ich bin immer noch ich - aerzte-ohne-grenzen.de · heute, nur wenige jahre später, erhalten dort...
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Ich bin ImMer noch iCHLeben mit HIV/Aids in Südafrika
www.aerzte-ohne-grenzen.de
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INHALT3
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POSITIV LEBEN Editorial
SCHAU, ICH LEBE NOCHIm Porträt: Vier junge Menschen berichten über ihr Leben mit HIV/Aids
LEBEN IN KHAYELITSHABericht aus dem Township
REPUBLIK SÜDAFRIKA: ZAHLEN UND FAKTEN
HIV/AIDS – ANSTECKUNG UND VERLAUF
DER HIV-TEST
DAS VIRUS BLEIBT IMMER IM BLUTInterview über Chancen und Risiken der Behandlung
WENN DU MICH LIEBST... Aufklärung und Vorbeugung: Warum Kondome allein keine Lösung sind
HERAUSFORDERUNG ZUKUNFTImmer mehr Patienten brauchen Behandlung
ZUGANG ZU MEDIKAMENTEN SCHAFFENDie Medikamentenkampagne
GEMEINSAM IM KAMPF GEGEN AIDSärzte ohne grenzen und die treatment action campaign (TAC)
KLEINES LEXIKON
IMPRESSUM
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SÜDAFRIKA
Als wir in Khayelitsha, einem Township in der Nähe von Kapstadt, ankommen, ist dort Sommer. Die Menschen sind fröhlich und
die Straßen lebendig. Kaum zu glauben, dass dieses Land von
einer tödlichen Krankheit so stark betroffen ist wie kaum ein an-
deres weltweit: Fast jeder neunte Südafrikaner ist mit HIV
infi ziert, unter den 15- bis 49-Jährigen sogar jeder fünfte. Das
sind rund 5,5 Millionen Menschen.
Für ärzte ohne grenzen wollen wir – ein kleines Filmteam und
ich – über das Thema HIV/Aids in Khayelitsha berichten. Khaye-
litsha ist ein Township, ein slumartiges Wohnviertel mit ho-
her Arbeitslosigkeit und großer Armut. Die Infektionsraten dort
sind dramatisch, und doch gibt es auch gute Nachrichten: Im
Jahr 2001, als kaum jemand glaubte, dass Aids-Behandlung un-
ter sehr einfachen Bedingungen möglich sein könnte, begann
ärzte ohne grenzen mitten im Township mit der Therapie von
Aids-Patienten. „Ohne modernste Medizin geht das doch nicht“,
meinten die einen. „Da kommt doch keiner, Aids ist ein Tabu“,
glaubten die anderen. Heute, nur wenige Jahre später, erhalten
dort mehr als 5.000 Menschen lebensverlängernde Medika-
mente.
Dennoch ist HIV/Aids immer noch ein großes Problem. Wir trafen
vier junge Menschen, die auf unterschiedliche Art mit der Krank-
heit konfrontiert sind. Vier junge Leute, die die Zeit der Sorgen
und Ängste kennen und trotzdem den Mut haben, nicht vor dieser
Krankheit davonzulaufen. Diese vier – die beiden jungen Frauen
Nokubonga und Nolubono sowie die jungen Männer Thembelihle
und Athini – kommen hier zu Wort.
Wir berichten auch darüber, wie die Aids-Behandlung verläuft,
was in der Aufklärung dringend getan werden muss und welche
Herausforderungen in der Zukunft bevorstehen. Aids ist nicht
heilbar. Doch ein Leben mit HIV/Aids ist möglich.
Alina Kanitz
Öffentlichkeitsarbeit
ärzte ohne grenzen
positiv leben
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Athini Madubela
Schau, ich lebe noch
Nolubono Sigonyela
Ich heiße Athini Madubela und bin 20 Jahre alt. Ich konnte so nicht
weitermachen, chillen und Spaß haben. Ich musste meinen HIV-
Status wissen. Deshalb habe ich mich testen lassen: Ich bin HIV-po-
sitiv. Vergangenes Jahr war ich in einen Autounfall verwickelt, viel-
leicht habe ich mich da infi ziert.
Meine Mutter ist auch HIV-positiv. Sie weiß es seit ein paar Monaten.
Nun muss ich ihr sagen, dass ich ebenfalls positiv bin, aber ich habe
Angst davor. Eine Mutter will doch immer das Beste für ihr Kind,
oder?
Nein, ich denke nicht ständig an den Tod. Man kann auch mit Aids
ein positives Leben führen, denn es gibt eine Behandlung. Ich wür-
de später gern hauptberufl ich als Schiedsrichter arbeiten. Es macht
mir großen Spaß auf dem Fußballplatz zu stehen.
Ich bin Nolubono Sigonyela, 22 Jahre alt und seit zwei Monaten wieder verliebt. Ich habe meinem Freund erzählt, dass ich HIV-
positiv bin, aber er glaubt mir nicht. Er sagt, ich sähe so gesund aus,
gar nicht wie die anderen. Auf jeden Fall benutzen wir Kondome.
Angesteckt habe ich mich bei meinem Ex-Freund. Ich war 19. Erst
haben wir Kondome benutzt. Aber später haben wir einander ver-
traut und die Kondome weggelassen. Doch dann sah ich seine
Symptome. Er hat sich geweigert in die Klinik zu gehen und einen
Test machen zu lassen. Da habe ich mich von ihm getrennt. Bis zum
Schluss hat er abgestritten, HIV-positiv zu sein. Ich selbst habe den
Test gemacht. Ich hatte große Angst, und danach habe ich eine
Woche lang nur geweint.
Ich hatte niemanden, dem ich wirklich vertrauen konnte. Meine
Mutter ist gestorben, als ich zehn war. Mein Bruder und ich sind bei
einer Tante aufgewachsen. In der Zeit nach dem Test habe ich meine
Mutter wirklich sehr vermisst.
Seit einem Jahr nehme ich nun meine Medikamente, jeden Tag
genau um 9 und um 21 Uhr. Als nächstes will ich meinen Schulab-
schluss nachholen. Nach dem Test hatte ich einfach die Schule ge-
schmissen. Ich dachte, dass ich sowieso sterben würde. Nun bereue
ich es. Denn schau, ich lebe noch.
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Thembelihle Bulana
Nokubonga Yawa
Ich wäre gerne richtig stark, so stark wie ein Wrestler. Ich bin ein
großer Fan davon. In meinem Zimmer habe ich viele Poster. Mein
Name ist Thembelihle Bulana, ich bin 17 Jahre alt und gehe zur
Schule. Ich wohne hier in Khayelitsha direkt über einem Kindergar-
ten. Meine Großmutter arbeitet dort, und ich helfe ihr: Morgens ho-
len wir die Kleinen von zu Hause mit dem Auto ab und fahren sie
zum Kindergarten. Nachmittags bringen wir sie wieder heim. Ich
liebe Kinder.
Meine Mutter ist HIV-positiv. Sie weiß es seit einigen Jahren und
muss täglich ihre Medikamente nehmen. Sie hat es mir nicht selbst
erzählt. Ich habe es aus der Zeitung erfahren. Das war nicht leicht.
Als meine Freunde aus der Schule hörten, dass meine Mutter HIV-
positiv ist, redeten sie viel. Einige alte Freunde habe ich deshalb
verloren.
Ich konzentriere mich zurzeit sehr auf die Schule. Ich mache mir
Sorgen um meine Zukunft, deshalb will ich lernen und studieren,
um später eine gute Arbeit zu fi nden. Früher dachte ich, dass meine
Mutter immer für mich da ist. Nun denke ich oft daran, dass sie
eines Tages sterben wird. Doch im Moment geht es ihr gut. Ich weiß,
dass sie noch so lange leben wird, bis ich meine Ausbildung been-
det habe. Das gibt mir Hoffnung.
Ich heiße Nokubonga Yawa, und das hier ist meine dreijährige Toch-ter Sinaye, die ich sehr liebe. Ich lebe mit meiner Mutter, meiner
Cousine, meiner Schwester und meinem Bruder in einem kleinen
Haus mit zwei Räumen. Es ist sehr eng, und wir schlafen zu viert in
einem großen Bett. Ich träume davon, irgendwann ein eigenes
Schlafzimmer zu haben.
