lenin - werke 24

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PROLETARIER ALLER LÄNDER, VEREINIGT EUCH! LENIN WERKE 2 4

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  • 7/30/2019 Lenin - Werke 24

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    P R O L E T A R I E R A L L E R L N D E R , V E R E I N I G T E U C H !

    L E N I NWERKE24

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    H E R A U S G E G E B E N A U F B E S C H L U S SDES IX. PART EITAG ES DER KPR(B) UN D D ES

    I I . S O W J E T K O N G R E S S E S D E R U d S S RD I E D E U T S C H E A US G AB E E R S C H E I N T

    A U F B E S C H L U S S D E S Z E N T R A L K O M I T E E SD ER S O Z I A L I S T I S C H E N E I N H E IT S P A R T E I

    D E U T S C H L A N D S

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    INSTITUT FdR MARXISMUS-LENINISMUS BEIM ZK DER KPdSU

    W I. LENINWERKE

    INS DEUTSCHE BERTRAGENNACH DER VIERTEN RUSSISCHEN AUSGABEDIE DEUTSCHE AUSGABEWIRD VOM INSTITUT FR MARXISMUS-LENINISMUSBEIM ZENTRALKOMITEE DER SED BESORGT

    < BD I E T Z V E R L A G B E R L I N

    1959

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    W I.LENINBAND 24

    APR IL- JUNI 19i7

    < sDIETZ VERLAG BERLIN

    1959

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    Russischer Originaltitel:B . H . J IE H H H C O H H H E H H a

    Dietz Verlag Gm bH, Berlin 1. Auflage 1959 Printed in GermanyAlle Redite vorbehalten Gestaltung und Typographie: Dietz EntwurfVerlagsbogen: 38,5 Druckbogen: 39,75 Lizenznummer 1Gesam therstellung: Leipziger Volkszeitnng HI 18138ES I C

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    VII

    V O R W O R TDie in Band 24 enthaltenen Arbeiten schrieb W. I. Lenin in der Zeitvom 3 . A pril bis 3. Juni 1917.Den Band erffnen die berhmten Aprilthesen, in denen Lenin derPartei und dem Proletariat einen theoretisch begrndeten und konkretenKampfplan fr den bergang von der brgerlich-demokratischen zur so-zialistischen Revolution gab und die Losung der Errichtung einer Sowjet-republik als der besten politischen Form der Diktatur des Proletariatsaufstellte.In den Arbeiten Briefe ber die Taktik", Die Aufgaben des Prole-tariats in unserer Revolution", Die politischen Parteien in Ruland unddie Aufgaben des Proletariats" werden die Ideen der Aprilthesen weiter-entwickelt.Die Materialien der Petrograder Stadtkonferenz und der SiebentenGesamtrussischen Konferenz der SDAPR(B) (Aprilkonferenz) enthaltenReden und Resolutionen Lenins zu allen Grundfragen des Krieges undder Revolution: ber die politische Lage, ber den Krieg, ber die Stel-lung zur Provisorischen Regierung, ber die Sowjets, zur Agrarfrage undzur nationalen Frage.Die in der Prawda" verffentlichten Artikel und Notizen Lenins( ber die Doppelherrschaft", Der Krieg und die Provisorische Regie-rung", Die Bedeutung der Verbrderung", Wie dem Volke mit demBrgerschreck Angst gemacht wird", ber die eigenmchtige Besitz-

    ergreifung' des Bodens" und andere) hatten zum Ziel, die Massen berdie Bedeutung der wichtigsten Ereignisse des politischen Lebens und desKlassenkampfes aufzuklren, sie um die bolschewistische Partei zusam-menzuschlieen und fr die sozialistische Revolution vorzubereiten.Der Band enthlt ferner Materialien zur Revision des Parteiprogramms,in denen Lenin die Grundthesen fr das neue Programm der Partei ent-wickelte.

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    VIH VorwortNeunzehn im Band enthaltene Dokumente wurden erstmalig in die

    Werke W. I. Lenins aufgenommen.Einen bedeutenden Teil dieser Dokumente bilden die Materialien derSiebenten Gesamtrussischen Konferenz der SDAPR(B) (Aprilkonferenz):neun Resolutionen (ber den Krieg, ber die Stellung zur ProvisorischenRegierung, zur Agrarfrage, ber die Revision des Parteiprogramms, berdie Sowjets, zur nationalen Frage, ber die politische Lage, zu dem Vor-schlag von Borgbjerg, ber die Vereinigung der Internationalisten gegenden kleinbrgerlichen Block der Vaterlandsverteidiger) sowie die Ein-leitung zu den Resolutionen der Siebenten Gesamtrussischen Konferenzder SDAPR(B) (Aprilkonferenz)".Die schon frher in den Werken W. I. Lenins verffentlichten Mate-rialien der Petrograder Stadtkonferenz der SDAPR(B) werden ergnztdurch den Entwurf einer Resolution ber die Stellung zu den Parteiender Sozialrevolutionre, der Sozialdemokraten (Menschewiki), zur Par-tei der sogenannten ,fraktionslosen' Sozialdemokraten und zu anderenverwandten politischen Strmungen".Der Entwurf eines Artikels oder einer Rede zur Verteidigung derAprilthesen" gehrt zu den Arbeiten, die die Ideen der Aprilthesen be-grnden und weiterentwickeln.Das Flugblatt Aufruf an die Soldaten aller kriegfhrenden Lnder"und die Rede auf einer Kundgebung der Putilow-Werke am 12. (25.)Mai 1917" erklren die Ursachen und die Ziele des weiter fortgesetztenimperialistischen Krieges und begrnden die bolschewistischen Ansichtenber die Mittel zu r Beendigung des Krieges auf revolutionrem W ege.Die Resolution des ZK der SDAPR(B) vom 20. April (3 . Mai) 1917ber die Krise anllich der Note der Provisorischen Regierung vom18. April (l.Mai) 1917" enthllt den imperialistischen Charakter derPolitik der Provisorischen Regierung.Zu den erstmalig in die Werke aufgenommenen Arbeiten gehrenferner der Brief an die Redaktion" und drei in der Prawda" verffent-lichte Artikel: Lgen, nichts als Lgen", Die Strke der Kette wirddurch die Strke ihres schwchsten Gliedes bestimmt", ber wen lachtihr? ber euch selbst!", in denen Lenin die Menschewiki und Sozial-revolutionre als Lakaien des Imperialismus entlarvt.

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    BER DIE AUFGABEN DES PROLETARIATSIN DER GEGENWRTIGEN REVOLUTION 1

    Verffentlicht am 7. April i917 Nadb dem Jext der Trawda"in der "Prawda" 7ir. 26.Unterschrift: 'N. Lenin.1 Lenin, W erke, Bd. 24

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    Erst am 3. April nachts in Petrograd eingetroffen, konnte ich in derVersammlung vom 4. April mein R eferat ber die A ufgaben des revo-lutionren Proletariats natrlich nur in meinem eigenen Namen und unterHinweis auf meine ungengende Vorbereitung halten.Das einzige, was ich tun konn te, um mir und ehrlichen Opponenten dieArbeit zu erleichtern, war die Ausarbeitung sdbriftiidb formulierter The-sen. Ich habe sie vorgelesen und den Text Gen. Zereteli berreicht. Ichhabe sie sehr langsam und zweimal vorgelesen: zuerst in der Versamm-lung der Bolschewiki, sodann in der Versammlung der Bolschewiki undMenschewiki.Ich verffentliche diese meine persnlichen, nur mit ganz kurzen er-luternden Bemerkungen versehenen Thesen, die in meinem Referat vieleingehender entwickelt wurden.

    T H E S E N1. In unserer Stellung zum Krieg, der von Seiten Rulands auch, unterder neuen Regierung Lwow und Co. - infolge des kapitalistischen Cha-rakters dieser Regierung - unbedingt ein ruberischer imperialistischerKrieg bleibt, sind auch die geringsten Zugestndnisse an die revolutio-nre Vaterlandsverteidigung" unzulssig.Einem revolutionren Krieg, der die revolutionre Vaterlandsverteidi-gung wirklich rechtfertigen wrde, kann das klassenbewute Proletariatseine Zustimmung nu r unter folgenden Bedingungen geben: a) O bergang

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    W . 7. Leninder Macht in die Hnde des Proletariats und der sich ihm anschlieendenrmsten Teile der Bauernschaft; b) Verzicht auf alle Annexionen in derTat und nicht nur in Worten; c) tatschlicher und vlliger Bruch mit allenInteressen des Kapitals.In Anbetracht dessen, da breite Schichten der revolutionren Vater-landsverteidiger aus der Masse es zweifellos ehrlich meinen und denKrieg nur anerkennen in dem Glauben, da er aus Notwendigkeit undnicht um Eroberungen gefhrt werde, in Anbetracht dessen, da sie vonder Bourgeoisie betrogen sind, mu man sie besonders grndlich, beharr-lich und geduldig ber ihren Irrtum, ber den untrennbaren Zusammen-hang von Kapital und imperialistischem Krieg aufklren, mu man denNachweis fhren, da es ohne den Sturz des Kapitals unmglidh ist, denKrieg durch einen wahrhaft demokratischen Frieden und nicht durcheinen Gewaltfrieden zu beenden.Organisierung der allerbreitesten Propaganda dieser Auffassung unterden Fronttruppen.Verbrderung.2. Die Eigenart der gegenwrtigen Lage in Ruland besteht im Tiber-gang von der ersten Etappe der Revolution, die infolge des ungengendentwickelten Klassenbewutseins und der ungengenden Organisiertheitdes Proletariats der Bourgeoisie die Macht gab, zur zweiten Etappe derRevolution, die die Macht in die Hnde des Proletariats und der rmstenSchichten der Bauernschaft legen mu.Dieser bergang ist gekennzeichnet einerseits durch ein Hchstma anLegalitt (Ruland ist zur Zeit von allen kriegfhrenden Lndern dasfreieste Land der W elt), anderseits dadurch, da gegen die Massen keineGewalt angewandt wird, und schlielich durch die blinde Vertrauens-seligkeit der Massen gegenber der Regierung der Kapitalisten, der rg-sten Feinde des Friedens und des Sozialismus.Diese Eigenart fordert von uns die Fhigkeit, uns den besonderen Be-dingungen der Parteiarbeit unter den unerhrt breiten, eben erst zum po-litischen Leben erwachten Massen des Proletariats anzupassen.3. Keinerlei Untersttzung der Provisorischen Regierung, Aufdeckungder ganzen Verlogenheit aller ihrer Versprechungen, insbesondere hin-sichtlich des Verzichts auf Annexionen. Entlarvung der ProvisorischenRegierung statt der unzulssigen, Illusionen erweckenden Forderung",

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    Tiber die Aufgaben des Proletariats in der gegenwrtigen Revolution 5diese Regierung, die Regierang der Kapitalisten, solle aufhren l impe-rialistisch zu sein.4. Anerkennung der Tatsache, da unsere Partei in den meistenSowjets der Arbeiterdeputierten in der Minderheit, vorlufig sogar ineiner schwachen Minderheit ist gegenber dem Block aller kleinbrger-lichen opportunistischen Elemente, die dem Einflu der Bourgeoisie er-legen sind und diesen Einflu in das Proletariat hineintragen - von denVolkssozialisten und Sozialrevolutionren bis zum Organisationskomitee(Tschcheiidse, Zere teli usw.), Steklow usw. usf.Aufklrung der Massen darber, da die Sowjets der Arbeiterdepu-tierten die einzig mgliche Form der revolutionren Regierung sind undda daher unsere Aufgabe, solange sich diese Regierung von der Bour-geoisie beeinflussen lt, nur in geduldiger, systematischer, beharrlicher,besonders den praktischen Bedrfnissen der Massen angepater Auf-klrung ber die Fehler ihrer Taktik bestehen kann.Solange wir in der Minderheit sind, besteht unsere Arbeit in der Kritikund Klarstellung der Fehler, wobei wir gleichzeitig die Notwendigkeitdes bergangs der gesamten Staatsmacht an die Sowjets der Arbeiter-deputierten propagieren, damit die Massen sich durch die Erfahrung vonihren Irrtmern befreien.5. Keine parlamentarische Republik - von den Sowjets der Arbeiter-deputierten zu dieser zurckzukehren wre ein Schritt rckwrts -, son-dern eine Republik der Sowjets der Arbeiter-, Landarbeiter- und Bauern-deputierten im ganzen Lande, von unten bis oben.Abschaffung der Polizei, der Armee, der Beamtenschaft.*Entlohnung aller Beamten, die durchweg whlbar und jederzeit absetz-bar sein mssen, nicht ber den Durchschnittslohn eines guten Arbeitershinaus.

