalb Monate lang auf der Flucht – dass er in Österreich
gelandet ist, sei nicht geplant gewesen. Über das Erlebte zu sprechen,
fällt ihm schwer – zu viele schmerzhafte Erinnerungen sind damit
verbunden. Die Flucht beschreibt er als ein ewiges Gehen, geprägt von
großer Erschöpfung, Angst und Ungewissheit. Als X in Österreich mit einer
Gruppe Flüchtlinge von der Polizei aufgegriffen wurde, wollte er sich nur
mehr ausruhen. Zwei Monate verbrachte er im Erstaufnahmezentrum in
Traiskirchen. Er erzählt, dass dort so viele Menschen waren, dass er im
Freien übernachten musste.
Nach Überstellung in das Quartier der Caritas OÖ für unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge (UMF) verhielt sich X in den ersten Wochen sehr
zurückgezogen. Nur langsam kann er sich öffnen und spricht über das
Erlebte.
Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen
Anders als bei den grundversorgten Erwachsenen bzw. Familien sind
UMF in den Einrichtungen in eine sehr enge Betreuungsstruktur
eingebettet, die Integrationsarbeit wird hierbei v.a. vom
Betreuungspersonal wahrgenommen. Es gibt Bezugsbetreuersysteme,
klar definierte Ziele sowie eine regelmäßige Evaluierung dieser,
Festlegung (sowie Motivation zur Einhaltung) einer Tagesstruktur (Besuch
von Deutschkursen, Schulbesuch, Lehre, BFI-Kurse,
Hauptschulexternistenkurse, Vorbereitung auf Schule oder
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Externistenkurse in Basisbildungskursen in den Einrichtungen). Des
Weiteren werden Patenschaftsprojekte (Amigo, dUNDu) bei manchen
Trägern forciert.
(a) Projekte für UMF in OÖ
StandorteDerzeit befinden sich 497 UMF in Oberösterreich in der Grundversorgung
des Landes. 407 davon sind in organisierten Quartieren für UMF
untergebracht, eingerichtet von Volkshilfe OÖ, Caritas OÖ, pro mente OÖ,
SOS Menschenrechte, Diakoniewerk OÖ, Pammesberger und Noah
Sozialbetriebe Gemeinnützige GmbH, die restlichen Minderjährigen bei
Pflegefamilien und in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe.
Ohana - UMF Wohngruppe 4040 / Linz 8Spattstraße UMF Wohngruppe 4030 / Linz 8Hotel Andre UMF Wohngruppe 5280 / Braunau_ Inn 10Projekt Hayet UMF Wohngruppe 4820 / Bad Ischl 13Bad Hall UMF Wohngruppe 4540 / Bad Hall 13Guter Hirte Linz UMF Wohngruppe 4020 / Linz 18Schärding UMF Wohngruppe 4780 / Schärding 25Wels UMF Wohngruppe 4600 / Wels 26Unionstraße, Blüte, Linz UMF Wohngruppe 4020 / Linz 28Alkoven UMF Wohngruppe 4072 / Alkoven 28
Kremsmünster UMF Wohngruppe4550 / Kremsmünster 30
Haagerstraße, Maradonna, Steyr UMF Wohngruppe 4400 / Steyr 31Wels UMF Wohngruppe 4600 / Wels 32Perg Containerdorf UMF Wohngruppe 4320 / Perg 32Hotel Weissenwolff Steyregg UMF Wohngruppe 4221 / Steyregg 34Jugendwohnhaus Lichtenberg UMF Wohngruppe 4040 / Linz 35Wohngruppe morgenLand UMF Gallspach 4713 / Gallspach 36
Summe:40
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(b) Die Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung (FMB), Mag. Ralf Punkenhofer
Die Volkshilfe FMB ist eine nichtstaatliche NPO, die im Auftrag des
Landes Oberösterreich die Betreuung von Flüchtlingen übernommen hat.
In der Betreuung von Jugendlichen ist die Volkshilfe OÖ bereits seit dem
Jahr 1998 aktiv und versorgt als Auftragnehmerin des Landes OÖ die
Jugendlichen im Rahmen der gesetzlichen und vertraglich festgelegten
Rahmenbedingungen.
