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KBV KLARTEXT KLAR TEXT Das Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung März 2016 Hochkarätig: ambulante Qualität KBV stellt Positionspapier zur Qualität in der ambulanten Versorgung vor Terminservicestellen Ansturm auf telefonische Vermittlung bleibt aus Strategie „Neue KBV“ nimmt Gestalt an. Beratungen auf der Vertreterversammlung Interview mit Dr. Thomas Fischbach, Mitglied des Satzungsausschusses „Ich wünsche mir Professionalität“

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Page 1: KBV Klartext, März 2016

KBV KL A R T E X TKL AR T E X TDas Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung März 2016

Hochkarätig: ambulante QualitätKBV stellt Positionspapier zur Qualität in der ambulanten Versorgung vor

TerminservicestellenAnsturm auf telefonische Vermittlung bleibt aus

Strategie„Neue KBV“ nimmt Gestalt an. Beratungen auf der Vertreterversammlung

Interview mit Dr. Thomas Fischbach, Mitglied des Satzungsausschusses„Ich wünsche mir Professionalität“

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INHALT

STANDPUNKT

Wer in Deutschland in eine Arztpraxisgeht, will sich verlassen können: aufdie Qualifikation des Arztes, die Qua-lität der Behandlung und einen ange-messenen technischen Standard. Soselbstverständlich für Außenstehendedie Qualitätssicherung an Kliniken er-scheint, so wenig bekannt sind die In-strumente der Qualitätssicherung und-förderung im Bereich der Niederge-lassenen. Nach dem Motto: „Gutestun und darüber reden“ stellt die KBVnun diese vielfältigen Konzepte undMaßnahmen in einem Papier dar. SeitJahrzehnten wird hier nämlich sehrviel getan, aber anscheinend wurdenoch zu wenig darüber geredet. Pres-severtreter zeigten sich jedenfalls er-staunt und beeindruckt über die Viel-falt der Maßnahmen (siehe hierzuauch Seiten 4 u. 5). Dies macht wie-der einmal klar: Über das Bekenntniszum Patienten muss mehr geredetwerden. Selbstverständlichkeiten sindin heutigen Zeiten wohl keine Selbst-verständlichkeit mehr. S. Grüneberg

IMPRESSUM

KBV KLARTEXTDas Magazin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung

Herausgeber:Kassenärztliche BundesvereinigungDr. Andreas Gassen (Vorstandsvorsitzender der KBV, V.i.S.d.P.)

Redaktion:Redaktion: Meike Ackermann, Sabine Grüneberg,Christian Grothaus, Kristin Kahl, Angélique Herrler, Corinna Glorius, Filip Lassahn

Redaktionsbeirat:Dr. Roland Stahl

Satz: rheinschrift Christel Morische, Bad Herrenalb

Druck: Druckerei Kohlhammer, Augsburger Straße 722,70329 Stuttgart

Erscheinungsweise: vierteljährlich

Redaktionsanschrift:Kassenärztliche BundesvereinigungRedaktion KLARTEXTHerbert-Lewin-Platz 2, 10623 BerlinE-Mail: [email protected]. 030 4005-2210Fax 030 4005-2290

Titelthema

Positionspapier Qualität Seite 4

Politik

Masterplan Medizinstudium 2020 Seite 6

X-Ray – die Vorstandskolumne Seite 7

Vertreterversammlung: Geänderte Satzung und Zukunftsaufgaben Seite 8

Themen in Brüssel: Auflagen für Arzneimittelverpackung Seite 14

Versorgung

Vereinbarung gegen sexuellen Kindesmissbrauch Seite 10

Neue Bedarfsplanung Seite 14

Terminservicestellen gestartet Seite 16

Interviews

Im Gespräch mit … Dr. Thomas Fischbach Seite 12

Zehn Fragen an … Tobias Nowoczyn Seite 19

Service

Angeklickt und aufgeblättert Seite 18

Meldungen

Bundesnachrichten Seite 11

Aus den Kassenärztlichen Vereinigungen Seite 15

KBV KLARTEXT kostenfrei abonnieren und downloaden unter:www.kbv.de/klartext

Mehr von der KBV unter …

www.twitter.com/kbv4u

www.youtube.com/kbv4u

www.kbv.de/praxisnachrichten

www.kbv.de/kbv2go

Foto Titelseite: © iStockphoto.com/zouxunkai

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THEMENAUSWAHL

Qualität in der vertragsärztliche VersorgungÜber das Messen, Bewerten und Dar-stellen von Qualität im stationärenSektor ist in jüngster Zeit viel disku-tiert worden. Die Unterschiede zwi-schen stationärem und ambulantemSektor sind zahlreich, die Instrumentedaher andere. Dabei braucht sich dieQualitätssicherung und -förderung derVertragsärzte nicht zu verstecken. Im

Gegenteil: Das Qualitätsniveau ist invielen Bereichen höher als in Teilendes stationären Sektors. Um dies sicht-bar zu machen, hat die KBV ein Posi-tionspapier erarbeitet, das in zehnPunkten bündelt, welche Maßnahmenzur Qualitätsicherung in der ambulan-ten Versorgung angewendet werdenund was hier geleistet wird. ab Seite 4

Masterplan für den ÄrztenachwuchsNur 6,6 Prozent der Medizinstudentenabsolvieren derzeit ihr PraktischesJahr (PJ) in der Allgemeinmedizin.Vor dem Hintergrund tiefgreifenderdemografischer Umwälzungen arbei-ten Länder und Bundesregierung aneinem „Masterplan Medizinstudium“.

Er soll in dieser Legislaturperiode be-schlossen werden. Die KBV ist in dieEntwicklung involviert und bringt dieInteressen der Niedergelassenen inden Plan ein. Sie setzt sich unter an-derem für verpflichtende ambulanteAusbildungsmodule ein. Seite 6

Fischbach: „Streit mit Ministerium ist nicht klug.“Als Mitglied im Satzungsausschuss der KBV-Vertreterversammlung (VV) istDr. Thomas Fischbach, Arzt aus Solingen und frisch gewählter Präsident desBerufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, ganz nah dran an den ThemenErsatzvornahme, Satzungsprobleme und Reform der VV. Im Interview erläuterter, was aus seiner Sicht zum Streit führte, und welche Rolle dabei die Konzep-tion der Satzung spielt. Er blickt zurück auf seine Jahre als Delegierter und er-klärt, warum er nicht mehr antreten wird. Seite 12

Terminservicestellen gestartetAm 23. Januar haben die Terminservicestellen (TSS) ihre Arbeit aufgenommen.In den ersten Wochen wurden bundesweit rund 10.000 Termine vermittelt. Denreibungslosen Start garantierte auch ein im Auftrag der KBV von der KV Tele-matik GmbH unter Hochdruck entwickeltes Tool, der „eTerminservice“, denmittlerweile zwölf KVen in Anspruch nehmen. Hintergründe zum Start und einAusblick in zukünftige Möglichkeiten der Terminvergabe. Seite 16

(Foto: ©iStockphoto.com/Ivan Bajic)

(Foto: ©paulvelgos/fotolia.com)

(Foto: ©iStockphoto.com/Tomwang112)

(Foto: Bvkj)

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Qualität in der ambulanten Versorgung

Versorgung auf höchstem NiveauDie Instrumente der Qualitätssicherung und -förderung im ambulanten Bereich sind zahlreich und stehen je-nen der Kliniken in nichts nach. Ein Positionspapier fasst die gemeinsamen Standpunkte der Kassenärztli-chen Vereinigungen (KVen) und der KBV nun zusammen. Ein Überblick von Sabine Grüneberg.

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„Qualität nur am Ergebnis zumessen, ist im ambulantenSektor weder zielführendnoch möglich“, sagte KBV-Vorstandsvorsitzender Dr.Andreas Gassen anlässlichder Vorstellung der „Positio-nen zur ambulanten Versor-gungsqualität“. Mit dem Posi-tionspapier macht die KBVauf die vielfältigen Konzepteund Maßnahmen zur Quali-tätssicherung im ambulantenSektor aufmerksam.Im Unterschied zum Kran-kenhaus habe es die ambulan-te Versorgung häufig mit un-eindeutigen Beschwerdebil-dern, Verdachtsdiagnosen undchronischen, oft mehrfach er-krankten Patienten mit langenBehandlungsverläufen undhäufigen Arzt-Patienten-Kon-takten zu tun, so Gassen. „Obeine Operation erfolgreichwar, lässt sich relativ leichtsagen. Über den Verlauf einerkomplexen ambulanten Be-handlung zu urteilen, ist daschon schwieriger.“ Deshalbmache es an vielen Stellen in der am-bulanten Versorgung Sinn, „Aspekteder Struktur- und Prozessqualität inden Vordergrund zu stellen.“ Dazu ge-hören die fachliche Qualifikation desArztes und Personals sowie die medi-zinische Praxisausstattung (Struktur-qualität), ebenso wie praxisinterneAbläufe, Hygienemanagement, Diag-nosestellung oder die Anwendung vonBehandlungspfaden (Prozessqualität).

Umfangreiche Prüfungen

Zum einen garantieren Facharztstatusbeziehungsweise Fachkundenachweis,Genehmigungsvorbehalt und Fortbil-dungsverpflichtung ein höchstes Ni-

veau an Qualität. Immerhin sindzwölf Jahre Aus- und Weiterbildungnötig, um überhaupt an der vertrags-ärztlichen beziehungsweise vertrags-psychotherapeutischen Versorgungteilnehmen zu dürfen. Zum anderenmüssen Vertragsärzte alle fünf JahreFortbildungspunkte nachweisen. An-ders als im stationären Sektor drohenihnen bei Nichterfüllung Sanktionenin Form von Honorarkürzungen bishin zum Entzug der vertragsärztlichenZulassung. Außerdem unterliegt eine Behandlungin der vertragsärztlichen Versorgungeinem „Erlaubnisvorbehalt“: Dasheißt, eine Leistung darf nur abge-

rechnet werden, wenn sievom Gemeinsamen Bundes-ausschuss (G-BA) in denLeistungskatalog der gesetz-lichen Krankenversicherung(GKV) aufgenommen wur-de. Im Gegensatz dazu be-steht im stationären Sektorein „Verbotsvorbehalt“. EineLeistung darf dort so langedurchgeführt werden, so lan-ge sie nicht aus dem Leis-tungskatalog der GKV aus-geschlossen wurde. Hinzukommt, dass für etwa dieHälfte der Leistungen imGKV-Katalog der Arzt zu-sätzliche Qualitätsanforde-rungen erfüllen muss, umentsprechend behandeln zudürfen.