    6. Im Agrarprogramm Verlegung des Schwergewichts auf die Sowjetsder Landarbeiterdeputierten.Konfiskation aller Gutsbesitzerlndereien.Nationalisierung des gesamten Bodens im Lande; die Verfgungs-gewalt ber den Boden liegt in den Hnden der rtlichen Sowjets derLandarbeiter- und Bauerndeputierten. Bildung besonderer Sowjets von* D. h. Ersetzung des stehenden Heeres durch die allgemeine Volks-bewaffnung.

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    W.l. LeninDeputierten der armen Bauern. Schaffung von Musterwirtschaften ausallen groen Gtern (im Umfang von etwa 100 bis 300 Desjatinen, jenach den rtlichen und sonstigen Verhltnissen und nach dem Ermessender rtlichen Institutionen) unter Kontrolle der Landarbeiterdeputiertenund fr Rechnung der Gesellschaft.7. Sofortige Verschmelzung aller Banken des Landes zu einer National-bank und Errichtung der Kontrolle ber die Nationalbank durch denSowjet der Arbeiterdeputierten.8. Nicht Einfhrung" des Sozialismus als unsere unmittelbare Auf-gabe, sondern augenblicklich nur bergang zur Xontrolle ber die ge-sellschaftliche Produktion und die Verteilung der Erzeugnisse durch denSowjet der Arbeiterdeputierten.9. Aufgaben der Partei:a) sofortige Einberufung des Parteitags;b) nderung des Parteiprogramms, in der Hauptsache in folgendenPunkten:1. Imperialismus und imperialistischer Krieg;2. Stellung zum Staat und unsere Forderung eines Kommune-staates"*;

    3. Berichtigung des veralteten Minimalprogramms;c) nderung des Namens der Partei.**10. Erneuerung der Internationale.Initiative zur Grndung einer revolutionren Internationale, einer In-ternationale gegen die Sozialchauvinisten und gegen das Zentrum"***.Damit der Leser verstehe, warum ich den Fall" ehrlicher Opponentengesondert, als seltene Ausnahme, hervorzuheben gentigt war, bitte ich* Das heit eines Staates nach dem Vorbild der Pariser Kommune.

    ** Statt Sozialdemokratie", deren offizielle Fhrer in der ganzen Weltden Sozialismus verraten haben, indem sie zur Bourgeoisie bergingen (dieVaterlandsverteidiger" und die schwankenden Kautskyaner"), mssen wiruns JCommunistisdhe Partei nennen.*** Als Zen trum " bezeichnet m an in der internationalen Sozialdemo-kratie die Richtung, die zwischen den Chauvinisten ( = Vaterlandsverteidi-gem") und den Internationalisten schwankt, nmlich: Kautsky und Co. inDeutschland, Longuet und Co. in Frankreich, Tstficheiidse und Co. in Ruland,Turati und Co. in Italien, MacDonald und Co. in England usw.

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    ber die Aufgab en des Proletariats in der gegenw rtigen Revolution 7ihn, den obigen Thesen folgenden Einwand des Herrn Goldenberg gegen-berzustellen: Lenin hat die Fahne des Brgerkriegs inmitten der revo-lutionren Demokratie aufgepflanzt" (zitiert im Jedinstwo"2 des HerrnPlechanow, Nr. 5).Eine Perle, nicht wahr?Ich schreibe, lese vor, erklre des langen und breiten: In Anbetrachtdessen, da breite Schichten der revolutionren Vaterlandsverteidiger ausder Masse es zweifellos ehrlich meinen..., da sie von der Bourgeoisiebetrogen sind, mu man sie besonders grndlich, beharrlich und geduldigber ihren Irrtum aufklren..."Die Herrschaften von der Bourgeoisie aber, die sich Sozialdemokratennennen, die weder zu den breiten Schichten nodo zu den Vaterlandsver-teidigern aus der Masse gehren, haben die Stirn, meine Ansichten wiefolgt wiederzugeben und zu interpretieren: ... die Fahne (!) des Brger-kriegs" (vom Brgerkrieg ist weder in den Thesen ein Wort enthalten,noch war davon im Referat die Rede!) inmitten (!!) der revolutionrenDemokratie aufgepflanzt (!)."Was ist das? Wodurch unterscheidet sich das von einer Pogrom-hetze? - von der Russkaja Wolja"3?Ich schreibe, lese vor, erklre des langen und breiten: Die Sowjets derArbeiterdeputierten sind die einzig mgliche Form der revolutionren Re-gierung, und daher kann unsere Aufgabe nur in geduldiger, systemati-scher, beharrlicher, besonders den praktischen Bedrfnissen der Massenangepater Aufklrung ber die Fehler ihrer Taktik bestehen..."Die Opponenten einer gewissen Sorte aber interpretieren meine An-sichten als Aufruf zum Brgerkrieg inmitten der revolutionren Dem o-kratie"!!Ich habe die Provisorische Regierung angegriffen, weil sie weder einenbaldigen noch berhaupt einen Termin fr die Einberufung der Konsti-tuierenden Versammlung festsetzte und mit bloen Versprechungen da-vonzukommen trachtet. Ich habe nachzuweisen versucht, da ohne dieSowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten die Einberufung der Kon-stituierenden Versammlung nicht gesichert, ihr Gelingen unmglich ist.Und man unterstellt mir, ich sei gegen die baldigste Einberufung derKonstituierenden Versammlung!!!Ich wrde dies als Fieberphantasien" bezeichnen, htten mich nicht

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    W. J. LeninJahrzehnte politischen Kampfes gelehrt, die Ehrlichkeit von Opponentenals seltene Ausnahme zu betrachten.Herr Plechanow hat in seiner Zeitung meine Rede als Fieberphanta-sie" bezeichnet. Sehr gut, H err Plechanow! Doch wie p lump, ungeschicktund begriffsstutzig sind Sie in Ihrer Polemik! Wenn ich in meiner Redezwei volle Stunden lang wie im Fieber phantasierte, warum duldetendann Hunderte von Zuhrern diese Fieberphantasie" ? Weiter. Warumwidmet Ihre Zeitung der Wiedergabe einer Fieberphantasie" eine ganzeSpalte? Frwahr, das reimt sich nicht, das reimt sich bei Ihnen ganz undgar nicht.Es ist natrlich viel leichter, zu schreien, zu schimpfen, zu jammern,als den Versuch zu machen darzulegen, zu erklren, sich zu erinnern, wieMarx und Engels in den Jahren 1871, 1872 und 1875 ber die Erfah-rungen der Pariser Kommune und darber urteilten, was fr einen Staatdas Proletariat braucht.4Herr Plechanow, der ehemalige Marxist, erinnert sich anscheinendnicht gern des Marxismus.Ich habe die Worte Rosa Luxemburgs zitiert, die am 4 . August 1914die deutsche Sozialdemokratie einen stinkenden Leichnam" genannt hat.Die Herren Plechanow, Goldenberg und Co. aber sind gekrnkt" ... umwessentwllen? - um der deutschen Chauvinisten willen, die Chauvinistengenannt wurden!Die armen russischen Sozialchauvinisten, Sozialisten in Worten, Chau-vinisten in der Tat, sie sind ganz durcheinandergeraten.

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    W I E W I R G E R E I S T S I N D 5

    In der sozialistischen Presse rinden sich bereits Nachrichten darber,da die englische und die franzsische Regierung es abgelehnt haben, deninternationalistischen Emigranten die Durchreise nach Ruland zu ge-statten.Die hier eingetroffenen 32 Emigranten verschiedener Parteien (dar-unter 19 Bolschewiki, 6 Bundisten, 3 Anhnger der Pariser internationa-listischen Zeitung Nasche Slowo"6) halten es fr ihre Pflicht, folgendeszu erklren:In unserem Besitz ist eine Reihe von Dokumenten, die wir verffent-lichen werden, sobald wir sie aus Stockholm erhalten (wir haben sie zu-rckgelassen, weil an der schwedisch-russischen Grenze die Agenten derenglischen Regierung wirtschaften) - Dokumente, die vor aller Weltdie traurige Rolle der genannten verbndeten" Regierungen in dieserFrage dartun werden. Zu diesem Punkt wollen wir zustzlich nur be-merken: das Zricher Komitee fr dieEvakuation der Emigranten, in dem23 Gruppen vertreten sind (darunter das Zentralkomitee, das Organi-sationskomitee, die Sozialrevolutionre, der Bund" usw.), konstatiertein einer einstimmig angenommenen Resolution ffentlich die Tatsache,da die englische Regierung entschlossen ist, die internationalistischenEmigranten zu hindern, in ihre Heimat zurckzukehren, um am Kampfgegen den imperialistischen Krieg teilzunehmen.

    Schon in den ersten Tagen der Revolution wurde den Emigranten dieseAbsicht der englischen Regierung klar. Damals entstand in einer Beratung -der V ertreter der Partei der Sozialrevolutionre (M. A. Na tanso n), desOrganisationskomitees der SDAPR7 (L. Martow) und des Bund" (Kos-

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    10 IV. J.Leninsowski) der Plan (er ging von L. Martow aus), die Genehmigung zurDurchreise der Emigranten durch Deutschland im Austausch gegen inRuland internierte deutsche und sterreichische Gefangene zu erwirken.In diesem Sinne wurden mehrere Telegramme nach Ruland geschickt,und gleichzeitig wurden durch Vermittlung schweizerischer SozialistenSchritte zur Verwirklichung dieses Planes unternommen.Die nach Ruland gesandten Telegramme wurden zurckgehalten -augenscheinlich von unserer Provisorischen revolutionren Regierung"(bzw. von ihren A nhngern).Nachdem wir zwei Wochen lang vergeblich auf eine Antw ort aus Ru-land gewartet hatten, entschlossen wir uns, den erwhnten Plan selbstauszufhren. (Andere Emigranten wollten einstweilen warten, denn siehielten es noch nicht fr erwiesen, da die Provisorische Regierung wirk-lich nichts unternehmen wrde, um die Rckkehr aller Emigranten zuermglichen.)Die Angelegenheit lag in den Hnden des Schweizer internationalisti-schen Sozialisten Fritz Platten. Dieser traf genaue schriftliche Verein-barungen mit dem deutschen Gesandten in der Schweiz. Wir werden denText dieser Vereinbarungen verffentlichen. Ihre Hauptpunkte sind: 1. Esreisen alle Emigranten, unabhngig von ihrer Stellung zum Krieg. 2. DerWagen, in dem die Emigranten reisen, geniet das Recht der Exterrito-rialitt. Niemand ist berechtigt, den Wagen ohne Plattens Erlaubnis zubetreten. Keine Kontrolle, weder der Psse noch des Gepcks. 3. DieZurckkehrenden verpflichten sich, in Ruland fr den Austausch einerentsprechenden Anzahl sterreichischer und deutscher Internierter zuagitieren.Die Durchreisenden haben alle Versuche der deutschen Mehrheits-sozialisten, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen, entschieden zurck-gewiesen. Platten begleitete den Wagen whrend der ganzen Fahrt. Erwollte mit uns bis Petrograd reisen, wurde aber an der russischen Grenze(Torne) zurckgehalten. Wir wollen hoffen, nur auf kurze Zeit. AlleUnterhandlungen wurden unter Beteiligung einer Reihe auslndischerinternationalistischer Sozialisten und in vollster Solidaritt mit ihnengefhrt. Das Protokoll ber die Reise wurde unterzeichnet: von zweifranzsischen Sozialisten, Loriot und Guilbeaux, einem Sozialisten derLiebknechtgruppe (Hartstein), dem Schweizer Sozialisten Platten, dem

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    "Wie wir gereist sind 11polnischen Sozialdemokraten Bronski, den schwedischen sozialdemokra-tischen Abgeordneten Lindhagen, Karlson, Strm, Tre Nerman undanderen.Wre Karl Liebknecht heute in Ruland, so wrden ihn die Miljukowgern nach Deutschland lassen; die Bethmann Hollweg lassen euch rus-sische Internationalisten nach Ruland. Eure Aufgabe ist es, nach Rulandzu fahren und dort sowohl gegen den deutschen als auch gegen den rus-sischen Imperialismus zu kmpfen." Das sagten uns die genannten inter-nationalistischen Genossen. Wir denken, sie hatten recht. Wir werdendem Exekutivkomitee des Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputiertenber unsere Reise Bericht erstatten und hoffen, da es die Befreiung einerentsprechenden Anzahl von Internierten, in erster Linie des namhaftensterreichischen Sozialisten Otto Bauer, erwirken und allen Emigranten- und nicht nur den Sozialpatrioten - die Rckkehr nach Ruland er-mglichen wird. W ir hoffen, da das Exekutivkomitee auch dem unerh r-ten Zustand ein Ende machen wird, da man keine Zeitung, sofern sieweiter links steht als die Retsch"8, ber die Grenze lt und da selbstdas Manifest des Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten 9 an dieArbeiter aller Lnder nicht in die Auslandspresse gelangen kann.Qesdirieben am 4. (.i7.)April 1917.Verffentliit am 5. April 1917 Nadb dem 7ext der Vraw da",in der Vrawda" 9Vr. 24 und verglichen mit dem lext derin den Jswestija" ?Jr. 32. Jswestija".

