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Klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik
Teil 13Immunhämatologie
Prof. Dr. Ralf LichtinghagenMedizinische Hochschule Hannover
Klinische ChemieTel.: 0511-5323940
Antigene und AntikörperAntigene: Stoffe (i.d.R. hochmolekular, z.B. Proteine),
die die Bildung von Antikörpern auslösen.
Blutgruppenantigene Bestandteil der Erythrozytenmembran(z.B. Antigene A, B, H des ABO-Systems)
liegen in löslicher Form vor, sekundäre Absorption an Erythrozytenoberfläche (z.B. Lewis-Antigene)
Antikörper (AK):
Heteroantikörper gegen artfremde Antigene gerichtet (z.B. Schaf-AK nach Immunisierung gegen humane Antigene)
Alloantikörper anderes Individuum derselben Species
Autoantikörper Individuum bildet AK gegen eigene Antigene
speziell Blutgruppenantikörper:
Immunantikörper entstanden durch parenteral zugeführte AntigeneNatürliche AK entstanden ohne erfassbare Immunisierung
(z.B. Anti-A, Anti-B)
Antigen-Antikörper-ReaktionenReaktionstypen zum Blutgruppennachweis
Hämagglutination (wichtigste Methode)
Sichtbare Verklumpung (Agglutinat) durch Antigen-AK-Reaktion
1. Sensibilisierung (unsichtbar, schnell, spezifisch)Kontakt zwischen Antigenbindungstelle des AK und der immundeterminaten Gruppe des Antigens
2. Agglutination (sichtbar, unspezifisch, langsam)Zusammenballen der Erythrozyten
Hämolyse
Durch Antigen/AK-Bindung wird Komplement*) aktiviert, was zur Lyse der Erythrozyten führt
*) Komplement: ergänzt unspezifisch immunol. Effekte von AK durch Opsonisierung(phagozytierbar machen) und Lyse von Zellen (auch Bakterien).
Antigen-Antikörper-Reaktionen
Im Gegensatz zu IgM (komplette AK) überbrücken inkomplette AK (IgG) nicht das Zeta-Potential der Erythrozyten
Antigen-Antikörper-Reaktioneninkomplette Agglutination: Milieu: 0,9% NaCl (nur Bindung), Temperatur: oft 37°C
Antigen-Antikörper-ReaktionenBestimmung inkompletter AK
Albumin-, Supplementtest: Agglutination durch Annäherung der Erythrozyten
Antigen-Antikörper-Reaktionen
Bestimmung inkompletter AK mit Oberflächenveränderung der Erythrozytendurch den Einsatz proteolytischer Enzyme
Papain, Trypsin, Bromelase etc. dauen die Erythrozyten-Oberfäche anbesserer Zugang an Rezeptoren, zusätzliche Rezeptoren werden freigelegt.
Nachweis ohne Oberflächenveränderungen der Erythrozyten
Indirekter Antihumanglobulin-Test (Coombs-Test)
1. Phase: Sensibilisierung der Erythrozyten2. Phase: Antihumanglobulin (Coombs-Serum) verbindet
IgG-AK miteinander
Blutgruppensystem AB0
Entdeckt 1900 von Karl Landsteiner
Blutgruppe Erythrozytenantigene Alloagglutinineim Serum
A A Anti-BB B Anti-A0 - Anti-A, Anti-BAB A + B -
AB0-Antigen auf Erythrozyten und auf vielen weiteren KörperzellenBlutgruppe A und B beim Säuglinge nachweisbar, volle Ausprägung erst im 1.-2. Lebensjahr.
Alloagglutinine (natürliche Antikörper), da kein Nachweis einer vorausgegangenen Immunisierung), reguläre AK (bei allen Individuen, denen das betreffende Antigen fehlt.Bildung zwischen 3.-6. Lebensmonat durch Umweltfaktoren (Bakterien, organische Strukturen), Maximum bis 10. Lebensjahr.
Ausscheidertum
80% Ausscheider zu 20% Nichtausscheider: Blutgruppenantigene sind in wasserlöslicher Form als Mucopolysaccharide in Speichel, Magensaft, Tränen, Samenflüssigkeit, Galle etc. nachweisbar.
Blutgruppe A B AB OAusscheider A+H B+H A, B +H H
Genetische Steuerung
Grundsubstanz
Hh oder HH
hh
H-Substanz
Grundsubstanz Keine A, B oder H Antigene= Bombay-Typ
ABO-Gene
B und HAntigene
H Antigen
A und HAntigene
A-Gene
B-Gene
0-Gene
Anlagerung vonL-Fukose
Anlagerung von N-Acetylgalactosamin
Anlagerung von D-Galactose
Keine Veränderung
sehr selten
Untergruppen im ABO-SystemUnterscheidung von A1, A2, A3, Am, Ax durch Abnahme des Antigengehaltes und damit der Antigenität
Genetik: A-Genprodukt ist eine α-3-N-AcetylgalactosaminyltransferaseDas Enzym des A2-Gens ist um 21 Aminosäuren länger als das jeweilige Enzym des A1-Gens und weist eine geringere Enzymaktivität auf.Effekt: Bei geringerer Enzymaktivität ist auf der Zelloberflächemehr H-Substanz nachweisbar.
