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Konsequenzen der Pflegetransparenzvereinbarung Prof. Dr. Gerhard Janssen JANSSEN + MALUGA LEGAL Niederrheinischer Pflegekongress 28./29.09.2011

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Konsequenzen der Pflegetransparenzvereinbarung Prof. Dr. Gerhard Janssen JANSSEN + MALUGA LEGAL. Niederrheinischer Pflegekongress 28./29.09.2011. Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung ( Pflege-Weiterentwicklungsgesetz ). Vom 28. Mai 2008. - PowerPoint PPT Presentation

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Page 1: Konsequenzen der Pflegetransparenzvereinbarung Prof. Dr. Gerhard Janssen JANSSEN + MALUGA LEGAL

Konsequenzen der Pflegetransparenzvereinbarun

Prof. Dr. Gerhard JanssenJANSSEN + MALUGA LEGAL

Niederrheinischer Pflegekongress28./29.09.2011

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Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der

Pflegeversicherung

(Pflege-Weiterentwicklungsgesetz)Vom 28. Mai 2008

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I. Gesetzliche Grundlagen der Pflegetransparenzvereinbarung

Gesetzliche Grundlage der Pflegetransparenzvereinbarung ist das „Pflegeweiterentwicklungsgesetz“. Es hat – unter anderem – mit der Schaffung des § 115 Abs. 1a SGB XI die Voraussetzungen für den sog. „Pflege-TÜV“ geschaffen, vgl.

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§ 115 Abs. 1a SGB XI.

Ziel der Regelung ist es, die von den Einrichtungen der ambulanten und stationären Pflege erbrachten Leistungen und deren Qualität verständlich, übersichtlich und vergleichbar zu machen.

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Nach der gesetzlichen Vorgabe sollen die Landesverbände der Pflegekassen sicher stellen,

„dass die von Pflegeeinrichtungen erbrachten Leistungen und deren Qualität, insbesondere hinsichtlich der Ergebnis- und Lebensqualität, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlich, übersichtlich und vergleichbar sowohl im Internet als auch in anderer geeigneter Form kostenfrei veröffentlicht werden,“ vgl.

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§ 115 Abs. 1a S. 1 SGB XI.Die Gesetzesbegründung und der

Gesetzestext schlagen dazu vor, dass der Spitzenverband Bund der Pflegekassen, die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen eine Vereinbarung über die Kriterien der Veröffentlichung zu treffen haben, vgl.

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BT-Drucks. 16/7439, S. 89;115 Abs. 1a Satz 6 SGB XI.

Aufgrund dieser Vorgaben wurden dann von den Beteiligten die beiden Pflegetransparenzvereinbarungen getroffen:

 Pflege-Transparenzvereinbarung stationär (PTVS) vom 17. Dezember 2008

Pflege-Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA) vom 29. Januar 2009

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II. Inhalt der Transparenzvereinbarungen

1. Kriterien und Qualitätsbereiche nach der Pflege-Transparenzvereinbarung stationär (PTVS)

 Die Kriterien teilen sich nach § 1 Abs. 2 PTVS

in folgende fünf Qualitätsbereiche auf (jeweils mit Anzahl der Kriterien):

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2. Kriterien und Qualitätsbereiche nach der Pflege-

Transparenzvereinbarung ambulant (PTVA)

 Die Kriterien teilen sich nach § 1 Abs. 2 PTVA

in folgende vier Qualitätsbereiche auf (jeweils mit Anzahl der Kriterien):

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Um eine einheitliche Bewertung sicherzustellen, wurde in den Transparenzvereinbarungen ein Bewertungssystem ähnlich den Schulnoten geschaffen.

Vergeben werden bei der Bewertung die Noten sehr gut (1,0) bis mangelhaft (5,0).

Die bereits erwähnten Kriterien erhalten eine Einzelbewertung mithilfe einer Skala von 0 bis 10, wobei 0 die schlechteste und 10 die beste Bewertung ist. Die einzelnen Skalenwerte werden nach folgender Tabelle in Noten umgerechnet:

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Für die Bewohner- / bzw. Kundenbefragung gibt es eine

separate Note.

Um die Gesamtnote richtig einordnen zu können, wird zudem ein Landesdurchschnitt aller Anbieter in dem Bundesland ermittelt.