Ich bin HIV-positiv, aber meine Tochter ist negativ. Ich war 16, als ich
gleichzeitig erfuhr, dass ich schwanger und HIV-positiv bin. Ich hat-
te mich bereits von meinem Freund getrennt und habe seitdem kei-
nen Kontakt mehr zu ihm. Ich kenne auch meinen eigenen Vater
nicht. Die ganze Familie lebt ohne Väter.
Es war eine anstrengende Zeit damals. Ich habe geglaubt, dass ich
mit meiner Situation alleine bin. Doch dann kam ich in die Klinik,
und der Raum war voll, voll mit jungen Frauen und Mädchen, die
schwanger und HIV-positiv waren. Ich besuchte eine Beratungsgrup-
pe, in der ich erfuhr, wie ich eine Übertragung des HI-Virus auf mein
Baby verhindern kann. Zum Glück gibt es Medikamente dagegen.
Meine Mutter hat mich in dieser Zeit sehr unterstützt. Doch es war
nicht leicht. Die Nachbarn tratschten über mich. Es hat einige Zeit
gebraucht, bis ich den Mut hatte, offen dazu zu stehen. Nun fühle
ich mich frei, richtig frei. Damit dieses Gefühl auch andere junge
Menschen haben, engagiere ich mich bei der Selbsthilfeorganisa tion
TAC, der treatment action campaign. Ich helfe freiwillig in einer
Jugendklinik und bilde mich als Beraterin weiter. Wir müssen raus-
gehen und mit den Leuten reden.
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Der Nachmittag ist die lebendigste Zeit in Khayelitsha. Die Stra-
ßen sind voller Menschen, die von der Arbeit kommen oder ihre
Wäsche am Gemeinschaftsbrunnen waschen. Kinder spielen mit
Zaunlatten Baseball, Frauen stehen hinter Verkaufsständen, wo
fettes Fleisch vor sich hin schmort. Andere gehen einfach nur spa-
zieren – so wie Nolubono. Mit Freundinnen schlendert sie den
sandigen Weg zur Hütte der Tante, hier und da bleibt sie stehen,
um einen Schwatz zu halten. An so einem späten Nachmittag hat
sie auch ihren neuen Freund kennengelernt. „Ich war mit meiner
Freundin unterwegs. Er hat mich gesehen und angesprochen
und seit ein paar Monaten sind wir ein Paar“, sagt Nolubono und
lacht.
Khayelitsha ist ein Township am Rand von Kapstadt an der süd-
afrikanischen Küste des Indischen Ozeans. 1983 wurde Khayelitsha
von der damaligen Apartheidsregierung als Wohnsiedlung für
Schwarze gegründet, heute ist dieses Township eines der größten
in Südafrika. Schätzungsweise 600.000 Menschen leben heute
dort, es können aber auch viel mehr sein.
HÜTTEN BIS ZUM HORIZONTBis zum Horizont erstrecken sich die sogenannten Shacks – Hütten
aus Holz, Pappe und Wellblech, vielfach auf Sand gebaut. Man-
che Viertel bestehen auch aus einfachen, kleinen Steinhäusern.
Meist lebt eine ganze Familie in ein bis zwei Räumen, der Platz ist
eng, doch immerhin gibt es in etlichen Hütten Strom und neben-
an gemauerte Toilettenhäuschen mit einem Außenwaschbecken.
Die Lebensverhältnisse sind einfach, häufi g arm, und doch hat
sich seit Ende der Apartheid einiges getan. Die Verwaltung hat
begonnen, eine städtische Struktur zu schaffen: An den Knoten-
punkten gibt es geteerte Straßen, Tankstellen, Supermärkte und
auch einzelne Einkaufszentren, die sich kaum von europäischen
unterscheiden. Das Polizeirevier ist unweit vom neuen Kranken-
haus, die Schulen wirken modern und Vorortzüge verbinden das
Township mit Kapstadt. Doch schon die Fahrtkosten sind für viele
zu teuer. Auch an Snacks wie Pizza oder Cola ist nicht zu denken.
Meist gibt es Bohnen, Reis, Kohl und mal ein wenig Huhn.
Manchmal gibt es auch gar nichts zu essen.
LEBEN IN
KHAYELITSHA
Die Band Bongx singt in einem Shebeen
über HIV /Aids.
Einkaufszentrum in
Khayelitsha.
Bevölkerung
Rund 45 Millionen Einwohner, davon 79 Prozent Schwarze,
9 Prozent Weiße, 9 Prozent sogenannte Coloureds, 3 Prozent
Asiaten.
Sprache
Elf Landessprachen, die alle offi ziell anerkannt sind, darunter
English, isiXhosa (eine der Hauptsprachen in Khayelitsha) und
Afrikaans.
Religion
75,5 Prozent Christen, sonst Hindus, Muslime und Juden.
Geschichte
Ab dem 17. Jahrhundert erst holländische, später britische
Kolonie, 1910 Gründung der Südafrikanischen Union, der
Vorgängerin der heutigen Republik Südafrika. Im 20. Jahrhun-
dert verschärft sich die Rassentrennung. Durch zahlreiche
Apartheidsgesetze verliert die sogenannte nichtweiße
Bevölkerung alle Rechte. Es werden getrennte Wohnviertel
für Schwarze und Coloureds geschaffen, die Townships.
Die Anti-Apartheidsbewegung, darunter der ANC (Afrikani-
scher Nationalkongress), führt einen jahrzehntelangen
Befreiungskampf, der Anfang der 1990er Jahre erfolgreich ist.
1994 wird der Befreiungskämpfer Nelson Mandela (ANC) der
erste schwarze, frei gewählte Präsident der Republik Südafrika.
Wirtschaft und Gesundheit Der rohstoffreiche Industriestaat gilt als „Wirtschaftsloko-
motive“ im südlichen Afrika. Die Zentren der großen Städte,
in denen noch immer hauptsächlich Weiße leben, sind sehr
modern. Auch die medizinische Versorgung dort ist sehr gut.
In Townships wie Khayelitsha hingegen gibt es zwar eine
Grundversorgung und ambulante Kliniken, aber viel zu
wenige. Ein Krankenhaus mit stationären Betten gibt es nicht.
HIV/Aids Etwa 5,5 Millionen Menschen leben mit HIV/Aids. 320.000
Menschen sterben jedes Jahr an Aids, und jeder Neunte ist
mit dem HI-Virus infi ziert.
Quellen: UNAIDS, ärzte ohne grenzen, Auswärtiges Amt, Außenministerium
Südafrika
REPUBLIK SÜDAFRIKA
NACHTS KOMMT DIE GEWALTDie Arbeitslosenquote ist hoch in Khayelitsha. Die Schätzungen
schwanken zwischen 30 und weit mehr als 60 Prozent. Hinzu
kommen zahlreiche Tagelöhner, die morgens an der Autobahn-
zufahrt stehen und auf ein Arbeitsangebot für den Tag warten.
Entsprechend groß sind die Armut, Not und Verzweifl ung der
Menschen. Khayelitsha zählt in Südafrika zu den Orten mit der
höchsten Kriminalitätsrate. Der Friedhof ist voller Gräber junger
Menschen. Das liegt nicht nur an HIV/Aids, sondern auch an der
Gewalt. So fröhlich und bunt die Tage, so gefährlich ist die Nacht.
„Jung sein ist nicht leicht in Khayelitsha“, sagt Thembelihle.
Überfälle bis hin zu Vergewaltigungen, Bandenkriegen und Mord
passieren jede Nacht. Auch Nokubonga und Athini verbringen die
Abende nach Einbruch der Dämmerung meist zu Hause.
