kompetenzorientiertes prüfen

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Umsetzungshilfen für kompetenzorientiertes Prüfen HRK-Zusatzgutachten ausgearbeitet für die HRK von Niclas Schaper und Frederic Hilkenmeier unter Mitarbeit von Elena Bender September 2013

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Nicolas Schaper, Hochschulrektorenkonferenz 2013;competency based assessmentexpertise for the Board of German Presidents of Tertiary Education Institutions

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  • Umsetzungshilfen fr kompetenzorientiertes Prfen

    HRK-Zusatzgutachtenausgearbeitet fr die HRK vonNiclas Schaper und Frederic Hilkenmeierunter Mitarbeit vonElena Bender

    September 2013

  • Inhaltsverzeichnis

    1 Einleitung 6

    2 Voraussetzungen und Rahmenbedingungen kompetenzorientierten Pr-fens 6

    2.1 Prfen in den neuen Studiengngen 62.2 Prfen und Prfungen im Staatsexamen 82.3 Rechtliche Rahmenbedingungen 9

    3 Kompetenzen und Lernziele 133.1 Kompetenzverstndnis und Kompetenzorientierung in der Lehre 133.2 Herleitung und Formulierung kompetenzorientierter Lernziele 163.2.1 Herleitung kompetenzorientierter Lernziele 163.2.2 Formulierung kompetenzorientierter Lernziele 193.3 Lehr- und Prfungsplanung anhand des Constructive Alignment- und

    TAMAS-Ansatzes 21

    4 Gestaltung kompetenzorientierter Prfungen 274.1 Prfungsfunktionen 274.2 Prfungsaufgaben und -formate 294.3 Kompetenzorientierte Bewertung 364.4 Gtekriterien kompetenzorientierten Prfens 39

    5 Bedingungen fr kompetenzorientiertes Prfen 445.1 Rollen der Lehrenden und Lernenden beim kompetenzorientierten Prfen 445.2 Qualifizierung fr kompetenzorientiertes Prfen 475.3 Aufbau einer kompetenzorientierten Lehr-, Lern- und Prfungskultur 49

    6 Zwischenfazit 50

    7 Instrumentarium zur Gestaltung kompetenzorientierter Prfungen 547.1 Grundlagen des Instrumentariums zur kompetenzorientierten Prfungsgestal-

    tung 547.2 Konkrete Hinweise und Beispiele fr eine kompetenzorientierten Prfungsge-

    staltung 65

    8 Chancen und Risiken kompetenzorientierten Prfens 84

    9 Ausblick 87

    Literatur 89

  • 4Anhang: Good-Practice Beispiele fr kompetenzorientiertes Prfen 98

    AI Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Philologie 99Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Philologie 99Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Geographie 101Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Biologie 103Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Physik 105Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Betriebswirtschaftslehre 108Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Wirtschaftswissenschaften 110Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Mathematik fr Ingenieurswissenschaften 112Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Ingenieurswissenschaften 115Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Ingenieurswissenschaften 118Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Medizin 121Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Medizin 124Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Medizin 126Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Medizin 128Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Medizin 130Good-Practice-Beispiel aus dem Bereich der Rechtswissenschaft 132

  • Voraussetzungen und Rahmenbedingungen kompetenzorientierten Prfens 6

    1. Einleitung

    Im vorliegenden Fachgutachten mchten wir die Rahmenbedingungen und Voraussetzun-gen fr kompetenzorientierte Prfungen darlegen, Anleitungen zur Entwicklung und Um-setzung kompetenzorientierten Prfens in verschiedenen Veranstaltungsformaten anbieten,auf Schwierigkeiten und Chancen dieses Ansatzes hinweisen und schlussendlich eine Reihevon gelungenen Umsetzungen kompetenzorientierter Prfungen vorstellen.

    Dadurch ergnzen und erweitern wir die entsprechenden Darstellungen im Fachgutach-ten Kompetenzorientierung in Lehre, Studium und Prfung an Hochschulen: Systematischerberblick und Auswertung der wissenschaftlichen Diskussion (Schaper, 2012). Ziel dieses er-gnzenden Fachgutachtens ist es, die Umsetzung von Kompetenzorientierung im Prfungs-wesen zu erleichtern und die Lehrenden darin zu untersttzen, innovative Prfungsanstzezu entwickeln und einzusetzen.

    2. Voraussetzungen und Rahmenbedingungenkompetenzorientierten Prfens

    Zehn Jahre nach dem Start des Bologna-Prozesses sind noch eine Reihe von Herausforde-rungen zu bewltigen bei der Umsetzung der Reform in den deutschen Hochschulen. Diesgilt insbesondere in Bezug auf die Ergebnis- und Kompetenzorientierung der Lehr-, Lern-und Prfungskonzepte in den Studiengngen. Eine zentrale Problem- und Fragestellung istin diesem Zusammenhang, wie Prfungsformen und -prozesse in Orientierung an Prinzipi-en und Kriterien der Kompetenzorientierung gestaltet und umgesetzt werden knnen. Imfolgenden Kapitel mchten wir zunchst die Ausgangssituation und Rahmenbedingungenin Bezug auf (kompetenzorientiertes) Prfen bei den neu eingefhrten Bachelor- und Mas-terstudiengngen sowie in den noch bestehenden Staatsexamens-Studiengngen skizzierensowie damit verbundene prfungsrechtliche Aspekte errtern.

    2.1. Prfen in den neuen Studiengngen

    Die Umstellung der Studiengnge auf das gestufte Bachelor-/Master-System im Zuge desBologna-Prozesses stellte und stellt die Hochschulen vor erhebliche Herausforderungen. Ins-besondere ist ein Umdenken dahingehend gefordert, die Lehre und die Konzeption des Stu-diengangs von den Lernzielen her zu planen und die Module und Lehrveranstaltungen aufden Erwerb von Kompetenzen auszurichten. Die Umsetzung einer entsprechenden Kompe-tenzorientierung in den neuen Bachelor- und Masterstudiengngen erfordert dabei nicht nurcurriculare Anpassungen. Vielmehr mssen die Studiengangverantwortlichen und Lehrendenbefhigt werden, die Kompetenzorientierung auch durch eine entsprechende Gestaltung derLehr-/Lernprozesse und weiterer begleitender Manahmen zur Kompetenzentwicklung um-zusetzen und effektiv zu gestalten (vgl. hierzu Schaper, 2012). In bereinstimmung mit Wildt

  • Voraussetzungen und Rahmenbedingungen kompetenzorientierten Prfens 7

    und Wildt (2011) wrden wir behaupten, dass die Weiterentwicklung des Prfsystems dabeisicher eine der schwierigsten und anspruchsvollsten Aufgaben ist.

    Whrend in den bisherigen traditionellen Studiengngen abschluss- und damit notenre-levante Prfungen in der Mitte (Zwischenprfung) und am Ende des Studiums stattfanden(siehe beispielsweise 15 Hochschulrahmengesetz), verlagert die Bachelor-/Masterreform diePrfungen in die Module. Anders ausgedrckt: Anstatt am Ende des Studiums die Inhalte desgesamten Faches abzuprfen, wird am Ende eines Moduls (oder vielfach sogar am Ende einerLehrveranstaltung) ein in sich geschlossener Themen- bzw. Anforderungsbereich, nmlich dieModulinhalte bzw. die Erreichung bestimmter Modulziele, abgeprft. Jede dieser studienbe-gleitenden Prfungen ist daher wie eine Abschlussprfung fr eine Teilqualifikation zubehandeln. Da ein Studiengang im Mittel aus 26 Modulen besteht, haben Studierende alsodurchschnittlich 26 Abschlussprfungen zu absolvieren (Kerres & Schmidt, 2012, S. 177).Diese Vervielfachung des Prfungsaufkommens stellt eine erhebliche Belastung nicht nur frdie Lernenden, sondern auch der Lehrenden dar.1

    Neben dem quantitativen Mehr haben sich aber durch den Bologna-Prozess auch die An-forderungen an die Prfungen verndert. Um die Lehre wirkungsvoll im Sinne einer kompe-tenzorientierten Gestaltung des Lehr-/Lernprozesses zu verndern, mssen auch die Lehren-den einen Shift from Teaching to Learning (Kember & Kwan, 2000; Wildt & Wildt, 2011),also einen Perspektivenwechsel vom Lehrprozess hin zu den Lernprozessen der Studierendenvollziehen. Lehre wird somit nicht mehr nur als Darstellung der Inhalte eines Fachgebiets ver-standen, sondern soll das Erlernen und Verstehen wissenschaftlicher Konzepte und Metho-den sowie den Erwerb damit verbundener fachbezogener und berfachlicher Kompetenzenfrdern und untersttzen (s. a. Schaper, 2012). Statt den Studiengang ber die gelehrtenInhalte zu definieren, orientiert man sich an Lernergebnissen bzw. Lern- und Kompetenzzie-len, d. h. der Studiengang wird dadurch definiert, was eine Absolventin / ein Absolvent nacherfolgreichem Abschluss des Studiums knnen sollte. Dies hat zwangslufig gravierende Fol-gen fr die Prfungsgestaltung: Anstatt die gelehrten Inhalte abzuprfen, muss nun geprftund beurteilt werden, was der Lernende zu bestimmten Zeitpunkten im Studium bzw. nachAbschluss von Studienmodulen im Sinne von Kompetenzen kann.

    Die Orientierung an Lernergebnissen bzw. Lern- und Kompetenzzielen erffnet den Leh-renden prinzipiell grere Handlungsspielrume: Anstelle eines detaillierten Lehrplans wer-den in erster Linie die im Modul zu erreichenden Ziele vorgegeben. Der Weg dorthin kannrelativ frei gestaltet werden und ist in hohem Mae vom Lern- bzw. Entwicklungsprozess derStudierenden her zu denken und zu konzipieren (vgl. Huber, 2008, S. 13; KMK, 2005, S. 10;BLK, 2004; Paetz et al., 2011; Schaper, 2012, S. 3). Diese neue Freiheit in der Lehrgestaltungstellt allerdings auch besondere Anforderungen an die Studiengangverantwortlichen undLehrenden, da die intendierten Lernergebnisse in den Modulhandbchern als Kompeten-zen formuliert sind. Diese Kompetenzen in zielfhrende und adquate Lernergebnisse bzw.

    1 Auf diese Kritik ist in den KMK-Vorgaben 2010 bereits reagiert worden: Es wurde festgestellt, dass ein Modulmglichst nur mit einer Prfungsleistung abschlieen soll.

  • Voraussetzungen und Rahmenbedingungen kompetenzorientierten Prfens 8

    Lernziele herunterzubrechen setzt Kenntnisse nicht nur ber die fachlichen, sondern auchberfachlichen Facetten der zu vermittelnden Kompetenzen und ber den Prozess bzw. dieSchritte des Kompetenzerwerbs voraus. Damit soll auf Modulebene fortgesetzt werden, wasals allgemeines bzw. normatives Ziel fr Studiengnge auf bergeordneter Ebene formuliertbzw. vorgegeben wurde: So schreibt etwa das Landeshochschulgesetz Berlin (22) vor, dassStudiengnge und Prfungen so zu organisieren sind, dass Kompetenzerwerb gewhrleistetwird.

    Doch der hohe Abstraktionsgrad bei der Formulierung von Kompetenzen stellt viele Hoch-schullehrende vor Schwierigkeiten: Wie mssen Prfungen organisiert sein, damit Kompe-tenzen berhaupt, wie vom Gesetzgeber gefordert, abgeprft werden knnen? Bevor wiruns in den weiteren Kapiteln der Beantwortung dieser Frage widmen, wird in den folgen-den zwei Teilkapiteln zunchst die Situation in Studiengngen, die mit einem Staatsexamenabschlieen sowie generelle rechtliche Rahmenbedingungen fr Hochschulprfungen ange-sprochen.

    2.2. Prfen und Prfungen im Staatsexamen

    Die Notwendigkeit, sich mit Kompetenzorientierung in Lehre und Prfung zu beschftigen,wird wie bereits oben dargestellt durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen so-wie Studien- und Prfungsordnungen der Bachelor- und Masterstudiengnge vorgegeben.Dies bedeutet aber nicht, dass sich kompetenzorientierte Lehr- und Prfungskonzepte aufdiese hochschulischen Abschlsse beschrnken sollten. In diesem Abschnitt wird dargelegt,dass sich die im Gutachten vorgestellten Konzepte des kompetenzorientierten Prfens auchauf Studiengnge, die mit dem Staatsexamen abschlieen, bertragen lassen. Dies sind imWesentlichen die Studiengnge der Medizin, Lebensmittelchemie, Pharmazie und Rechts-wissenschaften. Je nach Bundesland bzw. Hochschule ist auch die Lehrerausbildung nochnicht auf gestufte Bachelor-/Masterstruktur umgestellt.2 Kompetenzorientierte Prfungsfor-men sollten wenn mglich auf Anwendungs- und Praxisbezge wissenschaftlicherLerninhalte Bezug nehmen, so dass von den Studierenden eine aktive, handelnde und pro-blemorientierte Auseinandersetzung mit den Lerngegenstnden nicht nur in der Prfungselbst, sondern auch beim Kompetenzerwerb gefrdert und gefordert wird. Die Vorausset-zungen dafr sind u. E. gegeben, da Studiengnge, die mit dem Staatsexamen abschlieen,sich durch ein in der Regel konkreter beschriebenes Berufsziel auszeichnen als das bei vielenBachelor-/Masterstudiengngen der Fall ist. Vor diesem Hintergrund sollte die Gestaltungentsprechender Praxisbezge sogar leichter mglich sein als in Studiengngen, deren Absol-ventinnen und Absolventen anschlieend in sehr heterogene Ttigkeitsfelder mnden. Dassentsprechende Praxisbezge bereits im Sinne der Gestaltung kompetenzorientierter Pr-fungsanstze genutzt werden, zeigt sich insbesondere im Bereich medizinischer Studiengn-

    2 Ob und inwiefern eine Eingliederung dieser Studiengnge in den Bologna-Prozess sinnvoll erscheint, wird ananderer Stelle errtert (bspw. HRK, 2007) und ist nicht Gegenstand dieser Betrachtung.