Einzelstichproben

Um die Qualität zu sichern,führen die KVen auch exter-ne Prüfungen durch. Mit Zu-fallsstichproben, Einzelfall-prüfungen und Praxisbege-hungen wird festgestellt, obzum Beispiel Ärzte richtig

dokumentieren, ihre medizinischenGeräte auf dem neuesten Stand hal-ten, Hygienestandards erfüllen oderdie richtigen Diagnosen stellen. Pra-xen, die den Anforderungen nicht ent-sprechen, müssen neben kollegialenBeratungen mit Auflagen, Wiederho-lungsprüfungen, Rückforderung vonVergütungen oder schlimmstenfallsdem Entzug der Abrechnungsgeneh-migung rechnen (im Jahr 2014 wur-den 700 Genehmigungen widerrufen).– Auch dies ist bisher ein großer Un-terschied zum stationären Sektor. Außerdem sind alle Vertragsärzte und-psychotherapeuten gesetzlich ver-pflichtet, intern ein Qualitätsmanage-

Jährlich erscheint ein Bericht zu den Qualitätsmaßnahmen inder ambulanten vertragsärztlichen Versorgung.

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ment einzuführen. Ein Drittel allerPraxen und Medizinischen Versor-gungszentren nutzt hierfür „QEP –Qualität und Entwicklung in Pra-xen®“, ein von der KBV und denKVen entwickeltes, speziell auf dieambulante Versorgung zugeschnitte-nes Verfahren. Zusätzlich werden freiwillige Quali-tätsinitiativen gefördert, denn es gilt:Gegenseitiges Feedback auf Augen-höhe wirkt nachhaltiger als Sanktio-nen von der Kanzel herab. Als be-währtes Instrument haben sich hierbeiQualitätszirkel etabliert. Sie beruhenhauptsächlich auf ärztlicher Eigenini-tiative und bieten den Beteiligten dieMöglichkeit sich fachlich auszutau-schen und ihre tägliche Arbeit kritischzu reflektieren.Die KBV und die KVen unterstützendiese selbstbestimmten, freiwilligenLehr-Lern-Gruppen durch didaktischeMaterialien für mehr als 30 Themen-bereiche sowie die Ausbildung vonTutoren und Moderatoren. Bundes-weit engagieren sich knapp 7.000Moderatoren in 9.200 Zirkeln, an de-nen 64.000 Vertragsärzte und -psy-chotherapeuten teilnehmen.

Sektorenübergreifende Sicherung

Viele Patienten werden synchron imambulanten und stationären Sektorbehandelt. Dies gilt es zu berücksich-tigen. Hier gibt es noch technischeHürden, die es aus dem Weg zu räu-men gilt. So muss für einen nachbe-handelnden Arzt erkennbar sein, wanner eine spezifische Qualitätssiche-rungsdokumentation für einen Patien-ten ausfüllen muss, der zuvor in eineranderen Einrichtung behandelt wurde.Hierfür könnte laut KBV ein Markerauf der elektronischen Gesundheits-karte genutzt werden. Eine vorerstschrittweise Erprobung von sektor-übergreifender Qualitätssicherung mitzunächst „sektorparallelen“ Eingrif-fen erachtet die KBV daher als sinn-voll. „Zuallererst sollten wir aberüber Soll-Größen nachdenken, alsoVersorgungspfade definieren, wie beider Entwicklung der Disease Manage-ment Programme“, sagt Gassen.

Weil sich Qualität im ambulanten Be-reich, wie erwähnt, häufig nicht pri-mär am Behandlungsergebnis eineseinzelnen Arztes festmachen lässt,plädiert die KBV dafür, die Potenzia-le regionaler Qualitätsindikatoren zunutzen. Diese könnten Ergebnisquali-tät nicht einrichtungsbezogen messen,sondern mit regionalem Populations-bezug. Gleichzeitig würde diese Alternativeeine gemeinsame Qualitätsverantwor-tung aller ambulant wie stationär täti-gen Ärzte fördern.

Bürokratie verringern

Qualitätssicherung ist kein Selbst-zweck. Im Fokus sollen dabei immerdie Patienten stehen, so Gassen. Da-her sei darauf zu achten, dass Versi-

Titelthema

Positionen zur ambulanten Qualität 1. Patientensicherheit und Versorgungsqualität sind Grundpfeiler des

ärztlichen Selbstverständnisses.

2. Facharztstatus, Genehmigungsvorbehalt und Fortbildungsverpflich-tung sind Garanten für Qualität und maßgeblich auf die ärztlicheSelbstverwaltung angewiesen.

3. Die KVen setzen gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag die externeQualitätssicherung um. Die hierfür aufgebauten Strukturen und In-strumente haben sich bewährt und werden in Zukunft noch wichti-ger werden.

4. Qualitätsmanagement ist für Vertragsärzte und -psychotherapeutenPflicht.

5. Die KVen unterstützen Ärzte und Psychotherapeuten bei der Um-setzung ihres internen Qualitätsmanagements, sowie freiwilligeQualitätsinitiativen. Die Unterstützung soll kontinuierlich weiter ent-wickelt und ausgebaut werden.

6. Qualität im ambulanten Bereich ist an sektorspezifische Besonder-heiten gebunden, die es zu berücksichtigen gilt.

7. Struktur- und Prozessqualität gehen in der ambulanten Versorgungvor Ergebnisqualität.

8. Qualität gibt es nicht zum Nulltarif. Mehraufwand, der nötig ist,muss refinanziert werden. Daran sollten sich alle Kostenträger an-gemessen beteiligen. Qualität ist kein Selbstzweck und darf nur invertretbarem Maße zu Lasten der Zeit gehen, die dem Patientenzur Verfügung steht.

9. Für sektorenübergreifende Qualitätssicherung müssen erforderli-che Grundlagen geschaffen werden. Methodisch-inhaltliche undtechnische Lösungen liegen auf der Hand.

10. Qualitätstransparenz und qualitätsorientierte Vergütung sollten mitAugenmaß erprobt und ausgestaltet werden.

chertengelder und die Zeit der Ver-tragsärzte und -psychotherapeutennutzbringend eingesetzt werden. UmBürokratie zu verringern, sollten da-her Kollegen, denen dauerhaft einegute Qualität bescheinigt wird, entlas-tet werden. Der Aufwand, den die Niedergelasse-nen durch Qualitätssicherung, Doku-mentation, freiwillige Qualitätsinitia-tiven und Fortbildungen stemmen,solle „adäquat refinanziert werden“,meint Gassen. Eines müsse den Betei-ligten klar sein: „Hohe Qualität gibtes nicht zum Nulltarif.“

➔ weitere InformationenMehr zum KBV-Qualitätsmanage-ment: www.kv-on.de/html/3219.php

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Reform der Ausbildung

Masterplan fürs MedizinstudiumDie Bundesregierung arbeitet derzeit mit den Bundesländern und Interessengruppen intensiv an einer Re-form des Medizinstudiums. Allen Beteiligten ist klar: Die ambulante Versorgung steht vor tiefgreifenden Um-wälzungen. Ihr Stellenwert muss in der Ausbildung gestärkt werden. Ein Bericht von Sabine Grüneberg.

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Vor dem Hintergrund des demografi-schen Wandels, fortschreitenden Ärz-temangels und einer alternden Ärzte-schaft, wollen Bundesregierung undLänder den Entwicklungen mit einem„Masterplan Medizinstudium 2020“begegnen. Seit Anfang der Legislatur-periode sind das Bundesgesundheits-ministerium (BMG) und das Bundes-ministerium für Bildung und For-schung (BMBF) beauftragt, Vorschlägezur Optimierung des Studiums zu ent-wickeln. Im Frühjahr 2016 sollen sieder Öffentlichkeit vorgestellt werden. Auch die KBV wurde in den Entwick-lungsprozess einbezogen. Nach einerschriftlichen Stellungnahme konntesie in einer zusätzlichen Anhörung ihrePositionen noch einmal bekräftigen.

Reform des Auswahlverfahrens

Bislang gilt für die knapp 10.000 Stu-dienplätze in deutschen Hochschulenein Numerus Clausus (NC) von 1,0.Rund 20 Prozent werden nach NCvergeben, weitere 20 Prozent nachWartezeit. Zwar liegen den restlichen60 Prozent der Plätze eigene Aus-wahlverfahren der Hochschulen zu-grunde, die weitere Gesichtspunkteberücksichtigen, jedoch hat auch hierdie Abiturnote hohes Gewicht. Weilaber nicht jeder Einserschülerzwangsläufig ein guter Arzt zu wer-den verspricht, schlägt die KBV ge-eignete Auswahlverfahren vor, dieden Fokus weg von der Studierfähig-keit, hin auf die Berufsausübungsfä-higkeit lenken. International sind sol-che Assessments längst etabliert.

Bonus für Berufsausbildung

Nach KBV-Sicht sollten in diesemZuge auch Bewerber mit medizini-scher Vorbildung oder einer abge-schlossenen Heilberufeausbildungnoch mehr als bisher berücksichtigt

werden, etwa in Form eines Bonusauf NC und Wartezeit. Auch die Her-kunft aus einer ländlichen Regionkönnte so Eingang in das Auswahl-verfahren finden. Studien beweisen:Wer vom Land kommt, geht auch mitgrößerer Wahrscheinlichkeit nach sei-ner Ausbildung zurück aufs Land. InAustralien wurden Zulassungskrite-rien entwickelt, die diesen wissen-schaftlich bedeutenden Einflussfaktorberücksichtigen.

Allgemeinmedizin stärken

Um mehr Ärzte zu gewinnen, die spä-ter ambulant tätig werden wollen, plä-diert die KBV außerdem dafür, grund-versorgende Ausbildungsinhalte und-strukturen zu stärken. Hierzu gehöreneine höhere Gewichtung allgemein-medizinischer Prüfungshinhalte, so-wie die Einführung kompetenzbasier-ter Curricula und Prüfungsmethoden.Die Einrichtung allgemeinmedizini-scher Lehrstühle ist in den vergange-nen Jahren gut voran gekommen, rund30 von 37 Fakultäten haben Lehrstüh-le oder Institute etabliert. Die Lehresteht damit dichter an der Versor-gungsrealität: Jährlich fallen ambulant518 Millionen Behandlungsfälle an –30 Mal mehr als im Krankenhaus.

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(Foto: ©iStockphoto.com/wavebreakmedia)

Um Studierende schon früh mit derprimärärztlichen Versorgung vertrautzu machen, könnten Langzeit-Prakti-ka mit regelmäßigen Anwesenheitsta-gen pro Semester in einer ambulantenPraxis etabliert werden.

Neugestaltung des PJ

Die KBV schließt sich der Empfehlungdes Wissenschaftsrates an, der eineErweiterung des Praktischen Jahres(PJ) in Quartale befürwortet. Derzeitwird es in Tertiale unterteilt – abzu-leisten in Innerer Medizin, Chirurgieund einem Wahlfach. Um die tatsäch-liche Versorgungsrealität adäquat ab-zubilden, hielte es die KBV für sinn-voll, in diesem Zuge ein Pflichtquar-tal ambulante Versorgung einzuführen.Generell wäre die Aufteilung des PJin zwei ambulante und zwei stationä-re Einheiten angemessener. Außerdemfordert die KBV die Regelung derAufwandsentschädigung im stationä-ren PJ auch für den ambulanten Be-reich. Nur wenn gleichwertig vergütetwird, wird die Praxis zur Option.