Nur Nolubono geht regelmäßig aus, am liebsten in das „Water-
front“. Das Shebeen – so heißen in Khayelitsha Kneipen – ist nur
ein paar Schritte von ihrer Hütte entfernt. Es ist sechs Uhr und
noch hell, als sie mit ihrer Freundin dort ankommt. Das Shebeen
ist voller Menschen. Sie reden und fl irten, tanzen und trinken,
lachen und amüsieren sich. Ein paar Stunden noch, dann macht
das „Waterfront“ zu, denn aus Sicherheitsgründen schließen die
meisten Shebeens und Tavernen gegen 20 oder 21 Uhr. Manchmal
sitzt Nolubono dann noch mit ein paar Freunden vor ihrem Shack,
bevor sie die Tür für die Nacht mit einem Vorhängeschloss ver-
schließt.
An den Straßenrändern gibt es viele
kleine Läden, Friseure, Schuhmacher
und Gemüsestände.
Eine Beerdigung:
Verwandte und Freunde
singen kirchliche Lieder,
während die Familie
(links) trauert.
¹
¹
OSTKAP
KAPSTADT
JOHANNESBURG
WESTERN CAPE
EASTERN CAPE
NORTHERN CAPE
NORTH-WEST-PROVINCE
FREE STATE KWAZULU-NATAL
LIMPOPO
KHAYELITSHA
PRETORIA
GAUTENG
MPUMALANGA
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WAS IST HIV, WAS IST AIDS?Aids ist die Abkürzung für Acquired Immune Defi ciency Syndrome
(erworbene Abwehrschwäche-Krankheit). Ursache von Aids ist
die Ansteckung mit HIV, dem Humanen Immunschwäche-Virus,
das 1983 entdeckt wurde. HIV-positiv zu sein meint, mit dem
Virus infi ziert zu sein, von Aids spricht man nach dem Auftreten
von Krankheitssymptomen.
WIE WIRD HIV ÜBERTRAGEN? HIV wird durch einige Körperfl üssigkeiten von Mensch zu Mensch
übertragen. Wenn es zu einer Ansteckung mit HIV kommt, ver-
mehrt sich der Aids-Erreger im Körper. Stark virushaltige Flüssig-
keiten sind Blut, Samenfl üssigkeit (Sperma), Scheidenfl üssigkeit
(Vaginalsekret) und Muttermilch. Wenn eine dieser Flüssigkeiten
auf Schleimhäute oder in offene Wunden gerät, ist eine Anste-
ckung möglich.
Geschlechtsverkehr ist der Hauptübertragungsweg. Auch wenn
beide Partner HIV-positiv sind, sollten sie trotzdem Kondome be-
nutzen, da es Doppelinfektionen mit verschiedenen HIV-Varian-
ten geben kann.
WAS FÜHRT NICHT ZUR ANSTECKUNG?Das HI-Virus ist außerhalb des menschlichen Körpers sehr emp-
fi ndlich und geht schnell zugrunde. HIV wird sicher zerstört durch
Reinigungsmittel, Austrocknung oder Erhitzen. Kondome schüt-
zen beim Geschlechtsverkehr.
WIE VERLÄUFT DIE KRANKHEIT?Die Ansteckung mit HIV verläuft meist unbemerkt, manche Infi -
zierte zeigen jedoch kurz nach der Ansteckung grippeähnliche
Symptome. Menschen, die HIV in sich tragen, sind bereits wenige
Stunden nach ihrer eigenen Infektion ansteckend, sie können
danach jedoch noch mehrere Jahre beschwerdefrei leben, ohne
etwas an sich selbst zu bemerken (erstes und zweites Stadium).
Befallen werden die CD4-Zellen, die ein wesentlicher Teil der Ab-
wehrzellen (weiße Blutkörperchen) sind und das Immunsystem
koordinieren. HIV dringt in diese Zellen ein, vermehrt sich in ih-
nen und zerstört sie. Dadurch sinkt die Zahl dieser Abwehr zellen,
und das Immunsystem kann sich nicht mehr gegen Krankheiten
wehren.
Nach der beschwerdefreien Zeit treten erste Symptome auf wie
Fieber, nächtliche Schweißausbrüche, Durchfall, Gewichtsverlust
und Hautausschlag. Im weiteren Verlauf kommen schwere Infek-
tionen hinzu, die Lunge, Magen, Darm, Haut oder Gehirn betref-
fen können, wie zum Beispiel Tuberkulose (Stadium drei und
vier). Man nennt diese Erkrankungen opportunistische Infekti-
onen. Auslöser sind oft harmlose Erreger, gegen die sich der ge-
schwächte Körper jedoch nicht mehr wehren kann.
In diesem Stadium wird die Krankheit „Aids“ oder auch „Vollbild
Aids“ genannt. Die Infektionen führen ohne Behandlung schließ-
lich zum Tod.
KANN MAN DEN VERLAUF DER ERKRANKUNG BEEINFLUSSEN?Die Lebenserwartung hängt von den verfügbaren Medikamenten
ab, kann aber durch gesunde Ernährung, Sport, strikte Tablet-
teneinnahme sowie regelmäßige medizinische Untersuchungen
positiv beeinfl usst werden.
In ärmeren Ländern ist die Lebenserwartung meist bedeutend
geringer als beispielsweise in Deutschland oder Nordamerika,
weil die Bedingungen für ausgewogene Ernährung, Hygiene (z. B.
beim Trinkwasser) und die medizinische Versorgung schlechter
sind und viele Menschen kaum Zugang zu Medikamenten haben.
HIV/Aids Athini hat sich zu einem freiwilligen Test ent-
schieden. Bevor Blut abgenommen wird, erhält
er ein Aufklärungs- und Beratungsgespräch.
HIV KANN ÜBERTRAGEN WERDEN DURCH
• jede Form von ungeschütztem Geschlechtsverkehr
mit einer infi zierten Person
• Blut-zu-Blut-Kontakt, z. B. durch den Gebrauch
einer benutzten Spritze
• in einigen Fällen bei der Geburt oder beim Stillen
HIV WIRD NICHT ÜBERTRAGEN DURCH
• Anhusten, Anniesen oder über die Luft
(Tröpfchen infektion)
• Händeschütteln
• den Besuch von Schwimmbädern oder Saunen
• Küssen oder Austausch von Zärtlichkeiten
• die gemeinsame Benutzung von Toiletten,
Wäsche, Handtüchern, Geschirr und Besteck
• Insektenstiche
Ansteckung und Verlauf
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Das Ergebnis ist eindeutig
und wurde durch einen
zweiten Test bestätigt:
Athini ist HIV-positiv.
Der TestWAS PASSIERT BEI EINEM HIV-TEST? In den Projekten von ärzte ohne grenzen beginnt ein Test mit
einem Beratungsgespräch. Hier wird über den Ablauf, aber auch
über Befürchtungen und Ängste sowie mögliche Konsequenzen
gesprochen. Für den anschließenden Test verwendet ärzte ohne
grenzen Schnellteststreifen. Diese Schnelltests sind preiswert und
zeigen nach wenigen Minuten ein Ergebnis. Das ist besonders in
ärmeren Ländern wichtig, wenn der Weg in die Gesundheitszen-
tren weit und teuer ist. Dort erfahren die Betroffenen ihr Ergeb-
nis sofort, damit sie kein zweites Mal kommen müssen. Außer-
dem sind Labortests, wie sie in Deutschland üblich sind, in
ärmeren Ländern aus technischen Gründen oftmals schwer oder
gar nicht möglich.
Für den Schnelltest wird – wie bei Athini – aus dem Finger Blut
abgenommen und auf den Teststreifen gegeben. Werden im Blut
Antikörper gegen HIV gefunden, ist das Ergebnis HIV-positiv. In
diesem Fall wird direkt im Anschluss mit einem zweiten Test das
erste Ergebnis überprüft. Ist der ebenfalls positiv, ist die Person
mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit HIV infi ziert.
Ist dies der Fall, wird der Betroffene psychologisch betreut und
weiterüberwiesen. Es wird erneut Blut abgenommen, um ver-
schiedene Blutwerte zu bestimmen, unter anderem den CD4-
Wert, der entscheidend für den Beginn der Behandlung ist. Athi-
ni erfährt seinen CD4-Wert zwei Wochen später: 550/µl. Das ist
gut, eine Behandlung beginnt in den Projekten von ärzte ohne
grenzen meist bei weniger als 200/µl.