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    ZWEI WELTENDie Zeitungen der Kapitalisten vom Schlage der Retsch" und desNowoje Wremja"1 0 bringen Artikel gegen unsere Reise durch Deutsch-land mit dunklen Andeutungen, ob nicht die Zurckgekehrten Hand-langer der deutschen Imperialisten seien.*Die Zeitung Iswestija Sowjeta Rabotschich i Soldatskich Deputatow" 1 1bringt vollstndig den Bericht, den gestern die Prawda" 1 2 verffent-lichte** und der dem Exekutivkomitee des Sowjets der Arbeiter- und Sol-datendeputier ten sofort nach der Ankunft erstat tet wurde; auer demBericht bringen die Iswestija" noch den Beschlu des Exekutivkomitees.Dieser Beschlu wird von der Redaktion der Iswestija Sowjeta Ra-botschich i Soldatskich D epu tato w" w ie folgt wiederg egebe n:Das Exekutivkomitee hat nach Entgegennahme des Berichts der GenossenSurabow und Sinowjew beschlossen, sich sofort an die Provisorische Regierungzu wenden und Manahmen zu treffen, um allen Emigranten, unabhngigvon ihren politischen Ansichten und ihrer Stellung zum Krieg, die sofortigeRckkehr nach Ruland zu ermglichen. ber das Ergebnis der Verhandlun-gen mit der Regierung werden wir in den nchsten Tagen berichten. Die Red."H ie r habt ihr ein kleines - ein sehr kleines, aber seh r charakteristi-

    sches - Bild zweier W elten . Die We lt der Kapitalisten, der Retsch", derRusskaja Wolja", des Nowoje Wremja" mit ihren schmutzigen An-* Das M aterial" , mit dem die berhmte - traurig berhmte - RusskajaWolja" in ihrem gegen uns gerichteten Artikel aufwartet, ist ganz im Geisteder Retsch". Ob die Herren Miljukow und Co. sich einer solchen Nachbar-schaft nicht schmen werden?** Wird die Retsch" sich entschlieen, ihn abzudrucken?

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    Zwei Welten 13spielungen, niedertrchtigen Verdchtigungen gegen die Sozialisten; unddie Welt der revolutionren Demokratie, der Arbeiter- und Soldaten-deputierten, die in ruhiger, bestimmter und wrdiger Form beschlossenhat, Manahmen zu treffen". Manahmen wozu? Um zu erfllen, wasdie Provisorische Regierung nidbt erfllt hat!Heit das nicht der Provisorischen Regierung eine Rge erteilen?Und ist diese Rge nicht verdient?Wohlgem erkt, das Exekutivkomitee ha t diese Resolution angenommen,obwohl es sich ber seine politischen Differenzen mit den Bolschewikiklar war. Fr die Kapitalisten wre das ein Anla zu Verdchtigungen.Menschlichen Anstand - in der W elt der Kapitalisten soll man ihn nichtsuchen.Trawda" "Nr. 25, Jia) dem Jext der Praw da".6. April 1917.

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    E N T W U R F E I N E S A R T I K E L S O D E R E I N E RR E D E Z U R V E R T E I D I G U N G D E R A P R I L T H E S E N

    1. Es droht der konomische Zusammenbruch. Darum wre die Be-seitigung der Bourgeoisie ein Fehler.(Das ist eine brgerliche Schlufolgerung. Je nher der Zusammen-bruch, desto dringender die Beseitigung der Bourgeoisie.)2. Das Pro letariat ist unorganisiert, schwach, nicht klassenbew ut.(Das ist richtig. Darum besteht die ganze Aufgabe darin, gegenjene kleinbrgerlichen Fhrer, jene sogenannten Sozialdemokraten(Tschcheidse, Zereteli, Steklow), zu kmpfen, die die Massen einlullen,ihnen Vertrauen zur Bourgeoisie einflen wollen.Keine Vereinigung mit diesen K leinbrgern (Tschcheidse, Steklow,Zereteli), sondern Zerschlagung dieser Sozialdemokratie, die die Revo-lution des Proletariats zugrunde richtet.)3. Die Revolution ist im gegebenen Stadium eine brgerliche. Darumkein sozialistisches Experiment".(Das ist ein durch und durch brgerliches Argum ent. Von einem sozia-listischen Experiment" spricht niemand. Eine konkrete, marxistischeOrientierung verlangt jetzt nicht nur die Einschtzung der Klassen, son-dern auch der Institutionen.)Die Herren, die die Revolution durch die sliche Phrase abzuwrgensuchen (Tschcheidse, Zereteli, Steklow), zerren die Revolution zurck:von den Sowjets der Arbeiterdeputierten zur Alleinherrschaft" derBourgeoisie, zu einer brgerlichen parlamentarischen Dutzendrepublik.Wir mssen geschickt, vorsichtig, durch Erhellung der Kpfe das Prole-tariat und die arme Bauernschaft vorwrts fhren von der Doppel-herrschaft" zur unumschrnkten Herrschaft der Sowjets

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    Entwurf eines Artikels oder einer Rede zur Verteidigung der Apriltbesen15der Arbeiterdeputierten, und das eben ist die Kommune im Sinne vonMarx, im Sinne der Erfahrungen von 1871.Die Frage ist nicht, wie schnell man gehen soll, sondern wohin mangehen soll.Die Frage ist nicht, ob die Arbeiter vorbereitet sind, sondern w i e undworauf man sie vorbereiten soll.Da die Manifeste und Aufrufe des Sowjets der Arbeiterdeputiertenber den Krieg usw. hohlstes und verlogenes kleinbrgerliches Geschwtzsind, das lediglich das Volk einlullt, so besteht unsere Aufgabe vor allem,wie ich schon gesagt habe, in der Erhellung der Kpfe, in der Befreiungder M assen von dem brgerlichen Einflu der Tschcheiidse, Steklow, Zere-teli und Co.Die revolutionre Vaterlandsverteidigung" des Sowjets der Arbeiter-deputierten, d. h. Tschcheidses, Zeretelis und Steklows, ist eine, weil durchsliche Phrasen bemntelte, hundertmal schdlichere chauvinistischeStrmung, ist ein Versuch, die Massen mit der Provisorischen revolutio-nren Regierung zu vershnen.Die stumpfe, nicht klassenbewute, von den Herren Tschcheidse, Zere-teli, Steklow und Co. hinters Licht gefhrte Masse begreift nicht, da derKrieg eine Fortsetzung der Politik ist, da Kriege von den Regierungengefhrt werden.Man mu klarstellen, da das Volk" dem Krieg nur dann ein Endemachen oder seinen Charakter ndern kann, wenn es den "Klassencharak-ter der Regierung ndert.Qesdhrieben zwischen dem 4. und 12.(17. und 25.) April 1917.Zuerst verffentlicht am "Nach dem Man uskript.21. Januar 1933 in derPrawda" SVr. 21.

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    LOUIS-BLANC-POLITIK

    Der franzsische Sozialist Louis Blanc hat in der Revolution von 1848eine traurige Berhmtheit dadurch erlangt, da er den Standpunkt desKlassenkampfes mit dem kleinbrgerlicher Illusionen vertauschte, dieunter dem Deckmantel einer scheinbar sozialistischen" Phraseologie inWirklichkeit nur dazu dienen, den Einflu der Bourgeoisie auf das Pro-letariat zu festigen. Louis Blanc erwartete Hilfe von der Bourgeoisie, erhoffte und weckte die Hoffnung, die Bourgeoisie knnte den Arbeiternbei der Organisation der Arbeit" - dieser unklare Terminus solltesozialistische" Bestrebungen zum Ausdruck bringen - helfen.Die Louis-Blanc-Politik ha t jetzt in Ruland in der Sozialde mo kratie"des rechten Flgels, in der Partei des Organisationskomitees, einen vollenSieg errungen. Tschchei'dse, Zereteli, Steklow und viele andere, die heutean der Spitze des Petrograder Sowjets der Soldaten- und Arbeiterdepu-tierten stehen und auch in der dieser Tage beendeten GesamtrussischenBeratung d er Sowjets13 die Fhrung hatten, haben eben die Position LouisBlancs bezogen.In allen H auptfra gen des gegenwrtigen politischen Le bens stehen dieseFhrer, die im groen und ganzen dieselben Ansichten vertreten wie die

    in allen Lndern zu findende Richtung des Zentrums", wie Kautsky,Longuet, Turati und viele andere, eben auf dem kleinbrgerlichen Stand-punkt Louis Blancs. Nehmen wir die Frage des Krieges.Fr den proletarischen Standpunkt ist kennzeichnend die klare klas-senmige Cha rakterisierung des Krieges und die unvershnliche Geg ner-schaft gegen den imperialistischen Krieg, d. h. gegen den Krieg zwisdhenGruppen kapitalistischer (gleidbvie^ ob monarchistischer oder republika-nischer) Lnder um die Teilung der kapitalistischen Beute.

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    ouis-Bhnc-Politifc 17Der kleinbrgerliche Standpunkt unterscheidet sich vom brgerlichen(offene Rechtfertigung des Krieges, offene Verteidigung des Vaterlands",d. h. Verteidigung der Interessen" der eigenen Kapitalisten, Verteidi-gung ihrer Rechte" auf Annexionen) dadurch, da der Kleinbrger An-nexionen verwirft", den Imperialismus verurteilt", von der Bourgeoisiefordert", sie solle im Rahmen der internationalen imperialistischenVerknpfungen und der kapitalistischen Wirtschaftsordnung aufhren,imperialistisch zu sein. Der Kleinbrger beschrnkt sich auf diese fromme,harmlose, leere Deklamation und trottet so in TWirklidbkeit nur hilfloshinter der Bourgeoisie her, er sympathisiert" in dem einen oder anderenPunkt in Worten mit dem Proletariat, bleibt aber in der Tat abhngig

    von der Bourgeoisie und ist nicht fhig oder nicht willens, den Weg zumSturz der Herrschaft des Kapitals zu erkennen, auf dem allein sich dieMenschheit vom Imperialismus befreien kann.Von den brgerlichen Regierungen zu fordern", sie sollten eine ,,/eier-lidbe Deklaration" erlassen im Geiste der Ablehnung von Annexio-nen - das ist fr den Kleinbrger der Gipfel des Mutes und ein Muster-beispiel antiimperialistischer Zimmerwalder" Grundsatzfestigkeit. Es istnicht schwer zu sehen, da dies Louis-Blanc-Politik schlimmster Sorte ist.Erstens wird ein nur halbwegs erfahrener brgerlicher Politikaster nie-mals darum verlegen sein, glnzende", effektvolle, wohltnende, nichts-sagende, zu nichts verpflichtende Phrasen gegen Annexionen schlechthin"in jeder Menge zu produzieren. Gilt es aber die Jaf, so ist es leicht,irgendeinen Kniff zu finden, etwa so, wie krzlich die Retsch", die dentraurigen Mut hatte, zu erklren, da Kurland (das heute von den impe-rialistischen Rubern des bourgeoisen Deutschlands annektiert ist) keinerussische Annexion sei!!Das ist der emprendste Rotuscherkniff, der unerhrteste Betrug derArbeiter seitens der Bourgeoisie, denn wer auch nur einigermaen daspolitische Abc kennt, wird zugeben mssen, da Kurland immer einerussische Annexion war.Wir richten an die Retsch" die offene und direkte Aufforderung:1. sie mge dem Volke eine politische Definition des Begriffs Annexion"geben, die auf alle Annexionen der Welt zutrifft, sowohl auf die deutschenwie auf die englischen und russischen, auf die Annexionen der Vergan-genheit wie die der Gegenwart, auf alle Annexionen ohne Ausnahme,-2 Lenin, W erke , Bd. 24

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    18 W. 3. Lenin2. sie mge klar und deutlich sagen, was es ihrer Meinung nach heit, aufAnnexionen zu verzidbten, nidbt in Worten, sondern in der Tat. Siemge eine politische Definition des Begriffs tatschlicher Verzicht auf An-nexionen" geben, die sich nicht nur auf die Deutschen bezieht, sondernauch auf die Englnder und auf alle Vlker, die jemals irgendwelche An-nexion vollzogen haben.Wir behaupten, da die Retsch" entweder unserer Aufforderungausweichen oder vor dem ganzen Volk durch uns entlarvt werden wird.Und gerade angesichts der von der Retsch" angeschnittenen Kurland-frage ist unser Streit kein theoretischer, sondern ein praktischer Streit,ein Streit von unmittelbarstem, brennendstem und aktuellstem Inter-esse.Zweitens. Nehmen wir sogar, wenn auch nur fr einen Augenblick, an,da die brgerlichen Minister die personifizierte Rechtschaffenheit seien,da die Gutschkow, Lwow, Miljukow und Co. ganz ehrlich glauben, essei mglich, auch unter Beibehaltung des Kapitalismus auf Annexionenzu verzichten, und da sie auf Annexionen verzichten wollen.Gehen wir einen Augenblick lang sogar von dieser Annahme aus -ganz im Geiste Louis Blancs.