Gegenwärtig wird in den Jugendwohnhäusern der Volkshilfe FMB rund
250 Jugendlichen in OÖ ein Platz geboten. Da sich –wie oben bereits
dargestellt- noch immer unzählige UMF´s in Erstaufnahmestellen ohne
entsprechender Betreuung befinden, ist die Volkshilfe gemeinsam mit
anderen NPO´s noch immer auf der Suche nach geeigneten Quartieren.
Die Struktur eines Jugendwohnhauses Den gesetzlichen Hintergrund für die Betreuungsform bildet das
Landesgesetzblatt für Oberösterreich Jahrgang 2004, Nr. 93 / Artikel 7
Sonderbestimmungen für UMF. Die Standards für die Betreuung sind in
einem Kriterienkatalog für UMF-Quartiere in Oberösterreich festlegt. Die
Obsorge und die rechtliche Vertretung der Jugendlichen obliegen der
zuständigen Kinder- und Jugendhilfe. Von Seiten der Volkshilfe FMB wird
mit folgender Struktur in den Häusern gearbeitet.
EinsatzleitungDie Einsatzleitung bildet die Schnittstelle zwischen Abteilungsleitung und
den jeweiligen Teams vor Ort (Betreuer/innen, den Zivildienern und
Praktikant/innen, Volontär/innen sowie den ehrenamtlichen
Mitarbeiter/innen).
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Aufgaben sind die Umsetzung, Koordination und Kontrolle der
pädagogischen Arbeit anhand des Konzeptes und der Betreuungspläne.
Auch trägt er/sie die Verantwortung für die anvertrauten Jugendlichen und
im Rahmen der jeweiligen Zuständigkeit die Finanzgebarung und
Anlagenverwaltung.
Betreuer/innenDie Teams in den Jugendwohnhäusern bestehen aus sieben bis acht
sozialpädagogischen Betreuer/innen. Sie sind je nach Dienstzeiten lt.
Dienstplan anwesend und in einer Doppelfunktion tätig. Einerseits sorgen
sie als Tagesbetreuer/innen für einen geregelten Ablauf, andererseits sind
sie als Bezugsbetreuer/innen für die jeweils ihnen zugeteilten
Jugendlichen verantwortlich.
Psychologin/Therapeut/inFür die psychologische Unterstützung der unbegleiteten minderjährigen
Fremden steht den Jugendwohnhäusern jeweils eine projektinterne
Psycholog/in oder Therapeut/in zur Seite.
HausaufsichtDas als Hausaufsicht beschäftigte Personal deckt die Nachtdienste ab und
ist im Haus, wenn Tages- oder Wochenendausflüge durchgeführt werden.
Der Dienstantritt der Nachtdienst-Mitarbeiter/innen beginnt um 19:45 Uhr
und endet um 07:45. Somit ist eine durchgehende Betreuung der
Jugendlichen und eine ordnungsgemäße Dienstübergabe gewährleistet.
Zusätzlich gibt es während dieser Stunden eine Rufbereitschaft des
pädagogischen Personals.
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ZivildienerZur Unterstützung der Betreuer/innen für die Arbeiten im administrativen
und organisatorischen Bereich hilft in jedem Jugendwohnhaus –nach
Verfügbarkeit- ein Zivildiener mit.
Ehrenamtliche – Patenschaftsprojekt dUNDuDie ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen unterstützen die Jugendlichen beim
Deutschlernen und helfen ihnen bei ihren Schulaufgaben. Sie veranstalten
Freizeitangebote und zeigen ihnen ihr eigenes Familienleben. Das fördert
die Integration und das Schließen von Freundschaften und Beziehungen.
Es wird versucht in den Häusern ein Patenschaftssystem aufzubauen,
welches strukturiert von einer Mitarbeiterin / einem Mitarbeiter betreut
wird. Dabei handelt es sich nicht um eine finanzielle Patenschaft. Im
Vordergrund soll das Verbringen gemeinsamer Zeit im Rahmen einer
sinnvollen Freizeitbeschäftigung stehen.