HIV/AIDS IN ZAHLEN
• Rund 40 Millionen Menschen sind weltweit mit HIV infi ziert,
davon allein 25 Millionen im südlichen Afrika. Drei Millionen
Menschen sterben jedes Jahr an den Folgen von Aids, mehr
als vier Millionen Infektionen werden im selben Zeitraum
neu diagnostiziert.
• Etwa sieben Millionen Menschen weltweit brauchen
Behandlung, nur ca. 2,5 Millionen erhalten sie zurzeit.
• In Südafrika leben 5,5 Millionen Menschen mit HIV/Aids.
Das ist jeder fünfte Erwachsene zwischen 15 und 49 Jahren.
• In Khayelitsha sind schätzungsweise zwischen 50.000 und
70.000 Menschen HIV-positiv, alle werden irgendwann
lebensverlängernde antiretrovirale Medikamente (ARV)
benötigen.
• Im Jahr 2007 erhalten mehr als 5.000 Patienten in Khayelitsha
eine ARV-Therapie. Im Jahr 2010 werden voraussichtlich
15.000 bis 20.000 Menschen in Behandlung sein.
• In Deutschland sind rund 56.000 Menschen HIV-positiv,
allein im Jahr 2006 infi zierten sich 2.600 Menschen neu und
600 Menschen starben.
Quelle: UNAIDS, WHO, ärzte ohne grenzen und Robert-Koch-Institut.
Die meisten Zahlen sind Schätzwerte und stammen aus den Jahren 2005
und 2006.
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Nokubonga nimmt heute regelmäßig Aids-Medikamente. Was wäre passiert, wenn sie nie welche bekommen hätte?Sie wäre wohl innerhalb von zwei oder drei Jahren gestorben. Sie
war krank, und ihr Immunsystem war schon sehr geschwächt.
Woran merkt man, dass man HIV-positiv ist?In der ersten Zeit durch einen Test. Nach einigen Jahren tauchen
erste typische Symptome wie Hautausschlag und Gewichtsverlust
auf, später kommen Lungen- und Gehirnentzündung oder Tuber-
kulose dazu. Das sind sogenannte opportunistische Infektionen,
die aufgrund des geschwächten Immunsystems ausbrechen und
zuerst behandelt werden müssen.
Welche Medikamente muss Nokubonga gegen Aids einnehmen?Sie erhält lebensverlängernde antiretrovirale Medikamente, kurz
ARV. Eine ARV-Therapie stoppt die Vermehrung des HI-Virus im
Blut, die Viruslast – d.h. die Menge des Virus im Blut – geht zu-
rück, und das Immunsystem kann sich langsam wieder erholen.
Ein Indikator für das Immunsystem ist die Anzahl der CD4-Zellen,
auch Helferzellen genannt. Liegt der Wert unter 200/µl, beginnen
wir mit der Behandlung. Nokubongas Wert ist wieder auf über
700/µl gestiegen. Das ist sehr gut und entspricht dem Wert einer
Gesunden.
Könnte sie dann aufhören, die Tabletten zu nehmen?Nein. Wenn Nokubonga aufhören würde, fi ele sie ziemlich schnell
in den Zustand zurück, in dem sie war, als sie die Therapie be-
gann. Sie würde mit großer Sicherheit sehr schnell an einer op-
portunistischen Infektion erkranken, womöglich mit tödlichem
Ausgang. Es wäre sehr schwer, ihr Immunsystem mit einer neuen
Behandlung wieder zu stabilisieren. Hinzu kommt die Gefahr von
Resistenzen: Dann reagiert das Virus nicht mehr auf die Wirk-
stoffe und die Arzneimittel werden wirkungslos.
Wann bilden sich Resistenzen gegen die Medikamente?Wenn die Tabletten unregelmäßig oder zeitweise gar nicht ein-
genommen werden sowie häufi g nach längerer Behandlungs-
dauer. Um das Risiko zu vermindern, wird eine Dreierkombination
aus ARV-Medikamenten gegeben. Diese muss alle zwölf Stunden
eingenommen werden. Dadurch wird das Virus nicht so schnell
gegen die Wirkstoffe resistent, wie wenn man nur mit einem Me-
dikament behandeln würde.
Was passiert, wenn das Virus dann doch resistent geworden ist?Dann muss auf die nächste Therapielinie, d.h. auf neuere Medi-
kamente, umgestellt werden. Bei Nokubonga ist das sicher dem-
nächst der Fall. Das Problem ist jedoch, dass die Medikamente
höherer Therapielinien im Moment viel zu teuer sind, um sie hier
massenhaft zu verschreiben.
Nokubonga war schwanger, als sie erfuhr, dass sie HIV-positiv ist. Wie kommt es, dass ihre Tochter gesund ist?Das HI-Virus wird nicht automatisch auf das ungeborene Kind
übertragen. Das Übertragungsrisiko bei der Geburt liegt bei mehr
als 30 Prozent. Mit ARV-Medikamenten können wir das Risiko auf
unter 15 Prozent senken. Wenn es die Möglichkeit für einen Kai-
serschnitt gibt, kann das Risiko sogar auf weniger als zwei Prozent
Das Virus bleibt imMer im BlutInterview mit dem Arzt Gilles van Cutsem über Chancen und Risiken der lebenslangen Aids-Behandlung
Die Menschen warten geduldig auf ihre
Untersuchung. Die ersten stehen schon
vor sechs Uhr morgens vor der Klinik an.
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gesenkt werden. Allerdings sollten HIV-positive Schwangere ihre
Babys möglichst nicht stillen, da das Übertragungsrisiko durch
die Muttermilch hoch ist. ärzte ohne grenzen bietet in vielen
Projekten dazu spezielle Beratungen an.
Beratung spielt bei der gesamten Behandlung von HIV/Aids eine zentrale Rolle. Warum?Weil die Behandlung sehr komplex ist und ein Leben lang fortge-
setzt werden muss. Die Patienten müssen gut über die Tabletten-
einnahme Bescheid wissen. In den Beratungen werden sie auch
immer wieder motiviert, nicht nachlässig zu werden. Nicht zu-
letzt ist es sehr wichtig, sich jemandem anvertrauen zu können.
Wie offen ist der Umgang mit HIV/Aids in Khayelitsha?Es gibt nach wie vor Ausgrenzung und Stigmatisierung. Nokubonga
ist eine der wenigen, die sehr offen über ihre Krankheit sprechen.
Viele kommen erst spät zu uns und manche gar nicht. Wir be-
handeln hier heute zwar mehr als 5.000 Menschen, doch das ist
schätzungsweise nur die Hälfte derjenigen, die eigentlich eine
ARV-Behandlung bräuchten.
1999, als ärzte ohne grenzen das Projekt in Khayelitsha er-öffnete, hieß es sogar, niemand würde kommen.Damals war HIV/Aids ein Tabu. Niemand wollte sich testen lassen.
Es gab hier ja noch keine Behandlung, und die Menschen sagten,
bei einem Test erführen sie nur, dass sie sterben würden. 2001
begann ärzte ohne grenzen in Khayelitsha mit der ARV-Be-
handlung, und heute sind die Kliniken voll.
Zwei mal täglich nimmt
Nokubonga je eine Tablette
der drei Medikamente
Stavudin, Lamivudin und
Nevirapin ein.
Wie lange kann man mit HIV/Aids leben?Wir haben nicht genug Langzeiterfahrungen, um das genau sagen
zu können. In Europa sind die Behandlungsmöglichkeiten ganz
gut. Da hofft man inzwischen, das Leben um 20 bis 50 Jahre ver-
längern zu können. Hier in Südafrika, schätze ich, können es
derzeit vielleicht bis zu 20 Jahre werden, in anderen afrikani-
schen Ländern sind es oft weniger. Voraussetzung ist, dass die
nötigen Medikamente für alle Betroffenen erhältlich sind. Wir dür-
fen nicht vergessen, dass das in vielen Ländern nicht der Fall ist.