    Es fragt sich, darf ein erwachsener Mensch sich damit begngen, wasjemand von sich denkt, ohne das an Hand dessen zu prfen, was er tut?Darf ein Marxist Wnsche und Erklrungen der objektiven Wirklichkeitgleichsetzen?Nein, er darf es nicht.Die Annexionen sind bedingt durch die Verquickung des Finanzkapi-tals, des Bankkapitals, des imperialistischen Kapitals. Hierin besteht dieheutige, die wirtschaftliche Grundlage der Annexionen. Von dieser Seiteaus betrachtet, ist die Annexion der politisch garantierte Profit aus den inTausenden und aber Tausenden Unternehmungen der annektierten Ln-der investierten" Milliardenkapitalien.Es ist unmglich, selbst bei gutem Willen, auf die Annexionen zu ver-zichten, ohne entscheidende Schritte zum Sturz der Herrschaft des Kapi-tals zu tun.Bedeutet dies etwa, wie das Jedinstwo", die Rabotschaja Gaseta" 14and andere Louis Blancs" unseres Kleinbrgertums zu folgern bereitsind und wirklich folgern, da man die entscheidenden Schritte zum

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    Louis-Blanc-Politik 19Sturz des Kapitals nicht tun soll? da man sich mit irgendwelchen An-nexionen - und seien es noch so kleine - abfinden soll?Nein. Man mu energische Schritte zum Sturz des Kapitals tun. Dabeimu man geschickt und allmhlich vorgehen, gesttzt lediglidb aufdas Bewutsein und die Organisiertheit der erdrckenden Mehrheit derArbeiter und der armen Bauern. Aber diese Schritte mu man tun. Unddie Sowjets der Arbeiterdeputierten haben an manchen Orten Rulandsbereits begonnen, sie zu tun.Die Forderung des Tages ist: entschlossene, unwiderrufliche Abgren-zung von den Louis Blancs, von den Tschchei'dse, Zereteli, Steklow, vonder Partei des Organisationskomitees, von der Partei der Sozialrevolu-tionre usw. usf. Aufklrung der Massen darber, da die Louis-Blanc-Politik die erfolgreiche Weiterentwicklung der Revolution und sogar dieFreiheit in Frage stellt, ja unmglich macht, wenn die Massen die Schd-lichkeit dieser kleinbrgerlichen Illusionen nicht begreifen und sich nichtden klassenbewuten Arbeitern bei ihren vorsichtigen, allmhlichen, ber-legten, aber festen und unverzglich einzuleitenden Schritten zum Sozia-lismus anschlieen.Auerhalb des Sozialismus gibt es fr die Menschheit keine Rettungvor Kriegen, vor Hungersnot, vor dem Untergang weiterer Millionenund aber Millionen von Menschen.Vrawda" 3Vr. 27, T^ai dem 7ext der Vrawda".8. April 1917."Untersdbrift.- 9J . , e n > n.

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    BER DIE DOPPELHERRSCHAFTDie Grundfrage jeder Revolution ist die Frage der Macht im Staate.Ohne Klrung dieser Frage kann von keiner wie immer gearteten be-wuten Teilnahme an der Revolution die Rede sein, von einer Fhrungderselben ganz zu schweigen.Die hchst bemerkenswerte Eigenart unserer Revolution besteht darin,da sie eine Doppelherrsdbaft geschaffen hat. ber diese Tatsache muman sich vor allem klarwerden; bevor man sie nicht begriffen hat, kannman nicht vorwrtsschreiten. So mu man z. B. die alten Formeln" des

    Bolschewismus zu ergnzen und zu korrigieren verstehen, da sie zwar, wiesich gezeigt ha t, im allgemeinen richtig w aren, ihre konkrete Anwendungsich aber anders gestaltete. An Doppelherrschaft hat frher niemand ge-dacht und konnte niemand denken.Worin besteht die Doppelherrschaft? Darin, da sich neben der Pro-visorischen Regierung, der Regierung der Bourgeoisie, eine noch schwache,erst in Keimform vorhandene, aber dennoch unzweifelhaft wirklich exi-stierende und erstarkende andere Regierung herausgebildet hat: dieSowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten.Wie ist diese andere Regierung klassenmig zusammengesetzt? Ausdem Proletariat und der (in Soldatenrcke gesteckten) Bauernschaft. Wel-cherart ist der politische Charakter dieser Regierung? Sie ist eine revolu-tionre Diktatur, d. h. eine Macht, die sich unmittelbar auf die revolu-tionre M achtergreifung sttzt, auf die unm ittelbare Initiative der Volks-massen von unten , und nidht auf ein von einer zentralisierten Staatsmachterlassenes Qesetz. Sie ist eine Macht von ganz anderer Art als die in derparlamentarischen brgerlich-demokratischen Republik des bisher allge-

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    'ber die Doppelherrschaft 21mein blichen, in den fortgeschrittenen Lndern Europas und Amerikasherrschenden Typus. Diesen Umstand lt man oft auer acht, denkt oftnicht genug ber ihn nach, whrend das gerade der springende Punktist. Diese Macht ist eine Macht von demselben 7ypus, wie es die PariserKommune von 1871 war. Die Grundmerkmale dieses Typus sind:1. Quelle der Macht ist nicht das vorher vom Parlament beratene undbeschlossene Gesetz, sondern die d irekte, von unten kommende Initiativeder Volksmassen im Lande, die direkte Machtergreifung", um diesenlandlufigen Ausdruck zu gebrauchen; 2, Ersetzung von Polizei undArmee als vom Volke getrennte und dem Volke entgegengestellte Insti-tutionen durch die direkte Bewaffnung des ganzen Volkes; die Staats-ordnung w ird un ter einer solchen Macht von den bewaffneten Arbeiternund Bauern selbst, vom bewaffneten Volke selbst geschtzt; 3. ebensowird die Beamtenschaft, die Brokratie, entweder durch die unmittelbareHerrschaft des Volkes selbst ersetzt oder zumindest unter besondereKontrolle gestellt; die Beamten verwandeln sich in nicht nur whlbare,sondern auch auf die erste Forderung des Volkes hin absetzbare Personen,ihre Rolle wird auf die von einfachen Bevollmchtigten reduziert: aus einerprivilegierten Schicht mit hoher, bourgeoiser Bezahlung ihrer Pstchen"verwandeln sie sich in Arbeiter einer besonderen Waffengattung", derenEntlohnung nicht hher ist als der bliche Lohn eines guten Arbeiters.Darin und nur darin besteht das Wesen der Pariser Kommune alseines besonderen Staatstypus. Dieses Wesen haben die Herren Plecha-now (die offenen Chauvinisten, die den Marxismus verraten haben), dieKautsky (die Zentristen", d. h. die zwischen Chauvinismus und Marxis-mus Schwankenden) und berhaup t alle gegenwrtig herrschenden Sozial-demokraten, Sozialrevolutionre usw. vergessen bzw. entstellt.Man sucht mit Phrasen loszukommen, hllt sich in Schweigen, machtAusflchte, beglckwnscht einander tausendmal zur Revolution und willnicht darber nachdenken, was denn die Sowjets der Arbeiter- und Sol-datendeputierten sind. Man will die offensichtliche Wahrheit nicht sehen,da,inwieweit dieseSowjets bestehen, inwieweit sie eine Staatsmacht sind,insoweit in Ruland ein Staat vom 7ypus der Pariser Kommune besteht.Ich betonte: inwieweit". Denn sie sind erst die Keime einer Staats-macht. Sowohl durch ein direktes Abkommen mit der brgerlichen Pro-visorischen R egierung als auch durch eine Reihe faktischer Zugestndnisse

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    22 IC.I.Leninlieferte und liefert diese Macht selber ihre Positionen an die Bourgeoisieaus.Warum? Etwa weil die Tschcheiidse, Zereteli, Steklow und Co. einenFehler" begehen? Unsinn. So kann ein Spieer denken, nicht aber einMarxist. Der Grund ist das ungengende "Klassenbewutsein und dieungengende Organisiertheit der Proletarier und Bauern. Der Fehler"der genannten Fhrer liegt in ihrer kleinbrgerlichen Haltung, liegt dar-in, da sie das Bewutsein der Arbeiter trben, anstatt es zu klren, dasie kleinbrgerliche Illusionen, einflen, statt sie zu zerstren, da sieden Einflu der Bourgeoisie auf die Massen strken, anstatt die Massenvon diesem Einflu zu befreien.Daraus sollte schon klar sein, warum auch unsere Genossen so vieleFehler begehen, wenn sie ganz einfach" die Frage stellen: Soll die Pro-visorische Regierung sofort gestrzt werden?Ich antworte: 1. sie mu gestrzt werden, denn sie ist eine olig-archische, brgerliche Regierung und keine Volksregierung; sie kann wederFrieden noch Brot noch volle Freiheit geben; 2. sie kann jetzt nicht gestrztwerden, denn sie hlt sich durch ein direktes und indirektes, formelles undfaktisches Abkommen mit den Sowjets der A rbeiterdeputierten, vor allemaber mit dem wichtigsten, dem Petrograde r Sow jet; 3. sie kann berhauptnicht auf dem gewhnlichen Wege gestrzt" werden, denn sie basiertauf der .^Untersttzung" der Bourgeoisie durch die zweite Regierung,durch den Sowjet der Arbeiterdeputierten; diese Regierung aber ist dieeinzig mgliche revolutionre Regierung, die unmittelbar das Bewutseinund den Willen der Mehrheit der Arbeiter und Bauern zum Ausdruckbringt. Einen hheren, besseren Typus der Regierung als die Sowjets derArbeiter-, Landarbeiter-, Bauern- und Soldatendeputierten hat dieMenschheit nicht hervorgebracht und kennen wir bisher nicht.

    Um zur Staatsmacht zu werden, mssen die klassenbewuten Arbeiterdie Mehrheit fr sich gewinnen: solange den Massen gegenber keineGewalt angewendet wird, gibt es keinen anderen Weg zur Macht. Wirsind keine Blanquisten, keine Anhnger der Machtergreifung durch eineMinderheit Wir sind Marxisten, Anhnger des proletarischen Klassen-kampfes gegen den kleinbrgerlichen Taumel, gegen den Chauvinismusund die Vaterlandsverteidigung, gegen die Phrase, gegen die Abhngig-keit von der Bourgeoisie.

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    ber die Doppelherrschaft 23Schaffen wir eine proletarische kommunistische Partei; Elemente einer

    solchen Partei haben die besten Anhnger des Bolschewismus bereitsgeschaffen; schlieen wir uns zur proletarischen Klassenarbeit zusam-men, und von den Proletariern, von den armen Bauern wird sich einegrere und immer grere Zahl auf unsere Seite stellen. Denn dasLeben wird tagtglich die kleinbrgerlichen Illusionen der Sozialdemo-kraten", der Tschcheidse, Zereteli, Steklow usw., der Sozialrevolutio-n re " , der Kleinbrger noch reineren" W ass ers, usw . usf. zerschlagen.Die Bourgeoisie ist fr die Alleinherrschaft der Bourgeoisie.Die klassenbewuten Arbeiter sind fr die Alleinherrschaft der Sowjets

    der Arbeiter-, Landarbeiter-, Bauern- und Soldatendeputierten, fr dieAlleinherrschaft, die vorbereitet wird durch die Klrung des proletari-schen Klassenbewutseins, durch seine Befreiung vom Einflu der Bour-geoisie, nicht aber durch Abenteuer.Das Kleinbrgertum - die Sozialdemokraten", die Sozialrevolutio-nre usw. usf. schwankt und behindert diese Kl rung, diese Befreiung.Das ist das tatschliche, klassenmige Krfteverhltnis, das unsereAufgaben bestimmt.Prawda" 3Vr. 28, Nado dem lext der Prawda".9. April 19.17."Unterschrift:^. Lenin.