Dolmetscher/innenDolmetscher/innen arbeiten auf Honorarbasis und werden je nach Bedarf
in den Jugendwohnhäusern eingesetzt. Sie führen auch schriftliche
Übersetzungen in die jeweiligen Muttersprachen durch (zB. die
Hausordnung).
TagesstrukturEs wird von Beginn an daran gearbeitet, dass die Jugendlichen in
Bildungsmaßnahmen gebracht werden. Dazu zählen:
- Deutschkurse
- Basisbildung
- Alphabetisierung
- Hauptschulabschluss
- Weiterführende Schulen
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- Lehre
Letzteres gestaltet sich ausnahmslos schwierig. Nach wie vor ist den
meisten unserer Klienten der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt. Nur in
Mangelberufen können sie gelegentlich mit einer Lehre beginnen. Die
Industrie hat allerdings schon Interesse an den jungen Menschen
bekundet. Vielleicht gelingt es in partnerschaftlicher Form hier
Einstiegshürden in den Berufsalltag zu beseitigen. Es wäre sinnvoll und
ein wichtiger Schritt in Richtung gelungener Integrationspolitik.
Weiters gibt es über sogenannte Remunerationsprojekte die Möglichkeit
den Jugendlichen gegen eine geringe Entschädigung (Euro 5,-/Stunde bis
max. Euro 110,- pro Monat) Arbeitsdienste zuzuweisen. Dies kann von
öffentlichen Körperschaften durchgeführt werden.
Mag. Ralf Punkenhofer abschließend: „In Summe sind in einem UMF-
Quartier mit einem Tagsatz von Euro 77,- zwischen 20 und 25 Personen
ganz- oder teilzeitbeschäftigt. Diese stehen als Betreuer/innen einerseits,
aber auch als Ansprechpersonen für die ortsansässige Bevölkerung gerne
zur Verfügung. Daraus folgt, dass das Personal in einem UMF-Quartier
auch immer ein wichtiger Bestandteil der täglichen Integrationsarbeit ist.
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass sich die Quartiere
für Asylwerber/innen sehr gut in die örtliche Gemeinschaft eingliedern
konnten. Nicht selten entstehen Beziehungen, welche auch über die
Dauer des Asylverfahrens hinausgehen. Durch die intensive Arbeit mit den
Flüchtlingen gelingt es der Volkshilfe FMB schon seit Jahren, dass
ehemalige Flüchtlinge zu bereichernden Bestandteilen der
österreichischen Gesellschaft wurden und werden.“
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(c) Caritas OÖ: Dipl. Sozialarbeiterin Mag.a (FH) Daniela Anzengruber, Leiterin der Caritas-Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in OÖ
Aktuell betreibt die Caritas OÖ drei Einrichtungen für UMF in Linz (18
Jugendliche), Wels (26 Jugendliche) und Schärding (25 Jugendliche). Die
Jugendlichen leben in Wohngruppen und werden rund um die Uhr von den
Caritas-Mitarbeiter/innen betreut, die alle über eine pädagogische,
sozialarbeiterische oder psychologische Ausbildung verfügen. Sie
bemühen sich, den Jugendlichen Sicherheit und Stabilität zu vermitteln,
sodass sich diese allmählich öffnen und bei der Bewältigung ihrer
traumatischen Erlebnisse unterstützt werden können. Allerdings stehen
pro Jugendlichem aufgrund der begrenzten finanziellen Mittel nicht so
viele Betreuer/innen zur Verfügung, wie das in einer sozialpädagogischen
Wohngruppe für österreichische Jugendlich der Fall ist. Und das, obwohl
die Jugendlichen in vielen Fällen schwer traumatisiert sind und daher eine
individuellere Betreuung brauchen würden. Darüber hinaus sind gerade
zum Beziehungsaufbau zu Beginn Dolmetscher/innen erforderlich, die
aber ebenso nicht im eigentlich notwendigen Ausmaß finanzierbar sind.
Zu den Hauptaufgaben der Mitarbeiter/innen gehört es darüber hinaus,
den Jugendlichen eine Tagesstruktur zu geben und sie auf ein Leben in
Selbständigkeit vorzubereiten. Zum Alltag, den die Jugendlichen erst
erlernen müssen, zählen neben Einkaufen, Kochen und Putzen, genauso
Deutsch-Unterricht und diverse Freizeitangebote.