Kann man trotz Behandlung noch an HIV/Aids sterben?Ja, denn die Medikamente können das Leben nur verlängern.
Und manchen Patienten können wir gar nicht mehr helfen, wenn
sie zum Beispiel sehr spät zu uns kommen und wir es nicht
schaffen ihr Immunsystem schnell genug wieder zu stabilisieren.
Oder wenn sich Resistenzen gegen die verfügbaren Medikamente
bilden. Oder wenn die Nebenwirkungen zu stark sind und ein Pa-
tient die Medikamente nicht verträgt.
Ist HIV/Aids unter bestimmten Bedingungen heilbar?Nein. Wer sich infi ziert hat, trägt das HI-Virus für immer im Blut.
Wie viele andere träume ich aber davon, dass es irgendwann ei-
nen Impfstoff dagegen geben wird.
Der belgische Arzt Dr. Gilles van Cutsem, 35,
arbeitet seit vier Jahren für ärzte ohne
grenzen in Khayelitsha.
MÖGLICHE NEBENWIRKUNGEN DER MEDIKAMENTE
• Hautausschlag
• Hepatitis (Entzündung der Leber)
• schmerzhafte Nervenschädigungen in Füßen,
Beinen oder Händen
• starke Fettablagerungen an Nacken,
Oberarmen, Brust oder Unterleib
• Stoffwechselstörungen
• Unverträglichkeitsreaktionen
DAS TABU BRÖCKELT„In den ersten Wochen haben wir Kondome verwendet, als noch
nicht sicher war, ob wir ein Paar sind. Aber dann haben wir
einander vertraut und die Kondome weggelassen.“ Nolubono ist
19, als sie von ihrer Ansteckung erfährt. Ihr damaliger Freund,
mit dem sie eigentlich in die Klinik zum Test gehen will, weigert
sich. Er stirbt und Nolubono bleibt allein mit sich, ihrem Schmerz
und ihrer Krankheit. Sie schmeißt die Schule, sitzt zu Hause und
weint.
HIV/Aids ist heutzutage kein Todesurteil mehr, wenn es Zugang
zu einer Behandlung gibt – doch trotzdem ist die Diagnose
schrecklich. Betroffene empfi nden häufi g Schuld, Scham und das
Gefühl, unendlich allein zu sein. Doch während Infi zierte vor
wenigen Jahren noch schwiegen und sich versteckten, gehen
heute immer mehr an die Öffentlichkeit. Auch in Khayelitsha tut
sich seit einigen Jahren viel: Selbsthilfegruppen gründen sich,
Zeitungen berichten, sogar in manchen Kirchen hängen Aufklä-
rungsplakate. Und auf den Straßen werben weithin sichtbare
Riesenposter mit dem Slogan: „Wenn du mich liebst, dann nimm
ein Kondom.“
„Seit es Behandlung gibt, kommen die Menschen auch zum Test“,
sagt Gilles van Cutsem, Arzt bei ärzte ohne grenzen in Khayelit-
sha. Denn seitdem kann den Menschen im Falle eines positiven
Ergebnisses auch etwas angeboten werden. So wächst der Mut,
Ja, ich werde Kondome benutzen.
Sex muss sicher sein.
WenN du mich liebst...
Warum Kondome allein keine Lösung sind
Das ist eine der größten Herausforderungen:
den Leuten klarzumachen, dass sie die Kondome
auch benutzen müssen; dass sie sie nicht nur mit
nach Hause nehmen, sondern auch gebrauchen.
Gilles van Cutsem, Arzt
Athini
Ich weiß nicht, warum ich kein Kondom
benutzt habe. Ich habe nicht an mich ge-
dacht, ich wollte einfach, dass mein Freund
zufrieden ist. Ich hatte Angst, dass er sonst
vielleicht anderen Mädchen hinterherjagt.
Nokubonga
In vielen Shebeens gibt es Boxen,
wie hier links oben in der Ecke.
Darin sind Kondome – kostenlos
zum Mitnehmen.
Ich habe einen Test gemacht, und ich bin
HIV-negativ. Eines weiß ich sicher: Ich werde
mich nie anstecken. Ich werde mich immer
schützen und vorsichtig sein.
Thembelihle
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Nicht nur in Südafrika steigt die Zahl der Infi zierten weiter – auch
in zahlreichen anderen Ländern der Welt. Dabei gibt es Bei-
spiele, die zeigen, dass sich die dramatische Aids-Entwicklung
umkehren lässt: In Thailand sinkt die Zahl der Neuinfektionen.
Nicht zuletzt weil die Regierung begonnen hat, eine offensive
HIV/Aids-Politik zu betreiben und vielerorts Test- und Behand-
lungsmöglichkeiten einrichtet. Doch insbesondere für Risiko-
gruppen muss auch dort noch mehr getan werden. Auch in
Deutschland sank die Zahl zwischenzeitlich, stieg aber in den
vergangenen Jahren wieder an – ein Trend, der auch in vielen
anderen Industrieländern zu beobachten ist.
Da HIV/Aids nicht heilbar ist, ist mit Tabletten allein der Kampf
gegen Aids nicht zu gewinnen. Auch massenhaft Kondome zu
verteilen, reicht nicht aus. Denn nur wer weiß, was passiert, wer
die Folgen einer Ansteckung erkennt und selbstbewusst handelt,
kann sich aktiv schützen. ärzte ohne grenzen unterstützt des-
halb Aktivistenorganisationen wie TAC und integriert Aufklärung
in die eigenen HIV/Aids-Projekte. Denn Vorbeugung und Be-
handlung gehen in Khayelitsha – so wie überall – Hand in Hand.
sich mit der tödlichen Immunschwächekrankheit HIV/Aids offen
auseinanderzusetzen. Neben ärzte ohne grenzen ist es vor
allem die Selbsthilfegruppe TAC (treatment action campaign),
die Aufklärung und Vorbeugung massiv vorantreibt. Zahlreiche
TAC-Freiwillige engagieren sich dafür, das Tabu HIV/Aids zu bre-
chen. Sie tragen T-Shirts, auf denen groß „HIV positiv“ prangt
und demonstrieren singend durch die Townships. Sie kämp-
fen für neue Medikamente und gegen eine schleppende Aids-
Politik der südafrikanischen Regierung.
WISSEN IST WICHTIG Aktivisten verteilen Monat für Monat eine Million Kondome in
Shebeens, Kliniken und Telefonzellen in Khayelitsha. Sie gehen
an Schulen und klären direkt in den Wartesälen der Kliniken auf.
Freiwillige führen Workshops durch, in denen über Ansteckung
und über Möglichkeiten, sich zu schützen, gesprochen wird. Dazu
gehören auch Themen wie erzwungener Sex und Vergewaltigung.
Es wird viel getan – und trotzdem steigen die Infektionsraten weiter,
geht der Kampf gegen Tabu und Ansteckung nur langsam voran.
Aufklärungsposter und
Infomaterial liegen in
den Kliniken aus.
DAS KANN VOR ANSTECKUNG SCHÜTZEN
• bei der Ersten Hilfe Handschuhe tragen
• keine Spritzen und Nadeln gemeinsam verwenden
• beim Geschlechtsverkehr immer Kondome benutzen
• verhindern, dass Blut oder Sperma in den Mund, die
Augen, auf Schleimhäute oder in Wunden gelangt
• Treue, wenn beide einen HIV-Test gemacht haben
• wichtig ist darüber hinaus: informiert sein, vor dem
Sex offen reden und selbstbewusst auf Kondome
bestehen
14
IMMER MEHR PATIENTEN„Die größte Herausforderung, vor der wir stehen, sind die vielen
Patienten, die noch kommen werden.“ Gilles van Cutsem wird
ernst, wenn er über die Zukunft spricht. Der Arzt arbeitet für
ärzte ohne grenzen in einer HIV/Aids-Klinik in Khayelitsha und
beobachtet seit einigen Jahren die enormen Patientenzahlen.