➔ weitere InformationenMehr zu allgemeinmedizinischen Prak- tika: www.kv-on.de/html/3287.php

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Die ambulante Versorgung inDeutschland bleibt auch in Zukunfteine Herausforderung: Einer älterwerdenden Gesellschaft steht einesinkende Zahl von Hausärzten gegen-über. Das betrifft nicht nur die ländli-chen Regionen, in denen der Ärzte-mangel bereits heute spürbar ist.Auch in bestimmten Stadtbezirkender Ballungszentren zeigen sich dieProbleme. So hat jeder zweite ArztSchwierigkeiten, einen Nachfolger fürseine Praxis zu finden. Dieser Ent-wicklung entgegenzuwirken, mussauch weiterhin an oberster Stelle aufder gesundheitspolitischen Agendastehen. Die KBV begrüßt daher dieMaßnahmen zur ambulanten Weiter-bildungsförderung, die im Versor-gungsstärkungsgesetz 2015 aufge-nommen worden sind. Sie sind derrichtige Schritt um die ambulanteWeiterbildung zu stärken.Die Vergütung für Ärzte und Ärztin-nen wird im Laufe dieses Jahres aufdas Niveau im stationären Bereich an-gehoben. Die gegenwärtige Höhe desZuschusses von 3.500 Euro führtebislang zu Ungleichheiten in der Ver-gütung zwischen Klinik und Praxis.Die Neuregelung schafft damit denlängst überfälligen Ausgleich, um dieambulante Weiterbildung für jungeMediziner attraktiver zu machen. DieZahl der förderfähigen Weiterbil-dungsstellen wird auf 7500 (bisher5000) erhöht. Die KBV begrüßt zudem, dass nunauch für weitere Facharztgruppen

künftig 1.000 Weiterbildungsstellenzur Verfügung gestellte werden – einenotwendige Reaktion auf die Ambu-lantisierung der Medizin und eineKonsequenz aus der heutigen Versor-gungsrealität. Viele Behandlungenwerden im Krankenhaus heute garnicht mehr durchgeführt, sondern fin-den nur noch in der Praxis statt. Dasist beispielsweise in der Augenheil-kunde und der Dermatologie der Fall.Bei der Auswahl der zu förderndenFachgruppen sollten jeweils regionaleHandlungsspielräume berücksichtigtwerden – auch hierüber wird aktuellnoch verhandelt.

Der Trend zur Ambulantisierungmuss sich auch im Studium

wiederfinden

Ein weiterer Schritt muss sein, dasFach Allgemeinmedizin bereits wäh-rend des Studiums zu stärken. Bislangist lediglich ein zweiwöchiges Block-praktikum verpflichtend vorgesehen –viel zu wenig für einen Bereich, inwelchem später circa die Hälfte derniedergelassenen Kolleginnen undKollegen tätig sind. Die KBV unter-stützt den Vorschlag, das PJ in vierTeile auszuweiten und ambulantePflichtquartale zu integrieren. Daswürde den Studierenden einen echtenEinblick zum Beispiel in die hausärzt-liche Versorgung ermöglichen. Mit ei-ner Aus- und Weiterbildung, die aus-schließlich in der Klinik stattfindet,funktioniert das nicht.Im Falle eines Pflichtquartals Allge-meinmedizin können angehende Me-

diziner nicht nur Ihre eigenen Kom-petenzen austesten, sondern die Viel-falt der medizinischen Versorgung inder Praxis kennenlernen.

Einblick in die Praxis

Umfragen zeigen, dass Studierendeaufgrund der fehlenden praktischenErfahrung oftmals nur ein undeutli-ches Bild von der Niederlassung undvon der hausärztlichen Tätigkeit ha-ben. Daneben belegen die Ergebnisseeiner Befragung der KBV in Zusam-menarbeit mit der Universität Trieraus dem Jahr 2014, dass 34,5 Prozentder Studierenden sich durchaus vor-stellen können, später hausärztlich tä-tig zu sein. Umso wichtiger ist daherder Einblick in die ambulante Versor-gung schon während des Studiums. Die Versorgungsrealität ist nicht mehrdie gleiche wie vor 30 Jahren und da-zu gehört auch eine veränderte Vor-stellung des Berufes als Hausarzt. Da-rum nimmt die KBV die Belange undWünsche der Niedergelassenen sowiedes Nachwuchses ernst. Mit der Fort-führung der Kampagne „Wir arbeitenfür Ihr Leben gern.“ gibt sie demWunsch vieler junger Mediziner nacheiner echten Arzt-Patienten-Bezie-hung ein Gesicht. Ein wesentlicherBestandteil der Kampagne ist dieWebseite lass-dich-nieder.de, welcheerstmalig jungen Studierenden undWeiterzubildenden eine umfassendePlattform bietet, sich rund um die am-bulante Aus- und Weiterbildung unddie Tätigkeit als Vertragsarzt im KV-System zu informieren.

Schlüssel zur Versorgung von morgen: die Aus- und Weiterbildung von heuteMit dem Versorgungsstärkungsgesetz sind die Weichen gestellt für eineverbesserte ambulante Weiterbildungsförderung. Mehr Stellen und einhöheres Budget sollen dafür sorgen, dass der Beruf des Hausarztesauch für den Nachwuchs wieder attraktiv wird. Die KBV unterstützt undergänzt diese Maßnahmen.

X-RAY – der Durchblick von Dipl.-Med. Regina Feldmann

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Vertreterversammlung

Grundsteine für einen NeuanfangDie erste KBV-Vertreterversammlung des Jahres verlief im Sinne des neu gefundenen „Geistes der Verstän-digung“. Die Delegierten zeichneten Wege für die Positionierung der Niedergelassenen im Vorfeld der Bun-destagswahl 2017 auf. Erstmals wurde mit neuer Gewichtung abgestimmt. Sabine Grüneberg berichtet.

„Inhaltliche Neubestimmung“, „Ver-antwortung für die Zukunft des KV-Systems“ und „Verständigung“ warendie drei Schlagworte, die die Vertre-terversammlung (VV) der KBV am 4. März in Berlin bestimmten. „DasKV-System ist mehr als eine bloßeVerwaltungseinrichtung, das KV-Sys-tem ist ein innovativer Ideengeber!“,schwor KBV-VorstandsvorsitzenderDr. Andreas Gassen die Mitglieder inseiner Rede auf die anstehenden He-rausforderungen ein. Er ließ keinenZweifel daran, dass er mit der KBVals solcher auch wieder von der Poli-tik wahrgenommen werden wolle.

Vergangenheit wird aufgearbeitet

Zu den Querelen der Vergangenheitsagte er: „Wir leisten gemeinsam mitdem Vertrauensausschuss seit Mona-ten eine konsequente Aufarbeitung.“Entsprechende Sicherungsmechanis-men seien mittlerweile in der Ge-schäftsordnung der KBV niedergelegtund Strukturen einer vertrauensför-dernden Zusammenarbeit in den Gre-mien der VV geschaffen worden. „Ich

bin dankbar, dass die Vergangenheits-bewältigung nicht mehr in der Öffent-lichkeit ausgetragen wird, sondern inden Gremien, die dafür vorgesehensind“, so Gassen.

KBV 2020

Auch KBV-Vorstand Dipl.-Med. Re-gina Feldmann trat dafür ein, die Fra-gen der Zukunft in den Blick zu neh-men. Sie sprach vom „Geist der Ver-ständigung“, der die Klausursitzungim Vorfeld der VV bestimmt habe,„jetzt dürfen wir nicht nachlassen!“Auch Gassen bezog sich auf dasKlausurwochenende, an dem sich dieDelegierten getroffen hatten, um in-haltlich an der Aufstellung des KV-Systems bis 2020 zu arbeiten: „Wirkonnten im großen Kreis erleben, waswir aus kleinen Arbeitsgruppen ken-nen und schätzen: das Ringen um diebeste Lösung in einer kollegialen undfairen Diskussion.“ Der VV-Vorsit-zende Hans-Jochen Weidhaas meinteam Rande der Versammlung: „Wir ha-ben den Geist herübergerettet.“ Er seizuversichtlich, dass man den Schwung

Gut gelaunt und voller Tatendrang: KBV-Vorstände Dipl.-Med Regina Feldmann und Dr. Andreas Gassen, VV-Vorsitzender Hans-Jochen Weidhaas und sein Stellvertreter Dr. Dieter Haack auf einer Pressekonferenz am Rande der Vertreterversammlung.

in die Beratungen der nächsten Klau-sursitzung im April mitnehmen könne.

Drei Zukunftsthemen

Einer der Grundsteine für die Positio-nierung des KV-Systems in den kom-menden Jahren ist die koordinierte In-anspruchnahme medizinischer Leis-tungen. „Wir müssen die Patientenunterstützen, sich in einer komplexerwerdenden Gesundheitsversorgungzurechtzufinden“, sagte Gassen. Pa-tienten seien zunehmend Gesund-heitskonzernen und aggressiver Wer-bung ausgesetzt. Wer heute keine Fit-ness-App nutze oder seine Gesund-heitsdaten per Internet an die Kran-kenkassen übermittle, erscheine schonfast anachronistisch. „Für die Indus-trie ist der Patient nur ein lukrativerKunde, bei uns ist und bleibt er inerster Linie Patient“, betonte Gassen.Das sei das große Plus einer Körper-schaft. Die KV müsse an den Versi-cherten kein Geld verdienen. Feld-mann ergänzte: „Was wir brauchen,ist ein Konzept eindeutiger Versor-gungspfade, auch um das Verhältnis

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Politik

von hausärztlichem und fachärztli-chem Versorgungsbereich klarer zudefinieren.“ Sie will dafür auch stär-ker auf die Kassen zugehen. Dernächste Schritt müsse sein, mit denKrankenkassen Schnittmengen vonInteressen zu definieren und gemein-sam in die politische Diskussion ein-zubringen. „Erst wenn wir solche kla-ren Versorgungspfade anbieten kön-nen, hört die Politik endlich auf, überdie Öffnung der Krankenhäuser nach-zudenken.“

Neues Tarifmodell

Ein Ergebnis, sagte sie weiter, könneein völlig neues Tarifmodell sein, dasdie Versorgung deutlich effizienterund patientenorientierter organisiertals bisher. Gassen erklärte dazu:„Denkbar erscheint uns auch, dass Pa-tienten, die selbst über ihre Inan-spruchnahme entscheiden wollen, diedaraus resultierenden finanziellenMehrbelastungen für das System übereinen finanziellen Zusatzbeitrag auf-fangen könnten.“ Allerdings sei diesalles noch Inhalt zu führender Diskus-sionen. Erste Ergebnisse erwarten dieKBV-Vorstände für die April-Sitzung,ein Papier zu den Positionen der KBV2020 ist für die öffentliche VV imMai in Hamburg im Rahmen desDeutschen Ärztetags angestrebt.