Klinische Konsequenz: A2 bis Ax können durch A1 immunisiert werden
Analytische Konsequenz A-Varianten reagieren mit Anti-A häufig nur schwach positiv bzw. negativ.
H- und A-Substanz in Abhängigkeit von der Aktivität des A-Gens inunterschiedlichem Verhältnis auf der Zelloberfläche nachweisbar
HA
BlutgruppenbestimmungDer Test ist auf Platte oder im Röhrchen durchführbarProbandenerythrozyten werden mit spezifischen Antiseren versetztDer Nachweis der Untergruppen A1 und A2 erfolgt mit Pflanzenextrakten
Samen von Dolichos biflorus: stark gegen A1, kaum gegen A2Samen von Ulex europaeus: stark gegen H, kaum gegen A1.
Testdurchführung:Erythrozytensuspension mit Antiserum mischen, inkubieren bei RT,kurz Anzentrifugieren und auf Agglutination prüfen (vorsichtiges Aufschütteln des Sedimentes).
Zum Nachweis der Antigene gehört immer der Nachweis der Alloagglutinine im Serum!Blutgruppe 0 hat kein nachweisbares Antigen: Nachweis durch Fehlen von A und B
Blutgruppenbestimmung
O-Erythrozyten testen auf das Vorliegen von Anti-H,Eigenkontrolle zum Ausschluss von Autoantikörpern!
BlutgruppenbestimmungVergleich Phänotyp/Genotyp
Phänotyp A B 0 ABGenotyp AA A0 BB, B0 00 AB
Es gibt phänotypisch 4, aber genotypisch 6 Konstellationen (ohne Untergruppen)
Bluttransfusion und ABO-System
0
A B
AB
Es muss immer ABO-kompatibel transfundiert werden!!!Anti-A und Anti-B können bei Bluttransfusionen zu sofortigen hämolytischenTransfusionsreaktionen mit intravasaler Hämolyse führen (Lebensgefahr)!
Ideal ist die gruppengleiche TransfusionIm Bedarfsfall ist Blutgruppe 0 ein Universalspender
Blutgruppe AB ein Universalempfänger
ABO-inkompatibel ist eine Bluttransfusion dann, wenn der Empfänger in seinem Plasma Alloantikörper gegen eines der transfundierten Blut-gruppenantigene besitzt.
Richtung der erlaubtenTransfusion
Plasmatransfusion und ABO-SystemEs muss immer ABO-kompatibel transfundiert werden!!!
Im Bedarfsfall ist Blutgruppe AB ein Universalspender für PlasmaBlutgruppe 0 ein Universalempfänger für Plasma
0 = Anti-A und Anti-B
A = Anti-B B = Anti-A
AB = kein Anti-AB Richtung der erlaubtenTransfusion
Rhesus-SystemZweitwichtigstes BlutgruppensystemEntdeckt 1940 von Landsteiner und WienerKeine natürlichen Antikörper wie im ABO-System
Historie:Blut des Affen Macacus rhesus wurde zur Immunisierung Kaninchen injiziert.Gebildete Antikörper reagierten zu 85% mit hum. Erythrozyten: Rhesus-positiv15% der Probandenproben waren ohne Reaktion: Rhesus-negativ
Merkmale der Rhesus (Rh)-Antigene -AntikörperNicht wasserlöslich in der Erythrozytenmembran inkomplette Immun-AKKeine Ausscheidung plazentagängig
Untergruppen des Rh-Systems5 serologisch fassbar (ohne Varianten): C c D E e(d.h. Anti-C, Anti-c, Anti-D, Anti-E und Anti-e verfügbar)Rhesus-positiv bedeutet D-positiv, D vorhandenRhesus-negativ bedeutet D-negativ, D nicht vorhanden (d)Die Eigenschaft „d“ ist nur durch das Fehlen des Antigens D zu zeigen.
Rhesus-SystemVererbung erfolgt kombinant als Genkomplex,
Häufig selten RaritätCDe cDe CDEcde Cde CdEcDE cdE
Daraus ergeben sich die verschiedenen Verteilungen der Phänotypen/Genotypen
Phänotyp Genotyp
CcD.ee (34%) CDe/cde (31,7%), CDe/cDe (2,1%), Cde/cDe (0,05%)
CCD.ee (17,2%) CDe/CDe (16,4%), CDe/Cde (0,8%)
ccddee (15,3%) cde/cde
CcD.Ee (12,4%) CDe/cDE (11,5)
ccD.Ee (11,9%) cDE/cde (11,1%)
Rhesus-System und BluttransfusionHäufigkeit der Immunisierung durch:
D D und C D und E C60-62% 32% 3% 1%
c, e, Cw, Du: zusammen 1%
Die Ideallösung, in jedem Falle untergruppengleiches Blut zu verabreichen, ist meist aus organisatorischen Gründen nicht möglich.