„Noch nie hat ein Gesundheitssystem derart stark ansteigende
Behandlungszahlen bewältigen müssen“, sagt er. Vor fünf Jah-
ren begann die ARV-Behandlung in Khayelitsha mit einer Hand-
voll Patienten, heute kommen mehr als 5.000 regelmäßig in die
Kliniken – und im Jahr 2010 könnten es voraussichtlich bis zu
20.000 Menschen sein.
„Man muss sich vorstellen, ein Krankenhaus in Deutschland muss
von einem Jahr zum anderen plötzlich doppelt so viele Patienten
versorgen“, so van Cutsem weiter. Man braucht mehr Kran-
kenschwestern und Ärzte, größere Kliniken und Wartesäle und
mehr Medikamente. „ärzte ohne grenzen hilft, dieses Problem
zu lösen.“ Ein Weg, den die Hilfsorganisation dabei geht, ist die
Dezentralisierung: Statt auf Spezialkrankenhäuser mit Fachperso-
nal setzt ärzte ohne grenzen auf ARV-Behandlung in möglichst
vielen kleinen Kliniken und Gesundheitszentren.
Auch in anderen Ländern, wie in Malawi, Mosambik, Kambod-
scha oder Ecuador, spielt die Dezentralisierung eine immer grö-
ßere Rolle. Vor allem auf dem Land, wo die Wege weit und eine
Fahrt ins Krankenhaus oft viel zu teuer sind, sind die kleinen
Gesundheitszentren in der Nähe für die Menschen enorm wich-
tig. Also bietet ärzte ohne grenzen zunehmend auch in Ba-
sisgesundheitsprojekten in abgelegenen Dörfern HIV-Tests und
ARV-Behandlung an. Gleichzeitig werden die Mitarbeiter vor Ort
geschult: Weil es nicht genug Ärzte für die tausenden Patienten
gibt, übernehmen Krankenschwestern und -pfl eger einen Teil der
Aufgaben mit. Und weil auch die nicht alles schaffen, „müssen
wir über neue Modelle nachdenken“, so Gilles van Cutsem wei-
ter. Zum Beispiel, dass Betroffene wie Nokubonga selbst aktiv
werden und freiwillig in der Patientenannahme oder der Bera-
tung helfen.
EINE GENERATION STIRBTSo gut wie in Khayelitsha ist die Versorgung von HIV-Infi zierten
längst nicht überall – auch in Südafrika nicht. Vor allem in länd-
lichen Gebieten wissen die Menschen wenig über HIV/Aids, und
die Gesundheitsversorgung ist schlecht. Inzwischen wächst in
Ländern wie Süd afrika oder Malawi eine Generation von Aids-
Waisen heran. Kinder, die von ihren Großeltern ernährt und groß
Herausforderung
ZuKUNFT
15
gezogen werden. Die meisten Menschen haben keine Chance auf
Behandlung. Hinzu kommen weitere Probleme: Wer bestellt die
Felder? Wer arbeitet in den Schulen und Krankenhäusern? Wer
kümmert sich um die Alten? Niemand kann heute sagen, welche
politischen und wirtschaftlichen Folgen das haben wird.
HIV/Aids ist eine globale Epidemie – eine tödliche. Nur wenn Re-
gierungen dies anerkennen und tätig werden, kann die Zahl der
Neuansteckungen gesenkt werden. Doch solange die Verantwort-
lichen HIV/Aids ignorieren anstatt staatliche Programme endlich
wirksam umzusetzen, werden weiter unnötig viele sterben.
DIE ROLLE DER PHARMAINDUSTRIE Ein Problem kann jedoch keine Regierung im Alleingang lösen:
fehlende Medikamente. „Viele Medikamente, die es in Europa
gibt, sind in Khayelitsha nicht erhältlich“, erklärt van Cutsem.
„Dabei haben Patienten wie Nokubonga und Nolubono hier
noch Glück im Vergleich zu Menschen in anderen afrikanischen
Ländern.“ Während in einem Teil der staatlichen Gesundheitsein-
richtungen in Südafrika Arzneien der ersten Therapielinie inzwi-
schen erhältlich sind, können sich ärmere Länder oft nicht mal
die leisten. Vor allem die neueren und verbesserten Versionen
der Aids-Medikamente sind teuer. Während die Pharmaindustrie
„HIV ist das größte Gesundheitsproblem,
das es auf der Welt gibt.“ Gilles van Cutsem, Arzt
Volle Wartesäle gehören in den
HIV-Kliniken in Khayelitsha
schon heute zum Alltag – doch in
Zukunft werden es immer mehr.
an ihren Patenten festhält, um die Arzneien in reichen Ländern
mit viel Gewinn verkaufen zu können, sterben in Afrika, Asien
und Latein amerika die Menschen an HIV/Aids – mehr als 7.000
jeden Tag.
ärzte ohne grenzen kämpft deshalb seit Jahren dafür, dass
dringend benötigte Medikamente allen Menschen zugänglich
gemacht werden. Dass weiterhin kostengünstige Generika pro-
duziert werden. Dass verbesserte Tablettenrezepturen, die zum
Beispiel weniger Nebenwirkungen haben, in ärmeren Ländern
erhältlich sind. Und dass die Preise sinken.
Für die erste Therapielinie ist das bereits gelungen. Während vor
einigen Jahren die Medikamente für ein Jahr noch 10.000 Dol-
lar pro Patient kosteten, sind es heute in ärmeren Ländern nur
noch rund 100 Dollar pro Jahr. Bei Medikamenten der zweiten
Therapielinie sieht das anders aus. Deren Preis liegt in diesen
Ländern noch immer zwischen 900 und 1.500 Dollar im Jahr. Viel
zu teuer für die Menschen und für ein Land, in dem irgendwann
Hunderttausende Patienten diese Arzneien brauchen. Auch für
Nokubonga und Nolubono ist es irgendwann so weit. Bis dahin
müssen ihre Tabletten erschwinglich sein.
ZUGANG ZU MEDIKAMENTEN SCHAFFEN – UND DAMIT LEBEN RETTENJedes Jahr sterben Millionen Menschen in ärmeren Ländern an behandel-
baren Krankheiten, weil sie sich die lebensnotwendigen Medikamente nicht
leisten können oder weil es keine wirksamen Arzneimittel gibt. So hat zum
Beispiel nur etwa ein Drittel der HIV/Aids-Patienten, die weltweit Behand-
lung brauchen, derzeit Zugang zur lebensverlängernden Therapie.
Im Jahr 1999 hat ärzte ohne grenzen deshalb die Kampagne „Zugang zu
unentbehrlichen Medikamenten“ ins Leben gerufen. Die Kampagne wendet
sich an Forschung, Wirtschaft und Politik. Sie fordert die Verantwortlichen
auf, dringend benötigte Medikamente in ärmeren Ländern zugänglich zu
machen und neue Arzneimittel zu erforschen. Darüber hinaus übt die
Medikamentenkampagne Druck auf die Pharmaindustrie aus, mehr in die
Erforschung von Krankheiten in ärmeren Ländern zu investieren und dort
den Zugang zu Arzneimitteln nicht zu blockieren.
Durch öffentlichen Druck konnte die Kampagne in den vergangenen Jahren
bereits einiges bewirken: Im Jahr 2001 sorgte der weltweite Druck beispiels-
weise dafür, dass 39 Pharmaunternehmen ihre Klage gegen die südafrika-
nische Regierung zurückzogen. Damit konnte ein Gesetz in Kraft treten, das
den Gebrauch kostengünstiger Generika in Südafrika ermöglichte.
Ein weiteres Beispiel ist der Fall Novartis: 420.000 Menschen haben im Jahr
2007 mit ihrer Unterschrift den Pharmakonzern Novartis aufgefordert, seine
Klage gegen das indische Patentrecht fallen zu lassen. Wäre Novartis mit
seiner Klage erfolgreich gewesen, hätte dies die Produktion vieler kosten-
günstiger Generika in Indien und damit die Versorgung von Patienten mit
bezahlbaren Medikamenten in ärmeren Ländern gefährdet. Die Klage des
Pharmakonzerns wurde Anfang August vom indischen Gerichtshof in
Chennai zurückgewiesen. Auch der enorme Druck der Öffentlichkeit trug
dazu bei, dass Novartis keine Berufung einlegte.