Verhältnis ambulant – stationär

Zur Diskussion um das Verhältniszwischen den Sektoren stellte Feld-mann zufrieden fest: „Wir haben dieScheuklappen in der Diskussion abge-legt.“ Die Zusammenarbeit der Ver-tragsärzte mit den Kliniken sei in vielen Bereichen sinnvoll und mit in-telligenten Konzepten bereichernd.Allerdings plädiert sie für einen Wett-bewerb mit gleich langen Spießen.„Diese Fairness vermissen wirmanchmal noch“, ergänzte Gassen inAnspielung auf ein kürzlich veröf-fentlichtes Gutachten über die Situati-on der niedergelassenen Onkologen.Er zeigte auf, welche Konsequenzendie derzeitige Politik der Öffnung vonKliniken für die ambulante Versor-gung zur Folge hätte: „Etliche Millio-

nen Euro sind in die Kliniken geflos-sen, die Zahl der ambulant-sensitivenKrankenhausfälle nimmt stetig zu.Wenn die Kliniken sich am Ende dieRosinen herauspicken können,schwächt das die ambulanten Fach-ärzte.“ Die Folge sei eine Ausdün-nung der Versorgungslandschaft mitdem absurden Effekt, dass sich weni-ger Fachärzte für die Niederlassungentscheiden. Dies wiederum könntevon der Politik als Argument genutztwerden, die Kliniken noch weiter fürdie ambulante Versorgung zu öffnen.Dann würde sich perspektivisch auchfür die Hausärzte die Lage zuspitzen.Sie wären dann mehr oder weniger al-lein für die flächendeckende Versor-gung zuständig. „Ihnen fehlen danndie fachärztlichen Kollegen für ko-operative Diagnose- und Therapieent-scheidungen und die komplementäreBehandlung. Ein solcher Teufelskreiskann nicht gewollt sein.“ Gassen be-tonte: „Die KBV begrüßt sektoren-übergreifende Versorgung. Aber beiallem muss weiterhin der Grundsatzgelten: ambulant vor stationär.“ Die-ser sei erwiesenermaßen nicht nur

KBV-Vertreterversammlung stimmt erstmals paritätisch ab„Am Anfang ruckelte es noch“, erklärte VV-Vorsitzender Hans-Jochen Weid-haas in der Mittagspause den wartenden Journalisten, „aber wir haben eshingekriegt“. Erstmals wurde die gesetzliche Vorgabe, künftig Stimmen vonHaus- und Fachärzten in der Abstimmung paritätisch zu gewichten, ange-wendet.

Fortan zählt die Stimme eines hausärztlichen Delegierten 1,15 und dieStimme eines Facharztes 0,88. Um sie auszuzählen hatten die Wahlhelferihre liebe Mühe.

Auch die Frage, wie man dabei sicherstelle, dass eine geheime Wahl ge-heim bliebe, sorgte für Unruhe. Ebenso wie die Tatsache, dass künftige Er-gebnisse mit Nachkommastellen veröffentlicht werden müssten und wie derÖffentlichkeit eigentlich vermittelbar sei, dass ein Antrag möglicherweisemit 25,15 zu 25,55 Stimmen abgelehnt wurde.

Unter den Delegierten herrschte Pragmatismus, entsprechend den Vorgabenabzustimmen. Dennoch beschlossen sie, die Klage gegen die Ersatzvor-nahme von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe aufrecht zu erhalten.

Die Delegierten einigten sich auf einen Koordinierungsausschuss, der beiAbstimmungen darüber entscheidet, ob es sich um rein hausärztliche oderrein fachärztliche Themen oder gemeinsame Anliegen handelt. Besetzt wur-de er mit je fünf Vertretern jeder Versorgungsebene. Beratend sitzen dieMitglieder des KBV-Vorstands und des VV-Vorstandes bei.

kostengünstiger, sondern auch risiko-ärmer und humaner im Sinne einer ei-genen Arzt-Patienten-Beziehung.

Nachwuchssicherung

Als dritten Grundstein des Programms2020 nannte Feldmann „die Herkules-aufgabe, die nachrückende Mediziner-generation dafür zu motivieren, in dieVersorgungsbereiche zu gehen, in de-nen wir schon heute deutliche Nach-wuchsprobleme haben.“ In den Fragenzur Aus- und Weiterbildung kommedie KBV gut voran. So wurde in bis-lang neun Sitzungen mit dem GKV-Spitzenverband und der DeutschenKrankenhausgesellschaft das ThemaWeiterbildung erörtert. Ein Vertrags-abschluss ist im zweiten Quartal die-ses Jahres vorgesehen.KBV-Chef Gassen sprach vom großenDampfer KBV-System, vor dem einwichtiges Jahr liege. „Unsere Stimmewird nur dann gehört, wenn wir klareVorschläge unterbreiten und geschlos-sen auftreten. Dass wir das können,haben wir bewiesen. Lassen Sie unsgemeinsam dafür sorgen, dass unsereEinfahrt in den Hafen gelingt.“

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Vereinbarung

KBV engagiert sich gegen KindesmissbrauchDie KBV und der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung haben eine gemeinsame Vereinbarung zumSchutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch unterschrieben. Verbunden damit ist aucheine Botschaft an die Ärzteschaft. Kristin Kahl berichtet.

Die KBV hat ihr Engagement gegensexuelle Gewalt an Kindern und Ju-gendlichen bekräftigt. Gemeinsammit dem Unabhängigen Beauftragtenfür Fragen des sexuellen Kindesmiss-brauchs (UBSKM) unterzeichnetender KBV-Vorstandsvorsitzende Dr.Andreas Gassen und Vorstand Dipl.-Med. Regina Feldmann im Januar ei-ne Vereinbarung, in der Präventions-und Interventionsmaßnahmen fürärztliche und psychotherapeutischePraxen festgehalten wurden. „DerSchutz vor sexueller Gewalt ist eineAufgabe, die die volle Unterstützungaller gesellschaftlichen Gruppenbraucht“, so Gassen. „Ärzte und Psy- chotherapeuten übernehmen dabei ei-

ne Schlüsselrolle.“ Niedergelassenesollen künftig noch stärker für dasThema sensibilisiert werden. Über dieEinbindung und Information der Ver-tragsärzte und -psychotherapeutensollen diese sich Kompetenzen aneig-nen, um erste Anzeichen eines sexuel-len Missbrauchs zu erkennen und imVerdachtsfall entsprechend handelnzu können. Der Unabhängige Beauf-tragte Johannes-Wilhelm Rörig be-grüßte das Engagement der KBV undbetonte, dass Praxen ein vertrauens-voller Ort sowohl für junge Patientenmit Gewalterfahrung als auch für de-ren Angehörige sein müssen.

Besser vernetzen

Rörig geht von rund einer Million be-troffener Kinder und Jugendlicher inDeutschland aus, die unterschiedlichenFormen von Gewalt ausgesetzt sind.Um die Datenlage über sexuellenKindesmissbrauch zu verbessern undeine internationale Vergleichbarkeitzu schaffen, beauftragte der UBSKMunter anderem ein Forscherteam desUniversitätsklinikums Ulm damit, ei-ne schriftliche Expertise zu erstellen. Außerdem entwickelte er gemeinsam

mit dem Beirat sowieBeteiligten aus derWissenschaft einen„ForderungskatalogForschung“. Die darinfestgehaltenen Eck-punkte sollen Wissen-schaft und Praxis stär-ker vernetzen. So willman beispielsweiseForschungsergebnissevermehrt in Aus-,Fort- und Weiterbil-dung integrieren, wo-bei die Grundlage da-für überregional ver-

bindliche Curricula und klar definier-te Lehranteile in Studium und Ausbil-dung wären. Auch sollen Erfahrungenaus dem Praxisalltag in die Forschungaufgenommen werden. Nicht zuletztist die Politik dazu angehalten, struk-turelle Veränderungen anzuregen undfinanzielle Ressourcen zur Verfügungzu stellen.

Appell an Niedergelassene

Mit der Unterzeichnung der Vereinba-rung verpflichtet sich die KBV, alleMöglichkeiten zu nutzen, um Kindernund Jugendlichen Schutz und Hilfebei sexualisierter Gewalt anzubieten.Sie will vor allem die Wahrnehmungpotenziellen sexuellen Missbrauchsstärken. Hier seien insbesondere auchdie Hausärzte gefragt, so Feldmann.Ihr Appell an die Kolleginnen undKollegen lautet daher, „den ohnehinschon guten Austausch mit Mitarbei-tern der Jugendhilfe oder auch mitÄrzten in Qualitätszirkeln noch inten-siver zu gestalten.“

➔ weitere Informationenwww.kein-raum-fuer-missbrauch.de/www.kbv.de/html/1150_20758.php

Der Flyer für Praxen kann über folgen-den Link bestellt werden: https://store.k e i n - r a u m - f u e r - m i s s b r a u c h . d e / u b k / UserEditPrinting.aspx (Quelle: UBSKM)

Nach der Unterzeichnung: der Unabhängige BeauftragteJohannes-Wilhelm Rörig mit den beiden KBV-Vorständen.

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Meldungen

Ärztemonitor

Neue Befragung gestartetBerlin (ah) – Für den dritten Ärzte-monitor werden seit Februar über10.000 zufällig ausgewählte niederge-lassene Ärzte und Psychotherapeutenzu ihrer Arbeitssituation befragt. Dietelefonische Umfrage wird im Auftragder KBV in Kooperation mit demNAV-Virchowbund vom Institut fürangewandte Sozialwissenschaft (infas)durchgeführt. Sie enthält beispiels-weise Fragen zur Einstellung gegen-über dem Beruf oder zur Einkom-menszufriedenheit. Dadurch soll einaktuelles Bild über die reale Situationder Niedergelassenen in Deutschland

entstehen und die berufspolitische Ar-beit stärker an den Bedürfnissen derÄrzte und Psychotherapeuten ausge-richtet werden.

BMG-Entscheidung

Arzneimittelpreise weiter eingefroren Berlin (ah) – Die Preise für Medika-mente in Deutschland dürfen seitensder Pharmaindustrie weiterhin nichtangehoben werden. Dies entschieddas Bundes-ministeriumfür Gesund-heit aufgrundder gestiegenen Arzneimittelausgabenbei seiner jährlichen Überprüfung.Bis vorerst Ende 2017 bleiben dieMedikamentenpreise damit auf demStand vom 1. August 2009 eingefro-ren. Auch die gegenüber den Kran-kenkassen zu gewährenden Herstel-

EU

Korps für Notfälle Berlin (ah) – Die Europäische Unionhat ein medizinisches Notfallkorpsgegen weltweite Epidemien einge-richtet. Schon während der Ebola-Krise im vergangenen Jahr war diesunter anderem von der Bundesärzte-kammer gefordert worden. Ein staat-lich organisiertes medizinischesHilfswerk sei notwendig, um gemein-sam mit Nichtregierungsorganisatio-nen die gesundheitliche Versorgung inKrisengebieten schnell und unbüro-kratisch unterstützen zu können. Auchder Bundesärztetag stellte 2015 einesolche Forderung an die Bundesregie-rung, um in Krisengebieten medizini-sche Soforthilfe mit entsprechendausgebildetem Gesundheitspersonalleisten zu können. Die Bundesärzte-kammer kündigte an, sich weiter fürdie Pandemieprävention und -be-kämpfung engagieren zu wollen.