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III. Rechtslage zur Durchführung der Kontrollen

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) prüft im Auftrag der gesetzlichen Pflegekassen, ob die Pflegeeinrichtungen die vereinbarten Qualitätsstandards einhalten. Gesetzliche Grundlage für die Qualitätsprüfungen des MDK sind die §§ 114 ff. SGB XI. Nach diesen Vorschriften

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1. finden die Prüfungen grundsätzlich unangemeldet statt (§114 a Abs. 1 S.2 SGB XI)

 2. liegt der Schwerpunkt auf der

Ergebnisqualität (wesentliche Aspekte des Pflegezustandes und die Wirksamkeit der Pflege- und Betreuungsmaßnahmen - § 114 Abs. 2 S 2 SGB XI) 3. muss der MDK jährliche Prüfungen durchführen – sog. Regelprüfung (§ 114 Abs. 2 S. 1 SGB XI)

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IV. Probleme in der Praxis

1. Unabhängigkeit des MDKIn der Diskussion um die

Pflegetransparenzvereinbarungen wird häufig auf die Unabhängigkeit des MDK bei den Prüfungen hingewiesen. Die Ärzte und Pflegefachkräfte seien unabhängig von den gesetzlichen Pflegekassen.

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Entscheidendes Qualitätsmerkmal eines Sachverständigen ist seine Unbefangenheit.

Dazu muss er gleichermaßen: Wirtschaftlich sowiepersönlich

unabhängig sein.

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Der MDK als Institution müsste ebenfalls unabhängig sein, d.h. eine eigene Organisationsstruktur besitzen nicht von anderen Institutionen fremdbestimmt sein.

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a) Organisation des Medizinischen Dienstes der

Krankenversicherung (MDK)In den Bundesländern wird grundsätzlich

jeweils eine von den Krankenkassen gemeinsam getragene Arbeitsgemeinschaft "Medizinischer Dienst der Krankenversicherung" errichtet (in NRW jedoch zwei: MDK Nordrhein und MDK Westfalen-Lippe).

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Träger dieser Körperschaften sind die Landesverbände der Krankenkassen (gemäß § 278 SGB V). Gemäß § 279 SGB V sind die Organe (Entscheidungsgremien) des MDK der Geschäftsführer und der Verwaltungsrat.

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Verwaltungsrat: Die Mitglieder des Verwaltungsrates werden von den Verwaltungsräten der Krankenkassenverbände benannt. Der Verwaltungsrat stellt unter anderem die Satzung auf, legt die Richtlinien für die Arbeit des MDK fest, stellt den Haushaltshaltsplan auf und wählt den Geschäftsführer.

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Geschäftsführer: Der Geschäftsführer führt die Geschäfte des MDK entsprechend den Vorgaben des Verwaltungsrates. Er stellt den Haushaltsplan auf und vertritt den MDK gerichtlich und außergerichtlich.

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Die zur Finanzierung der Aufgaben des MDK nach § 275 SGB V erforderlichen Mittel werden ebenfalls von den Krankenkassen nach § 278 SGB V durch eine Umlage aufgebracht.

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Die Träger des MDK sind also die gesetzlichen Krankenkassen. Sie bestimmen die Satzungen und Richtlinien über die Zusammenarbeit der Krankenkassen mit den MDK. Der Verwaltungsrat leitet den Geschäftsführer. Nach seinen Vorgaben werden die Mitarbeiter des MDK tätig.

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Der MDK-Gutachter ist wiederum an den Arbeitgeber (MDK) durch einen Arbeitsvertrag gebunden. Daraus ergeben sich arbeitsrechtliche Pflichten, die eine Loyalitätspflicht und die Weisungsgebundenheit auf Seiten des Arbeitnehmers beinhalten. Aber selbst wenn der MDK externe Gutachter beauftragen würde, ist die wirtschaftliche Abhängigkeit erkennbar. Arbeitsrecht macht die Abhängigkeit plastisch.

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Ein Arbeitsvertrag begründet damit ein organisatorisches und wirtschaftliches Abhängigkeitsverhältnis.