  • Voraussetzungen und Rahmenbedingungen kompetenzorientierten Prfens 9

    ge. Hier liegen mittlerweile die am weitesten und umfangreichsten entwickelten Anstze frkompetenzorientiertes Prfen vor (siehe hierzu die im Anhang dargestellten Good-Practice-Beispiele aus dem Bereich Medizin). Auch in rechtswissenschaftlichen Studiengngen sindbereits verschiedene Konzepte entwickelt und umgesetzt worden, die eine problemorien-tierte Auseinandersetzung mit dem Lerngegenstand verlangen, beispielsweise das Fhreneines Mandantengesprchs, die Vernehmung eines Zeugen oder das Halten eines staatsan-waltlichen Pldoyers. Allerdings werden diese Elemente bisher eher selten als Prfungsfor-mat eingesetzt (vgl. Ausschuss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister zurKoordinierung der Juristenausbildung, 2011, S. 273f).

    Darber hinaus sagt die Form der Abschlussprfung, also die staatliche Prfung im Staats-examen, noch nichts ber die Gestaltung des Studiengangs aus. Wie beispielsweise der Me-dizinstudiengang HeiCuMed der Universitt Heidelberg, die Diskussion um eine Reformie-rung der Juristenausbildung (Ausschuss der Konferenz der Justizministerinnen und Justizmi-nister zur Koordinierung der Juristenausbildung, 2011, bspw. S. 3465), aber auch zahlrei-che Lehramtsstudiengnge mit Staatsexamen zeigen, knnen entsprechende Studiengngeebenfalls in ein modulares System mit ECTS-Kreditpunkten und Kompetenzzielen gegliedertwerden, dessen Module ebenso mit kompetenzorientierten Modulabschlussprfungen be-endet werden knnen.

    Daraus folgt, dass der Geltungsbereich der in diesem Fachgutachten dargestellten Kon-zepte und Methoden des kompetenzorientierten Prfens sich nicht auf Bachelor- und Mas-terstudiengnge beschrnkt, sondern auch Studiengnge, die mit dem Staatsexamen ab-schlieen, umfasst. Was sich allerdings als kritisch bei Studiengngen, die mit einer staatli-chen Prfung abgeschlossen werden, herausstellen knnte, ist, dass Lehre, Lernen und dieabschlieende staatliche Prfung nur schwierig im Sinne des Constructive Alignment (vgl.Kapitel 3.3) aufeinander bezogen werden knnen, da der Prfungsstoff der Staatsprfungvon auen vorgegeben wird. So berichtet Harendza (2007) davon, dass im ersten Staatsex-amen bei medizinischen Studiengngen vor allem vorklinischer Stoff geprft wird, obwohl inder aktuellen Approbationsordnung die enge Verknpfung von klinischer und vorklinischerAusbildung vorgesehen ist.

    2.3. Rechtliche Rahmenbedingungen

    Wie bereits angesprochen, sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Gestaltung vonPrfungen und zur Erbringung von Prfungsleistungen so beschaffen, dass der Realisierungvon kompetenzorientierten Prfungen auf bergeordneten Gesetzes- bzw. Verordnungsebe-nen kaum etwas im Wege steht. Im Gegenteil, das Hochschulrahmengesetz und die Mehr-zahl der Landeshochschulgesetze begnstigen kompetenzorientierte Prfungen explizit, wiebspw. im Landeshochschulgesetz Berlin (22) deutlich wird: Ein Studiengang fhrt zu einemberufsqualifizierenden Abschluss. Die Hochschulen haben Studiengnge und Prfungen sozu organisieren und einzurichten, dass insbesondere unter Bercksichtigung der Eigenver-antwortung der Studenten und Studentinnen die Erreichung der Studienziele (Kompetenz-

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    erwerb) gewhrleistet ist, [. . . ] ein Teil des Studiums dem berfachlichen Kompetenzerwerbvorbehalten wird, [. . . ] Mglichkeiten zugelassen werden, Studienleistungen in unterschied-lichen Formen zu erbringen, [. . . ].

    Ebenfalls aus dem Landeshochschulgesetz Berlin (30) stammt die Vorgabe: Die Pr-fungsinhalte sollen sich an den im jeweiligen Modul zu vermittelnden Kompetenzen orientie-ren. Diese exemplarischen Referenzen verdeutlichen, dass von Seiten der (Bildungs-)Politikkompetenzorientierte Prfungen und eine Passung von Modul- und Prfungsinhalten im Sin-ne des Constructive Alignment eindeutig gefordert wird (zum Konzept des ConstructiveAlignment siehe Kapitel 3.3). Die entsprechenden Gesetzestexte machen darber hinausdeutlich, dass auch berfachliche Kompetenzziele vermittelt werden sollen; eine Beschrn-kung auf die Prfung nur fachlicher Aspekte also ebenfalls nicht gewollt ist. Durch die imZuge der Bologna-Reform verankerten bergeordneten Qualifizierungsziele zur Employabi-lity und zum Citizenship wird weiterhin deutlich, dass auch der Frderung nicht-kognitiverKompetenzaspekte ein angemessener Raum eingerumt werden muss (bspw. Artikel 55 LHGBayern).3

    Worauf beziehen sich nun die Prfungen in den neuen Bachelor- und Masterstudien-gngen? Grundstzlich gilt, dass die Prfungsleistungen sich auf die in dem jeweiligen Stu-diengang zu belegenden Pflichtmodule und selbst gewhlten Studienmodule beziehen. Pr-fungsstoff ist somit die Gesamtheit der in einem Studium gewhlten Module, wobei jeweilsstudienbegleitend, d. h. in der Regel am Ende eines Moduls oder der zugehrigen Lehrver-anstaltungen bzw. Teilmodule geprft wird (Wex, 2006). Jede Prfung ist damit wie eineAbschlussprfung fr eine Teilqualifikation zu behandeln. Die Prfungsinhalte bzw. die zuerbringenden Prfungsleistungen werden insbesondere durch die im Curriculum bzw. Mo-dulhandbuch beschriebenen Lernziele und zu erwerbenden Kompetenzen bzw. Qualifikati-onsziele bestimmt. Prfungsstoff ist somit nicht nur, was gelehrt wurde, sondern was imRahmen des Studiums u. a. durch Selbststudiumsaktivitten in Bezug auf Kenntnisse, Fhig-keiten und Kompetenzen angeeignet werden soll. Hierzu gehren nicht zuletzt auch diein den Qualifikations- und Modulzielen beschriebenen fachbergreifenden Fhigkeiten bzw.Qualifikationen (z. B. sozial-kommunikative oder metakognitive Fhigkeiten; a.a.O.).

    Bei der Planung von studiumsbegleitenden (Modul-)Prfungen im Rahmen der neuenBachelor- und Masterstudiengnge ist allerdings auch zu beachten, dass die verwendetenPrfungsformen in den jeweiligen Prfungsordnungen definiert sein mssen (bspw. 31 LHGBerlin; Art. 61 LHG Bayern; 62 LHG Bremen; 26 LHG Rheinland-Pfalz; 34 LHG Sachsen;52 LHG Schleswig-Holstein). Meist lassen die hochschulischen Prfungsordnungen einengroen Spielraum zu. Allerdings gilt es im Einzelfall ggf. in Kooperation mit dem Prfungs-sekretariat oder Justiziariat zu prfen, ob die geplante Prfungsform durch die Prfungsord-

    3 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen (vgl. z. B. Paetz et al., 2011, S. 25), dass die Forderung nach Employa-bility auch fr Bachelorstudiengnge gilt, die ebenfalls ein eigenstndiges berufsqualifizierendes Profil (KMK,2003b, S. 22) vorweisen mssen. Ein Bachelorstudium erfllt damit zwei Funktionen: eine abschlieende Funk-tion als Vorbereitung auf den Beruf, und eine transitorische Funktion als Vorbereitung auf eine weitere Stufesystematischen Lernens (z. B. in Form des Masterstudiums).

  • Voraussetzungen und Rahmenbedingungen kompetenzorientierten Prfens 11

    nung abgedeckt ist. Auch hier sind die Landeshochschulgesetze aber eher progressiv. Wieschon oben beschrieben, verlangt das LHG Berlin beispielsweise, Mglichkeiten zu realisie-ren, so dass Studien- bzw. Prfungsleistungen4 in unterschiedlichen Formen erbracht werdenknnen. Dies beinhaltet u. E. auch die Mglichkeit, dass ein und dieselbe Studienleistung inunterschiedlicher Form erbracht werden kann; d. h., dass unterschiedliche Prfungsforma-te fr dieselbe Studienleistung zulssig sind. Man kann somit als Lehrende/r in Abhngig-keit von unterschiedlichen Voraussetzungen oder Bedarfen der Studierenden unterschiedli-che Prfungsformate anbieten, sofern die Prfungsanforderungen bei den unterschiedlichenFormaten ein vergleichbares Niveau in Bezug auf Umfang und Schwierigkeit aufweisen. DasLHG Berlin schreibt hierzu (22, Artikel 2) beispielsweise: Die Hochschulen haben Studien-gnge und Prfungen so zu organisieren und einzurichten, dass insbesondere Mglichkeitenzugelassen werden, Studienleistungen in unterschiedlichen Formen zu erbringen. Auch dasLHG Brandenburg fordert beispielsweise, die Inhalte und Form des Studiums stndig zu ber-prfen und weiterzuentwickeln (16 LHG Brandenburg), whrend das LHG Rheinland-Pfalz(54) gestattet, dass zur Erprobung neuer Lehr- und Lernformen [. . . ] das Dekanat Ab-weichungen von den in der Studienordnung vorgesehenen Veranstaltungsformen gestatten[kann].

    Wie im Verlauf der weiteren Darstellung noch deutlich wird (vgl. insbesondere Kapitel 3),beinhaltet das Abprfen von Kompetenzen u.a., dass Handlungsrume geschaffen werdenmssen, in denen der Prfling Gelegenheit hat, seine Kompetenzen angemessen unter Be-weis zu stellen. Dies bedeutet in vielen Fllen, dass neben schriftlichen Prfungselementen,Kompetenzleistungen auch mndlich abgeprft werden mssen. Doch gerade bei mndli-chen Prfungen gibt es bei vielen Lehrenden Unsicherheiten darber, was die Bewertungbzw. Benotung solcher Leistungen betrifft. Dazu schreibt das Landeshochschulgesetz Nord-rheinwestfalen folgendes (65): Prfungsleistungen in schriftlichen oder mndlichen Pr-fungen, mit denen ein Studiengang abgeschlossen wird, und in Wiederholungsprfungen,bei deren endgltigem Nichtbestehen keine Ausgleichsmglichkeit vorgesehen ist, sind vonmindestens zwei Prferinnen oder Prfern im Sinne des Absatzes 1 zu bewerten. Darberhinaus sind mndliche Prfungen stets von mehreren Prferinnen oder Prfern oder voneiner Prferin oder einem Prfer in Gegenwart einer sachkundigen Beisitzerin oder einessachkundigen Beisitzers abzunehmen, wenn die Nachvollziehbarkeit der mndlichen Pr-fung nicht gesichert ist. Der erste Teil des LHG-NRW 65 ist unstrittig: Um Bewertungenvon Prfungskandidaten abzusichern, die eine Prfung, fr die keine Ausgleichmglichkeitenvorhanden sind, nicht bestanden haben, gilt bei der Bewertung der Prfungsleistungen dasVier-Augen-Prinzip. Der zweite Teil des Paragraphen, der auch fr die Durchfhrung kom-

    4 Unter Prfungsleistungen werden in diesem Zusammenhang Leistungen verstanden, die bewertet bzw. be-notet werden und in der Regel in die Bachelor- und Masternote eingehen. Der Begriff Studienleistungen wirdhingegen eher verwendet, um nicht prfungsrelevante d. h. insbesondere unbenotete Leistungen im Studiumzu kennzeichnen (z. B. die dokumentierte Bearbeitung von bungsaufgaben). Unter Prfungsvorleistungen wer-den darber hinaus Studienleistungen verstanden, die als Voraussetzung fr die Zulassung zu einer Prfung zuerfllen sind und sich in der Regel auf unbenotete Studienleistungen beziehen.