16
ÄRZTE OHNE GRENZEN IST ...... eine medizinische Nothilfeorganisation, die 1971 von einer
Gruppe junger Ärzte und Journalisten in Paris gegründet wur-
de. Ihre Vision: von Kriegen und Naturkatastrophen betroffenen
Menschen schnell und über nationale Grenzen hinweg medizi-
nisch zu helfen.
Heute ist ärzte ohne grenzen ein internationales Netzwerk, das
aus Sektionen in 19 Ländern besteht. Die deutsche Sektion hat
ihren Sitz in Berlin. Mehr als 2.000 internationale und 20.000
nationale Mitarbeiter sind weltweit im Einsatz. In etwa 70 Län-
dern behandeln sie Kranke und Verletzte, bauen in Flüchtlings-
lagern Gesundheitszentren auf, sorgen für sauberes Trinkwasser
und helfen bei der Eindämmung von Epidemien. Ihre Arbeit wird
zum größten Teil aus privaten Spenden fi nanziert.
Neben der medizinischen Nothilfe in Kriegs- und Konfl iktge-
bieten hat es sich ärzte ohne grenzen zur Aufgabe gemacht,
schwere Menschenrechtsverletzungen oder Verstöße gegen das
humanitäre Völkerrecht öffentlich anzuprangern. 1999 erhielt
ärzte ohne grenzen den Friedensnobelpreis.
ENGAGEMENT IN SÜDAFRIKA• In Khayelitsha arbeitet ärzte ohne grenzen in mehreren Gesundheitszentren und Kliniken mit den
lokalen Gesundheitsbehörden zusammen. 31 südafrikanische und neun internationale Mitarbeiter
sind dort für die Hilfsorganisation aktiv.
• Zusammenarbeit ist wichtig: ärzte ohne grenzen unterstützt in Khayelitsha unter anderem die
Selbsthilfeorganisation TAC und ein Zentrum für Opfer von Vergewaltigungen.
• Ein HIV/Aids-Projekt in Lusikisiki im Osten Südafrikas konnte 2006 an die südafrikanischen
Gesundheitsbehörden übergeben werden und wird seitdem fortgeführt.
• ärzte ohne grenzen eröffnete in Südafrika im Jahr 2007 ein neues Büro in Johannesburg, um
unter anderem Projekte in der Region zu unterstützen, die Öffentlichkeit zu informieren und
um Spenden zu werben.
ÄRZTE OHNE GRENZEN IN KHAYELITSHA IST ...... ein Projekt, das als Modellprojekt begann und heute rich-
tungsweisend ist für die Behandlung von Menschen mit HIV/Aids
in ärmeren Ländern. Es hat gezeigt, dass keine High-Tech-Me-
dizin nötig ist, um das Leben von Aids-Kranken deutlich zu ver-
längern. Inzwischen behandelt ärzte ohne grenzen mehr als
100.000 Menschen in über 30 Ländern mit antiretroviralen Me-
dikamenten (ARV).
Dabei war das Thema Aids-Behandlung innerhalb der Organi-
sation durchaus umstritten: Denn als Nothilfeorganisation wird
ärzte ohne grenzen dann aktiv, wenn schnelle Hilfe nötig ist.
HIV/Aids-Patienten brauchen jedoch eine lebenslange Behand-
lung. Was also tun? Soll man deshalb gar nicht erst mit einer
Therapie beginnen?
Für ärzte ohne grenzen ist das keine Option. Natürlich können
die Mitarbeiter auf Dauer keine Gesundheitsbehörden ersetzen.
Doch sie können zeigen, welche Hilfe nötig ist und wie diese
Hilfe aussehen kann. So wie in Khayelitsha, wo die Betreuung
der HIV/Aids-Patienten zunehmend von den südafrikanischen
Behörden übernommen wird. ärzte ohne grenzen zieht sich
Stück für Stück aus der täglichen Arbeit zurück und kann sich so
auf andere, künftige Aufgaben konzentrieren.
Eine Klinik
in Khayelitsha.
Gemeinsam im Kampf
gegEn
In Khayelitsha haben
ärzte ohne grenzen und
TAC ihre Büros im selben Gebäude.
17
TAC – DIE TREATMENT ACTION CAMPAIGN IST …… eine Selbsthilfeorganisation und extrem wichtig im Kampf
gegen HIV/Aids in Südafrika. TAC wurde 1998 von HIV-Infi zier-
ten in Kapstadt gegründet. Heute gehen regelmäßig Tau-
sende für dringend benötigte Medikamente und für eine
bessere südafrikanische Gesundheitspolitik auf die Straße.
Sie demonstrieren für Medikamente, die nicht nur preis-
werter sind, sondern auch weniger Nebenwirkungen ha-
ben. Sie fordern von der Regierung, endlich die längst be-
schlossenen HIV/Aids-Programme konsequent umzusetzen.
Und sie klären in vielen Workshops und Veranstaltungen die
Menschen in den Townships darüber auf, wie HIV/Aids be-
handelt wird und vor allem, wie man sich schützen kann.
Es ist auch TAC zu verdanken, dass viele Menschen in Kha-
yelitsha beginnen, das Tabu zu brechen: Aids ist zunehmend
ein Thema, man spricht darüber und – ganz wichtig – man
informiert sich. Das ist einer der größten Erfolge, den die
Freiwilligen von TAC bisher errungen haben.
Trotzdem ist TAC noch lange nicht am Ziel: Nach wie vor in-
fi zieren sich täglich Menschen mit HIV. Noch immer sind vor
allem neue Medikamente in den Townships nicht erhältlich.
Und noch hat die Regierung nicht die volle Verantwortung
für die 5,5 Millionen HIV-infi zierten Südafrikaner übernom-
men.
ärzte ohne grenzen unterstützt deshalb das Engagement
der TAC-Aktivisten. Eine von ihnen ist Nokubonga. Auch sie
geht bei Demonstrationen mit auf die Straße und hilft regel-
mäßig freiwillig in einer Jugendklinik. Und Athini will sich
zum Berater weiterbilden lassen. Immer mehr Menschen in
Khayelitsha wird bewusst, dass sie selbst etwas tun können.
Auch das ist TAC zu verdanken.
Singend demonstrieren Nokubonga
und andere Freiwillige von TAC für den
Zugang zu besseren Medikamenten. Aids
Beratung und Gespräche sind ein wesentlicher
Teil der Arbeit von TAC. Auch Nolubono besucht
regelmäßig eine Selbsthilfegruppe.
„Wir fordern die Registrierung von Tenofovir – jetzt!“
– das fordert TAC auf einer Demo durch das Nachbar-
township Gugulethu.
18
AIDS Acquired Immune Defi ciency Syndrome
(Erworbene Abwehrschwäche-Krankheit):
Endstadium einer Infektion mit HIV (Hu-
manes Immunschwäche-Virus).
AFRIKAANS Sprache der ersten holländischen Siedler
in Südafrika, heute eine der elf Landes-
sprachen.
APARTHEID Afrikaans für Trennung, gemeint ist die
strikte Rassentrennung in Südafrika im 20.
Jahrhundert. Schwarze und Coloureds
wurden durch Rassengesetze von der wei-
ßen Bevölkerung gezielt ausgegrenzt.
Schwarze hatten z.B. kein Wahlrecht, Ehen
zwischen Angehörigen verschiedener Haut-
farben waren verboten und in öffentlichen
Gebäuden gab es zwei verschiedene Ein-
gänge. Sie durften nicht dieselben Schulen
besuchen und nicht dieselben Busse be-
nutzen wie Weiße.
ARV – ANTIRETROVIRALE KOMBI-NATIONSTHERAPIE – AUCH: ARTKombination von Medikamenten zur Be-
handlung von Aids. ARV-Medikamente
hemmen die Vermehrung des HI-Virus im
Blut, das geschwächte Immunsystem er-
starkt wieder. Meist werden drei Medika-
mente kombiniert, um Resistenzen vor-
zubeugen.