Telemedizin

Erste Leistung im EBMBerlin (ah) – Ab dem 1. April 2016können telemedizinische Leistungenerstmals nach dem Einheitlichen Be-wertungsmaßstab (EBM) abgerechnetwerden. Im Dezember 2015 beschloss der Er-weiterte Bewertungsausschuss dieAufnahme der Funktionsanalyse einesimplantierten Kardioverters bezie-hungsweise Defibrillators oder einesimplantierten Systems zur kardialenResynchronisationstherapie als tele-medizinische Leistung in den EBM.Voraussetzung für die Abrechnung isteine Genehmigung der zuständigenKassenärztlichen Vereinigung nachder Qualitätssicherungsvereinbarungzur Herzschrittmacherkontrolle. Diesewollen KBV und Krankenkassen bisEnde Oktober 2016 überarbeiten. Bisdahin sollen auch die technischen undorganisatorischen Voraussetzungenfür die telemedizinische Funktions-analyse in einer gesonderten Verein-barung festgelegt werden.

lerrabatte bleiben in diesem Jahr un-verändert. Auf diesem Weg soll einerweiteren Erhöhung des Zusatzbeitra-ges der gesetzlichen Krankenkassen

entgegenge-wirkt werden.Im vergange-nen Jahr sind

laut Bundesvereinigung der deutschenApothekerverbände die Ausgaben umrund fünf Prozent auf 32,9 MilliardenEuro gestiegen. Als ein Grund für dieKostensteigerung gelten teure innova-tive Arzneimittel, beispielsweise zurBehandlung von Hepatits C.

Asylpaket II

Psychotherapeuten kritisieren Gesetz Berlin (ah) – Ende Februar stimmte der Bundesrat dem vom Bundestag verab-schiedeten Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren („AsylpaketII“) zu. In einer Resolution kritisierte die Deutsche Psychotherapeutenvereini-gung (DPtV) verschiedene Inhalte des Gesetzes. Posttraumatische Belastungs-störungen etwa zählen laut Asylpaket II nicht mehr zu den schwerwiegendenErkrankungen, die eine Abschiebung verhindern können. Der Berufsverbandsieht darin „eine Diffamierung psychischer Erkrankungen und eine Abwertungder sie behandelnden Psychotherapeuten und Ärzte“. Fortan soll jeder Arztpsychische Erkrankungen feststellen können, was die bislang notwendige psy-chotherapeutische oder fachärztliche Begutachtung überflüssig macht. DieDPtV sei besorgt, dass die Bedeutung der psychischen Gesundheit für den In-tegrationsprozess unterschätzt werde.

(Foto: ©Picture-Factory/fotolia.com)

(Foto: ©SSilver/fotolia.com)

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Interview mit Dr. Thomas Fischbach, langjähriges Mitglied der Vertreterversammlung

„Die derzeitigen Schlachten törnen junge Leute ab“Wahlen werfen ihre Schatten voraus. 2016 bestimmen die niedergelassenen Vertragsärzte und -psychothe-rapeuten ihre Delegierten für die regionalen KV-Vertreterversammlungen (VV). Aus deren Mitte werden 2017die Vertreter für die KBV-VV gewählt, das höchste Entscheidungsgremium der ärztlichen Selbstverwaltungauf Bundesebene. Sabine Grüneberg sprach mit Thomas Fischbach über Satzungsprobleme, den Eingriffdurch Ersatzvornahme, interne Querelen und die Hoffnung auf den Nachwuchs.

Herr Dr. Fischbach, Gratulation,Sie sind seit November Präsidentdes Berufsverbandes der Kinder-und Jugendärzte (BVKJ). Was stehtganz oben auf Ihrer Agenda?Dr. Thomas Fischbach: Unser Ziel istes, die Zusammenarbeit zwischen denHaus- und Fachärzten und den Be-rufsverbänden zu verbessern. Auchdie Arbeit an der Schnittstelle zurKinder- und Jugendpsychiatrie ist unswichtig. Die neuen Morbiditäten, wieetwa soziogene Entwicklungsstörun-gen, erzwingen eine andere Arbeits-weise und verlangen den Schulter-schluss mit allen Kinder und Jugend-liche behandelnden Berufsgruppen.Am Herzen liegt uns auch die finan-zielle Förderung der ambulanten pä-diatrischen Weiterbildung.

Sie sind langjähriges Mitglied derVV. In welcher Funktion haben Sienun mehr Macht: als Präsident desBVKJ oder als Delegierter in derKBV-VV?

Den Begriff Macht würde ich nichtverwenden. Als Vertreter in der VVgeht es mir um Interessenvertretung.Die KBV-Vertreterversammlung istein wichtiges Gremium, in dem manan den Stellen Einfluss nehmen kann,an denen die Konzepte erarbeitet wer-den.

Sie haben angekündigt, dass Sie füreine weitere Amtsperiode nichtmehr zur Verfügung stehen werden.Warum?

Es liegt an der Arbeitsbelastung. Ichkann dauerhaft nicht beide Funktio-nen ausüben. Ich habe auch noch einePraxis und eine Familie. Es ist – umGerüchten zuvorzukommen – nichtso, dass ich keine Lust mehr hätte,

auch wenn ich in letzter Zeit öfter denKopf schütteln musste über die Vor-kommnisse rund um die ärztlicheSelbstverwaltung.

Sie sind der einzige Kinder- und Ju-gendarzt in der KBV-VV. Wenn Sie aufhören, wer wird dann die Interes-sen dieser Berufsgruppe vertreten?

Das ist ein Problem. Die Interessender Kinder und Jugendlichen habendie Kollegen oftmals nicht auf demSchirm. Die Priorität im hausärztli-chen Bereich liegt eher am anderenEnde des Lebens. Deshalb müsstenwir mal über so etwas wie Minderhei-tenrepräsentanz sprechen. Immerhin vertreten die Kinder- und Jugendärzteeine gesamte Bevölkerungsgruppe!

Das macht eine angemessene Vertre-tung im KV-System erforderlich.

Werden Sie gezielt Nachfolger suchen?

Selbstverständlich werde ich versu-chen, junge Kollegen zu motivieren,sich zur Wahl zu stellen. Doch wieSie wissen, besteht die KBV-VV ausehrenamtlichen und hauptamtlichenVertretern (siehe Kasten, Anm.d.Red).Einen hauptamtlichen Pädiater hat esnoch nie gegeben. Also geht dieSchiene nur über das Ehrenamt unddamit nur über eine der großen KVen,die mehr als zwei Vertreter schickendürfen. Das ist eine systemimmanenteProblematik. Berufsgruppen, die nichtvertreten sind, werden immer ange-wiesen sein auf den Goodwill der de-legierten Kollegen. Sowohl im fach-ärztlichen als auch im hausärztlichenVersorgungsbereich. Ich hoffe hierauf eine entsprechende Unterstützungdurch die übrigen Haus- und Fach-arztgruppen.

Wären Sie demnach dafür, die Mo-dalitäten der Zusammensetzung derKBV-VV zu ändern? Es gab jaschon Vorschläge, das Gremium nurnoch mit ehrenamtlichen Berufs-gruppenvertretern zu besetzen…

So eine Trennung halte ich für unklug.Damit besteht die Gefahr, dass dieKBV-VV zur Spielwiese für Ehren-amtler wird, die sich dort um ihre Par-tikularinteressen zanken dürfen, aberdie richtige Politik geschähe dann wohlan anderen Stellen im KV-System.

Haben Sie einen anderen Reform-Vorschlag?Darüber könnten wir den ganzen Tagsprechen. Dann fangen wir damit an,

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Dr. Thomas Fischbach ist Kinder- undJugendarzt in Solingen, seit achtJahren Mitglied der KBV-Vertreter-versammlung und seit Kurzem Präsi-dent des Berufsverbandes der Kin-der- und Jugendärzte (BVKJ).

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Interview

dass die KBV-VV formell ja überhauptnicht die Vertretung der Fachgruppen„Hausärzte“ oder „Fachärzte“ ist,sondern die Vertretung der regionalenKVen auf Bundesebene. Deshalb kön-nen Sie mein Argument mit der Min-derheitenrepräsentanz immer aushe-beln, weil dann gesagt wird, dass derAllgemeinarzt in der VV ja nicht dieAllgemeinärzte vertreten soll und derFacharzt nicht die Fachärzte, sondernvon seiner regionalen KV entsandtist, um den regionalen Interessen Ge-hör zu verschaffen. Aber es gibt ebendoch Tendenzen. Man zieht seinenMantel aus, wenn man in ein Hausgeht, aber man macht sich nicht nackt.

Um diese Problematik aufzulösen,hat der Bundestag im vergangenenJuni eine Änderung der Abstim-mungsmodalitäten zwischen Haus-und Fachärzten verlangt. BeideGruppen sollen in der KBV-Vertre-terversammlung paritätische Stim-mengewichte erhalten…

…wogegen ja nichts einzuwenden wäre.

Der Satzungsausschuss hat mit demKBV-Vorstand daraufhin der Ver-treterversammlung mehrere Ände-rungsvorschläge gemacht…

…die alle abgelehnt wurden. Einkompliziertes Abstimmungsverfahren,in dem vor jeder gemeinsamen Ab-stimmung für jedes Mitglied dieStimmenanzahl und ihre Entspre-chung errechnet werden muss, diedann mit einem Quotienten gemessenan der Gesamtzahl der anwesendenMitglieder zugeordnet wird, erhieltkeine Mehrheit. Man kann darüber

streiten, ob es sinnvoll ist, wenn dieStimme eines Facharztes nur 0,88zählt und die Stimme des Hausarztes1,15. Aber ob es andererseits so cle-ver ist, sich mit dem Minister anzule-gen, wage ich zu bezweifeln.

Bundesgesundheitsminister Gröhezog im Januar Konsequenzen underzwang diese Parität per Ersatz-vornahme. Sie sind Mitglied desSatzungsausschusses, wie stehen Siedazu?

Mir gefällt das alles nicht. Gröhe hät-te gar nicht anders handeln können.Wir haben damit gerechnet. Aber obes von der Vertreterversammlung soclever war, das Ding drei Mal abzu-lehnen … letztendlich steht jetzt janicht viel anderes drin, als das, wasder VV vorgeschlagen wurde. Dafüreinen Streit mit dem Ministerium zuführen, den man im Zweifel verlierenwird, ist nicht nur nicht besondersklug, sondern eine Imageschädigungfür das ganze KV-System!