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    BRIEFE BER DIE TAKTIK 15

    V O R B E M E R K U N GAm 4. Ap ril 1917 referierte ich in Petro grad ber da s im Titel ange-gebene Thema, und zwar zunchst in einer Versammlung von Bolsche-wiki. Es wa ren das Delegierte der G esamtrussischen Beratung der Sowjetsder Arbeiter- und Soldatendeputierten, die abreisen muten und mir des-halb keinerlei Aufschub geben konnten. Am Schlu der Versammlungschlug mir der Vorsitzende, Gen. G. Sinowjew, im Namen der ganzen

    Versammlung vor, mein Referat sofort in einer gemeinsamen Versamm-lung bolschewistischer und menschewistischer Delegierter zu wiederholen,die die Frage der Wiedervereinigung der SDAPR zu diskutierenwnschten.So schwer es mir auch fiel, mein Referat sofort zu wiederholen, so hieltich mich doch nicht fr berechtigt, abzulehnen, zumal dies der Wunschsowohl meiner Qesinnungsgenossen als auch der Menschewiki war undsie mir, da sie abreisen muten, wirklich keinen Aufschub geben konnten.Im Laufe des Referats verlas ich meine in Nr. 26 der Prawda" vom

    7. Ap ril 1917 verffentlichten Th esen .*Sowohl die Thesen wie auch mein Referat riefen unter den Bolschewikiselbst "und innerhalb der R edaktion de r Pra w da" M einungsverschieden-heiten hervor. Nach einer Reihe von Beratungen kamen wir einstimmig* Ich verffentliche die Thesen mit den kurzen erluternden Bemerkungenaus dieser Nummer der Prawda" nochmals als Beilage zum vorliegendenBrief. (Siehe den vorliegenden Band, S. 36. Die Red.)

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    Briefe ber die Taktik 25zu dem Schlu, da es am zweckmigsten wre, diese Meinungsverschie-'denheiten in der ffentlichkeit zu diskutieren, um auf diese Weise der am20 . April 1917 in Petrograd zusammentretenden Gesamtrussischen Kon-ferenz unserer Partei (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rulands, ver-einigt durch das Zentralkomitee) Material zu liefern.In Ausfhrung dieses Beschlusses ber die Einleitung einer Diskussionverffentliche ich nu n nachstehende Briefe, wobei ich nicht den Ansprucherhebe, in ihnen die Frage allseitig untersucht zu haben, vielmehr nur dieHauptgesichtspunkte aufzeigen mchte, die fr die praktischen Aufgabender Bewegung der Arbeiterklasse besonders wesentlich sind.

    E R S T E R B R I E FD I E E I N S C H T Z U N G D E R G E G E N W R T I G E N L A G EDer Marxismus verlangt von uns die genaueste, objektiv nachprfbareAnalyse des Wechselverhltnisses der Klassen und der konkreten Be-sonderheiten jedes geschichtlichen Zeitpunkts. W ir Bolschewiki warenstets bestrebt, dieser vom Standpunkt jeder wissenschaftlichen Begrn-

    dung der Politik ganz unerllichen Forderung gerecht zu werden.Unsere Lehre ist kein Dogma, sondern eine Anleitung zum H an-deln" 1 6-das betonten Marx und Engels stndig, wobei sie sich mit vollemRecht ber das Einochsen und einfache Wiederholen von Formeln" lustigmachten, die bestenfalls nur geeignet sind, die allgemeinen Aufgaben vor-zuzeichnen, die durch die konkrete konomische und politische Situationin jedem besonderen Zeitabschnitt des geschichtlichen Prozesses zwangs-lufig modifiziert werden.Von welchen genau festgestellten, objektiven Jatsadhen mu die Parteides revolutionren Proletariats jetzt ausgehen, um die Aufgaben undFormen ihres Handelns zu bestimmen?Sowohl in meinem in der Prawda" Nr. 14 und 15 vom 21. und22 . Mrz 1917 verffentlichten ersten Brief aus der Ferne" (Die ersteEtappe der ersten Revolution") als auch in meinen Thesen definiere ichdie Eigenart der gegenwrtigen Lage in Ruland" als Periode desbergangs von der ersten Etappe der Revolution zur zweiten. U nd

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    26 W. 1 Lenindeshalb erachtete ich als Hauptlosung, als Aufgabe des Tages", zu die -sem Zeitpunkt folgendes: Arbeiter! Ihr habt im Brgerkrieg gegen denZarismus Wunder an proletarischem Heldentum, an Volksheldentum voll-bracht. Ihr mt Wunder an Organisation des Proletariats und des ge-samten Volkes vollbringen, um euren Sieg in der zweiten Etappe der Re-volution vorzubereiten." (Prawda" Nr. 15.)*Worin besteht nun die erste Etappe?Im bergang der Staatsmacht an die Bourgeoisie.Bis zur Februar-M rz-Revolution 1917 befand sich die Staatsmacht inRuland in den Hnden einer alten Klasse: der Klasse der adligen fron-herrlichen Gutsbesitzer, mit Nikolaus Romanow an der Spitze.Nach dieser Revolution befindet sich die Staatsmacht in den Hndeneiner anderen, neuen Klasse: der 'Bourgeoisie.Der bergang der Staatsmacht aus den Hnden einer XI a s s e in dieeiner anderen ist das erste, wichtigste, grundlegende Merkmal einer Re-volution, sowohl in der streng wissenschaftlichen wie auch in der prak-tisch-politischen Bedeutung dieses Begriffs.Insoweit ist die brgerliche bzw. brgerlich-demokratische Revolutionin Ruland abgeschlossen.Hier erhebt sich lrmender Widerspruch, und zwar von Leuten, diesich gern alte Bolschewiki" nennen: Haben wir denn nicht stets gesagt,da die brgerlich-demokratische Revolution erst durch die revolutionr-demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft" abge-schlossen wird? Ist denn etwa die Agrarrevolution, die ja auch eine br-gerlich-demokratische Revolution ist, abgeschlossen? Ist es nicht, imGegenteil, Tatsache, da sie noch nicht begonnen hat?Ich antworte: Die bolschewistischen Losungen und Ideen sind im all-gemeinen durch die Geschichte vollauf besttigt worden, konkret aberhaben sich die Dinge anders gestaltet als ich (oder wer auch immer) eserwarten konnte - origineller, eigenartiger, bunter.Diese Tatsache ignorieren, sie vergessen, hiee es jenen alten Bolsche-wiki" gleichzutun, die schon mehr als einmal eine traurige Rolle in derGeschichte unserer Partei gespielt haben, indem sie sinnlos eine aus-wendig gelernte Formel wiederholten, anstatt die Eigenart der neuen, derlebendigen Wirklichkeit zu studieren.~~*~Siehe Werke, Bd. 23, S. 321. Die Red.

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    Briefe ber die 7aktik 27Die revolutionr-demokratische Diktatur des Proletariats und der

    Bauernschaft" ist in der russischen Revolution sdbon Wirklichkeit gewor-den*, denn diese Formel" beinhaltet lediglich das Wechseherhltnis derKlassen, nicht aber die konkrete politische Institution, die dieses Ver-hltnis, dieses Zusammenwirken realisiert. Der Sowjet der Arbei-ter- und Soldatendeputierten" da habt ihr die vom Leben bereits ver-wirklichte revolutionr-demokratische Diktatur des Proletariats und derBauernschaft".Diese Formel ist bereits veraltet. Aus dem Reich der Formeln hatdas Leben sie in das Reich der Wirklichkeit versetzt, sie zu Fleischund Blut werden lassen, sie konkretisiert und sie eben dadurch mo-difiziert.Auf der Tagesordnung steht bereits eine andere, eine neue Aufgabe:die Abspaltung der proletarischen (die Vaterlandsverteidigung" verwer-fenden, internationalistischen, kommunistischen", fr den bergang zurKommune eintretenden) Elemente innerhalb dieser Diktatur von denKleineigentmer- oder kleinbrgerlichen Elementen (den Tschcheidse,Zereteli, Steklow, den Sozialrevolutionren und dergleichen revolutio-nren Vaterlandsverteidigern, den Gegnern des Fortschreitens auf demWege zur Kommune, den Anhngern der Untersttzung" der Bour-geoisie und der brgerlichen Regierung).W er jetzt lediglich von revolutionr-demokratischer Diktatur des Pro-letariats und der Bauernschaft" spricht, der ist hinter dem Leben zurck-geblieben, der ist damit faktisch zum Kleinbrgertum bergegangen, derist gegen den proletarischen Klassenkampf, der gehrt in ein Archiv frbolschewistische" vorrevolutionre Raritten (Archiv alter Bolschewiki"knnte man es nennen).Die revolutionr-demokratische Diktatur des Proletariats und derBauernschaft ist bereits Wirklichkeit geworden, aber auf eine auer-ordentlich originelle Weise, mit einer Reihe hchst wichtiger Modifika-tionen. Auf diese werde ich in einem der weiteren Briefe besonders zusprechen kom men. Jetz t gilt es, sich die unbestreitbare W ahrh eit zu eigenzu machen, da der Marxist mit dem lebendigen Leben, mit den exaktenTatsachen der 'Wirklichkeit rechnen mu, statt sich an die Theorie vongestern zu klammern, die, wie jede Theorie, bestenfalls nur das Grund-* In einer gewissen Form und bis zu einem gewissen Grade.

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    28 TVJ. Leninlegende, Allgemeine aufzeigt und die Kompliziertheit des Lebens nur an-nhernd erfat.Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grn des Lebens goldnerBaum." 17W er d ie Frage, ob die brgerliche R evolution abgeschlossen" sei, ind e r alten Weise stellt , der opfert den lebendigen Marxismus dem totenBuchstaben.Nach der alten Weise ergibt sich: nach der Herrschaft der Bourgeoisiekann und mu die Herrschaft des Proletariats und der Bauernschaft, ihreDikta tur folgen.

    Im lebendigen Leben aber ist es bereits anders gekomm en: ents tan-den ist eine hchst originelle, neue, noch nie dagewesene Verflechtung deseinen mit. dem anderen. Es besteht nebeneinander, zusam men, zu e in undderselben Zei t sowohl die Herrschaft der Bourgeoisie (die RegierungLwow und Gutschkow) als audb die revolutionr-demokratische Diktaturdes Proletariats und der Bauernschaft, die die Macht freiwillig andie Bourgeoisie abtrit t , freiwillig zu ihrem Anhngsel wird.Denn man darf nicht vergessen, da faktisch in Petrograd die Machtin den Hnden der Arbei ter und Soldaten l iegt ; Gewalt wendet die neue

    Regierung gegen sie nicht an und kann sie auch nicht anwenden: gibt esdoch weder eine Polizei nodo ein vom Volk getrenntes Heer, noch einallmchtig ber dem Volke stehendes Beamtentum. Das ist eine Tatsache.Und zwar e ine Tatsache, die fr e inen Staat vom Typus der PariserKommune charakteristisch ist. Diese Tatsache lt sich nicht in die altenSchemata zwngen. Man mu die Schemata dem Leben anzupassen wis-sen, anstatt stndig die sinnlos gewordenen Worte von der Diktatur desProletariats und der Bauernschaft" schlechthin zu wiederholen.Gehen wir nun an die Frage, um sie besser zu beleuchten, von einer

    anderen Sei te heran.Der Marxist darf den festen Boden der Analyse des Wechselverhl t -nisses der K lassen nicht verlassen. A n d er M ach t ist die Bourgeoisie. A be rist denn die Masse der Bauern nicht auch eine Bourgeoisie, nur eineranderen Schicht , e iner anderen Art , anderen Charakters? Woraus folgtdenn, da diese Schicht nidot zur Macht gelangen, nicht die brgerlich-demokratische Revolution vollenden" kann? Warum ist das unmglich?So urteilen oft alte Bolschewiki.

