kindliche sprunggelenkfrakturen nicht zwingend op-pflichtig

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Orthopäden und Unfallchirurgen © g215/Fotolia.com Endoprothetik als Herausforderung der Rheumaorthopädie Während sich die Orthopäden und Un- fallchirurgen der Rheumatologie geöffnet hätten, bestünde seitens der Rheumatolo- gen oft wenig Interesse an orthopädischen Themen. Dabei ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit entscheidend. Denn um trotz des multilokolären Befallsmusters der Rheumatoiden Arthritis (RA) mit unter- schiedlichen Stadien der Destruktion an mehreren Gelenken zur richtigen Zeit am richtigen Ort intervenieren zu können, müsse gemeinsam eine individuelle und langfristige Strategie entwickelt werden, betonte Dr. Stefan Schill, Gelenkzentrum Rosenheim. Das Beispiel des „rebellischen Gelenks“ zeige dies exemplarisch: Statt die systemi- sche Therapie weiter zu intensivieren, sei es bei persistierender Gelenk- und Weichteil- affektion eines Gelenks, aber ansonsten stabiler laborchemischer und klinischer Si- tuation sinnvoll, das singuläre Gelenk ge- zielt vom Orthopäden mit einer intraartiku- lären Injektionstherapie behandeln zu las- sen – sei es mit Kortikoiden, einer Chemo- synthese oder einer Radiosynoviorthese. „Versagen diese Verfahren, kann frühzeitig eine arthroskopische oder semiarthroskopi- sche Synovektomie durchgeführt werden“, erklärte Schill. „Sechs Wochen später kann dann eine Synoviorthese erfolgen.“ Schill riet auch dazu, Rheuma-Patienten ei- nem Rheumaorthopäden und keinem auf ein Gelenk spezialisierten Chirurgen vorzu- stellen. Denn diese hätten nur in Ausnah- mefällen ausreichend Kenntnisse zur Wahl des operativen Verfahrens anhand des ak- tuellen Befallsmusters, des zu erwartenden Verlaufs, des derzeitigen Grades der Ge- lenkdestruktion und des Nutzens des ge- planten Eingriffs. Sie seien zudem weniger erfahren mit den für RA-Patienten typischen intra- und perioperativen Problemen im Rahmen der endoprothetischen Versor- gung. Schill nannte vor allem die krankheits- und kortisonbedingt schlechte Knochen- qualität und Hautverhältnisse, bestehende knöcherne, z. T. polyartikuläre Deformitäten, Kontrakturen sowie Voroperationen mit Narben und die immunsuppressive Thera- pie, die Infektionen begünstige. wk Kindliche Sprunggelenkfrakturen nicht zwingend OP-pflichtig Sprunggelenkfrakturen im Kindesalter müssen nicht in jedem Fall operativ versorgt werden, Darauf verwies Prof. Peter Schmit- tenbecher, Kinderchirurg am Städtischen Klinikum Karlsruhe. Dislokationen von < 5° Varus und von < 10° Valgus sowie Ante- oder Rekurvation seien bei offenen Fugen konservativ behandelbar. In jedem Fall sei es wichtig, den Epiphysenachsenwinkel exakt einzuzeichnen und die Fehlstellung genau zu vermessen. Nur dann lasse sich der Grad der Fehlstellung des epiphysären Fragments korrekt einschätzen. Konservativ kann eine Sprunggelenkfraktur im Kindesalter mit einem Unterschenkel- gips für vier Wochen versorgt werden, wo- bei nach einer und vier Wochen eine Rönt- genkontrolle erfolgen sollte. Je nach Kallus- bildung kann anschließend unter langsamer Steigerung der Belastung mit der Mobilisa- tion im Softcast oder mit Orthese begon- nen werden. Für die operative Therapie werden meist durchbohrte Zugschrauben verwendet (Salter-Harris 2, bei Übergangs- und Innen- knöchelfrakturen), seltener Kirschner- Drähte (Salter-Harris 1). „Zuggurtungen am Innen- oder Außenknöchel bzw. Platten sind bei Kindern eine Seltenheit,“ erklärte Schmittenberger in der Sitzung „Charakte- ristische Verletzungen im Kindesalter – ein- fach oder doch hochkompliziert“. Zum Thema Reposition sagte er, dass sie bei Epiphyseolysen meist geschlossen möglich sei, bei artikulären Verletzungen dagegen zum Teil offen erfolgen müsse. Eine zusätz- liche Ruhigstellung sei außer bei Kirschner- draht-Osteosynthesen und Unterschenkel- brüchen mit unversorgter instabiler Fibula- fraktur verzichtbar. Hier genüge in der Re- gel eine Sprunggelenkorthese in Kombina- tion mit Unterarmgehstützen. Anders als bei Erwachsenen kann bei Kin- dern mit distaler Unterschenkelfraktur übli- cherweise auf die Stabilisierung der Fibula verzichtet werden. Die korrekte Fixierung der Tibia führt per se zu einer ausreichen- den Reposition des Außenknöchels. wk ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2014; 17 (3) 49

