kunstjahr 2014 innenteil druck neu p - kadenundlager.de · franko stellas an Ödnis und monotonie...
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Bei der Fußball-WM in Brasilien sorgten deutsche Architekten
und Ingenieure für großartige SpielstättenFalk Jaeger
Weltmeister,auch im Stadionbau
S������� ��� �� : Arena Fonte Nova, Salvador da Bahia
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Architektur��� �� ��������� ��� ������� ���� !""�� #$�-
de, standen die Deutschen bereits als Welt-
meister fest – als Weltmeister im Stadionbau.
Denn an der Errichtung von sechs der zwölf
Spielstätten waren deutsche Architekten und
Ingenieure beteiligt (zur WM 2010 in Südafrika
und zur EM 2012 waren es jeweils drei).
Für das legendäre Maracanã in Rio de Janeiro
entwarfen die Ingenieure schlaich bergermann
und partner aus Stuttgart (sbp) ein ultraleich-
-
tragwerk, das sich in den denkmalgeschützten
Bau so einfügt, dass es vom Straßenniveau aus
nicht zu sehen ist. Im Inneren der Arena er-
zeugt es eine zauberhafte Stimmung. Werner
Sobek Ingenieure, ebenfalls aus Stuttgart, hat-
ten das Dach des Corinthians Stadium in São
Paulo geplant. In Belo Horizonte, eine knappe
Flugstunde weiter nördlich, lieferten gmp Ar-
chitekten von Gerkan, Marg und Partner die
Entwurfsplanung für den Umbau des male-
risch am Pampulha-See gelegenen, expressiven
Baus in béton brut aus den sechziger Jahren.
Die vielleicht schönste der WM-Arenen hat Ma-
naus erhalten – und wird damit wohl nicht viel
anfangen, denn die Zwei-Millionen-Metropole
im Amazonasbecken hat nur einen Drittliga-
verein. Ein sanft gerundetes Tribünenoval wird
umhüllt von einer korbartigen Großform, bei
der Fassaden und Dach ineinander übergehen.
Dach und Wände aus Glasfasermembranen
lassen tagsüber Licht passieren und bringen
abends das Stadion von innen heraus faszinie-
rend zum Leuchten.
Neues Wahrzeichen
In der zum Weltkulturerbe zählenden Haupt-
stadt Brasília, auf „heiligem Boden der Moderne“,
bekamen wiederum gmp und sbp den Auftrag,
für das Dach eine zeichenhafte Großform zu
planen, die mit den kraftvollen Regierungsbau-
ten Oscar Niemeyers mithalten kann. 288 in drei
konzentrischen Ringen aufgestellte, 36 Meter
aufragende Betonstützen tragen einen Beton-
reif, der wie ein Saturnring das Tribünenoval
umkreist und von dem aus nach innen das Seil-
dach gespannt ist. Das Stadion hat eine enorme
optische Präsenz in der Stadt. Als Bautypus ist
es weltweit ohne Beispiel und wurde zum neuen
Wahrzeichen der Hauptstadt Brasiliens. Auch
als die Kameras beim ersten Spiel der deutschen
Mannschaft in Salvador durch das lichte Oval
-
land geplanten Stadions ein. In diesem Fall wa-
ren es Schulitz und Partner aus Braunschweig,
die den Wettbewerb gewonnen hatten.
Für die deutschen Planer war die Arbeit in
Brasilien eine große Umstellung, denn üb-
licherweise übernehmen dort Baufirmen
einen Architektenentwurf und realisieren
gmp Architekten: Modernisiertes Fußball-Stadion in Belo Horizonte
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g&'( �����)��: Fußball-Stadion in Manaus
gmp Architekten: Dach für das Fußball-Stadion in Brasília
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Architektur
s������� *� g� &��'� �� : Dach für das Maracanã-Stadion, Rio de Janeiro
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kontrolle und Baubegleitung der deutschen
Planer bis zur Eröffnung sind sie nicht ge-
wohnt, deutsche Gründlichkeit auch nicht,
die ihnen zuweilen arrogant vorkommt und
worauf sie sehr emotional reagieren kön-
nen. Dass die Stadien zwar nicht zum ge-
planten Zeitpunkt, aber gerade eben recht-
zeitig fertig wurden, finden jedenfalls in
Brasilien alle außer den Deutschen völlig
normal.
Hochhaus-Invasion in London
Neue Wolkenkratzerrekorde sind im vergan-
genen Jahr weltweit nicht gemeldet worden,
doch die Nachricht mag Liebhaber der euro-
päischen Stadt beunruhigen, die bislang froh
waren, dass sich hiesige Städte von São Paulo,
Kinshasa oder Shenzhen noch unterscheiden:
„FAZ“ die
Entwicklung seiner Heimatstadt London, in
der 230 Hochhäuser geplant sind. Die Skyline
„sehe echt schlimm aus“, war in der Bildunter-
schrift zu lesen, aber es werde wohl gelingen,
„dass sie in Zukunft noch unansehnlicher wird“.