Herausforderungen in der Integration
Die größte Hürde in Sachen Integration ist die Sprachbarriere. Allerdings
haben die Jugendlichen eine sehr hohe Motivation, die Sprache zu lernen,
zur Schule zu gehen und eine Ausbildung zu machen. Der eingeschränkte
Zugang dazu löst ebenso wie die langen Wartezeiten im Asylverfahren
Frustrationen aus. Neben der Ungewissheit bezüglich ihrer eigenen
Perspektiven belasten sie auch die Sorgen um ihre Familien. Dazu sind
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die Jugendlichen aufgrund des kulturellen Unterschieds unsicher und
haben Angst, sich „falsch“ zu verhalten.
Während die schulpflichtigen Jugendlichen bereits stundenweise am
Unterricht teilnehmen, ist es für nicht-schulpflichtige Jugendliche
schwieriger, Gastschüler an einer höheren Schule zu werden oder einen
Ausbildungsplatz zu erhalten. Dabei wäre das besonders wichtig für die
Integration. Hier gibt es bereits sehr positive Rückmeldungen, dass es gut
gelingt, Berührungsängste auf beiden Seiten abzubauen.
(d) Jugendwohnhaus Lichtenberg, pro mente, Psychotherapeut Christoph Schmidbauer:
Im Jugendwohnhaus Lichtenberg von pro mente OÖ werden 35 männliche
Jugendliche (unbegleitete minderjährige Flüchtlinge) aus
unterschiedlichen Herkunftsländern, im Alter von 14 bis 18 Jahren,
sozialpädagogisch betreut. Ziel ist es dabei, die Entwicklung in einem
sicheren Rahmen zu fördern, alterskonforme
Krisenbewältigungsstrategien zu entwickeln und gemeinsam
Zukunftsperspektiven zu finden. Im Rahmen ihres Aufenthalts sollen die
Jugendlichen zur Ruhe kommen, soziale und kulturelle Fähigkeiten und
Kompetenzen entwickeln und Ressourcen kennenlernen, welche ihnen
helfen ihre zukünftigen Aufgaben und Bedürfnisse zu bewältigen.
Besondere Aufgaben und Herausforderungen für die Integration
Landesrat Rudi Anschober: „Wir müssen unseren Fokus verstärkt auch
auf diese besonders schutzbedürftigen, noch ganz jungen Flüchtlinge
legen. Diese benötigen besondere Betreuungsverhältnisse, in einem
gemeinsamen Schritt von Land, NGOs und Zivilgesellschaft müssen wir
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entsprechenden Wohnraum schaffen, um diese unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlinge raschest aus Erstaufnahmezentren, wie
Traiskirchen oder Thalham, herauszubekommen und eine Aufarbeitung
ihrer Erlebnisse und Integration in entsprechendem Rahmen zu
ermöglichen. Nur so können wir sie fit machen für ihre Zukunft.“
Einer Verschärfung des Familiennachzugs, wie vom Innenministerium
vorgelegt, auch bei Minderjährigen erteilt LR Anschober eine klare
Absage. Bisher wird einem Minderjährigen mit einem Status Asyl oder
subsidiärer Schutz zugestanden, seine Eltern und weitere Kinder
nachzuholen. Nach Vorschlag des Ministeriums sollte dies rückwirkend ab
15. November neu erst drei Jahre nach Zuerkennung des Asylstatus
möglich werden.
LR Anschober: „Damit würden Familien für Jahre, wenn nicht für immer
getrennt werden, die Integration erschwert, die Aufarbeitung der Kriegs-
und Fluchterlebnisse massiv erschwert werden. Aktuelle Zahlen zeigen
zudem, dass eine Erschwernis in diesem Bereich reinem Populismus
entspricht: Laut eigenen Zahlen von BMI und Asylkoordination holen nur
rund 10 Prozent der Minderjährigen mit Asylstatus ihre Familien
tatsächlich nach, Gründe dafür sind zu lange Verfahren und damit
eintretende Volljährigkeit, fehlende Dokumente der Eltern und Kosten.“
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