 Somit ist das Abhängigkeitsverhältnis:

Krankenkassen (bzw. die Pflegekassen) MDK Gutachter

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Die gesetzlichen Krankenkassen sind gleichzeitig die Träger des MDK. Sie bestimmen Satzungen, Richtlinien, Haushalts- und Stellenplan. Der MDK kann somit juristisch eher in die Kategorie des „Verrichtungs- oder Erfüllungsgehilfen“ der gesetzlichen Krankenkassen eingeordnet werden, denn als selbständige und unabhängige Organisation. Der MDK ist in seinem unternehmerischen Handeln durch die gesetzlichen Krankenkassen fremdbestimmt.

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An der Unabhängigkeit der MDK-Gutachter darf somit berechtigt gezweifelt werden. Dies ist umso brisanter, als dass auch wirtschaftliche Interessen der Pflegekassen mit den Pflegenoten verknüpft sind. Pflegedienste und -einrichtungen, die bei der Qualitätsprüfung schlecht abgeschnitten haben, werden in Verhandlungen mit den Pflegekassen um Stundensätze etc. ein schlechteres Standing haben.

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b) Vergleich zu RatingagenturenDie Parallelen zu den von der Politik vielfach

gescholtenen „Ratingagenturen“ zeigen die Scheinheiligkeit dieses Systems. Der Vergleich stellt die Problematik des Interessenskonfliktes zugespitzt dar.

Die drei bekanntesten Ratingagenturen: „Moody’s“, „Standard and Poor’s“, sowie „Fitch“ sind private Unternehmen, die gewerbsmäßig die Kreditwürdigkeit von Unternehmen aller Branchen sowie die von Staaten bewerten.

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Dies geschieht ebenfalls nach einer Art Notensystem (z.B. AAA = höchste Bonität / DDD = Zahlungsausfall).

Bei diesen wird zu Recht kritisiert, dass sie von ihren Auftraggebern bezahlt werden, also den Unternehmen, deren Finanzprodukte sie gleichzeitig bewerten sollen.

Gleichzeitig zeigen auch die Besitzverhältnisse, dass Hauptaktionäre der Ratingagenturen im Finanzmarkt tätige Großinvestoren beziehungsweise Fonds sind.

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Hier liegt also eine mögliche Interessenkollision vor, wie sie von Medien und Politik in jüngerer Vergangenheit häufig herausgearbeitet und kritisiert wurde.

Auch die Pflegekassen sind Träger und Auftraggeber des MDK. Dieser „rated“ im Auftrag der Kassen die jeweiligen Pflegedienste und -einrichtungen und bewertet diese nach einem Notensystem.

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Statt dass eine neutrale Bewertung für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen erfolgt, wird hier vielmehr durch Hoheitsträger eine staatliche Marktsteuerung erreicht.

Auch aus diesem Grund gibt es bereits Forderungen an den Gesetzgeber, durch eine entsprechende Änderung der §§ 113, 114 und 115 I a SGB XI den Weg für ein neutrales Institut zur Qualitätssicherung in der Pflege frei zu machen (Bonnato-Kommission). Die Pflegenoten können, um das klar auszusprechen, eine wirksame Waffe der Krankassen werden, wenn es nach der Etablierung der Noten in der Öffentlichkeit, um die Verbindung der Noten mit den Stundensätzen der Unternehmen geht.

Es erscheint angesichts der Finanznöte der Krankenkassen sehr naiv zu behaupten, dies wäre bislang nicht gesehen worden. Angesichts der Erfahrung mit der Gesundheitspolitik liegt es vielmehr nahe, dass die Intention des Gesetzes über Transparenz hinausgeht. Die Krankenkassen werden sich die Grundlage ihrer Bezahlung durch die MDK‘s selbst begutachten können. Die Konsequenz ist nicht nur die politische Diskussion über das Gesetz sondern ernsthafte Bedenken hinsichtlich seiner Verfassungsgemäßheit in Bezug auf Art.12 GG – der Berufsfreiheit der Pflegedienste.

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2. Unabhängige Kriterien der Qualitätsüberprüfung

Kritisiert werden ebenfalls die unterschiedlichen Kriterien, die bei den Prüfungen angewendet werden.