Das Bild zeigte Londoner Hochhäuser, eines
wie ein Dildo, eines wie ein überdimensiona-
ler Ladyshave. Der Drillbohrer, das Stemm-
eisen, die Abschussrampe, das Whiskeyfass
und das Wurfmesser, die dort schon stehen,
waren auf diesem Bildausschnitt nicht zu se-
hen. Zwei Kochmützen, ein Dhau-Segel, ein
Quartett bauchtanzender Blutegel und ande-
re Sensationen sind geplant und werden die
Stadt bald zusätzlich schmücken.
Die Berliner hingegen besitzen einen Welt-
rekord, sie haben es nur noch nicht bemerkt:
Berlin ist die einzige Weltmetropole ohne
Wolkenkratzer! Die Touristen lieben das
Fluidum von Charlottenburg, von Mitte, von
Prenzlauer Berg. Um alles zu sehen, gehen sie
zu Fuß und fahren mit dem Sightseeing Bus.
Nicht mit dem Aufzug. Wie lange wohl noch?
Wodurch sich Berlin wirklich auszeichnet –
das gilt aber auch für viele andere deutsche
Städte –, ist der individuelle Wohnungsbau,
das sind die Baugruppen, die zurzeit dem
durch routinierte Investoren verödeten Woh-
nungsbau wieder neue Impulse geben. Vor
allem junge Architekten haben ihre ersten
Häuser als Baugruppenprojekte realisiert,
bei denen sie selbst das Grundstück akqui-
rierten, die Miteigentümer suchten und die
Planung und Bauleitung übernahmen. So or-
ganisieren sie sich ihre Aufträge selbst und
eröffnen den Eigentümergemeinschaften die
Möglichkeit, kostengünstig zu Wohneigen-
tum zu kommen, ohne dass Bauträger und
Generalunternehmer den Rahm abschöpfen.
Selbst völlig neue Konstruktionsweisen wie
siebengeschossige Holzbauten werden von
-
den aufgrund ihrer tadellosen Nachhaltigkeit
immer mehr Anhänger. Tom Kaden ist ein sol-
cher Holzbaupionier, dessen Häuser zudem
mit einer präzisen und elegant wirkenden Ar-
chitektursprache punkten.
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Zwischen Ostsee und Ottobeuren
Noch immer vergeht kein Architekturjahr
ohne die Einweihungsfeier neuer Museen,
und gar nicht so selten sind es architektoni-
sche Highlights, die man irgendwo in der Pro-
vinz antreffen kann. Auf der Ostseehalbinsel
Fischland-Darß-Zingst zum Beispiel baute
Volker Staab ein wunderbares Museum, das
der Künstlerkolonie Ahrenshoop gewidmet
ist. Fünf in Maßstab und Form den örtlichen
Bautypen angeglichene Hauskörper formie-
ren sich, ungezwungen schiefwinklig zuei-
nander gestellt, zu einer Art Gehöft. Mit der
Verkleidung von Wänden und Dächern durch
Skyline von London mit neuen Hochhäusern
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Architektur
/i,/ „Karosserie“ -
ten Messingblechbahnen erinnern die Häu-
ser an die auf dem Darß allgegenwärtigen
Reetdächer. Am anderen Ende der Republik,
im schwäbischen Otto beuren, hat das Atelier
Lohrer das „Museum für zeitgenössische Kunst –
Diether Kunerth“ errichtet, das ein wenig an die
Münchner Sammlung Brandhorst erinnert.
Das nun komplettierte Ensemble der Meister-
häuser in Dessau wäre noch zu nennen oder
das großartige Landesmuseum für Archäolo-
gie in Chemnitz im ebenso großartigen ehe-
maligen Kaufhaus Schocken von Erich Men-
delsohn, einem der bedeutensten Architekten
des Expressionismus (siehe Seite 192).