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    Briefe ber die 7aktik 29Ich antworte: Mglich ist das durchaus. Aber der Marxist soll bei der

    Analyse der Lage nidot vom Mglichen ausgehen, sondern vom W irklichen.Die Wirklichkeit aber zeigt uns die 7atsadbe l da frei gewhlte Sol-daten- und Bauerndeputierte frei der zweiten, der Nebenregierung an-gehren, sie frei ergnzen, weiter entwickeln und ausbauen. Und ebensofrei treten sie die Macht an die Bourgeoisie ab - eine Erscheinung, dieder Theorie des Marxismus durchaus nicht widerspricht", denn wirhaben es stets gewut und viele Male darauf hingewiesen, da die Bour-geoisie sich nidbt nur mittels der Gewalt hlt, sondern auch infolge dermangelnden Bewutheit der Massen, ihrer Unfhigkeit , vom Altherge-brachten loszukommen, ihrer Verschchterung, ihrer Unorganisiertheit .Angesichts dieser Wirklichkeit des heutigen'Tages nun ist es geradezulcherlich, sich von der gegebenen Tatsache abzuwenden und von Mg-lichkeiten" zu reden.Es ist mglich, da die Bauernschaft vom ganzen Grund und Bodenund von der ganzen Macht Besitz ergreift. Ich vergesse diese Mglichkeitdurchaus nicht und beschrnke mein Blickfeld keineswegs nur auf denheutigen Tag, sondern formuliere vielmehr das Agrarprogramm genauund exakt unter Bercksichtigung einer neuen Erscheinung: der sich ver-t iefenden Kluft zwischen den Landarbeitern und armen Bauern einer-

    seits und den besitzenden Bauern anderseits.Aber mglich ist auch etwas anderes: es ist mglich, da die Bauernden Ratschlgen der kleinbrgerlichen Partei der Sozialrevolutionre fol-gen, die dem Einflu der Bourgeois erlegen, zum Standpunkt der Vater-landsverteidigung bergegangen ist und die Konsti tuierende Versamm-lung abzuwarten empfiehlt , obwohl bis zur Stunde noch nicht einmaldere n Einberufu ngsterm in festgesetzt ist !**Um Mideutungen vorzubeugen, will ich vorgreifend schon hier feststel-

    len : Ich bin unbedingt dafr, da die Sowjets der Landarbeiter undBauern sofort den gesamten Grund und Boden in ihre Hnde nehmen,da sie aber hierbei s e l b s t strengste Ordnung und Disziplin wahren, nichtdie geringste Beschdigung von Maschinen und Gebuden, nicht die geringsteSchdigung des Viehbestands dulden, unter keinen Umstnden die Wirt-schaft und die Getreideproduktion desorganisieren, sondern sie e ntwik-keln, denn die Soldaten brauchen das D o p p e l t e an Brot, und das Volksoll nicht hungern.

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    30 W. 7. LeninEs ist mglich, da die Bauern ihren Pakt mit der Bourgeoisie auf-

    rechterhalten und fortsetzen, einen Pakt, den sie gegenwrtig durch dieVermittlung der Sowjets der Arbeiter- und Soldatendeputierten nicht nurformell, sondern auch faktisch geschlossen haben.Mglich ist verschiedenes. Es wre der grte Fehler, die Agrarbewe-gung und das Agrarprogramm zu vergessen. Ein ebensolcher Fehler aberwre e s , die Wirklichkeit zu vergessen, die uns die Tatsache des Abkom-mens oder - um einen genaueren, weniger juristischen, mehr konomisch-klassenmigen Ausdruck zu gebrauchen - die Tatsache der 'Klassen-zusammenarbeit der Bourgeoisie und der Bauernschaft vor Augen fhrt.Wenn diese Tatsache aufhren wird, eine Tatsache zu sein, wenn sididie Bauernschaft von der Bourgeoisie loslsen, wenn sie wider die Bour-geoisie vom G run d un d Boden und von der M acht Besitz ergreifen wir d -dann beginnt eine neue Etappe der brgerlich-demokratischen Revolution,und von ihr wird besonders zu spredien sein.Ein Marxist , der im Hinblick auf die Mglichkeit einer solchen zu-knftigen Etappe seine Pflichten heute vergit, wo die Bauernschaft mitder Bourgeoisie paktiert, wrde sich in e inen Kleinbrger verwandeln.Wrde er doch in Wirkl ichkei t dem Prole taria t Vertrauen zum Klein-

    brgertum predigen (sie, die Kleinbrger, die Bauern mssen sich nochim Rahmen der brgerlich-demokratischen Revolution von der Bour-geoisie trennen"). Im Hinblick auf die Mglichkeit" einer angenehmenund lieblichen Zukunft, in der die Bauernschaft nicht den Nacht rabder Bourgeoisie bilden wird, in der die Sozialrevolutionre, dieTschchei'dse, Zereteli, Steklow nicht ein Anhngsel der brgerlichenRegierung sein werden, im Hinblick auf die Mglichkeit" einer angeneh-men Zukunft verge er die unangenehme Q egenw art, in derdie Bauernschaft vorlufig noch den Nachtrab der Bourgeoisie bildet, inder die Sozialrevolutionre und Sozialdemokraten noch immer die Rolleeines Anhngsels der brgerlichen Regierung, einer Opposition SeinerMajest t" 1 8 Lwow spielen.Ein Mensch wie der von uns angenommene wre eher ein faderLouis Blanc, ein fader Kautskyaner, keineswegs aber ein revolutionrerMarxis t .Aber laufen wir nicht Gefahr, in Subjektivismus zu verfallen, in denW unsc h, b er die unvollendete - noch in der buerlichen Bewegung be-

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    "Briefe ber die Taktik 31fangene - Revolution brgerlich-demokratischen Charakters in die sozia-listische Revolution hinberzuspringen"?Htte ich gesagt: Weg mit dem Zaren, her mit der Arbeiterreglt-rung"1 9 , so wrde mir diese Gefahr drohen. Doch ich habe das nichtgesagt, ich habe etwas anderes gesagt. Ich habe gesagt, da es (von derbrgerlichen Regierung abgesehen) auer den Sowjets der Arbeiter-,Landarbeiter-, Soldaten- und Bauerndeputierten keine andere Regierungin Ruland geben kann. Ich habe gesagt, da jetzt in Ruland die Machtvon Gutschkow und Lwow nur an diese Sowjets bergehen kan n, da indiesen aber gerade die Bauernschaft berwiegt, die Soldaten berwiegen,da in ihnen - um einen wissenschaftlichen, marxistischen Ausdruck zugebrauchen und statt der gemeinhin gebrauchten, alltglichen Berufs-kennzeichnung eine Klassencharakteristik zu geben - das Kleinbrgertumberwiegt.

    Ich habe mich in meinen Thesen entschieden von jedem berspringender noch nicht berwundenen buerlichen oder berhaupt kleinbrger-lichen Bewegung, von jedem Spiel mit der Machtergreifung" durch eineArbeiterregierung, von jedem blanquistischen Abenteuer abgegrenzt,denn ich habe direkt auf die Erfahrungen der Pariser Kommune verwie-sen. Diese Erfahrungen haben aber bekanntlich, wie Marx 1871 undEngels 1891 eingehend nachgewiesen haben 20, gezeigt, da fr Blanquis-mus kein Platz war, sie haben klar gezeigt, da die direkte, unmittelbare,unbedingte Herrschaft der "Mehrheit und die Aktivitt der Massen nur indem Mae gesichert waren, wie die Mehrheit selbst bewut auftrat.

    Ich habe in den Thesen mit grter Bestimmtheit den Kampf um denEinflu innerhalb der Sowjets der Arbeiter-, Landarbeiter-, Bauern-und Soldatendeputierten in den Mittelpunkt gestellt . Um auch nicht denleisesten Zweifel in dieser Beziehung aufkommen zu lassen, habe ich inden Thesen zweimal die Notwendigkeit der geduldigen, beharrlichen,den pr aktisch en Bedrfnissen der ^Massen angepaten" Auf-klrungs"arbeit betont .

    Mgen Ignoranten oder Renegaten des Marxismus vom Schlage desHerrn Plechanow und seinesgleichen ber Anarchismus, Blanquismususw. zetern. Wer gewillt ist , zu denken und zu lernen, der wird zweifel-los begreifen, da Blanquismus Machtergreifung durch eine Minderheitbedeutet, whrend es doch offenkundig ist, da die Sowjets der Arbeiter-

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    32 W. 7. Leninusw. Deputierten die direkte und unmittelbare Organisation der Mehr-heit des Volkes sind. Eine Arbeit, die auf den Kampf um den Einfluinnerhalb dieser Sowjets gerichtet ist, kann nicht, kann ganz und gar nidotin den Sumpf des Blanquismus fhren. Sie kann auch nicht in den Sumpfdes Anarchismus fhren, denn der Anarchismus ist die Verneinung der"Notwendigkeit des Staates und der Staatsmacht fr die Epoche desbergangs von der Herrschaft der Bourgeoisie zur Herrschaft desProletariats. Ich aber trete mit einer Bestimmtheit, die jede Mglichkeiteines Miverstndnisses ausschliet, fr die Notwendigkeit des Staates indieser Epoche ein, jedoch - in bereinstimmung mit Marx und mit denErfahrungen der Pariser Kommune - nicht des gewhnlichen brgerlich-parlamentarischen Staates, sondern eines Staates ohne stehendes Heer ,ohne eine gegen das Volk gerichtete Polizei, ohne eine ber das Volk ge-stellte Beamtenschaft.

    Wenn Herr Plechanow in seinem Jedinstwo" aus Leibeskrf ten berAnarchismus zetert, so ist das nur ein weiterer Beweis fr seinen Bruchmit dem Marxismus . Auf meine Aufforderung in der P rawd a" (Nr. 26 ) ,doch darzulegen, was Marx und Engels in den Jahren 1871, 1872 und1875 ber den Staat gelehrt haben*, bleibt Herrn Plechanow nichts an-deres brig - und wird ihm auch weiterhin nichts anderes brigbleiben - ,als ber den Kern der Sache mit Schweigen hinwegzugehen und mit Ge-zeter im Geiste der erzrnten Bourgeoisie zu antworten.Die marxistische Lehre vom Staat hat der ehemalige Marxist HerrPlechanow absolut nicht begriffen. Keime dieses Nichtverstehens sind,nebenbei gesagt, auch in seiner deutschen Broschre ber den Anarchis-m us21 zu erkennen. *Sehen wir nu n, wie Gen. J . Kamenew in einer Notiz in Nr . 27 d er

    Prawda" die Meinungsverschiedenheiten" formuliert, die ihn von mei-nen Thesen und den oben dargelegten Ansichten trennen. Das wird unshelfen, grere Klarheit ber sie zu schaffen. :Was das allgemeine Schema des Gen. Lenin anbelangt", schreibt Gen.Kamenew, so halten wir es fr unannehmbar, insofern es davon ausgeht, dadie brgerlich-demokratische Revolution abgeschlossen sei, insofern es* Siehe den vorliegenden Band, S. 8. Df'e Red.

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    "Briefe ber die 7ak.Uk 33auf die sofortige Umwandlung dieser Revolution in eine sozialistische berech-ne t i s t . . . "

    Hierin sind zwei grobe Fehler enthalten.Der erste. Die Frage nach dem Abgeschlossensein" der brgerlich-demokratischen Revolution ist falsch gestellt. Diese Frage ist in einer ab-strakten, einfachen, einfarbigen Form - wenn man sich so ausdrckendarf - gestellt , die der objektiven Wirklichkeit nidbt entspricht . W e r d ieFrage so stellt, wer heute fragt: Ist die brgerlich-demokratische Revo-lution abgeschlossen?" und dabei stehenbleibt - der be raubtsich der Mglichkeit , die auerordentlich verwickelte, zumindest zwei-farbige" Wirklichkeit zu verstehen. Dies in der Theorie. In der Praxisaber kapituliert er hilflos vor dem kleinbrgerlichen JLevolutionarismus.In der Ta t. D ie Wirklichkeit zeigt uns sowohl den bergang der M achtan die Bourgeoisie (abgeschlossene" brgerlich-demokratische Revolu-tion vom gewhnlichen Typus) als audb die Existenz - neben der eigent-lichen Regierung - einer Nebenregierung, die die revolutionr-demo-kratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft" verkrpert.Diese letztere Auch-Regierung" hat selber die M acht an die Bourgeoisieabgetreten, hat sich selber an die brgerliche Regierung gekettet.

    Erfat die altbolschewistische Formel des Gen. Kamenew die brger-lich-demokratische Revolution, ist nicht abgeschlossen" diese Wirklich-keit?Nein, die Formel ist veraltet. Sie taugt nichts. Sie ist tot. Vergeblichwerden die Bemhungen sein, sie zu neuem Leben zu erwecken.Zweitens. Eine praktische Frage. Es ist unbekannt, ob es in Rulandjetzt noch eine besondere, von der brgerlichen Regierung losgelsterevolutionr-demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauern-schaft" geben kann. Die marxistische Taktik aber darf nicht auf Unbe-kanntem aufgebaut werden.Wenn das noch der Fall sein kann, so ist der Weg dazu einzig undallein der: sofortige, entschiedene, unwiderrufliche Loslsung der prole-tarischen, kommunistischen Elemente der Bewegung von den kleinbrger-lichen Elementen.Warum?Weil das gesamte Kleinbrgertum nicht zufllig, sondern zwangslufigzum Chauvinismus (= Vaterlandsverteidigung"), zur Untersttzung"3 Lenin, W erk e, Bd. 24

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    34 rW. 1 Centnder Bourgeoisie umgeschwenkt ist, sich von ihr abhngig gemacht hat,weil es Angst hat, ohne sie nicht auskommen zu knnen, usw. usf.Wie kann man das Kleinbrger tum drngen",die Macht zu ergreifen,wenn es diese schon jetzt ergreifen kann, sie aber nicht ergreifen will?Nur durch die Loslsung der proletarischen, kommunistischen Partei,nur durch den proletarischen Klassenkampf, der frei ist von der Zag-haftigkeit dieser Kleinbrger. Nur der Zusammenschlu der Proletarier,die nicht in Worten, sondern tatschlich frei sind von dem Einflu desKleinbrgertums, vermag den Boden unter den Fen des Kleinbrger-tums so hei" zu machen, da es unter gewissen Voraussetzungen dieMacht wird ergreifen mssen. Ja, es ist nicht einmal ausgeschlossen, daGutschkow und Miljukow - wiederum unter gewissen Um stnde n - frdie uneingeschrnkte Herrschaft, fr die Alleinherrschaft Tschcheidses,Zeretelis, der Sozialrevolutionre, Steklows sein werden, denn diese sinddoch immerhin Vaterhndsverteidiger" !