  • Voraussetzungen und Rahmenbedingungen kompetenzorientierten Prfens 12

    petenzorientierter Prfungen bedeutsamer ist, lsst jedoch Interpretationsspielrume zu: Beimndlichen Prfungen gilt das Vier-Augen-Prinzip ebenfalls, allerdings nur, wenn die Nach-vollziehbarkeit5 der mndlichen Prfung nicht gesichert ist.

    Eindeutiger uert sich in diesem Zusammenhang das LHG Hamburg (64): MndlichePrfungen sind von mehreren Prferinnen oder Prfern oder von einer Prferin oder einemPrfer in Gegenwart einer sachkundigen Person abzunehmen. Auch andere Landeshoch-schulgesetze, bspw. das LHG Hessen (18), das LHG Mecklenburg Vorpommern (36) unddas LHG Rheinland-Pfalz (26) geben bei mndlichen Prfungen das Vier-Augen-Prinzip vor.Um auf der (rechtlich) sicheren Seite zu sein, sollten mndliche Prfungen also stets von zweiPrfern bzw. von einem Prfer und einem sachkundigen Beisitzer abgenommen werden.

    Weiterhin gilt es aus rechtlicher Perspektive Folgendes zu beachten: Wie bereits beschrie-ben, sollten Module mglichst nur mit einer einzigen Modulprfung abschlieen (siehe KMK-Vorgaben 2010). Dennoch kann es didaktisch sinnvoll sein, in den einzelnen Lehrveranstal-tungen eines Moduls verpflichtende Leistungsstanderhebungen, sog. Prfungsvorleistungen,einzufhren. Eine Prfungsvorleistung wird in der Regel mit bestanden bzw. nicht bestan-den bewertet. Gegebenenfalls knnen Prfungsvorleistungen auch benotet werden, aberdiese Noten sollten dann ausschlielich der Information der Studierenden ber ihren Leis-tungsstand dienen und, wie bei formativen Prfungen gefordert, bei der Festlegung derModul- bzw. Gesamtnote nicht bercksichtigt werden (vgl. hierzu auch Kapitel 4.1). Obdie Teilnahme an bzw. das Bestehen von Prfungsvorleistungen jedoch wirklich verpflich-tend festgelegt, und als Voraussetzung zur Zulassung zur Modulprfung gelten kann, giltes in den Prfungsordnungen der einzelnen Studiengnge bzw. in bergeordneten Bestim-mungen der jeweiligen Hochschulen zu regeln. Auch diesen Aspekt gilt es im Einzelfall inKooperation mit dem jeweiligen Prfungssekretariat oder Justiziariat abzustimmen.6

    Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass ein kompetenzorientiertes Lehr- undPrfungswesen von der (Bildungs-)Politik nicht nur gefordert wird, sondern auch in entspre-chenden (Hochschul-)Gesetzestexten, welche kompetenzorientierte Prfungen grundstzlichbegnstigen, festgelegt ist. Bei der Umsetzung kompetenzorientierter Prfungsformate sindallerdings auch eine Reihe von rechtlichen Durchfhrungsbestimmungen zu beachten, diein diesem Zusammenhang jedoch nur angerissen werden konnten. Kompetenzorientiertes

    5 Unter Nachvollziehbarkeit einer Prfung ist zu verstehen, dass die Durchfhrung der Prfung hinreichenddokumentiert ist (z. B. durch ein detailliertes Prfungsprotokoll zu den Inhalten der Fragen und Antworten oderdie Protokollierung von Strungen bei schriftlichen Prfungen). Aber auch die Auswertung und Bewertung derPrfungsergebnisse sollte transparent und nachvollziehbar gestaltet und dokumentiert werden (dies betrifft ins-besondere die Punktvergabe bei Klausuren und die Bewertung der Teilleistungen bzw. Prfungsabschnitte inmndlichen Prfungen).

    6 Dass Prfungsvorleistungen nicht unumstritten sind, wird beispielsweise an der Universitt Bremen deutlich,wo sich der AstA mit dem Hinweis auf die deutliche Mehrbelastung der Studierenden vehement fr die Abschaf-fung der Prfungsvorleistungen eingesetzt hat. Einem Wunsch, dem die Universittsleitung 2012 zumindest vor-bergehend nachgegeben hat und Prfungsvorleistungen (wohl vorerst fr 2 Jahre) fr unverbindlich erklrt hat(Amtsblatt der Freien Hansestadt Bremen Nr. 35, 23.05.2012; http://www.asta.uni-bremen.de/?p=9085).Auch an der Universitt Leipzig gibt es bspw. hnliche Bestrebungen.

  • Kompetenzen und Lernziele 13

    Prfen ist darber hinaus nicht nur fr die neuen Bachelor- und Masterstudiengnge vonBedeutung, sondern auch fr Studiengnge, die mit einem Staatsexamen abschlieen.

    3. Kompetenzen und Lernziele

    Im folgenden Kapitel des Gutachtens wird zunchst der zentrale Ausgangspunkt fr kompe-tenzorientiertes Prfen kompetenzorientierte Lernergebnisse bzw. Lernziele beschrieben.Es wird insbesondere erlutert, wie Lernziele aus Kompetenzen abgeleitet, und wie dieseanhand einer bestimmten Methodik in einem weiteren Schritt zur Veranstaltungs- und Pr-fungsplanung genutzt werden knnen.

    3.1. Kompetenzverstndnis und Kompetenzorientierung in der Lehre

    Was unter Kompetenzen verstanden wird, wird vielfltig und teilweise recht unterschiedlichdefiniert (siehe hierzu auch die Ausfhrungen im Fachgutachten zur Kompetenzorientierungin Studium und Lehre; Schaper, 2012). Wenn man sich auf dieses Konzept bezieht, gilt es da-her zunchst zu bestimmen, von welchem Kompetenzverstndnis man ausgeht. Fr diesesGutachten wollen wir folgendes Verstndnis bzw. folgende Arbeitsdefinition in Bezug aufKompetenzen zugrunde legen (die im deutschen Sprachraum weitestgehend konsensfhig,aber auch mit dem OECD Begriffsverstndnis kompatibel ist): Kompetenz ist die individuelleVoraussetzung zur Lsung komplexer Aufgaben. Sie basiert auf kognitiven, motivationalen,volitionalen sowie sozialen Ressourcen, die in einem Lernprozess angeeignet werden ms-sen, um sie fr die erfolgreiche Bewltigung von Umweltanforderungen einsetzen zu knnen(vgl. Iller & Wick, 2009, S. 195; Weinert, 2001, S. 61f; fr eine umfassendere Darstellung sie-he Schaper, 2012, S. 5ff). Bei dieser Definition sind vor allem zwei Aspekte hervorzuheben(vgl. Iller & Wick, 2009): Kompetenzen umfassen wesentlich mehr, als nur Fertigkeiten oderWissen, diese bilden gleichermaen eine notwendige, aber nicht hinreichende Basis. Au-erdem entstehen und zeigen sich Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit komplexenProblemen (zur Problemorientierung siehe bspw. Walzik, 2012, S. 2735).

    Um Kompetenzen und die damit verbundenen Leistungsvoraussetzungen greifbar zu ma-chen bzw. zu operationalisieren, ist es daher notwendig, Handlungen zu beschreiben, derenAusfhrung die zu erfassende Kompetenz voraussetzt. Gemessen wird also nicht die Kompe-tenz als solche, sondern es wird von einer beobachtbaren Handlung (der Performanz) auf diezugrundeliegende Kompetenz (das dahinterliegende Konstrukt bzw. die dahinterliegendenLeistungsvoraussetzungen) geschlossen. Prfungen mssen daher so angelegt sein, dassder Rckschluss auf zugrunde liegende Kompetenzen mglich ist (Walzik, 2012, S. 23; vgl.auch Huber, 2008, S. 16f, Richter, 2007, siehe auch die damit zusammenhngende Diskussi-on um Testgtekriterien in Kapitel 4.4)

  • Kompetenzen und Lernziele 14

    Abbildung 1: Das Eisbergmodell nach Richter, 2007 (in Anlehnung an Suwelack, 2010).

    Klieme et al. (2003, S. 73) fassen das Ganze wie folgt zusammen: Kompetenz kann nur leis-tungsbezogen erfasst und gemessen werden. (. . . ) Jede Illustration oder Operationalisierungeiner Kompetenz muss sich daher auf konkrete Anforderungssituationen beziehen. Kom-petenzen sind also per Definition dadurch gekennzeichnet, dass sie sich auf die Fhigkeitzur Anwendung von Wissen und Prozeduren zur Bewltigung beruflicher oder lebenswelt-licher Aufgaben und Problemstellungen beziehen. Dies erfordert didaktische Settings, dieAnwendungs- und Praxisbezge zu den zu erlernenden theoretischen und fachlichen Inhal-te eines Studiums herstellen. Bei der Prfungskonstruktion ist besonders darauf zu achten,dass die vom Prfling zu erbringende Handlung auf die eigentlich interessierende Kompe-tenz zurckgefhrt werden kann. Ganz im Sinne der klassischen Gtekriterien Reliabilittund Validitt (siehe Kapitel 4.4) ist es deshalb wichtig, eine Kompetenz nicht durch einzelne

  • Kompetenzen und Lernziele 15

    isolierte Leistungen dar[zu]stellen oder [zu] erfassen. Der Bereich von Anforderungssitua-tionen umfasst immer ein mehr oder weniger breites Leistungsspektrum (ebd., S. 74). InPrfungen mssen also mglichst Handlungsrume geschaffen werden, in denen der Prf-ling Gelegenheit hat, seine Kompetenz angemessen unter Beweis zu stellen.7 Zustzlich istzu bercksichtigen, dass hierber nicht nur die Anwendungsbezge wissenschaftlicher Kon-zepte und Methoden, sondern auch fachbergreifende Kompetenzaspekte erfasst werdensollten.

    Kompetenzen sind ebenso wie Fertigkeiten und Fhigkeiten dadurch charakterisiert, dassihre Beherrschung auf unterschiedlichen Anforderungs-, Schwierigkeits- oder Komplexitts-stufen beschrieben werden kann (vgl. Watermann & Klieme, 2006). Dies wird hufig auchmit unterschiedlichen Graden der Beherrschung bzw. Expertise in einer Aufgaben- oder Be-rufsdomne gekennzeichnet (vgl. Reimann, 2006). Auch der Kompetenzerwerb sollte in derRegel stufenweise erfolgen bzw. gestaltet werden. Ein mglicher Ansatz zur Stufung desKompetenzerwerbs ist die weitverbreitete gestufte Lernzieltaxonomie von Bloom (1972,bzw. die darauf aufbauende Matrix von Anderson & Krathwohl, 2001), auf die in Kapitel7 noch ausfhrlicher eingegangen wird. Hier werden die Beherrschungsgrade vom Wieder-geben des Wissens bis hin zum Bewertenin sechs Stufen unterteilt.

    Fr die Gestaltung und berprfung eines effektiven kompetenzorientierten Lehr-/Lern-prozesses ergibt sich hieraus die Anforderung, dass die verschiedenen Stufen eines Kompe-tenzerwerbsprozesses im Kontext einer Aufgabendomne identifiziert und beschrieben wer-den mssen. Erst auf dieser Grundlage lsst sich eine wirkungsvolle Gestaltung des Lernpro-zesses vornehmen, die ausgeht von einfachen (Vor-)Formen der Kompetenz und stufenweiseweiter voranschreitet zu komplexeren und anspruchsvolleren Formen der Handlungsbeherr-schung (vgl. Schaper, 2007, siehe auch Kapitel 7).

    Bei der didaktischen Planung von kompetenzorientierten Lerneinheiten ist weiterhin inder Regel davon auszugehen, dass die Kompetenzen nicht durch eine einmalige Anwen-dungsaufgabe bzw. bungen auf einem Anforderungsniveau hinreichend angeeignet undeingebt werden knnen. Vielmehr bedarf es einer Lehr-/Lerngestaltung, die vielfltige undvariierende bungsgelegenheiten bzw. Aufgaben bereit stellt und vorsieht, dass der Kompe-tenzerwerb ber verschiedene Stufen der Kompetenzaneignung und -beherrschung vollzo-gen bzw. angeleitet wird.

    Um einen entsprechenden gestuften und kumulativen Kompetenzerwerb darber hinauswirkungsvoll zu steuern, bedarf es der berprfung der Kompetenzstnde im Lernverlauf.Auf dieser Grundlage knnen gezielte Rckmeldungen zu weiteren Lernbedarfen und er-forderlichen Lernschritten abgeleitet werden. Prfungsbezogen geht es in diesem Zusam-menhang somit nicht so sehr um abschlieende (summative) Prfungen, sondern vor allemlernbegleitende (formative) Prfungsgelegenheiten und -formate, die den Kompetenzauf-

    7 Diese Aussage steht im Widerspruch zur alltglichen Praxis in deutschen Hochschulen, in denen die schrift-liche Klausur mit dem Fokus auf wissensabfragende Aufgaben immer noch das mit Abstand am hufigsteneingesetzte Prfungsinstrument ist (Kerres & Schmidt, 2012, S. 183).