Sie haben dazu einmal gesagt, „mankann den Kreis nicht quadrieren …“

Wir sollen ein Problem lösen, dasnicht lösbar ist. Die Trennung Haus-arzt-Facharzt ist ein Konstruktions-fehler. Man kann den Patienten nichtteilen in einen fachärztlichen und ei-nen hausärztlichen Teil, weil es kei-nen halben Patienten gibt!

Was muss jetzt passieren?

Ich kann nur an alle appellieren, sichals gemeinsame Vertretung der Ärztein Deutschland zu verstehen. Dassetzt voraus, dass man die Interessen

Die KBV-VertreterversammlungDas höchste Entscheidungsgremium der KBV ist die Vertreterversammlung. Sie hat60 Mitglieder, die sich aus jeweils zwei Vorstandsmitgliedern der KVen und eh-renamtlichen Ärzten sowie Psychologischen Psychotherapeuten bzw. Kinder- undJugendlichenpsychotherapeuten zusammensetzen: 25 Fachärzte, 24 Hausärzte,6 Psychotherapeuten und 5 Mitglieder, die weder Arzt noch Psychotherapeut sind.Die ehrenamtlichen Mitglieder werden von den Kassenärztlichen Vereinigungenfür sechs Jahre gewählt und in die KBV-Vertreterversammlung entsandt.

Aufgaben: Die Vertreterversammlung wählt und kontrolliert den KBV-Vorstand,der aus einem haus- und einem fachärztlichen Mitglied besteht. Sie bestätigt diebestellten Mitglieder für den Gemeinsamen Bundesausschuss und beschließt dieÜbernahme wichtiger Entscheidungen und Aufgaben im Selbstverwaltungssystem.

anderer noch wahrnimmt. SchauenSie sich den GKV-Spitzenverband an.Dort fliegen hinter verschlossenenTüren sicher auch die Fetzen. Abernach außen treten die wie ein Mono-lith auf. Diese Professionalität wün-sche ich mir für die KBV.

Wie ist Ihre Bilanz nach acht Jah-ren Mitgliedschaft? Konnten Sie et-was bewegen?

Ich habe immer offene Ohren gefun-den – ob auf Arbeitsebene oder mitdem Vorstand. Ich möchte keine nega-tive Bilanz ziehen. Enttäuscht bin ichüber das, was sich in der letzten Zeitim KBV- und KV-System abspielt.Wobei ich die Schuld nicht an Einzel-nen festmachen würde. Ob Menschenmiteinander können, hängt eben vonden Menschen ab.

Warum ist es wichtig sich berufs-ständisch zu engagieren?

Als ich in der KV Nordrhein anfing,habe ich im beratenden Fachaus-schuss sehr schnell gesehen, dass eswichtig ist, dabei zu sein. Das gilt fürdie KVen, genauso wie auf der KBV-Ebene: Wenn kein Pädiater in der VVist, werden auch keine pädiatrischenInteressen vertreten, ob bei den Ho-norarverhandlungen oder beim EBM.Ich stelle leider fest, dass die nach-wachsende Generation sich immerweniger für solche Dinge einsetzt.

Haben die Vertreterversammlungenein Nachwuchsproblem?

Ein junger Kollege sagte neulich zumir: „Die Schlachten, die da derzeitin der Öffentlichkeit geschlagen wer-den, törnen mich ab“. Darin sehe icheine Gefahr. Wir müssen unser Anse-hen wieder verbessern. Die ärztlicheSelbstverwaltung ist alternativlos.Lassen wir uns weiter von der Politikregieren, werden wir uns zwischenparteipolitischen Fronten wiederfin-den. Wir müssen das große Ganzewieder in den Blick nehmen, dafürsind wir gewählt. Wenn uns dies nichtgelingt, werden wir diese Dauerbau-stelle behalten. Mal sehen wie langedie Politik dann noch Geduld hat.

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Bedarfsplanung

Ein Reformvorhaben – viele EckpunkteDas GKV-Versorgungsstärkungsgesetz sieht eine Reform der Bedarfsplanung vor. Hierzu bereitet der Ge-meinsame Bundesausschuss ein wissenschaftliches Gutachten zur Weiterentwicklung der neuen Bedarfs-planung vor. Christian Grothaus berichtet über Einzelheiten.

Nach der Regionalisierung der Be-darfsplanung und der Anpassung derPlanungsräume an den Spezialisie-rungsgrad der Fachgruppen im Jahr2012 steht die aktuelle Bedarfspla-nung vor einer erneuten Reform. Mitdem GKV-Versorgungsstärkungsge-setz von 2015 ist der GemeinsameBundesausschuss (G-BA) nach nurzwei Jahren wieder damit beauftragtworden, die Bedarfsplanung grund-sätzlich weiterzuentwickeln.

Bezug zur Einwohnerzahl

Dabei steht insbesondere die Neujus-tierung einer angemessenen Einwoh-ner-Arzt-Relation im Fokus. Die Re-form soll nach dem Wunsch des Ge-setzgebers bereits nächstes Jahr am 1. Januar 2017 in Kraft treten.

Wegen grundsätzlicher Fragestellun-gen schaltet der G-BA der Diskussionum die Weiterentwicklung ein umfas-sendes wissenschaftliches Gut-achten vor. Bis hier Ergebnisse vorliegen, will man in Einzel-fragen parallel zum Gut-achten vorankommen.So sollen beispielsweise zur besseren Steuerung der medizinischen Versorgung einzelne Arztgruppen weiter ausdifferenziert wer-den. Die Entwick-lung in der Weiter-bildung der Ärzte und die zunehmenden Spe-zialisierungen innerhalb einer Arztgruppe werden

damit künftig besser berücksichtigt. Mit Blick auf den gesetzlichen Auf-trag zur Weiterentwicklung des Job-

sharings in Praxen werden im G-BA ebenfalls Verbesserun-gen vorbereitet. Allen

Jobsharing-Praxen soll künftig, sofern noch nicht erreicht, die Steigerung des Praxisumfangs auf

den Fachgrup-pendurchschnitt

möglich sein. Außerdem sollen Ele-

mente der stationären Ver-sorgung stärker be-

rücksichtigt werden, wie etwa die

Notfallversorgung.

Beschluss aus Brüssel

EU: Sicherheitsmerkmale für Arzneimittelverpackungen Zukünftig müssen Arzneimittelverpackungen bestimmte Sicherheitsmerkmale aufweisen, um Arzneimittelfäl-schungen zu verhindern. Ein Bericht von Corina Glorius.

Patienten sollen besser vor gefälsch-ten Medikamenten geschützt werden,die von niedriger Qualität sein kön-nen oder die falsche Dosierung vonWirkstoffen enthalten. Deshalb mussnach Beschlüssen der EU-Kommissi-on künftig jedes verschreibungs-pflichtige Arzneimittel ein individuel-les Erkennungsmerkmal tragen, das ineinem zweidimensionalen Barcodeabgebildet wird. Dieses individuelle Erkennungsmerk-mal soll anhand einer standardisiertenDatenstruktur und Syntax so kodiertwerden, dass es überall in der Euro-päischen Union mit Hilfe weit ver-breiteter Lesegeräte korrekt erkanntund dekodiert werden kann. Ziel ist

sicherzustellen, dass das Arzneimittelvom rechtmäßigen Hersteller stammt.Die Überprüfung der Unversehrtheitder Vorrichtung gewährleistet dieEchtheit des Inhalts der Packung.Echtheit und Unversehrtheit werdendabei grundsätzlich am Beginn derLieferkette zu dem Zeitpunkt über-prüft, zu dem das Arzneimittel an dieÖffentlichkeit abgegeben wird. Arz-neimittel, bei denen ein höheres Fäl-

schungsrisiko besteht, werden zusätz-lich von den Großhändlern entlangder gesamten Lieferkette überprüft.Aus Sicht der Europäischen Kommis-sion ist die Einführung solcher EU-weiten Bestimmungen notwendig, dadie Mechanismen zur Feststellung derEchtheit von Arzneimitteln aufgrundunterschiedlicher nationaler oder re-gionaler Rückverfolgungsanforderun-gen divergieren. Das schränke zumeinen den Verkehr von Arzneimittelnein und erhöhe zum anderen die Kos-ten für alle Akteure der Lieferkette.Die Verordnung gilt unmittelbar undsetzt eine dreijährige Frist zur Umset-zung in Gang: Bis zum 9. Februar 2019müssen die Vorgaben umgesetzt sein.

(Foto: ©iStockphoto.com/cruphoto)

(Foto: R. Hömke/securPharm)

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KV Berlin

NotfallversorgungBerlin (ah) – Das Bundesministeriumfür Gesundheit (BMG) hat bestätigt,dass Krankenhäuser nach geltenderRechtslage nur in Notfällen zur am-bulanten Versorgung in Anspruch ge-nommen werden dürfen. Die Kassen-ärztliche Vereinigung (KV) Berlinsieht sich damit in ihrer Rechtsauffas-sung bekräftigt – sie hatte Rettungs-stellen aufgefordert, Behandlungenwährend der üblichen Sprechzeitenambulant tätiger Ärzte zu begründen.Andernfalls, so die Drohung, hättendie Kliniken mit Einschränkungen beider Abrechnung ihrer Leistungen zurechnen. Hierüber war ein Streit mitdem Berliner Gesundheitssenator Ma-rio Czaja (CDU) entstanden, der zu-gunsten der Krankenhäuser argumen-tierte. Die Parlamentarische Staatsse-

kretärin im BMG, Annette Widmann-Mauz, bestätigte mit Verweis auf einUrteil des Bundessozialgerichts dieSicht der KV Berlin. Sie betonte, dassregionale Bestimmungen der KVenzulässig seien.

KV Schleswig-Holstein

Schmerztherapie im Bedarfsplan verankertBad Segeberg (ah) – In Schleswig-Holstein haben sich KassenärztlicheVereinigung (KV) und Krankenkassenauf ein Konzept zur Gewährleistungder qualitätsgesicherten Versorgungvon Schmerzpatienten geeinigt. Die-ses beinhaltet unter anderem den Er-halt der Schmerztherapie als wesentli-

ches Versorgungsziel im Bedarfsplan.Frei werdende Sitze von Schmerzthe-rapeuten sollen zielgerichtet wiedermit Ärzten nachbesetzt werden, die ander Schmerztherapie-Vereinbarungteilnehmen. Zudem wurde vereinbart,das schmerztherapeutische Leistungs-angebot jährlich zu überprüfen. Soll-

Meldungen

KV Westfalen-Lippe

PlakataktionDüsseldorf (ah) – Die im Herbst 2014gestartete Nachwuchskampagne derKassenärztlichen Vereinigung (KV)Westfalen-Lippe geht in die nächsteRunde. Mehr als 100 landesweit ver-teilte Großflächenplakate sollen denÄrztenachwuchs mit dem Slogan „Ichwill Ihr Nächster sein: und überneh-me Ihre Praxis“ für eine Tätigkeit inder ambulanten Versorgung interes-sieren. Auf der eigens eingerichtetenWebsite www.praxisstart.info findenjunge Ärzte alle wichtigen Informa-tionen für den Start in die ambulanteVersorgung, etwa zu verschiedenenKooperations- und Arbeitszeitmodel-len. Auch Medizinstudierende könnendie Website nutzen, beispielsweiseum mehr über die Fördermöglichkei-ten der Kassenärztlichen Vereinigungschon während des Studiums zu er-fahren. Von den rund 5.000 Ärzten inWestfalen-Lippe ist mittlerweile jederdritte älter als 60 Jahre und dürfte inden kommenden Jahren nach einemPraxisnachfolger suchen. Gleichzeitigstreben jedoch immer weniger Ärzteeine selbstständige Tätigkeit in ambu-lanter Praxis an.

