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ICPC-2
Ein Versuch der Interpretation der „korrekten“ Verwendung von ICPC-2 aus österreichischer Sicht
DI Dr. Harald Kornfeil, 4. Österreichischer Primärversorgungskongress, 4.4.2019
Fallbeispiel 1a
• 5 jährige Patientin, ohne sig. Vorerkrankungen
• klagt über Halsschmerzen
• Es zeigt sich ein geröteter Rachen und eingezogenes min gerötetes Trommelfell bds, Tonsillen bland, Streptokokkenabstrich ist negativ
• Diagnose: Pharyngitis
DI Dr. Harald Kornfeil 2
Fallbeispiel 1a
• 5 jährige Patientin, ohne sig. Vorerkrankungen
• klagt über Halsschmerzen
• Es zeigt sich ein geröteter Rachen und eingezogenes min gerötetes Trommelfell bds, Tonsillen bland, Streptokokkenabstrich ist negativ
• Diagnose: Pharyngitis
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Der ICPC-2-Pager
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Aufbau v. ICPC-2
Aufgeteilt nach anatomischen Regionen A-Z
A ... Allgemein/unspezifischB ... Blut ...
K ... Kreislauf...
N ... Neurologie...
R ... Respiration ...
X ... weibl GenitaleY ... männl. GenitaleZ ... soZiale Probleme
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Aufbau v. ICPC-2
Unterteilt nach
Fehlbildungen
Symptome
Infektionen
Neubildungen
Verletzungen
Andere Diagnosen
Prozeduren
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Fallbeispiel 1a
• 5 jährige Patientin, ohne sig. Vorerkrankungen
• klagt über Halsschmerzen
• Es zeigt sich ein geröteter Rachen und eingezogenes min gerötetes Trommelfell bds, Tonsillen bland, Streptokokkenabstrich ist negativ
• Diagnose: Pharyngitis
Lösung: R21 (RFE) R74 (D)
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Fallbeispiel 1b
• Fallbeschreibung
• 5 jährige Patientin, ohne sig. Vorerkrankungen
• klagt über Hals und Ohrenschmerzen
• Es zeigt sich ein geröteter Rachen und stark gerötetes Trommelfell rechts, Tonsillen mit Stippchen, Streptokokkenabstrich ist positiv
• Diagnose: bakterielle Tonsillitis / Otitis media
Lösung: R21, H01 (RFE)R74 -> R76, R72, H70 (D)
DI Dr. Harald Kornfeil 8
Codieren von Diagnosen
Warum müssen PVEs nun in ICPC-2 codieren?
Damit die Kassen / HV / BMG Statistiken machen können.
Was haben wir Ärzte davon?
Primär einmal nichts.
=> Machen wir was damit es uns was bringt
DI Dr. Harald Kornfeil 9
Codieren von Diagnosen
Wie könnte uns das was bringen?
• Unterstützung bei Dokumentation
• Medical Decision Support
• Statistische Auswertungen / Audits
• Vereinfachte Patienten-Recalls
Voraussetzung: gute Softwareunterstützung
DI Dr. Harald Kornfeil 10
Dokumentation
Vor allem in Praxen/PVEs, wo mehrere Ärzte und Angehörige anderer Gesundheitsberufedie selben Patienten betreuen, wird guteDokumentation zunehmend wichtiger!
Reden wir über Dokumentation
und nicht über Codierung ...
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Wozu dokumentieren?
• Zur Erfüllung des Ärztegesetzes 1998 §51
• Zur Abrechnung
• Zur Erinnerung an den Zustand des Patienten im Rahmen der jeweiligen Konsultation
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Ärztegesetzes 1998 §51
Dokumentationspflicht und Auskunftserteilung § 51 (1) Der Arzt ist verpflichtet, Aufzeichnungen • über jede [...] Person, insbesondere über den• Zustand der Person bei Übernahme der Beratung oder Behandlung,
die Vorgeschichte einer Erkrankung, • die Diagnose, • den Krankheitsverlauf, sowie über • Art und Umfang der beratenden, diagnostischen oder
therapeutischen Leistungen einschließlich der • Anwendung von Arzneispezialitäten und der zur Identifizierung
dieser Arzneispezialitäten und der jeweiligen Chargen [..] erforderlichen Daten
• zu führen
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Abrechnung vs. Dokumentation
• Dokumentiert wird vielfach primär das, was für die Abrechnung notwendig ist
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Abrechnung
Zur Abrechnung mit der Kasse benötigen wir
• eCard-Steckung
• Behandlungsschein
• Leistung
• Diagnose (oder Dauerdiagnose)
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Abrechnung
Was rechnen wir ab?
• eine (oder mehrere) Konsultation(en)
• Leistungen
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Dokumentation zur Erinnerung
Was wird evtl. zusätzlich dokumentiert?