So wird zum Beispiel – trotz anderslautender gesetzlicher Regelung – immer noch in vielen Fällen die Durchführung einer Prüfung durch den MDK angekündigt. Dies wird jedoch von Bundesland zu Bundesland und Region zu Region unterschiedlich gehandhabt, so dass hier nicht von einem einheitlichen Prüfungsmaßstab gesprochen werden kann. Im Umkehrschluss sind für viele Pflegeunternehmen unangekündigte Prüfungen tatsächlich undurchführbar aufgrund der Personalsituation

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Unterschiedlicher Umgang bezüglich der Qualitätsüberprüfung ist hinsichtlich des Grundrechtsschutzes der Pflegedienste und Pflegeeinrichtungen äußerst problematisch. Jedes Prüfsystem muss sicherstellen, dass die Ergebnisse materiell zweifellos sind und unter gleichen Bedingungen stattfinden. Denn ein unrichtiges Prüfungsergebnis (Pflegenote) kann sich unmittelbar zu Lasten des Geprüften auswirken. Dies wirft die Folgefrage nach dem Rechtsschutz gegen die Benotung an sich auf.

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V. Rechtsschutzmöglichkeiten

 Problem: Völliges Fehlen von

Verfahrensmöglichkeiten in § 115 Abs 1a S 6 SGB XI. Das Gesetz bestimmt nicht hinreichend, wer die Veröffentlichung der Qualitätsberichte durchzuführen hat.

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- Müssten die Pflegekassen den betroffenen Einrichtungen die Veröffentlichung von Qualitätsergebnissen und Transparenzberichten nicht per Verwaltungsakt auferlegen?

- Oder handelt es sich bei der Veröffentlichung um die Setzung eines eigenen Rechtsaktes unmittelbar auf der Grundlage des Gesetzes (sog. Realakt) ?Grundsätzlich werden Streitigkeiten über die Veröffentlichung eines Transparenzberichtes vor den Sozialgerichten ausgetragen.

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1. Rechtsschutz gegen die Veröffentlichung eines Transparenzberichts Wird eine einstweilige Anordnung begehrt,

richtet sich dies nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG.Die Rechtsprechung des Sozialgerichts

Münster steht dem Pflegetransparenzgesetz nach wie vor kritisch gegenüber und fasst mit guter Argumentation wichtige rechtliche Gesichtspunkte zusammen, vgl.SG Münster, Urt. v. 20.8.2010 – Az.: S 6 P 111/10;SG Münster, Urt. v. 24.06.2011 – Az.: S 6 P 14/11.

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Die Klage des Trägers einer Pflegeeinrichtung gegen die Veröffentlichung eines Transparenzberichts ist als vorbeugende Unterlassungsklage in Form der Leistungsklage ohne Durchführung eines Vorverfahrens und Einhaltung einer Klagefrist gemäß § 54 Abs. 5 SGG statthaft.

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Die Veröffentlichung eines Transparenzberichts stellt keinen Verwaltungsakt dar, sondern erfolgt ohne Setzung eines eigenen Rechtsaktes unmittelbar auf der Grundlage des Gesetzes als sogenannter Realakt.

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Dem Einrichtungsträger steht gegen die Veröffentlichung des Transparenzberichts ein aus der Abwehrfunktion der Grundrechte abzuleitender öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zu. Eine Veröffentlichung würde sein Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit gem. Art 12 GG verletzen.

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Im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt, die Schranken des Art. 80 GG und das vollständige Fehlen von Verfahrensregelungen bestehen erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der in § 115 Abs 1a S 6 SGB XI vorgesehenen Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf die demokratisch nicht legitimierten Vertragsparteien.

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Zumindest die grundlegende Entscheidung - die Veröffentlichung von Qualitätsberichten durch ein Schulnotensystem - hätte vom Gesetzgeber selbst getroffen werden sollen. Eine im Internet veröffentlichte, umfassende und fortwährende hoheitliche Bewertung der Leistungen von Pflegeeinrichtungen durch Noten berührt intensiv und nachhaltig die Berufsausübungsfreiheit der Einrichtungsträger.

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Einige Landessozialgerichte sind anderer Auffassung. Danach seien die Veröffentlichungen kein verfassungswidriger Eingriff in die Rechte betroffener Pflegeheimbetreiber. Voraussetzung sei, dass ein "faires, neutrales, objektives und sachkundiges Prüfverfahren" vorausgegangen sei, vgl.