KV Thüringen

Erfolgreiche Förderung Erfurt/Gotha/Weimar (ah) – Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Thüringenzieht eine positive Bilanz aus der Förderung der ärztlichen Versorgung in2015. Durch Fördermittel des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkas-sen, aber auch durch die gezielte Unterstützung von Medizinstudierenden undÄrzten in Weiterbildung konnten bestehende Arztsitze erhalten und freie neubesetzt werden. Nur noch sieben von 23 freien Sitzen für Psychologische Psy-chotherapeuten seien demzufolge unbesetzt. Die Stiftung zur Förderung ambulanter ärztlicher Versorgung in Thüringenträgt ebenfalls zur Sicherstellung der Versorgung bei. Derzeit betreibt sie dreiPraxen mit angestellten Hausärzten und bietet jungen Medizinern, die in derambulanten Versorgung arbeiten wollen, ein Förderpaket vom Studium bis zumBerufseinstieg. Dieses beinhaltet beispielsweise das Thüringen-Stipendium fürÄrzte in Weiterbildung. Auch Famulaturen und Abschnitte des PraktischenJahres in Arztpraxen werden gefördert.

ten mehr Ärzte für die Versorgungvon Schmerzpatienten benötigt wer-den, sollen hierfür unabhängig vomFachgebiet weitere Versorgungsauf-träge ausgeschrieben werden. Bishergibt es in Schleswig-Holstein 37 Ärz-te, die an der Schmerztherapie-Ver-einbarung teilnehmen.

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Terminservicestellen

Reibungsloser StartSeit mehreren Wochen läuft der Betrieb der sogenannten Terminservicestellen. In den ersten Wochen wur-den bundesweit rund 10.000 Termine vermittelt. Über die bisherigen Ergebnisse, die Umsetzung in den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Einsatz des „eTerminservice“-Tools informiert Angélique Herrler.

Der Start der Terminservicestellen(TSS) zum 23. Januar 2016 verliefohne Schwierigkeiten – das meldetendie Kassenärztlichen Vereinigungen(KVen) nach der ersten Woche Betrieb.Mit dem Versorgungsstärkungsgesetzhatten sie den Auftrag erhalten, Patien-ten mit dringlicher Überweisung überdie TSS innerhalb von vier Wocheneinen Facharzttermin zu vermitteln.KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. An-dreas Gassen lobte die Umsetzung dergesetzlichen Vorgaben: „Die KVenhaben die Terminservicestellen inkurzer Zeit aufgebaut und organisiert.Sie funktionieren sehr gut, wie bereitsdie erste Woche gezeigt hat.“ Das än-dere allerdings nichts „an unserergrundsätzlichen Kritik an der fehlen-den Notwendigkeit der Terminser-vicestellen. Im internationalen Ver-gleich haben wir in Deutschland sehrkurze Wartezeiten.“

Mehrheitlich „Fehlanrufe“

Eine Umfrage unter den KVen zeigte,dass der Ansturm auf die TSS hinterden Erwartungen zurückblieb. Bun-desweit wurden in den ersten Wochenrund 10.000 Termine vermittelt. Be-sonders auffällig waren „Fehlanrufe“,die die große Mehrheit der Anfragenausmachten. Diese Anrufer erfülltennicht die Bedingungen einer Termin-vermittlung: Sie hatten entweder kei-ne als dringlich gekennzeichneteÜberweisung, waren Privatpatientenoder hatten allgemeine Fragen. Vielewaren also über die Zuständigkeit undMöglichkeiten der TSS fehlinformiert.Die KBV hatte im Vorfeld mehrfachdarauf hingewiesen, dass den Patien-ten kein „Wunschtermin bei einemWunscharzt“ verschafft wird, sondernder nächstmögliche freie Termin beieinem Facharzt. Die KBV warnte, mitdem neuen Gesetz werde die freie

Arztwahl des Patienten aufgegeben.Zudem sind Bagatell erkrankungenund Routineuntersuchungen von derZuständigkeit der TSS ausgenommen. Allen Anrufern, die die Bedingungenerfüllten, konnten innerhalb der ge-setzlichen Frist Termine vermitteltwerden. Davon sagten nur wenige ih-ren Termin ab – etwa weil ihnen derWeg zur Praxis zu weit war oder sieeinen anderen Arzt wünschten. Amstärksten waren Neurologen, Rheuma-tologen, Kardiologen, Radiologen undOphthalmologen nachgefragt. Auf längerfristige Erfahrungen kannman in Sachsen zurückgreifen: Hier

ist schon seit 2014 ein Terminservice-telefon in Betrieb. Der KV Sachsenzufolge zeigte sich, „dass die Proble-matik, einen angemessen zeitnahenFacharzttermin zu erhalten, zwarexistiert, aber längst nicht so groß ist,wie oft in der Öffentlichkeit darge-stellt.“ Für ein bundesweites Fazitwill die KBV Anfang Mai eine 100-Tage-Bilanz ziehen.

eTerminservice unterstützt KVen

Die Umsetzung des Gesetzesauftragsoblag den einzelnen KVen – die TSSsind daher regional unterschiedlichorganisiert (siehe Kasten). Um die

Viele Wege zum Facharzt Die Umsetzung der Terminservice-stellen obliegt den einzelnen KVen,dementsprechend sind sie unter-schiedlich organisiert. Einige derKVen konnten auf bereits bestehen-de Strukturen zurückgreifen. In Baden-Württemberg beispielswei-se wurde die TSS an die Patientenin-formation „MedCall“ angeschlossen.In Bayern übernahm die bestehende Tochtergesellschaft Gedikom GmbHdie Terminservicestelle.In Sachsen betreibt die KV bereits seit 2014 eine eigene Terminvermitt-lung für dringende Fälle, die auf der Überweisung vom Hausarzt mit „B“gekennzeichnet sind. Hier müssen sich die Patienten zunächst ausdrück-lich selbst um einen Facharzttermin bemühen und bei mindestens dreiFachärzten angefragt haben, bevor die KV vermittelt. Doch auch jenseits der TSS bestanden in anderen KVen zuvor schonStrukturen, um Patienten zu einem Facharzttermin zu verhelfen. Im Saarland etwa gibt es eine gut funktionierende Lösung. Hausärzte kön-nen für Patienten mit dringlichem Behandlungsbedarf ein einfaches For-mular für ihre Facharztkollegen ausfüllen. Die KV Saarland ließ diesesKonzept der dringlichen Überweisung sogar wissenschaftlich auswerten:Im Durschnitt mussten Patienten auf diesem Wege nur vier Tage auf einenFacharzttermin warten. Und es gibt noch weitere Ansätze – so favorisiert die KV Sachsen-AnhaltVerträge mit Krankenkassen zur Überweisungssteuerung, wie sie sie bei-spielsweise mit der AOK Sachsen-Anhalt, der IKK gesund plus und derBarmer GEK abgeschlossen hat.

(Foto: ©Gajus/fotolia.com)

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Versorgung

KVen und die Arbeit der TSS zeitge-mäß und effizient zu unterstützen, hatdie KBV die KV Telematik GmbH(KVTG) mit der Entwicklung des„eTerminservice“ beauftragt. Hierbeihandelt es sich um eine elektronischePlattform zur Verwaltung und Ver-mittlung von Facharztterminen. Aufdieser können Ärzte freie Termine zurVerfügung stellen, die dann wiederumvon den TSS gesucht und gebuchtwerden können. Ob und wann Patien-ten mit Überweisung ermöglicht wird,selbst über den eTerminservice einenFacharzttermin zu buchen, ist weiter-hin in Diskussion unter den KVen.Trotz sehr kurzer Vorlaufzeit wurdedie Software fristgerecht fertiggestelltund ist seit Ende Januar bei zwölfKVen und in vielen tausend Arztpra-xen in Betrieb. „Wir freuen uns überdas Vertrauen der KVen und darüber,dass wir den knappen Zeitplan vonnur sechs Monaten für die Konzepti-on, Entwicklung und Organisation deseTerminservice einhalten konnten“,so Dr. Florian Fuhrmann, Geschäfts-führer der KVTG.

60.000 Stammdaten und 17 Millionen Etiketten

Die Anforderungen an die KVTG wa-ren hoch. Unter Nutzung bestehenderStrukturen (das sichere Netz der KVen,kurz SNK) musste eine umfangreicheSoftwarelösung entwickelt werden

(siehe Abbildung). „Die KBV und dieKVen haben hier sehr gut mit uns zu-sammengearbeitet“, sagt Fuhrmann.Vor dem Start wurden für den eTermin-service Stammdaten von etwa 60.000Facharztpraxen eingepflegt sowie 17Millionen Etiketten mit Über weisungs -codes produziert. Letztere müssen al-len potenziell überweisenden Ärztenzur Verfügung stehen, damit dieseentsprechende Überweisungen alsdringlich kennzeichnen können. Fürdas dritte Quartal 2016 ist zusätzlichder Druck des Codes auf die Überwei-sung direkt aus dem Praxisverwal-tungssystem (PVS) des Überweisersgeplant. Hier sind nun die PVS-Her-steller gefragt, den eTerminservice indie Praxissoftware zu integrieren. Au-ßerdem sollen Facharztpraxen dieTSS-Termine künftig direkt im PVSverwalten können.

Beim Arzt des Vertrauens besserselbst anfragen

Die freie Arztwahl ist eines der inDeutschland am höchsten geschätztenGüter der Gesundheitsversorgung.„Wer einen Termin bei dem Arzt sei-nes Vertrauens haben möchte, solltesich wie gewohnt direkt an die Praxiswenden. Das ist nicht Aufgabe derServicestellen“, so Gassen. Er sieht inden TSS vor allem eine Belastung derNiedergelassenen – zudem sind dieTerminservicestellen verpflichtet, Pa-

Drei Fragen an Dr. Florian Fuhrmann,Geschäftsführer derKVTGWorin bestanden die größten He-rausforderungen bei der Ent-wicklung des eTerminservice?Zunächst mussten wir den Gesetz-geber überzeugen, dass der gesetz-liche Auftrag nur mit einer elektro-nischen Unterstützung ressourcen-schonend umgesetzt werden kann.Dann hatten wir nur sehr wenigZeit für die Konzeption, Entwick-lung und Organisation einer kom-plett neuen Software. Und schließ-lich mussten wir auch die unter-schiedlichen Anforderungen undStrukturen der KVen und Arztpra-xen berücksichtigen.