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Page 1: Kindliche Sprunggelenkfrakturen nicht zwingend OP-pflichtig

Orthopäden und Unfallchirurgen

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Endoprothetik als Herausforderung der Rheumaorthopädie

— Während sich die Orthopäden und Un-fallchirurgen der Rheumatologie geö� net hätten, bestünde seitens der Rheumatolo-gen oft wenig Interesse an orthopädischen Themen. Dabei ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit entscheidend. Denn um trotz des multilokolären Befallsmusters der Rheumatoiden Arthritis (RA) mit unter-schiedlichen Stadien der Destruktion an mehreren Gelenken zur richtigen Zeit am richtigen Ort intervenieren zu können, müsse gemeinsam eine individuelle und langfristige Strategie entwickelt werden, betonte Dr. Stefan Schill, Gelenkzentrum Rosenheim. Das Beispiel des „rebellischen Gelenks“ zeige dies exemplarisch: Statt die systemi-

sche Therapie weiter zu intensivieren, sei es bei persistierender Gelenk- und Weichteil-a� ektion eines Gelenks, aber ansonstenstabiler laborchemischer und klinischer Si-tuation sinnvoll, das singuläre Gelenk ge-zielt vom Orthopäden mit einer intraartiku-lären Injektionstherapie behandeln zu las-sen – sei es mit Kortikoiden, einer Chemo-synthese oder einer Radiosynoviorthese.

„Versagen diese Verfahren, kann frühzeitig eine arthroskopische oder semiarthroskopi-sche Synovektomie durchgeführt werden“, erklärte Schill. „Sechs Wochen später kann dann eine Synoviorthese erfolgen.“ Schill riet auch dazu, Rheuma-Patienten ei-nem Rheumaorthopäden und keinem auf ein Gelenk spezialisierten Chirurgen vorzu-

stellen. Denn diese hätten nur in Ausnah-mefällen ausreichend Kenntnisse zur Wahl des operativen Verfahrens anhand des ak-tuellen Befallsmusters, des zu erwartenden Verlaufs, des derzeitigen Grades der Ge-lenkdestruktion und des Nutzens des ge-planten Eingri� s. Sie seien zudem weniger erfahren mit den für RA-Patienten typischen intra- und perioperativen Problemen im Rahmen der endoprothetischen Versor-gung. Schill nannte vor allem die krankheits- und kortisonbedingt schlechte Knochen-qualität und Hautverhältnisse, bestehende knöcherne, z. T. polyartikuläre Deformitäten, Kontrakturen sowie Voroperationen mit Narben und die immunsuppressive Thera-pie, die Infektionen begünstige. wk

Kindliche Sprunggelenkfrakturen nicht zwingend OP-p� ichtig

— Sprunggelenkfrakturen im Kindesalter müssen nicht in jedem Fall operativ versorgt werden, Darauf verwies Prof. Peter Schmit-tenbecher, Kinderchirurg am Städtischen Klinikum Karlsruhe. Dislokationen von < 5° Varus und von < 10° Valgus sowie Ante- oder Rekurvation seien bei o� enen Fugen konservativ behandelbar. In jedem Fall sei es wichtig, den Epiphysenachsenwinkel exakt einzuzeichnen und die Fehlstellung genau zu vermessen. Nur dann lasse sich der Grad der Fehlstellung des epiphysären Fragments korrekt einschätzen. Konservativ kann eine Sprunggelenkfraktur im Kindesalter mit einem Unterschenkel-gips für vier Wochen versorgt werden, wo-

bei nach einer und vier Wochen eine Rönt-genkontrolle erfolgen sollte. Je nach Kallus-bildung kann anschließend unter langsamer Steigerung der Belastung mit der Mobilisa-tion im Softcast oder mit Orthese begon-nen werden. Für die operative Therapie werden meist durchbohrte Zugschrauben verwendet (Salter-Harris 2, bei Übergangs- und Innen-knöchelfrakturen), seltener Kirschner-Drähte (Salter-Harris 1). „Zuggurtungen am Innen- oder Außenknöchel bzw. Platten sind bei Kindern eine Seltenheit,“ erklärte Schmittenberger in der Sitzung „Charakte-ristische Verletzungen im Kindesalter – ein-fach oder doch hochkompliziert“. Zum

Thema Reposition sagte er, dass sie bei Epiphyseolysen meist geschlossen möglich sei, bei artikulären Verletzungen dagegen zum Teil o� en erfolgen müsse. Eine zusätz-liche Ruhigstellung sei außer bei Kirschner-draht-Osteosynthesen und Unterschenkel-brüchen mit unversorgter instabiler Fibula-fraktur verzichtbar. Hier genüge in der Re-gel eine Sprunggelenkorthese in Kombina-tion mit Unterarmgehstützen. Anders als bei Erwachsenen kann bei Kin-dern mit distaler Unterschenkelfraktur übli-cherweise auf die Stabilisierung der Fibula verzichtet werden. Die korrekte Fixierung der Tibia führt per se zu einer ausreichen-den Reposition des Außenknöchels. wk

ORTHOPÄDIE & RHEUMA 2014; 17 (3) 49