  • Kompetenzen und Lernziele 16

    bau untersttzen (siehe Kapitel 4.1). In spezifischen Lehrkontexten knnen anhand einerauf Kompetenzstufen bezogenen Diagnostik aber auch summative bzw. bewertende Aus-sagen ber das Ausma des Kompetenzerwerbs eines Lernenden abgeleitet werden. ZurGestaltung und berprfung eines entsprechenden Kompetenzaufbaus ist es somit erfor-derlich, dass als Grundlage der Lehr-, Lern- und Prfungsgestaltung ein Kompetenzniveau-bzw. Kompetenzentwicklungsmodell entwickelt wird, anhand dem die zum Kompetenzauf-bau erforderlichen Lernschritte und zu erreichenden Kompetenzniveaus abgeleitet und kon-kret beschrieben werden knnen (vgl. Bruckmann et al., 2011).

    Eine auf den Erwerb von Kompetenzen gerichtete Lehr-/Lerngestaltung ist in der Regelnicht darauf gerichtet eine umfassende wissensbezogene Beherrschung eines Themenge-biets zu vermitteln, sondern ist auf die Erprobung und den Erwerb zentraler Fhigkeitsele-mente anhand von ausgewhlten Lerninhalten gerichtet. Kompetenzerwerb gelingt daherauch nicht durch rezeptives Lernen, sondern erfordert die aktive, handelnde und problem-orientierte Auseinandersetzung mit den Lerngegenstnden (vgl. Reinmann & Mandl, 2006).Sollen auch praktische Fertigkeiten bzw. Kompetenzfacetten angeeignet werden, bedarf esauerdem bender und transferorientierter Lerngelegenheiten (vgl. Schaper, 2007). Eine ent-sprechende Gestaltung von handlungs- und problembezogenen sowie transferorientiertenAnforderungen sollte sich allerdings nicht nur auf die Lerngelegenheiten bzw. -prozesse,sondern auch auf die Prfungsanforderungen und formate beziehen. Dies ist nicht nur er-forderlich, um eine valide Prfungssituation zu gewhrleisten, sondern auch um zielfhrendeAnreize fr das Erlernen der angestrebten Kompetenzen zu realisieren.

    3.2. Herleitung und Formulierung kompetenzorientierter Qualifikations-und Lernziele

    3.2.1. Herleitung kompetenzorientierter Lernziele

    Im Rahmen des Bologna-Prozesses und der damit verbundenen Akkreditierungsverfahrenwird an alle Studiengnge die Forderung gestellt, bei der Studiengangentwicklung kompe-tenzorientiert vorzugehen (vgl. HRK, 2004). Trotz aller kritischer Beurteilungen der Bologna-Reformen zeigt sich insgesamt, dass die geforderte Ausrichtung von Studiengngen aufKompetenzerwerb und eine lernzielorientierte Steuerung der Lehre ein mittlerweile unent-behrlicher Entwicklungsschritt fr alle Studiengnge ist, um das Lernen und Prfen im Stu-dium effektiver und zielgerichteter zu gestalten, um die Qualitt der Studienangebote zusichern und zu gewhrleisten und um diese wirksamer an Bedarfen wissenschaftlicher bzw.akademischer Beschftigungsfelder und Berufe auszurichten (WR, 2008).

    Die kompetenzorientierte Studiengang- und Curriculumentwicklung bildet somit die Basisfr die daraus abzuleitende Lehr-, Lern- und Prfungsgestaltung. Damit Lehrveranstaltun-gen und Prfungen aber tatschlich kompetenzorientiert durchgefhrt werden, bedarf esdarber hinaus von Seiten der Lehrenden eine Vernderung der Lehrhaltung hin zu einerUntersttzung des Kompetenzerwerbs der Studierenden (vgl. Abb. 2). Whrend wir uns im

  • Kompetenzen und Lernziele 17

    vorliegenden Kapitel mit den Aspekten der Studiengangentwicklung befassen, beschftigtsich Kapitel 5 mit Umsetzungsbedingungen, die eine solche Vernderung der Lehrhaltunguntersttzen.

    Am Anfang einer kompetenzorientierten Studiengangentwicklung sollte die Frage stehen,was eine Absolventin/ein Absolvent am Ende des Studiums knnen soll bzw. in der Lageist zu leisten. Es geht somit um die fachlichen und fachbergreifenden Kompetenzen, dieStudierende im Verlauf des Studiums erwerben sollten, um im Anschluss an das Studiumbestimmte Aufgaben und Anforderungen zu bewltigen, wozu insbesondere die Vorberei-tung der Absolventinnen und Absolventen auf ihre gesellschaftliche Teilhabe und mglicheberufliche Ttigkeitsfelder gehren.

    Die Bestimmung dieser Kompetenzen bzw. Kompetenzanforderungen ist einerseits durchnormative Aspekte wie allgemeine Rahmenvorgaben (z. B. durch Akkreditierungsrichtlinien),Leitbilder oder Standards in Bezug auf eine bestimmte akademische Ausbildung (z. B. wasein Ingenieur an Wissen und Knnen nach einem Studium mitbringen sollte) und allgemeineBildungsansprche bzw. -ziele (z. B. in welcher Form ein Ingenieur in der Lage sein soll-te, sich in Bezug auf gesellschaftlich relevante Fragen einzubringen) geprgt. Andererseitssollte mittels entsprechender Anforderungs- und Bedarfsanalysen geklrt werden, welcheKompetenzanforderungen an Absolventinnen und Absolventen von auerhalb, etwa vonzuknftigen Arbeitgebern, an die Hochschule herangetragen werden (vgl. Kouwenhoven,2009; Schaper, 2009b; fr eine nhere Beschreibung des methodischen Vorgehens sieheauch Schaper, 2012).

    Auf der Grundlage dieser Analysen sind schlielich ein Kompetenzprofil bzw. die berge-ordneten Qualifikationsziele fr Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs abzulei-ten bzw. zu formulieren (vgl. Schaper, 2011a). Zur Formulierung entsprechender Qualifika-tions- bzw. Kompetenzziele fr einen Studiengang knnen insbesondere die Vorgaben desdeutschen Hochschulqualifikationsrahmens (KMK, 2005) und sofern vorhanden ins-besondere die Rahmenkonzepte und Empfehlungsleitfden zur curricularen Ausgestaltungvon Bachelor- und Masterstudiengngen einzelner Fachrichtungen (z. B. fr medizinischeStudiengnge oder fr das bildungswissenschaftliche Studium der Lehramtsstudiengngeetc.) herangezogen werden. Die Ableitung und Formulierung der konkreten Qualifikations-ziele fr einen bestimmten Studiengang ist trotz dieser Rahmenbedingungen eine komple-xe Gemeinschaftsaufgabe. Daran sind die Studiengangsverantwortlichen, mglichst aberauch (ausgewhlte) Lehrende und Studierende des Studiengangs sowie ggf. weitere Sta-keholder (z. B. Praxisvertreter) zu beteiligen. In einem weiteren Schritt gilt es, die eigent-lichen Lern- bzw. Befhigungsziele abzuleiten und im Hinblick auf bestimmte Kompetenz-bzw. Lernziel-Kategorien auszuformulieren. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu be-antworten, welche Kenntnisse, Fhigkeiten, Einstellungen, Bereitschaften etc. Studierendesich aneignen sollten, um die im Qualifikationsprofil beschriebenen Kompetenzen zu er-fllen. Entsprechende Lernzielformulierungen beziehen sich somit in vielen Fllen wenigerauf umfassende Kompetenzen, sondern auf den Erwerb bestimmter Kompetenzfacetten alsTeilelemente bzw. -aspekte einer Kompetenz (z. B. Kenntnisse ber die Prozedur und Bedin-

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    gungen beim Einsatz eines bestimmten Konstruktionsverfahrens als Facetten der Kompetenzzur Konstruktion eines Maschinenelements). Bei der Lernzielformulierung und der damit ver-bundenen Lehr-, Lern-, aber auch Prfungsgestaltung darf dieser Bezug eines facettenbezo-genen Lernziels zur umfassenderen Kompetenz bzw. des entsprechenden Qualifikationszielsallerdings nicht verloren gehen (z. B. in dem entsprechende Bezge in umfassenderen Auf-gabenszenarien oder durch anschauliche Handlungsdemonstrationen verdeutlicht werden).Auch dieser Schritt zur Lernzielformulierung sollte partizipativ und in einem Studiengan-gentwicklungsteam durchgefhrt werden. Zur kompetenzorientierten Lernzielformulierungknnen entsprechende Lernzieltaxonomien und -systematiken herangezogen werden, wiesie in den folgenden Kapiteln beschrieben werden (Kap. 3.2.2, 3.3 und 7).

    Kompetenzprofil fr einen Absolventendes betreffenden Studiengangs bestimmen

    anhand von Leitbildern, Standards oder Curriculum-Analysenund/oder mittels Anforderungs- und Bedarfsanalysen

    Qualifikationsziele ableiten und formulieren

    unter Beteiligung u.a. von Lehrenden, Studierenden und Praxisvertretern.

    Kompetenzorientierte Lernziele fr Studienmodule ableiten und formulieren.Welche Kenntnisse, Fhigkeiten und Einstellungen sol-

    len die Studierenden im Studiengang erwerben?

    Lernziele in eine Taxonomie einordnenum transparent zu machen, welche Art von Anforde-

    rungen auf welchem Niveau angeeignet werden sollen.

    Studiengangsmodule ableiten und konzipierenunter Bercksichtigung des vorgesehenen Workloads

    der Module und deren Position im Studienverlauf.

    Module unter Bercksichtigung des Constructive-Alignment-Konzepts gestaltenmit inhaltlichem Fokus auf dem Erwerb zentraler Kompetenzelemente

    Abbildung 2: Arbeitsschritte bei der Bestimmung und Herleitung kompetenzorientierter Qualifikations- und Lern-ziele.

    Anschieend gilt es zu prfen, ob sich die Kompetenz-, Qualifikations- und Lernziel-Formulierungenauf den unterschiedlichen Ebenen des Curriculums hinreichend aufeinander beziehen. Diese

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    berprfung sollte wenn mglich durch andere Personen vorgenommen werden, die entwe-der mit der inhaltlichen Thematik und/oder mit der Lernzielformulierungsmethodik vertrautsind. Dabei ist es sinnvoll und hilfreich, sich an bestimmten Richtlinien und taxonomischenSystematiken zu orientieren (vgl. Kapitel 7).

    Auf der Ebene der Modulkonzeption sind insbesondere die Lehr-/Lernarrangements bzw.Lernaktivitten und Prfungsformen zur Erreichung der Modul- bzw. Lernziele zu planen.Auch hierbei gilt es, bestimmte Systematiken zu bercksichtigen (wie sie beispielsweise imTuning-Projekt (2004) oder von der Arbeitsstelle fr Hochschuldidaktik der Universitt Zrich(2010; vgl. Schaper, 2012) erarbeitet wurden. Nicht zu vernachlssigen ist in diesem Zusam-menhang auch die Abschtzung des erforderlichen Workloads fr die geplanten Lernaktivi-tten und die damit verbundene Kreditierung der Module bzw. Modulleistungen (vgl. Tuning,2004). Dabei hilft es, sich von der Vorstellung einer inhaltlich umfassenden Behandlung allerThemenbereiche zu verabschieden. An diese Stelle sollte die exemplarische Behandlung vonLerninhalten treten, wobei der Fokus auf dem Erwerb zentraler Kompetenzelemente liegt,der an ausgewhlten Lerninhalten umgesetzt wird.

    3.2.2. Formulierung kompetenzorientierter Lernziele

    Nachdem zunchst beschrieben wurde, wie Lernziele fr einzelne Lehrveranstaltungen odersogar einzelne Sitzungen aus bergeordneten Kompetenzbeschreibungen abgeleitet wer-den knnen, konzentriert sich dieses Unterkapitel auf die eigentliche Formulierung dieserLernziele. Dabei sind Lernziele Zielumschreibungen der Kenntnisse, Fhigkeiten und Fer-tigkeiten oder gar Einstellungen, die Studierende erwerben sollen (Universitt Zrich AfH,2007, S. 13).

    Bei der Formulierung der Lernziele ist zu beachten, dass sie gewnschte Fhigkeiten undFertigkeiten der Studierenden beschreiben und dass sie eine Inhalts- und eine Handlungs-komponente enthalten sollen (Universitt Zrich AfH, 2010). Weiterhin sind die Lernzielekonkret, klar und przise, herausfordernd aber realistisch sowie berprfbar zu formulieren(siehe Abb. 3).

    Jedes Lernziel ist auf eine Ttigkeit / Aktion (Verb) zu beziehen. XDer Kontext der Handlung muss mit genannt werden. XEs ist nur jeweils ein Verb zu verwenden. XNur kurze Stze sollen verwendet werden. XErgebnisse mssen erkennbar / berprfbar sein. XRessourcen (auch Zeit) und Hilfen sollen genannt werden. XAlle Stufen der Taxonomie sind anzuzielen. X

    Abbildung 3: Leitlinie zur Formulierung von Lernaufgaben (entnommen aus Wildt & Wildt, 2011).