BACTRIM Medikament, das zur Vorbeugung op-
portunistischer Infektionen bei HIV/Aids
eingesetzt wird.
BERATER Durch Weiterbildungen ausgebildete Mit-
arbeiter, die über HIV/Aids aufklären,
informieren, Rat geben und auch psy-
chische Hilfe leisten. Manche sind selbst
HIV-positiv. Sie beantworten Fragen zu
Medikamenten, Krankheitsverlauf sowie
Übertragungsrisiken und unterstützen
die Betroffenen, wenn das Testergebnis
positiv ausgefallen ist. Einige Berater ge-
hen an Schulen oder organisieren Selbst-
hilfegruppen.
CD4-ZELLEN Ein Typ der weißen Blutkörperchen und
damit Teil des Immunsystems. Das HI-Virus
greift die CD4-Zellen an. In den Projekten
von ärzte ohne grenzen erhalten die Pa-
tienten spätestens dann antiretrovirale
Medikamente, wenn der Wert dieser Zel-
len unter 200/µl gesunken ist. 800/µl ent-
sprechen dem Normalwert eines Gesunden.
COLOUREDSBegriff aus der Gesetzgebung während der
Apartheid, die zwischen vier ethnischen
Gruppen unterschied: Schwarze, Coloureds
(wörtlich Farbige), Inder und Weiße. In
Südafrika gibt es sowohl Menschen, die
sich selbst als Coloureds bezeichnen, als
auch solche, die den Begriff aus poli-
tischen Gründen ablehnen und sich selbst
Schwarze nennen.
GENERIKUM Sogenanntes Nachahmermedikament, das
dieselben Wirkstoffe enthält wie das pa-
tentgeschützte Originalmedikament, aber
wesentlich kostengünstiger ist.
Indien ist der größte Generika-Hersteller
weltweit, auch ärzte ohne grenzen be-
handelt mehr als 80 Prozent seiner HIV/
Aids-Patienten mit den preiswerten in-
dischen Medikamenten.
isiXHOSA Sprache der Xhosa (südafrikanisches Volk),
etwa 7,5 Millionen Menschen in Südafrika
sprechen isiXhosa.
LAMIVUDIN, NEVIRAPIN, STAVUDIN, TENOFOVIR
ARV-Medikamente.
OPPORTUNISTISCHE INFEKTION Krankheit, die aufgrund eines geschwäch-
ten Immunsystems zum Ausbruch kommt,
wie etwa Tuberkulose bei Aids. Bei Ge-
sunden sind die Erreger häufi g harmlos,
der geschwächte Körper kann sie jedoch
nicht mehr abwehren.
RESISTENZ Fähigkeit von Krankheitserregern, ihre ei-
gene Struktur so zu verändern, dass sie der
Wirkung von Medikamenten widerstehen
können. Resistenzen bilden sich, wenn
Medikamente über sehr lange Zeiträume
oder nicht vorschriftsmäßig eingenommen
werden.
SHACK Hütte oder einfaches Haus in den Town-
ships, gebaut aus Holz, Pappe und Well-
blech.
Shebeen Einfache Kneipe in südafrikanischen
Townships; während der Apartheid
als illegale Bars der schwarzen Bevölke-
rung entstanden; beliebter Ausgeh- und
Treffpunkt für Jugendliche.
KleinEs LexIKoN
Nokubonga an der Medikamentenausgabe
Nolubono (hinten rechts) im Shebeen „Waterfront“
Apartheid, ARV, Shebeen & Co
19
Redaktion: Alina Kanitz
Verantwortlich: Kattrin Lempp
Mitarbeit: Claudia Fix, Lisa Hiemer, Katrin Hünemörder,
Melanie Kraft, Stefanie Santo, Janet Wach
Mitarbeit vor Ort: Bettina Borgfeld
Fotos: Bettina Borgfeld, Alina Kanitz (S.6 unten, S.7 oben,
S.13 unten, S.16 2x oben)
Pädagogische Beratung: Dietmar Falk, Janet Wach und
Unterstützung durch die Nelson-Mandela-Schule Berlin
sowie weitere Schüler und Lehrer
Gestaltung: Moniteurs, Berlin
Litho: highlevel, Berlin
Druck: Druckhaus Mitte, Berlin
Gedruckt auf Envirotop: 100% Altpapier, chlorfrei,
mit dem blauen Umweltengel ausgezeichnet
© 2007
Teil des vorliegenden Unterrichtsmaterials ist der Film
„Ich bin immer noch ich“ (31 min.), der von der Borgfeld/
Bremer Produktion im Auftrag von ärzte ohne grenzen
produziert wurde. Der Film, die Broschüre sowie Lehrer-
und Unterrichtsmaterial können kostenfrei über die
Internetseite von ärzte ohne grenzen bezogen werden.
Unser besonderer Dank gilt Athini, Nokubonga,
Thembelihle und Nolubono, die ihre Geschichte erzählt
und uns einen Einblick in ihr Leben gegeben haben.
Außerdem möchten wir uns bei der Filmautorin
Bettina Borgfeld und dem Kameramann Andreas Bremer
bedanken, die mit uns in Khayelitsha waren. Für ihre
Unterstützung vor Ort danken wir dem ärzte ohne
grenzen-Team in Südafrika, der treatment action
campaign und unserem Produktions-assistenten
Isakhe Mangwana.
ärzte ohne grenzen e.V.
Am Köllnischen Park 1
10179 Berlin
Tel.: 030 – 700 130 0Fax: 030 – 700 130 340E-Mail: offi [email protected]
Internet: www.aerzte-ohne-grenzen.de
Spendenkonto 97 0 97Bank für SozialwirtschaftBLZ 370 205 00
¹
TOWNSHIP Teils slumartige Wohnviertel, die die süd-
afrikanische Regierung während der
Apartheid am Rand der großen Städte
errichtete, um dort die Schwarzen, die
Coloureds und andere Nichtweiße ge-
trennt von den Weißen unterzubringen.
Noch heute leben dort kaum Weiße.
TUBERKULOSE Krankheit, die vor allem die Lunge, aber
auch andere Organe wie Nieren, Hirnhäute
oder Lymphknoten betreffen kann. Tuber-
kulose tritt oft als opportunistische In-
fektion bei HIV/Aids auf.
IMPRESSUM
KLEINER SPRACHKURS
isiXhosa Deutsch
Nolo Hallo
Kunjani Wie geht es Dir?
Dipilile Mir geht es gut!
Ndiyakuthanda Ich liebe Dich!
Enkosi Danke schön!
Khayelitsha unsere neue Heimat,
unser neues Haus
… wenn es einen richtig trifft. Ich muss sie sehen
und wenn sie meine Augen blendet, dann gehe
ich direkt auf sie zu. Ich will ein süßes Mädchen,
und später will ich heiraten. Ich will ein guter
Vater sein und Verantwortung tragen. Ja, so
würde ich das sagen.
… mit jemandem zusammen zu sein, mit
dem du deine Probleme teilen kannst, der
ehrlich ist und der dich tröstet. Jemand, der
sich um dich kümmert und um den du dich
auch selbst kümmerst. Ich denke, das ist
wahre Liebe – sicher bin ich mir aber nicht.
… wenn man sich liebt, auch wenn man positiv ist. Du musst
das akzeptieren. Und egal, ob du negativ oder positiv bist oder
ob beide infi ziert sind, du musst immer Kondome benutzen.
Man muss sich gegenseitig schützen.
LiebE ist...
Träger des Friedensnobelpreises 1999
Athini
Nokubonga
Thembelihle
… wenn ihr euch vertraut und euch gegenseitig
Geheimnisse erzählt. Liebe ist, wenn mein Freund
mir hilft und mich versteht, wenn ich Probleme habe.
Aber hier in Khayelitsha halten die Beziehungen
meist nicht lange. Bei den einen klappt es ein Jahr,
bei den anderen nur eine Woche. Für manche ist es
einfach nur Spaß.
Nolubono
www.aerzte-ohne-grenzen.de