    W er je tzt, unverzglich und unw iderruflich, die proletarischen Ele-me nte d er Sowjets (d. h. die proletarische, kommunistische Partei) vonden kleinbrgerlichen Elementen loslst, der bringt in beiden mglichenFllen die Interessen der Bewegung richtig zum Ausdruck: sowohl f rden Fall, da Ruland noch eine besondere, selbstndige, der Bourgeoisienicht untergeordnete Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft"erlebt, als audb fr den Fall, da das Kleinbrgertum sich von der Bour-geoisie nicht loszulsen verm ag .und ewig (d. h. bis zu m Sozialismu s)zwischen dieser und uns schwanken wird.

    Wer sich in seiner Ttigkeit nur von der einfachen Formel die br-gerlich-demokratische Revolution ist nidit abgeschlossen" leiten lt, derbernimmt damit eine Art Garantie dafr , da das Kleinbrger tum be-stimmt fhig sei, von der Bourgeoisie unabhngig zu sein. Der liefertsich dadurch im gegebenen Augenblick dem Kleinbrgertum hilflos aufGnade und Ungnade aus .

    Im brigen wrde es immerhin nichts schaden, wenn man sich hin-sichtlich der Formel" Diktatur des Proletariats und der Bauernschaftan das erinnerte, was ich in der Schrift Zwei Taktiken" (Juli 1905) be-sonders hervorgehoben hab e (S. 435 des Sammelbandes 12 Jah re" 2 2 ) :Die revolutionr-demokratische Diktatur des Proletariats und derBauernschaft hat, wie alles auf der Welt, eine Vergangenheit und eine

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    "Briefe ber die 7ak.Uk 35Zukunft. Ihre Vergangenheit sind die Selbstherrschaft, die Leibeigen-schaft, die Monarchie, die Privilegien.. . Ihre Zukunft ist der Kampfgegen das Privateigentum, der Kampf des Lohnarbeiters gegen den Un-ternehm er, der Kampf fr d en Soz ialism us.. ."*Der Fehler des Gen. Kamenew ist, da er auch 1917 nur die Vergan-genheit der revolutionr-demokratischen Diktatur des Proletariats undder Bauernschaft sieht. 7n Wirklichkeit aber hat fr diese Diktatur be-reits die Zukunft begonnen, denn die Interessen und die Politik desLohnarbeiters und des Kleineigentmers haben sich in Wirklichkeit b e-reits voneinander getrennt, und zwar in einer so beraus wichtigen Fragewie der der Vaterlandsverteidigung", wie der der Stellung zum impe-rialistischen Krieg.Und hier bin ich bei dem zweiten Fehler in der oben angefhrtenArgumentation des Gen. Kamenew angelangt. Er wirft mir vor, meinSchema sei berechnet" auf die sofortige Umwandlung dieser (der br-gerlich-demokratischen) Revolution in eine sozialistische".Das stimmt nicht. Ich rechne" nicht mit einer sofortigen Umwand-lung" unserer Revolution in eine sozialistische, sondern warne im Ge-genteil geradezu davor, erklre ausdrcklich in These Nr. 8:. . . 7VT i c h tEinfhrung' des Sozialismus als unsere unmittelbare Aufgabe ..."**.Ist es nicht klar, da ein Mensch, der mit der sofortigen Umwandlungunserer Revolution in eine sozialistische rechnet, nicht gegen die Einfh-rung des Sozialismus als unmittelbare Aufgabe auftreten knnte?M eh r noch. Selbst ein K omm unestaat" (d. h. ein nach dem Vorbildder Pariser Kommune organisierter Staat) lt sich in Ruland nicht-sofort" einfhren, denn dazu ist erforderlich, da die Mehrheit derDeputierten in allen (oder jedenfalls;in den meisten) Sowjets klar er-kennt, wie falsch und schdlich die Taktik und die Politik der Sozial-revolutionre, der Tschcheidse, Zereteli, Steklow usw. ist. Ich habe aberganz eindeutig erklrt, da ich hierbei nur auf eine geduldige" (brauchtma n den n Geduld , um eine n derun g zu erlangen, die ma n sofort"verwirklichen kann?) Aufklrungsarbeit rechne"!

    Gen. Kamenew hat sich in seiner Ungeduld" ein wenig hinreienlassen und das brgerliche Vorurteil ber die Pariser Kommune wieder* Siehe W erke, Bd. 9, S.74 . "DieHed.** Siehe den vorliegenden Band, S. 6. Die "Red.

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    36 TV. 1. Leninhervorgeholt, wonach sie sofort" den Sozialismus habe einfhren wol-len. Dem ist nicht so. Die Kommune hat leider mit der Einfhrung desSozialismus zu sehr gezgert. Das wirkliche Wesen der Kommune liegtnicht dort, wo es die Bourgeois gewhnlich suchen, sondern in der Schaf-fung eines besonderen S taatstypus. Ein solcher Staat ist aber in Rulandbereits entstanden, und zwar eben in Gestalt der Sowjets der Arbei-ter- und Soldatendeputierten!Gen. Karnenew hat sich in die 7atsadhe, in die Bedeutung der existie-renden Sowjets, in die - ihrem Typus, ihrem sozialen und politischenCharakter nach gegebene - Identitt der Sowjets m it dem Kommunestaatnicht hineingedacht und, anstatt diese Tatsache zu untersuchen, angefan-gen, von Dingen zu reden, auf die ich angeblich als sofortige" Zukunftrechne". Dies aber ist leider nichts anderes als der Kniff vieler Bour-geois: von der Frage, was sind die Sowjets der Arbeiter- und Soldaten-deputierten, verkrpern sie einen hheren Typus als die parlamentarischeRepublik, sind sie fr das Volk ntzlicher, sind sie demokratischer, sindsie fr den Kampf z. B. gegen die Lebensmittelnot usw. geeigneter - vondieser aktuellen, realen, vom Leben selbst auf die Tagesordnung gesetz-ten Frage wird die Aufmerksamkeit abgelenkt auf die leere, pseudo-wissenschaftliche, in Wirklichkeit inhaltlose, professoral leblose Frage,ob man auf eine sofortige Umwandlung" rechnen" knne.Eine leere, falsch gestellte Frage. Ich rechne" nur darauf, ausschlie-lich darauf, da die Arbeiter, Soldaten und Bauern besser als die Be-amten, besser als die Polizisten mit den praktischen schwierigen Fragender Steigerung der Getreideproduktion, der besseren Brotverteilung, derbesseren Versorgung der Soldaten usw. usf. fertig werden.Ich bin der festen berzeugung, da die Sowjets der Arbeiter- undSoldatendeputierten die Selbstttigkeit der Masse des Volkes schnellerund besser zur Entfaltung bringen werden als die parlamentarische Re-publik (einen ausfhrlicheren Vergleich der beiden Staatstypen in einemanderen Brief). Sie werden besser, praktischer, richtiger entscheiden,welche Schritte zum Sozialismus man tun kann und wie man sie tunkann. Die Kontrolle ber die Banken, die Verschmelzung aller Bankenzu einer einzigen, das ist noch nicht Sozialismus, aber ein Schritt zumSozialismus. Solche Schritte tun heute der Junker und der Bourgeois inDeutschland gegen das Volk. Weit besser wird sie morgen zum Nutzen

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    "Briefe ber die Taktik 37des Volkes der Sowjet der Soldaten- und Arbeiterdeputierten tun kn-nen, wenn die ganze Staatsmacht in seinen Hnden liegt.Was aber zwing t zu solchen Schritten?Der Hunger . Die Zerr t tung der Wir tschaf t . Der drohende Zusam-menbruch. Die Schrecken des Krieges. Die schrecklichen Wunden, die derKrieg der Menschheit schlgt.Gen. Kamenew schliet seine Notiz mit der Erklrung, er hoffe, ineiner breiten Diskussion seinen Standpunkt durchzusetzen, einen Stand-punkt, der fr die revolutionre Sozialdemokratie, sofern sie konsequentdie Partei der revolutionren Massen des Proletariats bleiben und sichnicht in eine Gruppe kommunistischer Propagandisten verwandeln willund soll, der einzig mgliche ist".M ir scheint, da diese W or te eine grundfalsche Einschtzung de r gegen-wrtigen Lage verraten. Gen. Kamenew stell t die Partei der Massen"einer Gruppe von Propagandisten" entgegen. Aber die Massen" s indja gerade jetzt dem Taumel der revolutionren" Vaterlandsverteidigungerleg en. Ist es in ein em solchen Augenb lick nicht auch fr Inte rna tion a-lis ten geziemender, dem Massen"taumel zu widerstehen, als bei denMassen bleiben zu wollen", d. h. Opfer der allgemeinen Seuche zu wer-den? Haben wir nicht in allen kriegfhrenden europischen Lndern ge-sehen, wie die Chauvinisten sich damit zu rechtfertigen suchten, da esihr Wu nsch sei, bei den Massen zu bleiben " ? Mssen w ir es nicht ver-stehen, eine gewisse Zeit lang gegen den Massen"taumel in der Minder-heit zu sein? Ist denn nicht die Arbeit eben der Propagandisten geradeim gegenwrtigen Augenblick der Angelpunkt, um die proletarische Liniefrei zu madben von dem kleinbrgerlichen Massen"taumel der Vater-landsverteidigung? Gerade das Ineinanderflieen der Massen, der prole-tarischen wie der nichtproletarischen, ungeachtet der Klassenunterschiedeinnerhalb der Massen, war eine der Voraussetzungen der Vaterlandsver-teidigungspsychose. Es ist wahrlich wenig angebracht, verchtlich voneiner Gruppe von Propagandisten" der proletarischen Linie zu reden.Qesdbrieben zwisdben dem 8. und 13.[21. und 26.) April 1917.Verffentlicht im April 1917 Tadb dem 1'ext der Broschre.als Broschre im V erlag Priboi".

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    D I E A U F G A B E N D E S P R O L E T A R I A T SI N U N S E R E R R E V O L U T I O N

    (Entwurf einer Plattform der proletarischen Partei)

    Zuerst verffentHdot Jia&i dem 7 ext der Broschre,im September i9f7 als"Broschre im Verlag Triboi".Unterschrift .-SV. Lenin.