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    Oftmals erfolgt die Formulierung der Lernziele anhand von Lernzieltaxonomien, auf die wirim weiteren Verlauf des Gutachtens (insbes. in Kapitel 7) noch ausfhrlicher eingehen wer-den. Diese Lernzieltaxonomien werden der schon oben beschriebenen Tatsache gerecht,dass Kompetenzen auf verschiedenen Komplexittsstufen erworben werden knnen. JedeStufe der Lernzieltaxonomie (die einer Kompetenzstufe entspricht) ist mit Verblisten hinter-legt, welche die Handlungen bzw. kognitiven Operationen, die die Lernenden am Ende derLerneinheit beherrschen sollen, beschreibt. Die bekannteste dieser Verblisten geht auf Bloomund Kollegen zurck (1972); zurzeit wird meist die berarbeitung von Anderson und Kra-thwohl (2001; siehe auch Krathwohl, 2002, Wildt & Wildt, 2011, oder die Materialien derIOWA State University, 2012) verwendet. Auch die in Kapitel 7 vorgestellte Taxonomie-Matrixgreift in wesentlichen Elementen auf diese Systematik und damit verknpfte taxonomischeVerb-Kataloge zurck.

    Beispiele fr Lernzielformulierungen, die den Kriterien der in Abbildung 3 gezeigten Check-liste entsprechen, finden sich etwa auf den Internetseiten der Arbeitsstelle fr Hochschuldi-daktik der Universitt Zrich, darunter die folgenden beiden (AfH, 2008):

    Lernzielbeispiel Mathematik: Die Studierenden sind fhig, einem Nicht-Mathematikerdie Grundbegriffe der linearen Algebra zu erklren.

    Lernzielbeispiel Sozialwissenschaften: Die Studierenden sind in der Lage, die Entste-hungs-, Vermittlungs- und Funktionszusammenhnge eines populren Textes zu ana-lysieren.

    Wie in Kap. 2.3 dargestellt, sollten die fr die Lernziele verwendeten Verben folgerichtigauch mit Lern- und Prfungsaufgaben verknpft werden.

    Lernziele sind fr die Lehr-/Lernplanung von groer Bedeutung, da sie den Studieren-den die Ergebnisse des Lernprozesses transparent machen. Die Studierenden wissen, wasin dieser Lehreinheit erreicht werden soll. Dadurch wird effektiveres Lernen ermglicht, dieStudierenden orientieren sich an diesen Zielen und knnen ihren eigenen Lernstand bes-ser berprfen. Auch fr die Lehrenden bietet das Vorgehen einige Vorteile. So sind eineeffektivere Gestaltung der Lehrmaterialien und eine bessere Auswahl der geeigneten Lehr-methoden mglich. Auerdem knnen auf Basis der Lernziele Kenntnisse und Fhigkeitenbesser geprft und bewertet werden.

    Es ist hilfreich, die Lernziele mglichst spezifisch fr die jeweilige Lerneinheit zu bestim-men. Da bei der Planung einer Lehrveranstaltung die Realisierung der aktivierenden Lehr-/Lernformen auch an den jeweiligen Lernstoff gebunden ist, ist eine gute Strukturierung desLernstoffs der Veranstaltung notwendig, um exemplarische Inhalte auswhlen zu knnen,an denen der Kompetenzerwerb umgesetzt werden soll. Zur Strukturierung des Lernstoffsund als Methode zur Stoffreduktion bietet sich beispielsweise das Erstellen einer Lernland-karte nach Dring und Ritter-Mamczek (2001) an, bei der sog. Ankerbegriffe gebildet und imRahmen einer Lernlandkarte in zusammenhngender Form visualisiert werden. Die eigentli-che Stoffreduktion erfolgt bei der Bildung der Ankerbegriffe, indem hier verwandte bzw. zu-

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    sammengehrige Themenkomplexe unter einem Ankerbegriff subsummiert und komprimiertwerden und als Ausgangspunkt fr die Vermittlung wesentlicher bzw. zentraler Aspekte desLernstoffs verwendet werden. Die unter einem Ankerbegriff gebndelten Wissensaspekteund Prozeduren knnen dann z. B. anhand von exemplarischen Fllen bzw. Lernaufgabenverdeutlicht und eingebt werden. Durch dieses Vorgehen kann somit die Entscheidungerleichtert werden, welche Inhalte als zentrale Lerninhalte anzusehen sind und der exempla-rischen Behandlung dienen sollen.

    Nachdem die zentralen Lerninhalte feststehen, geht es in einem weiteren Schritt dar-um, die Lernziele in geeignete Lehr-, Lern- und Prfungsarrangements zu berfhren. Dazueignet sich bspw. die im folgenden Kapitel vorgestellte TAMAS-Methode, welche auf demConstructive-Alignment-Konzept von Biggs (2003) beruht.

    3.3. Lehr- und Prfungsplanung anhand des Constructive Alignment-und TAMAS-Ansatzes

    Das Constructive-Alignment-Konzept (Biggs, 2003) zeichnet sich dadurch aus, dass zen-trale Elemente der Lehr-/Lerngestaltung insbesondere auch die Prfungen auf dieintendierten Lernziele, d. h. vor allem auf die angestrebten Kompetenzniveaus einer Lehrver-anstaltung bzw. eines Moduls konsequent bezogen werden sollten. Dieses Grundprinzip derLehr-/Lerngestaltung wurde vor dem Hintergrund folgender Evidenzen entwickelt (a.a.O.):

    Lehrende orientieren sich bei der Planung und Durchfhrung von Lehrveranstaltungen ananderen Punkten als die Studierenden. Whrend die Lehrenden vor allem auf die Konzep-tion und Umsetzung wirkungsvoller Lerngelegenheiten fr die Studierenden achten, orien-tieren sich diese bei der Ausrichtung und Gestaltung ihres eigenen Lernprozesses oftmals inerster Linie an den Prfungsanforderungen einer Lerneinheit. Prfungen zeigen sich daherimmer wieder als wirkungsmchtige didaktische Steuerungsmechanismen. Sie bestimmenentscheidend darber, was Studierende lernen und wie sie lernen (Universitt Zrich, AfH,2007, S. 5). Ein groer Teil der Studierenden plant also seine Lernhandlungen in Anlehnungan die anstehende Prfung. Lehrende knnen sich bei ihrer Lehrkonzeption diese Erkenntniszu Nutze machen, indem sie Lernziele, Lehrmethoden bzw. die Lernhandlungen der Studie-renden und die Prfungsform aufeinander abstimmen (vgl. Abb. 4). Wenn die Lernziele sichin den Prfungen wiederspiegeln und dies in den Lehrveranstaltungen transparent gemachtwird, ist es mglich, Lernhandlungen der Studierenden wirkungsvoller zu steuern (Biggs,2003).

    In Bezug auf die Gestaltung der Prfung bedeutet dies, dass Lehrende darauf achtensollten, dass die Prfung sich genau an dem Lernzielniveau orientiert, welches im Modul auchals intendiertes Lernziel definiert ist. So ist es wenig hilfreich, eine Prfung durchzufhren,die im Wesentlichen auf die Abfrage von Wissen gerichtet ist, wenn im Modulhandbuch dieAnwendung oder Transformation von Wissen als Lernziel definiert ist. Hierzu sollten dahereher anwendungsbezogene Prfungsaufgaben oder Settings (z. B. in Form von Fallstudienoder Laboraufgaben) eingesetzt werden.

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    Ein einfach zu handhabendes Werkzeug zur berprfung des Constructive Alingmentsder eigenen Veranstaltung stellt die Taxonomie-Matrix zur Analyse und Selbstevaluation vonHochschullehre (TAMAS) der Universitt Zrich, Arbeitsstelle fr Hochschuldidaktik (2010)dar.

    Abbildung 4: Constructive Alignment von Prfungen (nach Wildt & Wildt, 2011).

    Das TAMAS-Konzept basiert auf der Lernziel-Taxonomie-Matrix von Anderson und Krathwohl(2001, siehe auch Abb. 5), prinzipiell knnen aber auch andere, (einfachere) Taxonomien her-angezogen werden (bspw. Metzger & Nesch, 2004; Reis & Ruschin, 2007, oder die in Ka-pitel 7 vorgestellte Matrix). Die Lernziel-Taxonomie von Anderson und Krathwohl (2001) istzweidimensional aufgebaut und besteht aus einer horizontalen Prozessdimension (die sechskognitive Prozessstufen beschreibt) und einer vertikalen Wissensdimension (die sich auf vierWissensarten bezieht).

    Die kognitive Prozessdimension dient zunchst der Klassifizierung der kognitiven Aspekteder drei Grundelemente von Hochschullehre (Lernziele, Lernaktivitten und Leistungsber-prfung) und wird, wie im vorherigen Kapitel beschrieben, durch entsprechende Ttigkeits-verben ausgedrckt. Das kognitive Anforderungsniveau nimmt mit jeder Stufe zu. Es wirddabei davon ausgegangen, dass eine hhere Stufe nicht ohne das Absolvieren der niedrige-ren Stufen erreicht werden kann.

  • Kompetenzen und Lernziele 23

    Die Wissensdimension unterteilt darber hinaus die Inhalte einer Veranstaltung in vierWissensarten, die ebenfalls entlang eines Kontinuums angeordnet sind: Jeder nachfolgendeWissenstyp stellt ein hheres Abstraktionsniveau dar als der vorherige.

    Anhand der Matrix knnen in der Lehre insbesondere die drei Elemente Lernziele, Lernak-tivitten bzw. Lehrmethoden und Prfungsformate bzw. Formen der Leistungsberprfungaufeinander abgestimmt und zielgerichtet gestaltet werden.

    Abbildung 5: Matrix zu taxonomischen Kategorien kognitiver Lernzielen (nach Anderson und Krathwohl, 2001).

    Dazu beschreibt der TAMAS-Ansatz ein Vorgehen in sechs Schritten (vgl. Abb. 6), wie die ver-schiedenen Elemente einer Lehr-/Lernplanung systematisch konzipiert werden knnen unddabei das Alignment der Elemente gewhrleistet werden kann. Nacheinander werden dasjeweilige Lernziel, die dazugehrige Lernaktivitt und die anschlieende Leistungsberpr-fung in die entsprechenden Zellen der Matrix eingetragen und auf ihre vergleichbare Aus-richtung (Alignment) hin berprft. Ideal ist es, wenn alle drei Aspekte der Lehrveranstaltung(Lernziele, Lernaktivitten und Leistungsberprfung) in derselben Zelle verortet sind, aberauch Eintragungen in benachbarten Zellen sind vertretbar. Dabei gilt es zu beachten, dassdie Leistungsberprfung nicht auf einer anspruchsvolleren oder schwierigeren Niveaustufeverortet ist als die Lernaktivitten, da die Studierenden dann nicht die Chance hatten, diein der Prfung abgeprften Lernziele in der Veranstaltung zu erlernen. Falls Lernziele, Lern-aktivitten und Leistungsberprfung erheblich in Bezug auf die Zuordnungen in der Matrixvoneinander abweichen, mssen ein oder mehrere dieser Aspekte solange modifiziert wer-den, bis eine Passung hergestellt ist. Da die Ziele des Moduls in den meisten Fllen festvorgegeben sind, wird dies meist auf eine Anpassung der Lernaktivitten und Prfungsmo-dalitten an die Modulziele hinauslaufen. Zu beachten ist, dass man sich in der Lehrpraxis

  • Kompetenzen und Lernziele 24

    zwischen den einzelnen Schritten hin und her bewegen muss, bis eine bereinstimmungvon Lernzielen, Lernaktivitten und Leistungsberprfung vorliegt. Interessant am TAMAS-Instrument ist auerdem, dass es auf verschiedenen Ebenen d. h. sowohl zur Modulplanung,zur Lehrveranstaltungsplanung als auch zur Planung spezifischer Lerneinheiten eingesetztwerden kann.

    Das Vorgehen zum Einsatz der Lernziel-Taxanomie-Matrix in sechs Schritten wird im Fol-genden anhand eines Beispiels beschrieben:

    Abbildung 6: Schematische Darstellung zum Einsatz von TAMAS (angelehnt an Universitt Zrich, AfH, 2010).

    1. Schritt: Lernziele formulieren (LZ)

    Pro Lerneinheit (Lektion/Vorlesung) sollen die spezifischen Lernziele formuliert wer-den. Die Arbeitsstelle fr Hochschuldidaktik der Uni Zrich gibt dafr folgendes Bei-spiel (2010, S.12 ff): Das Thema der Veranstaltung ist Einfhrung ins Steuerrecht die

  • Kompetenzen und Lernziele 25

    beispielhafte Lektion hat das Lernziel: Die Studierenden verstehen, warum die Unter-scheidung zwischen allgemeinen und sozialpolitischen Abzgen wichtig ist.