D-Gen bildet sehr starkes Antigen, 80% aller D-neg Empfänger bilden AK!
Es sind deshalb nur Transfusionen gestattet, die nicht zu einer Anti-D-Antikörper-Bildung führen (Rh(d)-gleiche Transfusion). Somit dürfen D-negative Patienten kein D-positives Blut erhalten.
Sobald D-neg. Spender einen großen Buchstaben in der Rhesusformel aufweisen,sollte deren Blut nur für D-pos. Empfänger genutzt werden.
Rhesus-System und Bluttransfusion
Untergruppengleiche Transfusion ist jedoch anzustreben bei:
•Mädchen und Frauen im gebärfähigen Alter•Patienten mit wiederholten Bluttransfusionen•allg. sehr junge Menschen
Andere Blutgruppensysteme
Am Bedeutensten: Kell (Genkomplex auf Chr.. 7 mit drei Genloci)
Anti-K (Anti-Kell)Davon ist K stark immunogen (10% bilden Anti-K), häufigster AK außerhalb des Rhesus-Systems.Immunantikörper mit Komplementaktivierung: hämolytisch wirkend
8 % der Population sind K (Kk (8%), Kk (0,2%))92 % der Population sind kk
Leichte Immunisierung gegen K möglich (bei ca. 8% der Konserven) und ca. 92% (kk-homozygoter) Empfänger (Hämolytische Transfusionsreaktion oder mittelschwerer Mhn)
Anti-k (Anti-Cellano)Tritt selten auf, weil nur wenige Individuen den Genotyp KK haben (als Empfänger bei Empfang von kk-Konserven)
Andere Blutgruppensysteme
Weitere Blutgruppensysteme besitzen für die Praxis eine weitaus geringere Bedeutung,Da sie viel seltener eine Immunisierung hervorrufen und keine natürlichen Antikörper existieren. Bedeutung besteht im Einzelfall, wenn Blut an bereits Immunisierte verabreicht wird.
Beispiele: LEWIS (Le)DUFFY (Fy)KIDD (Tk)LUTHERAN (Lu)DIEGO (Di)DOMBROCK (Do)AUBERGER (Au)
HLA-System
Haupthistokompatibilitätskomplex (MHC)
Haupthistokompatibilitätsantigenetragen besonders stark zur Transplantatabstoßung beizentrale Rolle bei der Vermittlung vom selbst/nicht selbst
Selbstdefinition des Organismus: Es kann vom Immunsystem nur etwas als fremd erkannt werden, wenn zuvor fest-gelegt ist, was körpereigen ist.
Prägung des ImmunsystemsAuseinandersetzung mit Proteinantigenen, die fremder Herkunft (allogen) oder körpereigen (autolog) sein können.
MHC bei Menschen auch als Humanes Leukozyten Antigen (HLA) bezeichnet.
HLA-Klassen
HLA-Genkomplex auf Chromosom 6in drei Regionen gegliedert:
Klasse I-Antigene
z.B. HLA-A, HLA-B, HLA-C
Klasse II-Antigene
z.B. HLA-D, HLA-DR, HLA-DQ, HLA-DP
Klasse II Antigene:
weitere z.B. Komplementfaktoren
Peptidbindungsregion (Antigenpräsentation)
Ig-ähnliche Region (Strukturstabilisierung)
Transmembranregion (Verankerung)
Zytoplasmatische Region (Signaltransduktion)
HLA-Klassen: Aufbau der Moleküle
Klasse I Klasse II
Alle Körperzellen B-Lymphozyten (vorwiegend)
Nachweis auf T-Lymphozyten Nachweis auf B-Lymphozyten
Lymphozytotoxizitätstest LymphozytotoxizitätstestPCR-Allelnachweis PCR-Allelnachweis
gemischte Lymph.-Kultur
3 α-Ketten (polymorph) 2 α-Ketten (weniger polymorph)β2-Mikroglobulin 2 β-Ketten (polymorph)
Folgen bei Missmatch: Organtransplantation: Host versus Graft ReactionKM-Transplantation: Graft versus Host Reaction
HLA-BedeutungWichtig bei der Transplantation sind:
ABO-Blutgruppenantigene (hyperakute Abstoßungsreaktion)HLA-Antigene (weitgehend kompatibel (B-Locus/DR-Locus)Nicht-HLA-Antigene (Langzeittransplantatabstoßung)
HLA-Antikörper (meist IgG) entstehen durch
SchwangerschaftBluttransfusionTransplantation
Vorhandene zytotoxische AK bei Empfänger können zu Schädigungen und Abstoßung des Organs führen. Vorsorge:
regelmäßige AK-Suche beim EmpfängerB/DR-identische Transplantationcrossmatch: Empfängerserum/SpenderlymphozytenABO-Verträglichkeit