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TA&B��, Holzhaus in BerlinHolzhaus von Tom Kaden in Berlin-Friedrichshagen
Museum für zeitgenössische Kunst – Diether Kunerth, Ottobeuren, entworfen vom Atelier Lohrer
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Architektur
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Meisterhäuser Dessau: Haus Klee
V4.+ W/X;i, Y/i/X5/ /i, 8;/i,/= ,/4/= Z4=/41[
ein besonders feines und einmaliges, das einzige
private Museum für Architekturzeichnung welt-
weit. Der Berliner Architekt Sergei Tchoban hat
sechs Jahrhunderten gebaut, ein Schmuckkäst-
chen im Kulturquartier Pfefferberg, unmittelbar
neben dem Atelier Olafur Eliassons. Zum Teil
Museumsnutzung, aber gleichermaßen groß-
artige neue Architektur in historischem Kontext
ist das Landesarchiv in Duisburg. Ortner & Ort-
ner bauten einen backsteinernen Hafenspeicher
zum Aktenspeicher um und überhöhten ihn um
einen eigentlich grotesk überdimensionierten,
giebelhausförmigen Aufbau, der jedoch mit sei-
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halt des Schlosses war ihnen ziemlich gleich-
gültig. Dass die ältere, eigentlich interessante-
re Ostseite nicht rekonstruiert, sondern durch
Franko Stellas an Ödnis und Monotonie kaum
zu übertreffende Lochfassade ersetzt wird,
scheint sie ebenfalls nicht zu stören. Die Dis-
kussion um diese Ostseite hat mit dem Vor-
einfach wegzulassen, gerade erst begonnen
– zu spät. Die Bauprobleme am Fake-Schloss
werden uns noch beschäftigen.
Derweil erfüllt die Potsdamer mit Stolz, dass
sie mit ihrem Wiederaufbau die Nase vorn
haben. Der Souverän, der Brandenburgische
Landtag, konnte in das nagelneue Stadtschloss
einziehen, in ein „Energiesparschloss mit Tief-
garage“, denn das von außen nostalgieselige
Postkartenmotiv ist innen ein modernes Bü-
rohaus, gebäudetechnisch und ökologisch auf
der Höhe der Zeit. Nun wird in der Umgebung
zügig weiter unliebsame Geschichte getilgt.
Der verhasste Plattenbau der Fachhochschule
wird abgerissen und das ganze Quartier nach
Art des Dresdner Neumarkts städtebaulich
und zum Teil mit Repliken historisch rekon-
struiert. Potsdams mäzenatische Vorzeige-
ner Ziegelfassade irgendwie logisch aus dem Be-
standsbau herauszuwachsen scheint. Nebenan
sind übrigens Herzog & de Meuron mit ihrem
monströsen Projekt für das Museum Küppers-
mühle endgültig gescheitert. Sie wollten auf
einen Getreidesilo einen weit auskragenden,
schuhschachtelförmigen Quader setzen, doch
bautechnische Probleme stoppten den Bau wäh-
rend der Konstruktionsphase.
Betonbarock in Berlin
Ach ja, und das Schloss in Berlin, auch ein
künftiges Museum, nimmt Formen an. Ein
Betonrohbau wächst auf der Spreeinsel zügig
und noch ohne Terminüberschreitung aus
dem Boden, bei dessen Anblick sich Bürger
und Touristen noch nicht in barocke Zeiten
zurückgesetzt fühlen. Und noch ist nur ein
Bruchteil des Geldes für die Barockfassade ge-
sammelt. Wobei insbesondere die von vielen
für unverzichtbar gehaltene historische Kup-
-
zichtbar deshalb, weil den Befürwortern die
„Heilung der städtebaulichen Wunde“ am Herzen
liegt, weil sie vor allem anderen das Bild des
alten Berlins zurückgewinnen wollen – der In-
\ �� ] \ �� : Landesarchiv NRW, Duisburg
Foyer des Landesarchivs NRW
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Architektur
b7X0/X 37,5+/X _-4.+ 4,6 `-==a c;-55,/X[ 6i/
das Stadtschloss mit ihren Spenden erst mög-
lich machten, haben bald ihr Ziel erreicht, das
realsozialistische Zwischenspiel in Potsdams
Innenstadt vergessen zu machen.
Die neuen Schlösser Potsdam und Berlin,
auch jene in Braunschweig und Hannover,
passen ins Bild der politischen Dimension,
die heute der Architektur zugemessen wird.
Missliebige Geschichte, Brüche und soziale
Verwerfungen werden zugunsten eines neu-
-
geblendet. Architekturproduktion dient nur
nach Kräften das Feld bereitet. Die Baubran-
che boomt, doch der soziale Wohnungsbau ist
tot, die Mittelschicht weicht auf Baugruppen-
projekte aus, um zu bezahlbarem Wohnraum
zu gelangen. Der öffentliche Sektor wird he-
runtergefahren. Für Schulen und Kitas feh-
len sogar die Mittel zur Erhaltung des Status
quo. Die verantwortlichen Politiker reiben
sich überrascht die Augen. Bund und Länder
schieben sich die Verantwortung gegenseitig
zu. Über Abhilfe wird nachgedacht, doch vor-
erst ist zu konstatieren: Was die Architektur
als soziale Kunst betrifft, haben wir im Archi-
tekturjahr 2013/14 den Tiefpunkt der Epoche
seit dem Zweiten Weltkrieg erlebt.
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Blick über die Havel zum Potsdamer Stadtschloss