• „Ich habe Halsweh/Kopfweh/Bauchschmerzen/...“
• hohen Blutdruck/hohen Blutzucker
• abnorme Harnsticks
• Druckschmerz im Unterbauch
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Wir dokumentieren die Symptomebzw. die Probleme
ICPC-2 ist problemorientiert
ICPC-2 unterscheidet• Beratungsanlässe (RFE, Reason for Encounter), deren • Probleme dokumentiert werden, und möglicherweise als eine oder mehrere • Diagnosen beschrieben werden können.Diese Beratungsanlässe werden in Krankheits-Episoden (EOC, Episodes of care) verwaltet um deren Entwicklung über die Zeit besser nachvollziehen zu können.Auch Leistungen lassen sich erfassen.
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Kennt wer Robert N. Braun?
Robert Braun‘s Kasugraphie unterscheidetFälle (mit möglichweise mehreren Kontakten / Inanspruchnahmen), die jeweils eine • Beratungsursache (BU) und ein• Beratungsergebnis (BE) haben:
– „Klassifizierungen“ (90%)• Symptome (wenn es 1 Leitsymptom gibt - z.B. „Globusgefühl“)• Symptomgruppen (wenn es mehrere Sympome sind –
z.B.„grippaler Infekt)• Bilder von Krankheiten (wenn das Bild passt aber keine
diagnostische Bestätigung vorliegt – z.B. Histo, Kultur)
– Diagnosen 10%
DI Dr. Harald Kornfeil 19
Was genau ist nun ...
eine Diagnose ?eine Dauerdiagnose ?
ein Fall ?eine Konsultation ?
eine Inanspruchnahme?
eine Episode ?
ein Problem ?
ein Konsultationsanlass eine Beratungsursache (BU) ?
Reason for Encounter (RFE)
ein Beratungsergebnis (BE) ?
ein Symptom ?
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Konsultationsanlass / Beratungsursache(Reason for Encounter RFE)
Braun: „was den Patienten zum Allgemeinarzt geführt hat“
Ein Konsultationsanlass ist der Grund warum der Patient den Arzt aufsucht:
• neu aufgetretenes Symptom (ohne definitive Diagnose)
• bereits bekanntes Symptom (ohne definitive Diagnose)
• bekannte Krankheit (Diagnose gestellt)
DI Dr. Harald Kornfeil 21
Wann ist eine Diagnose eine Diagnose?
Braun: „in etwa 10% der Fäller einer allgemeinmedizinischen Praxis können (exakte) Diagnosen gestellt werden“
Die Allgemeinmedizin ist bestimmt durch diagnostische Unsicherheit.
Je mehr „Diagnosen“ wir stellen umso kränkermachen wir die Patienten
DI Dr. Harald Kornfeil 22
Fallbeispiel 2a
• 17 jährige Patientin, weiblich ohne sig. Vorerkrankungen
• klagt über Unterbauch-Schmerz
• Es zeigt sich ein patholog. Harnstreifentest
• Diagnose: Harnwegsinfekt
DI Dr. Harald Kornfeil 23
Lösung: D06 (RFE)U06 U71 (D)
Fallbeispiel 2b
• 17 jährige Patientin, weiblich ohne sig. Vorerkrankungen
• klagt über Flanken-Schmerz links
• Es zeigt sich ein patholog. Harnstreifentest
• Diagnose: Harnwegsinfekt mit Vd.a. Pyelonephritis
DI Dr. Harald Kornfeil 24
Lösungsvorschlag: L05 / U14 (?) (RFE)U06, U70/U71? (D)
Verdachtsdiagnose = Diagnose?
• Vd.a. Pyelonephritis
• Vd.a. Discusprolaps
• Vd.a. Appendicitis
Sollen wir einen Verdacht als „Diagnose“ codieren? (und zur Abrechnung und damit statistischen Auswertung freigeben)
=> Nein!=> je mehr wir gezwungen werden „Diagnosen“ zu
codieren umso kränker machen wir die Statistik
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Fallbeispiel 3
• 63 jähriger Pat, männlich mit vorbekannter KHK, DM Typ 2, chron. NINS Stadium 3, St.p. Insult
• Klagt über einen geröteten, schmerzhaften Vorfuß links
• Es zeigt sich ein Erysipel aufgrund einer interdigitalen Tinea pedis
Lösungsvorschlag: K76, T90, U99, N99 (DD)S01 / S06 (RFE)S76 / S74 (D)
DI Dr. Harald Kornfeil 26
Dauerdiagnose
Braun: Ein Diabetiker der im Jahr 30 mal zur Kontrolle gekommen ist zählt als nur ein einziger Fall [...]. Die einzelnen 30 Kontakte bedeuten die Inanspruchnahmen: so oft wurde er also wegen desselben Problems gesehen und beraten.
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Dauerdiagnosen
Chron. Patienten haben (meist) einedefinitive Diagnose.
z.B. DM, NINS, KHK
Diese kann ein Konsultationsanlass für die Episode sein, sollte aber
• nur als Dauerdiagnose dokumentiert (und codiert sein)
• danach aber nicht mehr als einzelneKonsultationsdiagnose.