    2. Schritt: Lernaktivitten der Studierenden festlegen (LA)

    Der Lehrende erlutert die beiden Konzepte zunchst allgemein. Aufgrund einer aktu-ellen Fragestellung lsst er die Studierenden in Kleingruppen diskutieren, ob Zuwen-dungen an politische Parteien als allgemeiner oder als sozialpolitischer Abzug zugelas-sen werden sollten und ihre Standpunkte begrnden.

    3. Schritt: Leistungsberprfung planen (L)

    Um schlielich zu berprfen, ob die Studierenden das Lernziel erreicht haben, lsstder Dozent die erarbeiteten Standpunkte im Plenum vortragen, wozu er Rckmeldun-gen an die Studierenden ber den erreichten Stand gibt.

    4. Schritt: Elemente in die Matrix einordnen (vgl. Abb. 7)

    Das fr die Lernsequenz intendierte Lernziel wird auf der Anderson und Krathwohl-Matrix in der Zelle B2 verortet, da die Studierenden Konzepte (Kategorie B) verstehen(Stufe 2) sollen. Die Anforderungen, die bei der Ausfhrung der Lernaktivitt gefordertsind, gehen allerdings ber das Anforderungsniveau des Lernziels hinaus, da zwar im-mer noch Konzepte betrachtet werden (Kategorie B), diese aber schon angewendetwerden sollen (Stufe 3) (LA). Die Lernzielberprfung verlangt darber hinaus diesel-ben Fhigkeiten bzw. reprsentiert dasselbe Anforderungsniveau wie bei den Lernak-tivitten. Aus diesem Grund erfolgt eine Einordnung in dasselbe Matrixfeld (L).

    5. Schritt: Alignment berprfen

    Ein ideales Alignment wrde bedeuten, dass alle drei Elemente derselben Zelle zuge-ordnet werden. Im Sinne des Constructive Alignment msste die beschriebene Lehr-planung also noch einmal modifiziert werden. Zwar sind die drei Aspekte schon inangrenzenden Zellen, allerdings setzt, wie schon oben beschrieben, die Prfungsmo-dalitt ein hheres Kompetenzniveau voraus als in der Modulbeschreibung gefordert.Sofern es sich um eine summative Prfung handelt, muss dieser Missstand im nchs-

  • Kompetenzen und Lernziele 26

    ten Schritt korrigiert werden (Universitt Zrich, AfH, 2010, S. 15).

    Abbildung 7: Darstellung von Prfungsformaten und Mglichkeiten zur Prfung von Kompetenzen (vgl.Universitt Zrich AfH, 2007)

    6. Schritt: Notwendige Modifikationen vornehmen

    Falls Lernziele, Lernaktivitten und Leistungsberprfung auf der Matrix zu stark streu-en, oder wie im vorliegenden Beispiel die Prfungsmodalitt ein hheres Kompetenz-niveau voraussetzt als in der Modulbeschreibung gefordert, mssen Lernziele, Lernak-tivitten und Leistungsberprfungen so lange modifiziert werden, bis eine Passunghergestellt ist. Da die Lernziele idealerweise aus den Modulbeschreibungen abgeleitetwurden, besteht bei diesem Element nur wenig Spielraum fr Vernderungen. Ler-naktivitten und Prfungsmodalitten sollten also entsprechend angepasst werden.Die Entwickler des TAMAS-Instruments (Universitt Zrich, AfH, 2010, S. 15) weisendarauf hin, dass eine Einordnung aller drei Elemente in eine Zelle auch bei summati-ven Prfungen nicht unbedingt gegeben sein muss. Es ist allerdings darauf zu achten,dass die Prfungsmodalitten nicht einem hheren Kompetenzniveau entsprechen alsdie zugehrigen Lernaktivitten, da die Studierenden sonst Kompetenzen nachweisenmssten, die sie in der betreffenden Veranstaltung nicht erwerben konnten.

    In einer resmierenden Beurteilung der TAMAS Systematik stellen die Autorinnen und Au-toren fest, dass der Lehrende zwar bei der Einarbeitung in die Systematik Zeit investierenmuss, um sich mit dem Instrument vertraut zu machen und Lernziele, Lernaktivitten, undLeistungsberprfung sicher auf der Matrix einordnen zu knnen. Langfristig fhrt der kon-sequente Einsatz aber, wie entsprechende Nutzungserfahrungen von Anwendern zeigen,zu einer (zeitlichen) Entlastung der Lehrenden bei der Lehrplanung und letztlich zu einembesseren Lernerfolg bei den Studierenden.

  • Gestaltung kompetenzorientierter Prfungen 27

    Das besondere Potential des TAMAS-Instruments liegt unserer Meinung nach vor allemdarin begrndet, dass Lehrende dabei untersttzt werden, grundstzliche didaktische Fra-gen zu klren, ohne dabei Entscheidungsfreiheiten in Bezug auf Lernstoff, Lehrmethodenund die Prfungsgestaltung zu verlieren. Diese Entscheidungsfreiheit fhrt allerdings gleich-zeitig dazu, dass das TAMAS-Instrument allein noch keine Hilfestellung gibt, wie die ent-sprechenden Zellen der Matrix ausgestaltet werden knnten. In weiteren Kapiteln (4.2 und7) wird versucht, entsprechende Hilfestellung zu entwickeln und anzubieten. Zuvor wird inKapitel 4.1 noch auf die verschiedenen Funktionen, die eine Prfung im Lernprozess habenkann, eingegangen.

    4. Gestaltung kompetenzorientierter Prfungen

    Im folgenden Kapitel werden grundlegende Aspekte und Formate einer kompetenzorien-tierten Prfungsgestaltung angesprochen und erlutert. Dabei geht es um unterschiedlicheFunktionen von Leistungsprfungen in der Hochschullehre, um geeignete Aufgaben undFormate fr kompetenzorientiertes Prfen, Aspekte der Notengebung sowie Gtekriterienkompetenzorientierter Leistungsprfungen.

    4.1. Prfungsfunktionen

    Prfungen sind bedeutsame Elemente des Bildungsprozesses und besitzen eine zentraleSteuerungsfunktion fr den Lernprozess. Das bedeutet, dass auf das Bestehen der Pr-fung oder den Erhalt von Feedback immer ein hoher Anteil von Lernaktivitten gerichtetist. Von Prfungssituationen sollten daher eindeutige Hinweise und Anreize in Bezug aufdie Lernanforderungen ausgehen, da ansonsten die Lernaktivitten nicht auf das Lernziel-Level, sondern auf das Prfformat-Level ausgerichtet werden. Die Prfungsaufgaben und-anforderungen mssen sich daher im Sinne des im vorherigen Kapitel beschriebenen Con-structive Alignment-Ansatzes eng an den angestrebten Lern- bzw. Kompetenzzielen orien-tieren. Das gilt nicht nur fr die fachlichen, sondern auch fr die fachbergreifenden Lern-bzw. Kompetenzziele (vgl. Schaper, 2012).

    Die jeweils gewhlten Prfungsaufgaben geben dem Lehrenden idealerweise die Mg-lichkeit zu messen, inwieweit die angestrebten Lernziele von den Studierenden erreicht wur-den. Das Erreichen eines Lernziels kann hierbei durch eine oder mehrere Prfungsaufgabenberprft werden (siehe hierzu die Abschnitte ber Reliabilitt und konomie kompetenzori-entierten Prfens in Kapitel 4.4). Empfehlenswert ist dabei stets das Erstellen eines Beurtei-lungsrasters, um ein gewisses Ma an Objektivitt der Leistungsbewertungen zu gewhrleis-ten und um Studierendenleistungen besser vergleichbar zu machen (Mappes & Klink, 2001;siehe Kapitel 4.4 fr eine ausfhrlichere Darstellung der Gtekriterien).

    Walzik (2012, S. 13ff) folgend gibt es gute Grnde bzw. Funktionsziele, die im hochschuli-schen Kontext neben der o.g. Qualittssicherung des Lehr-/Lernprozesses, d. h. dem Nach-

  • Gestaltung kompetenzorientierter Prfungen 28

    weis, in welchem Ausma die angestrebten Kompetenzen von den Lernenden erworbenwurden, fr Prfungen sprechen: Dazu zhlen die Gewhrleistung von Vergleichbarkeitzwischen den Leistungen der Studierenden, die Untersttzung von Selektionsfragen, wennes beispielsweise um die Zuweisung von begrenzten Studien- oder Arbeitspltzen geht, aberauch von Motivationsaspekten, indem sie dem Lernprozess ein Ziel geben, sowie Leis-tungsbesttigung und Feedback um Kompetenzerleben und eine Leistungsstandrckmel-dung zu erhalten.

    Im Allgemeinen differenziert man bei der Konzeption und Gestaltung von Prfungen zwi-schen ergebnis- und prozessorientierten bzw. summativen und formativen Prfungen (vgl.Knight, 2001; Wildt & Wildt, 2011). In Anlehnung an die oben genannten Ziele bzw. Be-grndungen fr Prfungen sind damit auch unterschiedliche Funktionen im Bildungsprozessverbunden: Bei summativen Prfungen (assessment of learning, Birenbaum, 2003 S. 3), dieeine Nachweisfunktion haben, um auf der Basis der Prfungsergebnisse weitere Zugangs-berechtigungen zu erteilen bzw. vorzuenthalten (Selektions- und Zuweisungsfunktion). Sum-mative Prfungen sollten daher am Ende einer Lerneinheit eingesetzt werden. Hierbei ist eineBewertung im Sinne einer Benotung der Prfungsleistungen meist gefordert. Summative Pr-fungen sollten an den Modulzielen ausgerichtet sein und diese Kompetenzziele auch auf dementsprechenden, in den Modulzielen beschriebenen Niveau erfassen. Da sich summative Pr-fungen am Gesamt des Gelernten orientieren, entspricht diese Form der Leistungskontrolleam ehesten einer Modulabschlussprfung oder Zwischen- und Abschlussprfung der aus-laufenden Studiengnge (vgl. Wildt & Wildt, 2011; Dubs, 2006). Beispielhaft fr Modulab-schlussprfungen sind etwa mndliche Prfungen oder auch Portfolioprfungen zu nennen(siehe Kapitel 4.2. und 5.1), bei denen Studierende eigenstndig ausgewhlte Modulinhalteaufbereiten und im Anschluss anhand von Ausarbeitungen, die auf dieser Grundlage erstelltwurden, mndlich ber die Modulinhalte abgeprft werden. Bachelor- oder Masterarbei-ten sind ebenfalls summative Prfungen, nur dass diese sich nicht auf ein einzelnes Modul,sondern (idealerweise) auf die im Studium als Ganzes erworbenen Kompetenzen beziehen.

    Mindestens genauso wichtig sind im Kontext der Kompetenzorientierung allerdings for-mative Prfungen, welche sich eher auf (Zwischen-)Etappen des Lernprozesses, die in Formvon Beobachtungen und Bewertungen bei der Aufgabenbewltigung erfolgen, beziehen.Wie schon der Kompetenzdefinition von Weinert (2001) zu entnehmen ist, sind Kompeten-zen erlernbar, d. h. die Lehrenden sollten den Prozesscharakter des Lernens betonen undsomit die Konstruktion des Wissens und Knnens untersttzen (Metzger, 2006). Forma-tive Prfungen (assessment for learning) knnen das Lernen in die gewnschte Richtunglenken, indem den Studierenden eine (mehr oder weniger) kontinuierliche Rckmeldung dereigenen Lernleistung durch den Lehrenden zur Verfgung gestellt wird. Anhand dieser Rck-meldung knnen die Studierenden den Lernprozess modifizieren und somit erfolgreichergestalten. Man knnte einwenden, dass diese formativen Prfungen, die zustzlich zu dennotenrelevanten Modulprfungen durchgefhrt werden, das ohnehin stark gestiegene Pr-fungsaufkommen fr die Studierenden noch einmal vervielfachen. Allerdings entspricht diesnicht der Intention formativer Prfungen und ist aus unserer Sicht auch nicht zutreffend,

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    da ein entscheidendes Element einer summativen Prfung fehlt: die Benotung. FormativeLernberprfungen sollten nicht in die Bestimmung der Endnote (ermittelt durch die sum-mative Prfung) miteinbezogen werden, da die durchgehende Orientierung an (End-)Notendas Lernen im Sinne eines selbstkontrollierten Lernens und die intrinsische Motivation zurBearbeitung des Gegenstandes eher beschdigt als frdert (Wildt & Wildt, 2011, S. 30;siehe auch Metzger, 1997, S. 526; fr einen kurzen berblick zu formativen Classroom-Assessment-Techniques siehe bspw. Walzik, 2012, S. 71ff). Damit haben formative Prfun-gen eher den Charakter eines Angebots an die Studierenden, eine Rckmeldung ber ihrenmomentanen Leistungsstand zu erhalten. Solche formativen Leistungsberprfungen kn-nen ebenfalls auf ganz unterschiedliche Weise gestaltet werden, etwa in Form von direktenRckmeldungen auf Diskussionsbeitrge einzelner Seminarteilnehmer, oder falls dies etwaaufgrund der Gre der Veranstaltung nur schwer umsetzbar ist, mittels kurzer Testate, diesowohl dem Lehrenden als auch den Lernenden eine Rckmeldung ber die momentaneLeistung geben. Weitere Mglichkeiten des formativen Testens finden sich in den im An-hang dargestellten Good-Practice-Beispielen (u. a. in den Beispielen Progress Test Medizinund Umweltgutachten).