Page 45: Konsequenzen der Pflegetransparenzvereinbarung Prof. Dr. Gerhard Janssen JANSSEN + MALUGA LEGAL

Landessozialgericht NRW, Beschl. v. 05.07.2010 – Az.: L 10 P 10/10 B ER

Bayerisches Landessozialgericht, Beschl. v. 30.03.2010 – Az.: L 2 P 7/10 B ER.

Die Rechtsprechung ist also nach wie vor uneinheitlich.

Ob einem ein Unterlassungsanspruch gegen die Veröffentlichung eines Transparenzberichts gewährt wird, hängt also zur jetzigen Zeit noch wesentlich von dem Gericht ab, bei dem man diesen geltend macht.

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2. Schadensersatz wegen Belastungen durch die unrechtmäßige Veröffentlichung eines Prüfungsergebnisses (Pflegenote).

Bei der unrechtmäßigen Veröffentlichung eines (fehlerhaften) Transparenzberichts besteht für den Pflegedienstleister die akute Gefahr erheblicher Wettbewerbsnachteile, der Rückgang der Belegungszahl/Patienten und daraus resultierend das Risiko eines gravierenden wirtschaftlichem Schadens. Ist ein solcher Schaden nachweisbar, ergibt sich ggf. ein Schadensersatzanspruch aufgrund von Amtspflichtverletzung nach § 839 BGB i.V.m. Artikel 34 GG.

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VI. Ausblick/Lösungsansätze Sicherlich ist es ein lohnenswertes Ziel, dass

die von Pflegedienstleistern erbrachten Leistungen und deren Qualität, für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen verständlicher Form transparent gemacht werden.

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Das jetzige System „Pflege-TÜV“ gewährleistet dies jedoch nicht. Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung über die MDK‘s und der in § 115 Abs 1a S 6 SGB XI vorgesehenen Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen darf im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt, die Schranken des Art. 80 GG und das vollständige Fehlen von Verfahrensregelungen bezweifelt werden.

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Für die 82 bzw. 49 Bewertungskriterien gibt es Zweifel daran, ob eine valide Grundlage nach pflegewissenschaftlichen oder medizinischen Gesichtspunkten existiert – die wenigsten beziehen sich tatsächlich auf die Lebensqualität der Pflegebedürftigen.

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Die Neutralität des MDK darf aufgrund der engen Verflechtung mit den Pflegekassen angezweifelt werden. Statt dass eine neutrale Bewertung für die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen erfolgt, wird hier vielmehr durch Hoheitsträger eine staatliche Marktsteuerung erreicht und erkennbar das Ziel von Einsparungen verfolgt.

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Der Erfolg von Rechtsschutzmaßnahmen hängt stark von der Ansicht des jeweiligen Sozialgerichts ab.

Die Probleme der Pflege in Deutschland können jedoch nicht mit repressiven, rechtlich zweifelhaften, in der tatsächlichen Durchführung willkürlichen und bürokratischen Überwachungsmaßnahmen gelöst werden.

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Vielmehr ist es erforderlich in die Qualität des Pflegepersonals zu investieren. Qualifizierter Nachwuchs muss ausgebildet, Urlaubs- und Knappheitszeiten überwunden werden. Im ohnehin personalintensiven Pflegebereich kostet all dies Geld. Geld, welches die Pflegekassen nicht in gute Pflege investieren wollen.

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Zwar mögen die jetzigen Pflegetransparenzvereinbarungen kurzfristig günstiger sein und den Druck auf die ohnehin häufig überlasteten Mitarbeiter der Pflegedienste und -einrichtungen noch einmal erhöhen, allein den Versorgungsnotstand in der deutschen Pflegelandschaft bekämpft man so nicht.

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Pflegetransparenz darf nicht missbraucht werden, als goldene Zügel für Pflegedienste.

Am Ende leiden darunter die Pflegebedürftigen und das Gesamtkonzept der stationären und ambulanten Pflege!

Sie denken ich übertreibe – das dachte der Finanzmarkt auch als Ratingagenturen begannen, den Wert und die Kreditwürdigkeit der Wirtschaft zu bestimmen.