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Diagnosen - Episoden
Symptome / Diagnosen können
• für lange Zeit bestehen (chron. Krankheit)
• sich im Laufe der Zeit verändern
Akut-„Klassiker“:
Unterbauchschmerz -> Harnwegsinfekt -> Pyelonephritis
„Chroniker“
NINS I -> II -> III -> IV -> terminale NINS
COPD I -> II -> III -> IV
DI Dr. Harald Kornfeil 29
Granularität von Diagnosen
Es schlagen 2 Herzen in unserer ärztlichen Brust
Diagnosen sollen
• so genau nicht klassifiziert werden müssen (= kompliziert – vgl. ICD - Pneumonien)
• ausreichend genau sein
DI Dr. Harald Kornfeil 30
z.B. Stadieneinteilung von Krankheiten• COPD, NINS, NYHA, ...• Scores
z.B. Allergien (Penicillin, Pollen, Birke, ...)
ICPC-2 soll eine Unterstützung sein
ICPC-2 will uns helfen, • genau das zu dokumentieren was für unsere
Arbeit am Patienten wichtig ist (-> Klassifikation von Problemen)
unsere Dokumentation besser strukturieren um einen besseren Überblick • über den einzelnen Patienten zu erhalten
(Episodes of care)
• über die Gesamtheit aller von uns betreuten Patienten zu erhalten (statistische Auswertung -> „Fälleverteilung“)
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Verwaltung v. Episoden
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Verwaltung v. Episoden
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Verwaltung v. Episoden
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Verwaltung v. Episoden
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Verwaltung v. Episoden
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Verwaltung v. Episoden
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Ist das eine Diagnose?
• St.p. AE / CHE
• St.p. Magen-Ulcus
• St.p. MCI / Stent / ACBG
• St.p. Insult
• St.p. Melanom
• St.p. Hemicolectomie bei Rectum-Ca
• St.p. Hüft-TEP
DI Dr. Harald Kornfeil 38
Was ist mit St.p.-Diagnosen?
So etwas gibt es bei ICPC-2 nicht.
• offene Episoden z.B. [ Brustschmerz -> KHK -> MCI -> ...
• abgeschlossene Episoden z.B. [ Bauchschmerz – Appendizitis]
Vgl. ICD-10: „Zusatzkennzeichen“ (G, V, Z) und ausgesuchte St.p. Diagnosen
DI Dr. Harald Kornfeil 39
ICD-Code St.p. Diagnose
D73.0 St.p. Splenektomie
I25.2 St.p. Myokardinfarkt (Datum) (ggf -> Z95.x)
I69.0 St.p. Subarachnoidalblutung
I69.1 St.p. intracerebrale Blutung
I69.3 St.p. Hirninfarkt
I69.4 St.p. Schlaganfall nnb
T90.2 St.p. SHT (Folgen v. Verletzungen des Kopfes)
T91.3 komplettes cervikales Querschnittsyndrom (Folgen v. Verletzungen des Rückenmarks)
T98.3 St.p. CPR
Z85.0 St.p. N.coli, N.recti, Magen-Ca, … (Jahr) (=bekannte bösartige Erkankung d. Verdauungsorgane in der Eigenanamnese)
Z85.3 St.p. Mamma-Ca li/re (Jahr) (=bekannte bösartige Erkankung d. Brustdrüse in der Eigenanamnese)
Z85.5 St.p. Nierenzell-Ca, Blasen-Ca, … (=bekannte bösartige Erkankung d. harnorgane in der Eigenanamnese)
Z90.5 Einzelniere bei St.p. Nephrektomie (vgl. Z85.5)
Z92.3 St.p. / laufende RTX
Z92.4 St.p. größerem operativen Eingriff – vgl Z98.8 (Kolonresektion, Rectumresection, B-II-OP, Carotis-TEA, …)
Z92.6 St.p. / laufende CTX
Z98.8 Sonstige Zustände nach chirurg. Eingriff – vgl Z92.4 (St.p. AE, St.p. CHE, Knie/Hüft-TEP ...)
St.p.-Diagnosen bei ICD-10
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Ist das eine (Dauer-)Diagnose?
• rez. HWI
• rez. Lumbago
• lfde. CTX / RTX
• OAK mit Sintrom
• Penicillin-Allergie
• Implantierter HSM / ICD
DI Dr. Harald Kornfeil 41
Take Home Messages
• nur gesicherte Diagnosen codieren
• wenn keine gesicherte Diagnose -> Symptom / Konsultationsanlass (RFE)
• Chron. Erkrankungen sind Dauerdiagnosen
• Manche „Diagnosen“ lassen sich nicht codieren und werden Freitext bleiben müssen
DI Dr. Harald Kornfeil 42
Fragen?
Fragen?
Fragen?
Fragen?Fragen?
Fragen?
Fragen?
Fragen?
Fragen?
DI Dr. Harald Kornfeil 43
Ende
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
DI Dr. Harald Kornfeil 44