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    Umschlag der Broschre W.I.LeninsDie Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution"1917Verkleinert

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    Der gegenwrtige historische Zeitpunkt in Ruland wird durch fol-gende Hauptzge charakterisiert:

    DER KLASSENCHARAKTER DER JNGSTEN REVOLUTION1. Die alte Zarenmacht, die nur eine Handvoll fronherrlicher, die ganzeStaatsmaschinerie (Heer, Polizei, Beamtenschaft) beherrschender Guts-besitzer reprsentierte, ist zerschlagen und beseitigt, aber nicht endgltigzur Strecke gebracht. Die Monarchie ist faktisch nicht vernichtet. DieRomanowbande fhrt fort, monarchistische Rnke zu schmieden. Derriesige Bodenbesitz der fronherrlichen Gutsbesitzer ist nicht liquidiert.2. Die Staatsmacht ist in Ruland in die Hnde einer neuen Xlassebergegangen, und zwar in die der Bourgeoisie und der verbrgerlichtenGutsbesitzer. "Insofern ist die brgerlich-demokratische Revolution inRuland abgeschlossen.Die zur Macht gelangte Bourgeoisie hat einen Block (Bund) mit ausge-sprochen monarchistischen Elementen geschlossen, die sich in den Jahren1906-1914 durch die Nikolaus dem Blutigen und Stolypin dem Henkererwiesene unerhrt eifrige Untersttzung hervorgetan haben (Gutschkowund andere rechts von den Kadetten stehende Politiker). Die neue br-gerliche Regierung Lwowund Co. versuchte mit den Romanows Verhand-lungen ber die Wiederherstellung der Monarchie in Ruland zu fhrenund h at solche Verhandlungen begonnen. Unter einem Schwall revolutio-nrer Phrasen besetzt diese Regierung im stillen die leitenden Stellen mitAnhngern des alten Regimes. Das Streben dieser Regierung ist darauf

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    42 W. 7. Leningerichtet, den ganzen Apparat der Staatsmaschinerie (Heer, Polizei,Beamtenschaft), den sie in die Hnde der Bourgeoisie gelegt ha t, so wenigwie mglich zu reformieren. Die in den Massenaktionen zum Ausdruckkommende revolutionre Initiative, die Machtergreifung durch das Volkvon unten her - diese einzige Brgschaft fr wirkliche Erfolge der Revolu-tion - sucht die neue Regierung bereits jetzt in jeder Weise zu behindern.Diese Regierung hat bis heute den Einberufungstermin der Konstitu-ierenden Versammlung noch nicht einmal festgesetzt. Den gutsherrlichenGrundbesitz, diese materielle Grundlage des feudalen Zarismus, tastetsie nicht an. Diese Regierung denkt gar nicht daran, die Machenschaftender monopolistischen Finanzorganisationen, der Grobanken, der kapita-listischen Syndikate und Kartelle usw. zu untersuchen und zu publizie-ren, die Kontrolle ber sie zu errichten.Die wichtigsten, ausschlaggebenden Ministerposten in der neuen Regie-rung (das Ministerium des Innern, das Kriegsministerium, d. h. die Be-fehlsgewalt ber das Heer, die Polizei, die Beamtenschaft, ber den gan-zen Apparat zur Unterdrckung der Massen) werden von notorischenMonarchisten und Parteigngern des gutsherrlichen Grogrundbesitzesbekleidet. Den Kadetten, diesen Republikanern seit gestern, diesen Repu-blikanern wider Willen, sind zweitrangige Posten berlassen worden, dieweder zur Befebkgewalt ber das Volk noch zum Apparat der Staats-macht unmittelbare Beziehung haben. A. Kerenski, der Vertreter derTrudowiki und Auch-Sozialist", spielt berhaupt keine Rolle, er istlediglich berufen, die Wachsamkeit und Aufmerksamkeit des Volkes mittnenden Phrasen einzuschlfern.Aus allen diesen Grnden verdient die neue brgerliche Regierungselbst auf dem Gebiet der Innenpolitik nicht das geringste Vertrauen desProletariats, und jede Untersttzung der neuen Regierung seitens desProletariats ist unzulssig.

    DIE AUSSENPOLITIK DER NEUEN REGIERUNG4. In der Auenpolitik, die infolge der objektiven Bedingungen jetztim Vordergrund steht, ist die neue Regierung eine Regierung der Fort-setzung des imperialistischen Krieges, eines Krieges im Bndnis mit den

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    Die Aufgaben des Proletariats n unserer Revolution 43imperialistischen Mchten, mit England, Frankreich usw., eines Kriegesum die Teilung der kapitalistischen Beute, um die Erdrosselung der klei-nen und schwachen Vlker.Den Interessen des russischen Kapitals und seines mchtigen Gnnersund Gebieters, des englisch-franzsischen imperialistischen Kapitals, desreichsten in der ganzen Welt, untergeordnet, hat die neue Regierung ent-gegen den vom Sowjet der Soldaten- und Arbeiterdeputierten im Namender unzweifelhaften Mehrheit der Vlker Rulands in der entschieden-sten Weise ausgesprochenen Wnschen keine realen Schritte unternom-men, um dem Vlkergemetzel, das um der Interessen der Kapitalistenwillen veranstaltet wurde, ein Ende zu bereiten. Sie hat nicht einmal jenegeheimen, ausgesprochen auf Raub abzielenden Vertrge (ber die Auf-teilung Persiens, ber die Ausplnderung Chinas, ber die Ausplnde-rung der Trkei, ber die Aufteilung sterreichs, ber die AnnexionOstpreuens, ber die Annexion der deutschen Kolonien usw.) verffent-licht, die, wie jeder wei, Ruland an das englisch-franzsische imperia-listische Raubkapital ketten. Sie hat diese Vertrge besttigt! die vomZarismus geschlossen wurden vom Zarismus, der im Laufe der Jahr-hunderte mehr Vlker ausgeraubt und unterdrckt hat als die anderenTyrannen und Despoten, der das grorussische Volk nicht nur unter-drckte, sondern auch mit Schmach bedeckte und korrumpierte, indemer es zum Henker anderer Vlker machte.

    Die neue Regierung, die diese schndlichen Raubvertrge besttigte,hat es unterlassen, allen kriegfhrenden Vlkern den sofortigen Waffen-stillstand anzubieten, entgegen den durch die Sowjets der Arbeiter- undSoldatendeputierten klar zum Ausdruck gebrachten Forderungen derMehrheit der Vlker Rulands. Sie beschrnkte sich auf feierliche, wohl-tnende, hochtrabende, aber gnzlich nichtssagende Deklarationen undPhrasen, die im Munde brgerlicher Diplomaten stets dazu dienten unddienen, die vertrauensseligen und naiven Massen des geknechteten Vol-kes zu betrgen.

    4. Das ist der Grund, warum die neue Regierung in der Auenpolitiknicht das geringste Vertrauen verdient und warum auch ein weiteres Wie-derholen der Forderungen, diese Regierang mge den Friedenswillen derVlker Rulands kundtun, sie mge auf Annexionen verzichten usw.usf., in Wirklichkeit nur bedeutet, das Volk zu betrgen, in ihm uner-

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    44 W. 7. Leninfllbare Hoffnungen zu wecken, die Klrung seines Bewutseins hinaus-zuzgern, es indirekt auszushnen mit der Fortsetzung des Krieges, des-sen wahrer sozialer Charakter nicht durch fromme Wnsche bestimmtwird, sondern durch den Klassencharakter der kriegfhrenden Regierung,durch die Verknpfung der von dieser Regierung vertretenen Klasse mitdem imperialistischen Finanzkapital Rulands, Englands, Frankreichsusw., durch die reale, wirklidbe Politik, die diese Klasse betreibt.

    DIE EIGENARTIGE DOPPELHERR SCHAFTUND IHRE KLASSENMSSIGE BEDEUTUNG

    5. Die wichtigste Besonderheit unserer Revolution, eine Besonderheit,die es unbedingt notwendig macht, da m an sich ernsthaft mit ihr befat,ist die gleich in den ersten Tagen nach dem Sieg der Revolution entstan-dene Doppelherrschaft.Diese Doppelherrschaft kommt zum Ausdruck in dem Bestehen zweierRegierungen: der eigentlichen, wirklichen Hauptregierung, der Regierungder Bourgeoisie, der Provisorischen Regierung" Lwow und Co., die beralle Machtorgane verfgt, und der zustzlichen, kontrollierenden"Nebenregierung in Gestalt des Petrograder Sowjets der Arbeiter- undSoldatendeputierten, d ie ber keine Organe der Staatsmacht verfgt, sichaber unmittelbar auf die anerkannt absolute Mehrheit des Volkes, aufdie bewaffneten Arbeiter und Soldaten sttzt.Klassenmig liegt die Quelle und die Bedeutung dieser Doppelherr-schaft darin, da die russische Revolution vom Mrz 1917 nicht nur diegesamte Zarenmonarchie hinweggefegt, nicht nur der Bourgeoisie dieganze Macht bergeben hat, sondern auch didht an die revolutionr-demokratische Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft herange-kommen ist. Gerade eine solche Diktatur (d. h. eine Macht, die sich niditauf das Gesetz sttzt, sondern auf die unmittelbare Gewalt der bewaff-neten Bevlkerungsmassen), und zwar gerade der genannten Klassen,bilden der Petrograder Sowjet sowie die anderen, rtlichen Sowjets derArbeiter- und Soldatendeputierten.6. Eine weitere, im hchsten Grade wichtige Besonderheit der russi-schen Revolution ist, da der Petrograder Sowjet der Soldaten- und

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    Die Aufgab en des Proletariats in unserer Revolution 45Arbeiterdeputierten, der allem Anschein nach das Vertrauen der Mehrheitder rtlichen Sowjets geniet, der Bourgeoisie und ihrer ProvisorischenRegierung die Staatsmacht freiwillig abtritt, da er ihr freiwillig denVorrang lt, da er mit ihr ein Abkommen traf, sie zu untersttzen, daer sich mit der Rolle eines Beobachters begngt, eines Kontrolleurs derEinberufung der Konstituierenden Versammlung (deren Einberufungs-termin die Provisorische Regierung bis jetzt noch nicht einmal bekannt-gegeben hat).Dieser beraus eigenartige, in dieser Form in der Geschichte noch niedagewesene Umstand hat zwei Diktaturen miteinander und ineinanderverflochten-, die Diktatur der Bourgeoisie (denn die Regierung Lwowund Co. ist eine Diktatur, d. h. eine Staatsmacht, die sich nicht auf dasGesetz und nicht auf den vom Volk vorher kundgegebenen Willen sttzt,sondern auf die gewaltsame Machtergreifung, wobei die Macht von einerbestimmten Klasse, und zwar von der Bourgeoisie, ergriffen wurde) unddie Diktatur des Proletariats und der Bauernschaft (der Sowjet derArbeiter- und Soldatendeputierten).Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, da sich eine derartigeVerflechtung" nicht lange halten kann. Zwei Staatsgewalten knnen ineinem Staate nicht bestehen. Eine von ihnen mu verschwinden, unddie ganze Bourgeoisie Rulands ist bereits mit aller Kraft am Werke,die Sowjets der Soldaten- und Arbeiterdeputierten mit allen mglichenMitteln berall auszuschalten, zu schwchen, zu einem Nichts herabzu-drcken und die Alleinherrschaft der Bourgeoisie zu errichten.Die Doppelherrschaft bringt nur jenen Tibergangsmoment in der Ent-wicklung der Revolution zum Ausdruck, an dem diese zwar ber diegewhnliche brgerlich-demokratische Revolution hinausgegangen, abernoch nicht bis zur reinen" Diktatur des Proletariats und der Bauern-schaft gelangt ist.Die klassenmige Bedeutung (und die klassenmige Erklrung) die-ser labilen Ubergangssituation besteht in folgendem: W ie jede Revolution,hat auch unsere Revolution das grte Heldentum, die grte Selbstauf-opferung der Masse fr den Kampf gegen den Zarismus erfordert undzugleich mit einem Schlag eine unerhrt groe Zahl von Kleinbrgernin die Bewegung hineingezogen.Eines der wissenschaftlichen und praktisch-politischen Hauptmerkmale

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    46 . ., l/V.. 1 Leninjeder wirklichen Revolution ist das ungewhnlich schnelle, jhe, schroffeAnwachsen der Zahl der zur aktiven, selbstndigen, tatkrftigen Anteil-nahme am politischen Leben, an der Qestaltung des Staates bergehen-den Kleinbrger. . .So audi in Ruland. Ruland ist heute in W allung geraten. Die Millio-nen und aber Millionen, die zehn Jahre lang politisch geschlafen haben,in denen das furchtbare Joch des Zarismus und die Zwangsarbeit fr dieGutsbesitzer und Fabrikanten jede politische Regung erstickt haben, sinderwadht und drngen zur Politik. Wer aber sind diese Millionen undaber Millionen? Grtenteils sind es Kleineigentmer, Kleinbrger^Leute, die in der Mitte zwischen Kapitalisten und Lohnarbeitern stehen.Ruland ist das kleinbrgerlichste Land unter allen europischen Ln-dern.Die riesige kleinbrgerliche Woge hat alles berflutet, sie hat dasklassenbewute Proletariat nicht nur durch ihre zahlenmige Strke,sondern auch ideologisch berwltigt, das heit, sie hat sehr breite Ar-beiterkreise mit kleinbrgerlichen politischen Ansichten angesteckt, er-griffen.Das Kleinbrgertum ist im Leben von der Bourgeoisie abhngig, da esselbst ein Eigentmer- und kein Proletarierdasein fhrt (was seine Stel-lung innerhalb der gesellschaftlichen Produktion betrifft), und in seinerDenkart folgt es der Bourgeoisie.Blinde Vertrauensseligkeit gegenber den Kapitalisten, diesen schlimm-sten Feinden des Friedens und des Sozialismus - das ist es, was die gegen-wrtige Politik der Massen in Ruland kennzeichnet, das ist es, was mitrevolutionrer Schnelligkeit auf dem sozial-konomischen Boden deskleinbrgerlichsten aller europischen Lnder emporgeschossen ist. Dasist die Xlossengrundlage des Abkommens" (ich betone, da ich nicht sosehr das formelle A bkommen als vielmehr die tatschliche Untersttzung,die stillschweigende bereinkunft, das blind vertrauensselige Abtretender Macht im Auge habe) zwischen der Provisorischen Regierung unddem Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierte