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Internet: Machtlos gegen FalschmeldungenBundesjustizminister Heiko Maas im Gespräch über manipulative Falschmeldungen und Hasskommentare in sozialen Netzwerken
Sybille Mack und Heiko Maas diskutierten in der Alten Kelter Fragen zu Hass, Falschmeldungen und Meinungsfreiheit in Facebook, Twitter und Co. Bild: Palmizi
Von unserem RedaktionsmitgliedSarah Utz
Winnenden.Was tun, wenn hasserfüllte Beiträgeund absichtliche Falschmeldungen so-ziale Netzwerkewie Facebook, Twitterund Co. überschwemmen? Darüberdiskutierte Justizminister Heiko Maasmit Bürgern und SPDlern am Dienstagbei seiner Wahlkampfstation in Win-nenden. Er rief dazu auf, selbst gegenInternet-Hetze laut zu werden, undrührte nebenbei die Werbetrommel fürsein umstrittenes Netzwerkdurchset-zungsgesetz.
Während bei der SPD in Winnenden dasPlakate-Kleben wegen der Urlaubszeitnoch etwas zäh vorangeht, ist deren Bun-destagskandidatin für den Wahlkreis Waib-lingen, Sybille Mack, höchst motiviert. AmDienstagabend begrüßte sie den Bundesjus-tizminister zur offenen Diskussion in derAlten Kelter in Winnenden.
Und Gesprächsbedarf besteht: Auf Face-book und Co. ersetzt bösartige Hetze bei ei-nigen Themen echte Argumente, und ab-sichtliche Falschmeldungen verbreiten po-litische Propaganda mit Hilfe sogenannterSocial Bots – das sind Programme, die in so-zialen Netzwerken menschliches Verhaltensimulieren. Dass gezielte Falschmeldungen(„Fake News“) die Wahl in Deutschlandstark beeinflussen werden, glauben Mackund Maas nicht. Das spiegelt auch die Mei-nung der Bevölkerung in Deutschland. Lauteiner repräsentativen Umfrage von You-Gov, einem Institut für Meinungsforschung,glaubt ein Drittel, dass „Fake News“ beider Bundestagswahl im September eineRolle spielen werden. Nur etwa ein Viertelbefürchtet aber einen starken bis sehr star-ken Einfluss auf das Ergebnis.
Um solche Manipulationen zu entlarven,gilt es, Quellen zu prüfen. Inzwischen gibtes auch eine Reihe von Internetseiten, dieHilfestellungen bieten. Social Bots verbie-ten? Unmöglich. „Die stehen ja nicht hier inDeutschland in irgendeiner angemietetenLagerhalle“, sagt Maas. „Momentan gibt eseinfach keine juristische Handhabe. DerStaat kann nicht entscheiden, was wahrund was unwahr ist. Das wäre ein Eingriffin die Meinungsfreiheit, auf der unsere De-mokratie beruht.“
Auf die Meinungsfreiheit berufen sichauch Pöbler und Hetzer in sozialen Netz-
werken, wenn ihre teils menschenverach-tenden Kommentare gelöscht oder ihre Bei-träge gesperrt werden. Bei der Anzahl sol-cher Kommentare könnte man auf die Ideekommen, es handle sich bei deren Verfas-sern um eine Mehrheit. „Das ist eine Min-derheit, aber eine laute“, glaubt Maas. Da-gegen könne jeder Einzelne etwas tun:„Wenn die große Mehrheit aufhören würdezu schweigen, kann man dieser Minderheitzeigen, dass sie eben nicht so groß ist, wiesie glaubt.“
Außer selbst laut zu werden, nimmt Maasmit seinem Netzwerkdurchsuchungsgesetzab Oktober auch die Betreiber der sozialenNetzwerke in die Pflicht. Wie viel das brin-gen wird, ist allerdings fraglich. Zum einenobliegt es nach diesem Gesetz den Netzwer-ken selbst, zu entscheiden, was ein straf-rechtlicher Verstoß ist und was nicht – waseigentlich die Aufgabe der Gerichte ist. Of-fen bleibt bis zum Inkrafttreten, ob dieNetzwerke das Gesetz missbrauchen wer-den, um unliebsame Beiträge zu entfernen,die geldbringende Werbetreiber vergraulenkönnten. Zum anderen haben Netzwerkenach diesem Gesetz 24 Stunden bis sieben
Tage Zeit, zu entscheiden, was bleibt undwas geht. Passiert dann nichts, müssen Ge-richte entscheiden. Ein zäher Prozess.
Im Vergleich zur Geschwindigkeit, in derBeiträge kommentiert und weiterverbreitetwerden, erscheint das wie ein schlechterScherz. Heiko Maas selbst findet, dass dieseZeit den Netzwerken eingeräumt werdenmüsse, so schnell, wie das Internet sei, laufeman ohnehin immer hinterher. Den Opferngehe es letztlich darum, dass der betreffen-de Inhalt gelöscht werde. „Gar nichts ma-chen ist auch keine Lösung.“ Immerhin sei
che Aussagen harsche Kritik anhören: Dassei ein tiefer Einschnitt in die Meinungs-freiheit. Maas wehrt sich: „Regellosigkeitbedeutet weniger Freiheit für den Einzel-nen.“ Allerdings sei es nicht das Ziel, Mei-nungen zu unterdrücken: „Wenn es nichtmehr weh tut, ist es keine Meinung mehr.“
An dieser Stelle kam am Dienstag auchdie AfD zur Sprache. Auch deren Meinun-gen seien selbstverständlich geschützt,auch wenn deren Wirkung häufig als ge-fährlich eingeschätzt wird, „muss man sichpolitisch damit auseinandersetzen. Wegge-hen und totschweigen geht nicht, das unter-stützt nur deren Selbstdarstellung als die,die anders und ausgeschlossen sind.“ Kon-frontationen mit der Frage nach dem Wa-rum würden entlarven, dass nichts hinterderen Aussagen stecke.
Deren Idee vom Rückfall auf den Natio-nalstaat hält Maas für „das Schlimmste,was wir tun können“. Probleme durchHasskommentare und absichtliche Falsch-meldungen können nicht auf nationalerEbene geklärt werden. Um tatsächlich et-was zu bewirken, müsste die Lösung genau-so global sein wie das Internet selbst.
man das erste Land in der EU mit einemsolchen Gesetz. Dass das nicht reicht undmindestens eine europäische Lösung hermüsste, räumt Maas ein. Auch die Durch-setzung könnte problematisch werden, im-merhin klagt die Justiz über fehlendes Per-sonal – laut Maas eine Begleiterscheinungder Schuldenbremse. Wie auch immer Lö-sungen in der Zukunft aussehen werden,man ist damit reichlich spät dran. Es seidringend an der Zeit, ein Bewusstsein dafürzu schaffen, dass es auch im Internet Regelngeben muss. Heiko Maas muss sich für sol-
WörterbuchMitglied oder Nutzer zu sein, und die Akti-vitäten natürlicher Personen imitiert.� Netzwerkdurchsetzungsgesetz, auch„Hate-Speech-Gesetz“: Das Gesetz tritt imOktober in Kraft und soll Betreiber sozialerNetzwerke wie Facebook, Twitter und You-tube dazu zwingen, offenkundig strafbareInhalte binnen 24 Stunden zu löschen.
� Fake News: in den Medien und im In-ternet, besonders in den Social Media, inmanipulativer Absicht verbreitete Falsch-meldungen. Webseiten wie www.mimika-ma.at sammeln Informationen über be-kannte Fake News� Social Bot: Computerprogramm, dasin einem sozialen Netzwerk vorgibt, ein
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