    Die Trennung von summativen und formativen Prfungsformen und die angemessene undqualifizierte Rckmeldung zu den Prfungsergebnissen sind wichtige Herausforderungen,die an die neue Rolle des Lehrenden gestellt werden (siehe Kapitel 5.1). Bei der Gestaltungdieser Rckmeldung sollten Lehrende beachten, dass positives, auf Kompetenzerwerb aus-gerichtetes Feedback die intrinsische Motivation und damit die erlebte Selbstbestimmungder Studierenden erheblich steigern kann (Deci & Ryan, 1985; Reeve, Ryan, Deci, & Jang,2007). Dies bedeutet, dass Feedback vor allem auf die Diskrepanz zwischen momentanemIst-Zustand und erstrebtem Soll-Zustand eines (Kompetenz-)Ziels gerichtet sein sollte, umauf dieser Grundlage konkret aufzuzeigen, wie diese Diskrepanz berwunden werden kann(Hattie & Timperley, 2007). Dabei sollte sich das Feedback mglichst nicht nur auf die geradeerledigte Aufgabe in Form der Ergebnisse bzw. Lsung beziehen (Task-Feedback; siehe Hattie& Timperley, 2007), sondern auf die Prozesse, die zur Aufgabenlsung verwendet wurden(Process-Feedback). So angewendet, enthlt Feedback immer schon eine Handlungsempfeh-lung fr den nchsten Schritt (Kulhavy, 1977, siehe auch Kapitel 4.1).

    4.2. Prfungsaufgaben und -formate

    Damit kompetenzorientierte Prfungen einen wirkungsvollen Kompetenzerwerb unterstt-zen, mssen die Prfungsaufgaben und -anforderungen sich wie eingangs beschrieben eng an den angestrebten Lernzielen orientieren (Biggs, 2003, Universitt Zrich, AfH, 2010).Wenn die Lernziele z. B. auf den Erwerb von Fhigkeiten zur Lsung von komplexen fach-lichen Problemstellungen gerichtet sind, sollten entsprechende Problemlsungsanforderun-gen und -szenarien auch in der Prfung vorkommen. Eine entsprechende Bezugnahme undUmsetzung in Prfungsaufgaben gilt dabei nicht nur fr fachliche Kompetenzziele, sondernauch fr die fachbergreifenden Lernziele (z. B. in Bezug auf sozial-kommunikative oder me-

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    takognitive Lernziele). Im Allgemeinen bedeutet dies bezglich der Konzeption kompetenz-orientierter Prfungsverfahren, dass hierfr weniger wissensreproduzierende Prfaufgaben,sondern vielmehr solche zu whlen und zu gestalten sind, die die Anwendung von Wissen,dessen Umsetzung in Handlungszusammenhngen sowie die Beurteilung und Reflexion vonrealittsnahen Problemstellungen fordern.

    Auf Basis der Lernziele sollten also geeignete Aufgabentypen und Anforderungssituatio-nen bestimmt werden. Erst in einem weiteren oder eng damit verknpften Schritt sind dieseAufgaben dann in passende Prfungsformate zu berfhren. Allerdings existieren kaum ge-eignete Systematiken und Hilfestellungen zur Herleitung von lernzielgerechten Aufgabenfor-men. Bei der Herleitung von lernzielgerechten Prfungsaufgaben ist grundstzlich Folgendeszu beachten (vgl. auch Bchter & Leuders, 2005). (1) Zunchst gilt es darauf zu achten, dassdie Aufgabenanforderungen auf die im kompetenzorientierten Lernziel genannten Anforde-rungen Bezug nehmen; d. h. dass die Lsung bzw. Bearbeitung der Aufgabenstellung oderAnforderungssituation Verhaltensweisen oder kognitive Leistungen verlangt, die im Lernzielbeschrieben werden. (2) Darber hinaus gilt es zu analysieren, inwieweit im Rahmen der Pr-fungsaufgabe kontextfreie oder kontextbezogene Anforderungen realisiert werden sollen.Im ersteren Fall liegen eher Anforderungen, die zur Lsung abstraktes Wissen oder kogniti-ve Leistungen ohne Anwendungsbezge erfordern. Im letzteren Fall geht es um Aufgaben,die durch mehr oder weniger ausgeprgte Anwendungsbezge gekennzeichnet sind. DieseAnwendungsbezge gilt es weiterhin hinsichtlich ihrer Ausprgungen in Bezug auf Reali-ttsnhe und Ausma des Transfers bzw. der Art der inhaltlichen Anwendungsbezge zubestimmen und auszugestalten. (3) Ein drittes Auswahl- und Gestaltungskriterium fr dieHerleitung von Prfungsaufgaben bezieht sich darber hinaus auf das Ausma der Kom-plexitt der Anforderungen; d. h. es sollte berlegt werden, wie viele Lsungselemente undLsungsschritte bei der Bearbeitung der Aufgabe zu bercksichtigen bzw. angemessen frdie Bewltigung der Prfungsanforderung sind. (4) Schlielich gilt es zu berlegen, welchenGrad der Offenheit die Prfungsaufgabe aufweisen sollte. Offene Aufgabenstellungen sinddadurch gekennzeichnet, dass die Antworten zur Lsung selbst generiert werden mssenund darber hinaus Freiheitsgrade in Bezug auf die Ausgangssituation, die Lsungswegeoder die Zielkriterien aufweist. Bei geschlossenen Aufgaben werden hingegen die Antwort-mglichkeiten in aller Regel vorgegeben und es gibt nur geringe Freiheitsgrade in Bezug aufdie Art des Lsungsweges und des zu erreichenden Ergebnisses. Eher vor dem Hintergrundhandhabungstechnischer Gesichtspunkte ist darber hinaus zu ermitteln, wie viele Aufgabenzu einem Lernziel- oder Inhaltsbereich gestellt werden sollen, wie viel Zeit fr die einzelnenAufgaben bzw. durchschnittlich pro Aufgabe zur Verfgung gestellt werden soll und in wel-chem Verhltnis bestimmte Aufgabentypen dargeboten werden sollen (z. B. wie viele offeneund wie viele geschlossene Aufgaben in einer schriftlichen Prfung vorkommen).

    Wie oben beschrieben gilt es in einem weiteren Schritt anhand der aus den Lernzielenabgeleiteten Aufgabentypen geeignete Prfungsformate fr die Prfung zu bestimmen undauszugestalten. Leider existieren auch fr diesen Konstruktionsschritt kaum befriedigendeKonzepte oder Handlungshilfen. Verschiedene Anstze (z. B. Universitt Zrich, AfH, 2007)

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    beschreiben allenfalls auf einem relativ globalen Niveau, wie entsprechende Prfungsanfor-derungen in valide Prfungsformate zu berfhren sind (z. B. mithilfe welcher Prfungsfor-mate welche Kompetenzbereiche angemessen erfasst werden knnen). In Bezug auf solcheZuordnungstabellen ist kritisch anzumerken, dass diese auf Grund des Allgemeinheitsgradessowohl der Kompetenzkategorien, aber auch der Prfungsformate, die in diesen Zusam-menhngen verwendet werden, die Ableitung differenzierter und praxisgerechter Hinweisezur Auswahl geeigneter Prfungsformate fr bestimmte Lernziele und Aufgabentypen nur insehr unzureichender Form erlauben. Daher empfiehlt es sich, bei der Prfungsgestaltung inerster Linie auf die Auswahl geeigneter Aufgabentypen zu fokussieren und die Frage nachdem geeigneten Prfungsformat in Abhngigkeit davon zu beantworten (fr Beispiele vonAufgabentypen fr einzelne Kompetenzniveaustufen und -facetten siehe Kapitel 7).

    Fr kompetenzorientiertes Prfen sind vor allem Prfungsaufgaben bzw. -formate geeig-net, die problem- und handlungsorientierte Anforderungen stellen und komplexe kogniti-ve Leistungen erfordern, die jeweils den Kompetenzanforderungen der angestrebten Lern-ziele entsprechen. Im Zusammenhang mit ergebnisorientierten bzw. summativen Prfungs-kontexten sollte dies insbesondere auch sog. Situative Prfungs- bzw. Testformate beinhal-ten (vgl. Schaper, 2009b), die die relevanten Prfungsanforderungen anhand von situierten(d. h. in Anwendungssituationen eingebetteten) bzw. szenariogesttzten Aufgabenforma-ten (z. B. die Bearbeitung von vollstndigen Handlungszusammenhngen in Fallklausuren,aber auch sog. Miniflle in herkmmlichen Klausuren) reprsentieren. Bei prozessorientiertenbzw. formativen Prfungskontexten sollten die Prfungsanforderungen wenn mglich einge-bettet sein in komplexere Lernaufgaben (z. B. bei der Durchfhrung von Experimenten, Kon-struktionsaufgaben oder komplexen Berechnungen in mathematisch-naturwissenschaftlichenFchern oder bei der Bearbeitung von komplexen Fllen oder Projekten in wirtschafts- undsozialwissenschaftlichen Studienfchern). Die Prfungsanforderungen sollten in Anlehnungan Prinzipien einer in den Lernprozess eingebetteten Lernkontrolle gestaltet werden (em-bedded assessments ; vgl. Wilson & Sloane, 2000). Nicht immer wird es gelingen Prfungs-szenarien zu gestalten, die Kompetenzen in ihrer gesamten Komplexitt abfordern bzw. pr-fen. Dennoch sollte auch bei der Prfung von Teilkompetenzen eine Einbettung der Aufga-benkomponenten in realittsnahe Handlungs- bzw. Problemlsungszusammenhnge oderHandlungsausschnitte versucht werden (Schaper, 2012).

    Fr die Praxis bedeutet dies, dass Lehrende vielfltige Mglichkeiten der Prfungsgestal-tung haben. Und je nach Ausgestaltung der Prfungsaufgaben und -anforderungen knnenso Kompetenzen in unterschiedlichem Ausma nachgewiesen werden. Eine weitere wichti-ge Bedingung ist, dass den Lernenden die Prfungsanforderungen, -aufgaben und -formatesowie die Bewertungskriterien im Zusammenhang mit den Lernzielen verdeutlicht und trans-parent gemacht werden sollten (vgl. Rust et al., 2003). Hierdurch knnen die Ziele des Kom-petenzerwerbs konkretisiert und veranschaulicht werden und die Lernenden klare Vorstel-lungen ber die angestrebten Lernziele entwickeln. Hierauf sollte nicht nur zu Beginn einerLerneinheit, sondern auch im Verlauf des Lernprozesses immer wieder eingegangen werden.Wichtig ist dabei allerdings, dass dadurch nicht der Eindruck erweckt wird, es komme vor

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    allem auf das Bestehen der Prfung an, sondern dass der Zusammenhang von Lernweg, dendazu erforderlichen Lernaktivitten und den Lernzielen verdeutlicht wird und fr den Ler-nenden als Orientierungsmarken zur Selbststeuerung des Lernprozesses vermittelt werden(Boud & Falchikov, 2006).

    Tabelle 8 gibt eine bersicht ber gngige Prfungsformen bzw. -formate in Bezug auftendenzielle Strken der einzelnen Formen zum Nachweis bestimmter Kompetenzfacettensowie dem aus dem gewhlten Format resultierenden Freiheitsgrad fr die Studierenden undden erforderlichen Vorarbeiten durch die Lehrenden. Bei der Zuordnung, welche Kompetenz-facetten durch ein bestimmtes Format abgeprft werden, wird auf die weit verbreitete Kom-petenzeinteilung aus der Berufsbildungsforschung die Einteilung in Fach-, Methoden-,Sozial- und Personalkompetenzen Bezug genommen (Universitt Zrich, AfH, 2007). Beider Anwendung der Zuordnungstabelle zur Auswahl eines geeigneten Prfungsformats istzu bercksichtigen, dass es im Wesentlichen von den konkreten Aufgabenstellungen, die beiden jeweiligen Prfungsformaten verwendet werden, abhngt, welche Kompetenzfacettentatschlich erfasst werden knnen. Im Folgenden werden die einzelnen Formate kurz hin-sichtlich der genannten Eigenschaften charakterisiert:

    Durch schriftliche Prfungen knnen insbesondere Fach- und Methodenkompetenzen abge-prft werden. Eine hufig gewhlte Form bzw. Aufgabenstellung bei schriftlichen Prfungensind Multiple-Choice-Aufgaben, die oftmals nur auf eine Abfrage von Faktenwissen ausge-richtet sind. Prfungsaufgaben in schriftliche Prfungen knnen aber auch so gestaltet wer-den, dass sie Kompetenzen auf hheren kognitiven Niveaus (z. B. Anwenden oder Beurteilen)abprfen (vgl. Gage & Berliner, 1996). In diesem Fall gilt es komplexere und offenere sowiemeist auch anwendungsbezogene Aufgaben z. B. in Form von Essayfragen oder fallbezoge-nen Analyse- und Anwendungsfragen zu stellen. Im Rahmen der Vorbereitung von schriftli-chen Prfungen ist darauf zu achten, dass die Fragen sorgfltig im Hinblick auf die Lernzie-le konstruiert werden. Hierbei sollten die Prfungsaufgaben zumindest in Ausschnitten imVorfeld mit potenziellen Prfungsprobanden auch erprobt werden, um in einer konkretenAnwendungssituation festzustellen, ob die Fragen bzw. Aufgaben in geeigneter und ange-messener Form entsprechende Prfungsanforderungen realisieren. Die beschriebenen Unter-formen schriftlicher Prfungen (Multiple-Choice-Aufgaben, Essayfragen, fallbezogene Analy-seaufgaben etc.) knnen somit zur berprfung unterschiedlicher Lernziel-Taxonomiestufenverwendet werden (vgl. Kapitel 3.3 und 7). Weitere sehr instruktive Hinweise zur Konstruk-tion von schriftlichen Prfungsaufgaben finden sich bei Metzger und Nesch (2004, S. 43ff).Die Freiheitsgrade zur Mitgestaltung der Prfungssituation durch die Prfungskandidatensind bei diesem Format eher gering.