Wie ist die Resonanz zum eTer-minservice aus den KVen?

Sowohl auf Vorstandsebene alsauch auf Arbeitsebene sind allesehr zufrieden mit dem reibungslo-sen Ablauf beim Start der TSS unddes eTerminservice. Dass bisherkein Termin im Krankenhaus ver-mittelt werden musste, zeigt, dassauch die Fachärzte den eTermin-service annehmen und sehr aktivnutzen.

Welche Weiterentwicklungensind in diesem Jahr geplant?

Der nächste Schritt ist, die Funk-tionalitäten des eTerminservice di-rekt in den PVS zu ermöglichen.Bis Jahresende werden wir weitereKVen an ihn anschließen. Zudembietet der eTerminservice strate-gisch viele Optionen, um die Ver-sorgungssteuerung zu verbessernund TSS und Praxen weiter zu ent-lasten.

tienten einen Termin im Krankenhauszu vermitteln, wenn innerhalb vonvier Wochen kein ambulanter Fach-arzttermin verfügbar ist. Die Kostengehen dabei zulasten der Niedergelas-senen. Für Aufbau und Betrieb derTSS rechnet der Gesetzgeber mit etwa30 Millionen Euro.

Anwendungsszenarien für den eTerminservice. (Grafik: KVTG)

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PraxisWissen

Broschüren-Reihe fortgesetzt

Reha-Verordnung

Neues FormularKV-on-Video

DarmkrebsvorsorgeIn einem neuen Video von KV-on er-klärt KBV-Vorstandsmitglied Dipl.-Med. Regina Feldmann, warum einefrühzeitige Patientenansprache zumThema Darmkrebsvorsorge so wichtigist. So findet die Koloskopie eine im-mer weitere Verbreitung, dennochnützten zu wenige die Untersuchung.Ärzte müssten das Thema daher ge-zielt ansprechen und Patienten überdie Vorsorgemaßnahmen im Rahmender GKV-Versorgung sowie das Pro-zedere der Untersuchung aufklären.Wichtig sei auch, ihnen die Vorteileeiner Koloskopie nahe zu bringen.Feldmann führt an, dass immerhin einTrend erkennbar sei, nach dem sichvermehrt auch jüngere Patienten zumThema Darmkrebsvorsorge informie-ren möchten. Das Video ist abrufbar unter:www.kv-on.de/html/21287.php

Mutterpass

Englische ÜbersetzungDer Gemeinsame Bundesausschuss(G-BA) hat die Übersetzung desdeutschen Mutterpasses ins Englischeveranlasst und stellt diese Version aufseiner Website kostenlos zumDownload bereit. FremdsprachigePersonen sollen Inhalte und vorgese-hene Untersuchungen somit bessernachvollziehen können. Die Doku-mentation durch Ärzte muss aber wei-terhin im deutschen Mutterpass erfol-gen – er bleibt das offizielle Doku-ment. Schwangere Frauen erhaltenihn in gedruckter Form von ihremArzt. Darin werden die Vorsorgeun-tersuchungen von Mutter und Kinddokumentiert. Der Mutterpass ist eine Anlage zu denMutterschafts-Richtlinien des G-BA,die die ärztliche Betreuung währendder Schwangerschaft und nach derEntbindung regeln.Die englische Übersetzung des Mutter-passes findet sich auf www.g-ba.de un-ter Service/Publikationen/Merkblätter

Mit drei neuen Serviceheften zu denThemen Demenz, Barrierefreiheit undÄrztenetze setzt die KBV ihre ReihePraxisWissen fort. In der Broschüre„Demenz – Diagnose, Kommunikati-on, Therapie, Pflege“ steht die Ver-sorgung von Patienten mit Demenzer-krankungen im Mittelpunkt. Das Heftinformiert unter anderem über Thera-piemöglichkeiten sowie die rechtlicheVorsorge und Pflege von Betroffenen.Außerdem enthält sie Tipps für dieGesprächsführung mit Patienten undderen Angehörigen. In der Broschüre „Barrieren abbauen“werden Maßnahmen vorgestellt, mit

dem soll eine elektronische Ausfüll-hilfe zur Verfügung stehen. Das alteMuster 61 verliert dann ab April 2016seine Gültigkeit.

Mit dem neuen Muster 61 wird dieVerordnung medizinischer Rehabilita-tion ab 1. April vereinfacht. Das For-mular wurde deutlich gestrafft undumfasst fortan drei statt vier Seiten,zudem entfällt das vorangestellteMuster 60. Dieser sogenannte „An-trag auf Antrag“ musste zuvor ausge-füllt werden, um die Zuständigkeitdes Kostenträgers klären zu lassen.Das ist ab April nicht mehr Pflicht.Bei Unsicherheit können Ärzte aberden neuen Teil A des überarbeitetenMusters 61 nutzen. Über diesen kön-nen sie auch eine Beratung des Pa-tienten durch die Krankenkasse ver-anlassen. Ab dem zweiten Quartal 2016 wirddas neue Formular auch in den Pra-xisverwaltungssystemen integriertsein, wodurch es elektronisch ausge-füllt und bedruckt werden kann. Zu-

denen sich Praxen besser auf Men-schen mit Behinderung einstellenkönnen. Ärzte und Psychotherapeutenerhalten Anregungen, um Barriere-freiheit umzusetzen. Oft schaffenschon Details wie eine bessere Be-leuchtung oder größere und kontrast-reiche Schrift merkliche Veränderun-gen. Das Serviceheft „Praxisnetze“ bietetInformationen zur Gründung, Aner-kennung und Förderung ärztlicherKooperationen. Immer mehr Ärzteschließen sich in solchen regionalenNetzwerken zusammen und erweiterndamit Kompetenz und Spektrum ihrer

ambulanten Tätigkeit.Die Servicehefte gibt es unterwww.kbv.de/mediathek. Kosten-freie Bestellung ist auch per E-Mail an [email protected] mög-lich. Eine barrierefreie Textversi-on von „Barrieren abbauen“ istverfügbar unter www.kbv.de/barrieren- abbauen.html(Foto: Christian Grothaus)

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Zehn Fragen an . . .

Tobias NowoczynIn jeder Ausgabe unterzieht KBV KLARTEXT Persönlichkeiten aus dem Gesundheitswesen dem etwas anderen Gesundheits-Check. Dieses Malstand Tobias Nowoczyn, neuer Hauptgeschäftsführer der Bundesärzte-kammer, Rede und Antwort.

Tobias Nowoczyn ist der neueHauptgeschäftsführer der Bun-desärztekammer (BÄK). Der 48-Jährige folgt auf Dr. BernhardRochell, der die Bundesärzte-kammer im September 2014verlassen hatte.

Der Politikwissenschaftler hatlangjährige Managementerfah-rung, zuletzt leitete er acht Jah-re den Bereich Wohlfahrtspflegeim Generalsekretariat des Deut-schen Roten Kreuzes. Er bringtdamit umfangreiche Kenntnissein der Gestaltung föderaler Or-ganisationen, der Arbeit mit Eh-renamtlichen und den Struktu-ren von Organisationen derSelbstverwaltung mit.

Als eines der vordringlichstenZiele seiner Arbeit nannte No-woczyn die Stärkung der ärztli-chen Freiberuflichkeit und derärztlichen Selbstverwaltung.

Was betreiben Sie an gesundheitli-cher Prävention?

Zum Beispiel mit dem Rad zur Arbeitfahren. Und das nicht nur, weil derDienstwagen für den Hauptgeschäfts-führer richtigerweise schon vor mei-ner Zeit abgeschafft wurde.

Und an politischer Prävention?

Eine hohe Fachlichkeit in der Bun-desärztekammer, um bei Bedarf dierichtigen Initiativen zu setzen oderkompetent kontern zu können. Das istsowohl im Ehren-, als auch im Haupt-amt wichtig.

Was war Ihre größte Fehldiagnose?

Ich habe schon vor 15 Jahren denBauboom von stationären Pflegeein-richtungen kritisiert – weil ich hoffte,dass es bald erfolgreiche Medikamen-te gegen demenzielle Veränderung ge-ben würde. Den Bauboom sehe ichnach wie vor kritisch, aber bei derMedikation sind wir immer nochziemlich am Anfang.

Welchen Gesprächspartnern wür-den Sie gerne in einer Talkshow be-gegnen?

Tim Cook, um ihn zu überreden, dassauch Apple mal ein bisschen von sei-nem Gewinn stiftet. Sir Simon Rattle,weil er nicht nur mit den BerlinerSymphonikern, sondern auch mit be-nachteiligten Jugendlichen Musikmacht. Und Conchita Wurst, weil sieso schön unsere Kategorien durchei-nander bringt.

Wenn Sie der nächste Gesundheits-minister wären …

… hätte ich hoffentlich Erfolg dabei,die Arzneimittelkosten zu senken, oh-ne die Versorgung zu verschlechtern.

Insgesamt macht der jetzige Ministeraus unserer Sicht aber vieles richtig,ich würde also gar nicht so viel an-ders machen als er. Auf jeden Fallaber ein bisschen mehr Sport.

Arzt sein in Deutschland ist …?… nach meiner Einschätzung mit ho-her Verantwortung und immenser Be-lastung verbunden, aber auch ein un-glaublich schöner und sinnstiftenderBeruf, wie mir Ärztinnen und Ärzteimmer wieder versichern!

Patient sein in Deutschland ist …?…. wie überall auf der Welt natürlichnicht so gut. Wer will schon kranksein. Aber wenn man schon Patientist, dann ist man in Deutschland bes-ser dran als in den meisten anderenLändern: Hohe Qualität, eine gesi-cherte Finanzierung und die freieArztwahl zeichnen unser System aus.Leider sind diese Leistungen für eini-ge Menschen, die in Deutschland le-ben, aber eingeschränkt: Flüchtlinge,Menschen ohne legalen Aufenthalts-status, auch viele Obdachlose erreichtdas Gesundheitssystem nur schlecht.Ich wünsche mir die gute Versorgungfür alle Menschen in Deutschland.

Ihr persönliches Rezept gegen Poli-tikstress?Nicht auf jedes Schwein, das durchdas politische Dorf getrieben wird,auch noch selber draufsetzen.

Worauf reagieren Sie allergisch?Auf Katzen und auf Jammern.

Ein Slogan für den Gesundheits-standort Deutschland?Gesundheitsstandort Deutschland:Selbst verwaltet und dadurch kompe-tent gestaltet!

(Fot

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»Lust auf Nachwuchs?«

Die neue Famulaturbörse

der KBV und der KVen

Nachwuchsförderung leicht gemacht: Mit der neuen Famula-turbörse der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Kassenärztlichen Vereinigungen finden Medizinstudenten den passenden Famulaturplatz. Deutschlandweit, in allen Fachrichtungen. Bieten auch Sie eine Famulatur in Ihrer Praxis an, das Registrieren ist kinderleicht und kostenlos auf famulaturboerse.lass-dich-nieder.de