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    Abbildung 8: Darstellung von Prfungsformaten und Mglichkeiten zur Prfung von Kompetenzen (vgl. Univer-sitt Zrich AfH, 2007)

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    Auch mit mndlichen Prfungen knnen Fach- und Methodenkompetenzen (neben Sozi-alkompetenzen) berprft werden. Dieses Format bietet durch seine Flexibilitt die Mg-lichkeit, strker auf die individuellen Kompetenzen des Lernenden einzugehen und damitsein Leistungsniveau genauer bestimmen zu knnen. Diese Flexibilitt geht allerdings zu Las-ten der Objektivitt und Reliabilitt mndlicher Prfungen (siehe Kapitel 4.4). Daher solltenmndliche Prfungen sorgfltig vorbereitet werden (fr eine nhere Darstellung und prak-tische Hilfestellungen siehe Metzger & Nesch, 2004). Die Vorbereitungen sollten sich ins-besondere auf die Strukturierung des Ablaufs und der Prfungsanforderungen (z. B. Inhalteund Form der gestellten Fragen) sowie die Formulierung konkret operationalisierter Bewer-tungskriterien beziehen. Im Rahmen mndlicher Prfungen knnen Fragen bzw. Aufgabenfr unterschiedliche kognitive Niveaus gestellt werden. Daher ist auch bei diesem Formatsorgfltig zu berlegen, welche Lernziele, auf welchen Niveaus mithilfe welcher Fragen bzw.Aufgaben abgeprft werden sollen. Mndliche Prfungen stellen darber hinaus hohe An-forderungen an die Kommunikations- und Beurteilungsfhigkeiten der Prfenden, um eineanforderungsgerechte und faire Prfung zu gestalten. Auch in Bezug auf dieses Prfungsfor-mat finden sich weitere sehr instruktive Hinweise zur Konstruktion bei Metzger und Nesch(2004, S. 101ff). Traditionell sind die Mitgestaltungsmglichkeiten der Prflinge bei mndli-chen Prfungen eher eingeschrnkt. Durch die hohe Flexibilitt dieses Formats knnen denPrflingen aber durchaus groe Freiheitsgrade bei der Gestaltung der Prfungssituation ein-gerumt werden. Insbesondere wenn der Umgang mit komplexen und problemhaltigenPrfungsanforderungen (z. B. bei der Bearbeitung von konkreten Anwendungsfllen bzw.-szenarien) gefordert ist, knnen entsprechende Freiheitsgrade bedeutsam sein, um fach-bergreifende Fhigkeiten wie z. B. Problemlsungskompetenzen valide zu erfassen.

    Bei einer Prsentation oder einem Referat sind die Freiheitsgrade im Vergleich zu den bereitsgenannten Formaten aus Sicht der Studierenden noch grer. Je nach Thema und Vorgabenhaben die Studierenden hierbei eine grere Freiheit zur Mitgestaltung der Prfungsinhal-te, indem sie z. B. eigene Schwerpunkte in der Ausarbeitung und Darstellung der Thematiksetzen oder auch die Formen der Darstellung selbstndig gestalten. Im Rahmen dieses For-mats sollen insbesondere Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen nachgewiesen werden.Bei der Gestaltung der Prfungssituation im Rahmen von Prsentationen sollte besondereSorgfalt auf die Operationalisierung konkreter Beurteilungskriterien und deren Transparenzgelegt werden. Prsentationen und Referate sind insbesondere fr formative Prfungsset-tings geeignet, knnen aber auch fr summative Prfungen genutzt werden. Prsentatio-nen werden darber hinaus insbesondere als Prfungselemente im Kontext von Fallstudien,Projektarbeiten oder wissenschaftlichen Praktika verwendet, um die Ergebnisse komplexerAufgabenbearbeitungs- oder Problemlsungsprozesse zu bilanzieren und in anschlieendenFrage- und Diskussionsphasen zu reflektieren.

    Qualifikationsarbeiten bieten als Prfungsformat neben dem Nachweis der bereits genann-ten Kompetenzbereiche auch die Mglichkeit zum Nachweis von Selbstkompetenzen. Im

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    Kontext von Qualifikationsarbeiten werden darber hinaus Fach- und Methodenkompeten-zen in einer besonders komplexen Form abgeprft. Auerdem weist dieses Format mittlerebis groe Gestaltungsfreiheiten fr die Studierenden auf. Aufgabe des betreuenden Lehren-den ist vor allem, bei der Wahl des geeigneten Themas zu untersttzen, auf Ressourcen zurBearbeitung der Thematik und zur Erstellung des Textes hinzuweisen und die Erwartungenund Beurteilungskriterien zu kommunizieren (siehe hierzu weitere instruktive Hinweise zurThemenbestimmung, Betreuung und Bewertung von Qualifikationsarbeiten bei Metzger &Nesch, 2004, S. 124ff). Prekr ist in diesem Kontext oftmals die Konfusion von Betreuungs-und Bewertungsrollen der Lehrenden.

    Wissenschaftspraktische Ttigkeiten, Fallanalysen und Projektarbeiten haben den Vorteil ei-nes hohen Anwendungs- und Praxisbezugs in Bezug auf die nachzuweisenden Fach- undMethoden- teilweise auch Sozial- und Selbstkompetenzen. Diese Formate sind daher vorallem geeignet, Lernziele zu den kognitiven Niveaus des Anwendens, Beurteilens und Ge-staltens/Kreierens abzuprfen. In Bezug auf solche Lernziele sollten Themenstellungen undSzenarien von Lehrenden gezielt ausgewhlt und entsprechende Beurteilungskriterien opera-tionalisiert werden. Da hier oft in Gruppen gearbeitet wird (und ggf. auch Gruppenleistungengeprft werden), werden in diesen Prfungsformen neben Fach- und Methodenkompeten-zen auch Sozialkompetenzen einer Beobachtung und Beurteilung zugnglich gemacht.

    Lernjournale sind in besonderem Mae geeignet, den Aspekt der Reflexion des eigenenLernfortschritts als Teil der Selbstkompetenz (neben Fach- und Methodenkompetenz) nach-zuweisen. Die Studierenden erstellen fr jede Veranstaltungssitzung einen Eintrag, in demsie beschreiben, welche in der Sitzung behandelten Inhalte sie als besonders bedeutsamansehen. Diese Reflexionsarbeit kann mit Hilfe vorab zur Verfgung gestellter Leitfragenuntersttzt werden. Funktion dieses Formats ist in besonderem Mae die Frderung desLernprozesses, so dass Lernjournale in erster Linie in formativen Prfungszusammenhngenvon Bedeutung sind.

    Auch Portfolioprfungen frdern die Selbstreflexionsfhigkeit, da Studierende selbst einigeihrer im Laufe eines Moduls angefertigten Arbeiten auswhlen und gezielt zusammenstel-len, um ihren Leistungsfortschritt innerhalb des inhaltlich umrissenen Gebiets des Modulszu dokumentieren. Dieses Vorgehen erhht die aktive, selbstbestimmte Auseinandersetzungmit dem Lernstoff und untersttzt den Studierenden darin, die verschiedenen Veranstal-tungen eines Moduls strker in einem Zusammenhang zu sehen. Auf der Grundlage deserstellten Portfolios findet abschlieend oftmals ein summatives Prfungsgesprch zwischenDozent und Prfling statt. Dieses Gesprch hnelt aber anders als bei vielen herkmmli-chen mndlichen Prfungen eher einem Fachgesprch, da der Studierende das Portfolioselbst zusammenstellt und somit als Experte fr die Portfolio-Inhalte angesehen werdenkann. Portfolioprfungen sind didaktisch anspruchsvoll und bedrfen einer intensiven Vor-bereitung, vor allem von Seiten der Studierenden. Daher sollten Lehrende, die dieses Pr-

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    fungsformat einsetzen wollen, zu Beginn des Moduls Zeit einplanen, um die Studierenden indieses meist unbekannte Format sowie die damit verbundenen Beurteilungskriterien einzu-fhren.

    4.3. Kompetenzorientierte Bewertung

    Neben der Planung und Durchfhrung einer (Modul-)Prfung, muss die Prfungsleistung au-erdem bewertet werden. Hierbei gilt es die Prfungsleistung anhand der bei der Konstruk-tion der Prfungsaufgabe formulierten Erwartungen in Bezug auf Lsungsergebnisse undLsungsprozess zu vergleichen. Es empfiehlt sich in diesem Zusammenhang ein entsprechen-des Auswertungs- und Bewertungsschema hierfr vorzubereiten (vgl. hierzu insbes. Metzger& Nesch, 2004). Je nach Prfungsformat wird dieses Auswertungs- bzw. Bewertungssche-ma unterschiedlich aufgebaut sein und neben beurteilenden teilweise auch beschreibendeElemente beinhalten (z. B. bei der Bewertung von sozialen Kompetenzen empfiehlt es sichzunchst das beobachtete Sozial- bzw. Kommunikationsverhalten zunchst zu beschreiben,bevor man es bewertet). Im Kern beinhalten solche Bewertungsschemata vor allem aber diezu bercksichtigenden Beurteilungskriterien, die der Bewertung zugrunde gelegt werden.Fr eine angemessene Bewertung von Prfungsleistungen sind entsprechende Beurteilungs-kriterien vor der Prfung zu bestimmen und auszuformulieren, um nicht nur die Transparenzdes Bewertungsprozesses zu gewhrleisten, sondern auch um Objektivitt, Reliabilitt undValiditt der Prfung im Sinne von psychometrischen Gtekriterien (vgl. Kap. 3.4) in einemmglichst angemessenen Ausma zu realisieren bzw. zu gewhrleisten.

    Entsprechende Beurteilungskriterien werden danach unterschieden, ob sie sich auf diePrfungsleistung als Ganzes (summarische bzw. globale Beurteilung) oder spezifische Teil-aspekte der Prfungsleistung (analytische Beurteilung) beziehen. Auerdem wird zwischeneher quantitativ und qualitativ orientierten Kriterien differenziert, wobei erstere auf die An-zahl (z. B. Anzahl richtig gelster Aufgaben) oder die quantitative Ausprgung eines Ergeb-nismerkmals (z. B. Lnge im Weitsprung) und letzteres auf qualitative Eigenschaften einerPrfungsleistung (z. B. Differenziertheit der Argumentation) Bezug nehmen. In Bezug auf dieBewertung von kompetenzbezogenen Prfungsleistungen gilt es in diesem Zusammenhangzu beachten, dass sich die Beurteilungskriterien nicht nur auf die quantitative Ausprgungeines Leistungsergebnisses, sondern wenn mglich auch auf die (meist eher qualitative Be-urteilung) der in den Aufgabenstellungen geforderten Kompetenzfacetten im Sinne einerHandlungsqualitt beziehen. Dies ermglicht somit auch eine differenziertere Rckmeldungin Bezug auf die Qualitt der gezeigten Leistungen bzw. das Leistungsniveau, so dass zu-stzlich formative Aspekte des Prfens wahrgenommen und Hinweise aus der Prfung frdie weitere Kompetenzentwicklung abgeleitet werden knnen. Worauf sich entsprechendequalitative Kriterien der Handlungsqualitt beziehen knnen, wird beispielhaft von Bonse-Rohmann und Kolleg/innen (2008, S. 17) fr kompetenzorientierte Prfungen in der Pflege-ausbildung beschrieben. Dabei werden insbesondere

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    die Zielgerichtetheit (d. h. die Fhigkeit, Probleme methodengeleitet und strukturiertzu bearbeiten),

    der Gegenstandsbezug (d. h. die Fhigkeit, Probleme unter Bercksichtigung gngi-ger Normen und Regeln fachgerecht zu lsen),

    die Selbststndigkeit (d. h. die Fhigkeit, Problemsituationen ohne uere Hilfestel-lungen und zur Verfgung stehende Hilfsmittel sinnvoll zu bearbeiten),

    die soziale Eingebundenheit (d. h. die Fhigkeit einen Gruppenprozess mitzutragen)und

    das A